Kommando - Rachel Bach - E-Book

Kommando E-Book

Rachel Bach

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Beschreibung

Seit sie auf dem Raumschiff von Captain Caldswell angeheuert hat, gleicht das Leben von Devi Morris einem Desaster: Intrigen, feindliche Aliens und ein tödlicher Virus, der sie befallen hat. Doch als nach dem Verschwinden des Captain selbst die eigene Regierung Jagd auf sie macht, trifft Devi eine Entscheidung: Sie wird sich nicht länger verstecken – sondern den Kampf aufnehmen. Jetzt übernimmt sie das Kommando ...

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Das Buch

Seit sie auf dem Raumschiff von Captain Caldswell angeheuert hat, gleicht das Leben von Devi Morris einem Desaster: Intrigen, feindliche Aliens und ein tödlicher Virus, der sie befallen hat. Doch als nach dem Verschwinden des Captains selbst die eigene Regierung Jagd auf sie macht, trifft Devi eine Entscheidung: Sie wird sich nicht länger verstecken – sondern den Kampf aufnehmen. Jetzt übernimmt sie das Kommando …

Rachel Bachs PARADOX-Saga:

Erster Roman: Sternenschiff

Zweiter Roman: Söldnerehre

Dritter Roman: Kommando

Die Autorin

Rachel Bach wuchs in Atlanta auf und wollte schon früh Schriftstellerin werden. Sie entschied sich für das Schreiben und lebt mit ihrem Sohn, ihrem Mann, ihrem Hund und einer vor Büchern berstenden Bibliothek zurzeit in Athen.

Mehr über Rachel Bach und ihre Romane erfahren Sie auf:

Rachel Bach

DIE PARADOX-SAGA

Kommando

Roman

Deutsche Erstausgabe

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Titel der amerikanischen OriginalausgabeHEAVEN’S QUEEN Deutsche Übersetzung von Michael Pfingstl
Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.
Redaktion: Ralf Dürr Copyright © 2014 by Rachel Aaron Copyright © 2017 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Für meine Leser, die wunderbaren Menschen,

deren Unterstützung es mir ermöglicht,

den besten Beruf der Welt auszuüben.

Alle meine Bücher sind für Euch,

aber dieses hier ganz besonders.

Danke.

Prolog

Kommandant Brian Caldswell, Leiter einer wenig bekannten Organisation mit dem unglücklichen Namen »Vereinte Einsatzgruppe zur Untersuchung von Raumanomalien«, stand auf der Brücke des republikanischen Schlachtkreuzers, den er vor einer Stunde vom Flottenkommando angefordert hatte. Durch das Beobachtungsfenster starrte er hinaus in die schwarze Leere, wo sich eigentlich ein blühender Planet mit dreizehn Milliarden Einwohnern befinden sollte, und fragte sich, wie die Dinge in so kurzer Zeit derart aus dem Ruder hatten laufen können.

Sieben Jahre bekämpften sie die Phantome nun schon. Sieben Jahre ständiger Arbeit, während derer er seine Frau und die gemeinsame Tochter kein einziges Mal gesehen hatte. Aber in all den sieben Jahren hatte er kein einziges Mal versagt. Sie waren immer rechtzeitig da gewesen und hatten die Phantome von den Kolonieplaneten vertrieben. Selbst während der letzten achtzehn Monate, als die Angriffe so häufig wurden, dass es unmöglich schien, sie alle aufzuhalten, hatte Caldswells Team es jedes Mal geschafft. Immer. Bis gestern.

»Schuldgefühle bringen niemanden weiter.«

Um ein Haar hätte Caldswell einen Satz in die Luft gemacht. John Brenton stand plötzlich neben ihm, so nahe, dass er fast seinen Arm berührte, trotzdem hatte Caldswell ihn nicht kommen hören. Verfluchte Symbionten, dachte er wütend. Dr. Strauss wollte ihm ebenfalls einen einsetzen, aber das kam nicht infrage. Die ersten fünfzehn Jahre seiner Laufbahn hatte Caldswell damit verbracht, Sklaven aus den Fängen der Echsen zu befreien. Niemals würde er sich jetzt von einem Arzt ihr Erbgut ins Gehirn pflanzen lassen.

Brenton sprach unterdessen weiter. »Selbst wenn wir sofort gestartet wären, als der Gravitationsalarm losging, wäre der Planet bei unserem Austritt aus dem Hyperraum bereits zu instabil gewesen«, sagte er und starrte hinunter auf die wenigen Flüchtlingsschiffe, die sich im Schatten des Schlachtkreuzers zusammendrängten. Zehntausend Überlebende, mehr war von der republikanischen Kernwelt Svenya nicht mehr übrig. »Das Einzige, was wir tun können, ist, dafür zu sorgen, dass es nie wieder passiert.«

Caldswell blickte über die Schulter. »Und wie sollen wir das deiner Meinung nach anstellen?«

Maat lag hinter ihm, unter Brentons Jacke zu einer Kugel zusammengerollt, auf dem Boden. Dr. Strauss, allgemein anerkannter Plasmex-Experte und Maats Betreuer, kniete neben ihr und versuchte sanft, sie zum Aufstehen zu bewegen. Maat schien ihn nicht einmal zu hören. Sie lag einfach nur da, die dunklen Augen glasig und leer, und dennoch voller Angst. Der Anblick jagte Caldswell einen eiskalten Schauer über den Rücken, denn er bedeutete, dass sie Maat wahrscheinlich wieder betäuben mussten.

Maat war eine mächtige Plasmex-Manipulatorin, die sie aus einem Labor der Xith’cal befreit hatten. Labil war sie schon immer gewesen, aber die Medikamente waren erst letztes Jahr notwendig geworden. Die zunehmende Zahl der Phantom-Angriffe hatte ihre Anfälle immer schlimmer werden lassen, erst vor zwei Tagen hatten sie Maat regelrecht ins Koma versetzen müssen. Caldswell hätte die nächste Dosis niemals nach so kurzer Zeit angeordnet, aber als sie Svenya erreichten, war Maat hysterisch geworden. Als Brenton sie endlich mit der Spritze erwischte, hatte sie bereits über die Hälfte der Besatzung umgebracht. Sie hatte irgendetwas von einem Gott geschrien, einem Ungeheuer, das so groß war wie der Himmel selbst, und dann das Bewusstsein verloren. Zuerst hatte Caldswell noch geglaubt, sie fantasiere, aber da hatte er noch nicht gewusst, dass das Phantom, das sie hier jagen sollten, in weniger als einem galaktischen Standardtag einen Erdklasseplaneten vernichtet hatte. Jetzt war er sich nicht mehr so sicher, ob Maat wirklich übertrieben hatte.

»Sie ist stark«, sagte Brenton ernst. »Sie weiß sich zu helfen.«

»Und was, wenn nicht?«, fragte Caldswell. »Was, wenn dieses Ding wirklich so groß ist, wie sie behauptet? Das größte bisher maß, wie viel, fünfzehn Meter?«

»Dreizehn. Und sie ist damit zurechtgekommen.«

»Und trotzdem ist sie zusammengebrochen, als sie dieses hier sah«, entgegnete Caldswell nickend, als hätte Brenton seine Befürchtung soeben bestätigt. »Hast du die Schiffe gesehen, die es zerstört hat? Riesige Frachter, einfach zerquetscht wie Blechbüchsen. Das Vieh muss mehrere Kilometer lang sein, und es ist immer noch da draußen.«

Da Maat außer Gefecht war, hatte Caldswell Aufklärungsdrohnen losgeschickt. Jetzt wartete er darauf, dass die Verbindung zu ihnen abriss, sobald sie die Aura des Phantoms erreichten. Diese Methode war zuverlässiger, als aufs Geratewohl das Feuer zu eröffnen, bis eine der Granaten zufällig ins Ziel traf. Caldswell musste unbedingt wissen, ob das Ding sich bewegte. Svenya war bei Weitem die größte Kolonie in diesem System gewesen, aber auch die anderen Planeten hatten mehrere Millionen Einwohner. Wenn das Ungeheuer sich auf einen davon stürzte, musste er etwas unternehmen. Was, wusste er selbst nicht. »Vielleicht sollten wir es noch einmal mit Nuklearsprengköpfen versuchen.«

Brenton schnaubte. »Die haben schon bei den Kleinen nicht funktioniert. Ein Phantom von dieser Größe würde nicht mal etwas merken.« Er schüttelte den Kopf. »Maats Kräfte sind das Einzige, das ihnen etwas anhaben kann.«

»Dann mal her mit deinen Vorschlägen«, fauchte Caldswell. »Wir haben es mit einem Monster zu tun, das innerhalb eines einzigen Tages einen ganzen Planeten zerstört hat und das wir weder sehen noch verfolgen, geschweige denn bekämpfen können. Seine bloße Gegenwart hat genügt, um unsere einzige brauchbare Waffe in ein Angstkoma fallen zu lassen, und das Oberkommando erwartet, innerhalb der nächsten Stunde von mir zu hören, wir hätten alles unter Kontrolle. Und jetzt, John, sag mir, was wir tun sollen!«

»Die Wahrheit sagen«, erwiderte Brenton. »Sag ihnen, wir haben die Situation nicht unter Kontrolle, weil etwas von dieser Größenordnung nicht kontrollierbar ist. Am besten evakuieren wir die restlichen Kolonien und riegeln den gesamten Sektor ab. Dass Phantome sich mit Überlichtgeschwindigkeit fortbewegen, ist nicht bewiesen. Wenn wir ihm genug Platz lassen, sehen wir es vielleicht nie wieder.«

»Dass sie es nicht tun, ist ebenso wenig bewiesen«, gab Caldswell zurück. »Seit sieben Jahren wissen wir nicht das Geringste über sie. Wir wissen nicht einmal, ob das Ungeheuer da draußen das einzige ist. Die Phantom-Population ist während der letzten zwölf Monate exponentiell angestiegen, und wir wissen weder warum noch woher sie kommen. Sicher scheint nur, dass es wohl so weitergehen wird.«

Was unser aller Ende wäre, dachte er schaudernd. Caldswell hatte die Xith’cal immer für die größte Bedrohung der Menschheit gehalten, aber die Echsen waren nichts im Vergleich zu diesem unsichtbaren Feind. Schließlich wandte er sich wieder dem Sichtfenster zu. »Wir müssen etwas unternehmen. Einen Weg finden, es irgendwie einzusperren oder …«

Ein tiefes Stöhnen ging durch das Schiff, und Caldswell verstummte. Es war mehr ein Gefühl als ein Geräusch, ein Druck in seinem Schädel, den er mittlerweile nur zu gut kannte: Es war der Schrei des Phantoms, aber einen so tiefen und durchdringenden hatte er noch nie gehört. Die Schiffsbeleuchtung begann zu flackern, dann neutralisierten Maats Kräfte die Aura des Phantoms, und Caldswell atmete auf.

»Es kommt näher«, sagte er, nachdem der Schrei verhallt war, den Blick auf Dr. Strauss gerichtet. »Ben! Wie schnell können Sie Maat wieder aufwecken?«

Dr. Strauss schüttelte so heftig den Kopf, dass ihm die dünnen, weißblonden Haarsträhnen ins kalkweiße Gesicht schlugen. »Es wäre äußerst unklug, ihre Harmonie jetzt zu stören. Sie steht immer noch unter der Einwirkung des Traumas, das der Anblick des Ungeheuers verursacht hat. Wenn wir sie jetzt aufwecken, steigt das Risiko eines vollständigen psychotischen Zusammenbruchs überproportional an.«

Noch während er sprach, flackerte die Beleuchtung erneut. Diesmal gingen nur die Notfalllichter an.

Caldswell fluchte. »Tun Sie’s«, befahl er knapp. »Um die Konsequenzen kümmern wir uns später.«

Brenton packte Caldswell am Arm. »Wir wissen nicht einmal, ob sie überhaupt etwas ausrichten kann. Willst du wirklich riskieren, dass ihr etwas zustößt? Unserer einzigen Waffe?«

»Wenn dieses Ding uns erwischt, solange sie noch schläft, sind wir alle tot«, erwiderte Caldswell und sprang in den Geschützstand. Phantome ließen sich weder mit Sprengköpfen noch mit Energiewaffen töten, aber sie spürten den Schmerz. Falls ihm ein Treffer gelang, konnte er vielleicht …

Der Kreuzer erzitterte, als etwas gegen die Backbordseite schlug. Etwas Großes. Selbst auf Notenergie richteten die Steuerdüsen das Schiff sofort wieder aus, doch Caldswell hatte endgültig genug.

»Wecken Sie sie!«, schrie er und entsicherte mit einem Knopfdruck die Geschützbatterien, aber noch bevor er das Feuer eröffnen konnte, hallte schon der nächste Schrei durch die Brücke. Wie ein Meißel bohrte er sich in seinen Schädel. Im ersten Moment glaubte Caldswell, sie würden von einem weiteren, kleineren Phantom angegriffen, dann sah er Maat mit weit aufgerissenem Mund aufspringen.

»Sie kommen!«

Wie immer war Brenton als Erster bei ihr. »Ganz ruhig«, flüsterte er und schloss sie in die Arme. »Wer kommt?«

Maat vergrub das Gesicht an Brentons Brust, und Caldswell spürte einen Stich im Herzen. Maat war jetzt fast zwanzig, aber in diesem Zustand sah sie wieder genauso aus wie das kleine Mädchen, das sie vor so langer Zeit aus dem Xith’cal-Labor befreit hatten. Das kleine Mädchen, das sie beschützen sollten, statt es zu benutzen.

»Wer?«, fragte Brenton noch einmal.

Maat bebte am ganzen Körper. »Die, die in der Dunkelheit sprechen.«

Brenton warf Caldswell einen fragenden Blick zu, doch der zuckte nur die Achseln. Maat redete ständig wirres Zeug. Er überlegte gerade, was sie diesmal gemeint haben könnte, da nahm ein Blitz jenseits des Beobachtungsfensters seine gesamte Aufmerksamkeit in Anspruch.

In der Leere, die einmal Svenya gewesen war, schälte sich ein Licht aus der Dunkelheit, als wäre die Realität nur ein dünner Ölfilm auf einem See. Eine derartige Erscheinung hatte Caldswell noch nie gesehen. Er war ziemlich sicher, dass es sich um einen Hyperraumaustritt handelte, dann ließen die Schiffe, die sich vor seinen Augen materialisierten, sein Herz einen Schlag lang aussetzen.

Sie sahen aus wie Tiefseefische, ihre abgeflachten Körper schimmerten in wunderschönen Blau-, Grün- und Violetttönen. Sein republikanischer Schlachtkreuzer war im Vergleich geradezu winzig, trotzdem bewegten sich die fremden Schiffe mit einer mühelosen, natürlichen Eleganz, die Caldswell noch nie zuvor an einer Maschine gesehen hatte. Wären nicht die Fenster an Bug und Rumpf gewesen, er hätte geschworen, dass die Dinger lebten. Was auch immer sie sein mochten, ihr Anblick war so atemberaubend, dass er sie bis in alle Ewigkeit hätte bewundern können, aber das ging nicht, denn das Gebilde, das sich als letztes materialisierte, fegte jeden anderen Gedanken beiseite.

Die unbekannten Schiffe waren riesig, doch das hier war ein Gigant, mindestens so groß wie ein Xith’cal-Stammesschiff, nur dass es – diesmal war er absolut sicher – kein Schiff war. Während der Rest der Alienflotte in allen Farben des Regenbogens schimmerte, war der Nachzügler genauso schwarz wie das All ringsum. Einen Moment lang spiegelte er sich im verblassenden Licht des Sprungblitzes auf den Rümpfen der anderen Schiffe. Caldswell sah einen riesigen, keilförmigen Kopf, aus dem Abermillionen Tentakel ragten, und eine glänzende, pechschwarze Haut, die von tiefen, hässlichen Gruben übersät war, bei denen es sich um Mäuler handeln mochte oder auch etwas, für das er nicht einmal einen Namen hatte. Er starrte das Ding immer noch an, da eröffneten die Schiffe das Feuer.

Instinktiv hielt sich Caldswell an der Konsole fest, denn von seinem Sessel sah es so aus, als zielten die Alienschiffe genau auf ihn. Stattdessen ergoss sich das bläulich-weiß gleißende Feuer über das unsichtbare Phantom zwischen der Flotte und seinem Schlachtkreuzer. Einen entsetzlichen Moment lang stand das All ringsum in Flammen. Als der Körper des Phantoms unter dem Angriff von innen heraus zu leuchten begann, sah Caldswell zum ersten Mal, wie riesig es tatsächlich war – noch viel größer, als er befürchtet hatte. Kilometer, hatte er gedacht, vielleicht sogar mehrere Hundert, aber jetzt, da sich die Wahrheit leuchtend hell in sein Bewusstsein brannte, wusste er, was für ein Narr er gewesen war: Der schlangenartige Körper des Phantoms erstreckte sich von einem Ende der Staubwolke, die einmal Svenya gewesen war, bis zum anderen. Er war so groß wie ein Planet, noch größer sogar als das gigantische schwarze Ungeheuer, das den Angriff anführte. Und es starb alles andere als schnell.

Das Geschöpf brannte fast eine halbe Stunde lang, schlug in wildem Kampf um sich und zerstörte dabei mehrere der fischähnlichen Schiffe. Dass Caldwells Kreuzer nicht noch einmal getroffen wurde, war reines Glück. Die Aliens hielten das Feuer während der gesamten Zeit unvermindert aufrecht, schließlich erzitterte der Körper des Phantoms ein letztes Mal, dann begann es sich aufzulösen. Das war das Letzte, was Caldswell sah, bevor die Flammen verloschen und das Phantom wieder in der Unsichtbarkeit verschwand, dennoch war er sicher, wenn er durch das Glas greifen könnte, würde er den zerfallenden Kadaver unter seinen Händen spüren.

Maat hatte sich während des gesamten Kampfes nicht bewegt. An Brenton geklammert, war sie stumm dagestanden, die Augen wie gebannt auf das Lichterschauspiel gerichtet. Als es vorbei war, brach sie schluchzend zusammen.

Dr. Strauss eilte zu ihr und half Brenton, sie in den Kommandantenstuhl zu setzen. Caldswell wollte gerade zu ihnen gehen, da hörte er die Stimme in seinem Kopf.

Feind unseres Feindes.

Es waren keine Worte im eigentlichen Sinn, keine Sprache, die er kannte, eher Eindrücke und Bilder, die sich zu einer Bedeutung verdichteten, die weit tiefer ging als bloße Worte. Einen Moment lang glaubte Caldswell, er hätte es sich nur eingebildet, doch Dr. Strauss und Brenton rissen die Köpfe hoch, als hätten sie es ebenfalls gehört. Maats Schluchzen wurde unterdessen lauter.

Die wunderschönen Alienschiffe kamen näher, und das so schnell, dass keinerlei Hoffnung auf Flucht bestand, selbst wenn Caldswell es versuchte. Doch er wollte gar nicht fliehen. Er befahl dem Steuermann, auf Kurs zu bleiben, und trat an die Vorderseite der Brücke, gerade als die Alienflotte abrupt haltmachte. Wie eine Walherde schwebte sie vor seinem zwergenhaften Schlachtkreuzer.

Wer spricht für alle?

Die Worte fühlten sich an wie Finger, die in Caldswells Geist ungeduldig nach etwas suchten. Sie wollten wissen, wer hier das Sagen hatte. Er sah an Brentons Gesicht, dass er es ebenfalls spürte, aber Caldswell hatte das Kommando, also antwortete er: »Ich.«

Alle Bedenken, die Aliens könnten ihn vielleicht nicht hören, wurden sofort hinweggefegt. Caldswell spürte, wie die Präsenz in seinem Geist sich verdichtete, die Eindrücke wurden schärfer und lauter, als wendete der Sprecher sich nun direkt an ihn.

Feind unseres Feindes, wiederholte er, aber diesmal wurden die Worte von einem Gefühl der Verbundenheit und Zusammenarbeit begleitet. Wir bieten dir Hilfe an.

»Danke, wir wissen es zu schätzen«, erwiderte Caldswell. »Wir hätten dieses Ungeheuer niemals allein töten können.«

Das wissen wir, sagte das Alien herablassend. Und jetzt wisst ihr es auch. Ohne uns seid ihr tot.

Caldswell zog eine Augenbraue nach oben. »Welche Art von Hilfe bietet ihr uns an?«

Schutz. Das Wort fühlte sich an wie eine Mauer. Das Universum wurde aufgerissen, Verderben breitet sich aus. Dies hier war erst der Anfang. Es werden noch mehr kommen.

»Noch mehr« war Caldswells Interpretation. Der Eindruck, den das Alien ihm vermittelt hatte, war weitaus größer – wie eine endlose Flut. »Wie viele?«, fragte er.

Unzählige, antwortete die Stimme. Mehr, als ihr oder wir zurückschlagen könnten.

Caldswell nickte. »Ihr wollt also eine Zusammenarbeit.«

Ein Lachen tanzte durch seinen Geist, leicht wie eine Feder. Wir kämpfen nur, wenn wir dazu gezwungen sind, kam die Antwort. Dieses Risiko können wir nicht eingehen. Wir sind unverzichtbar, wir dürfen nicht enden.

Caldswell verschränkte die Arme vor der Brust. »Ist das so? Was springt dann für uns dabei heraus, wenn ihr nicht kämpfen wollt?«

Euer Überleben, antwortete das Alien, begleitet von dem Gefühl einer ausgestreckten Hand. Wir sind Lelgis, die Unendlichen. Wir bieten euch unser Wissen an und die Chance, eure Spezies zu retten. Wir geben euch eine Waffe, mit der ihr die, die ihr Phantome nennt, töten könnt. Als Gegenleistung werdet ihr sie jagen, bis niemandem mehr Gefahr droht. Die Gedankenstimme verstummte, bis Caldswell das Gesagte verdaut hatte, dann fügte sie hinzu: Wir verlangen außerdem ein Opfer.

»Ein Opfer?«, rief Brenton.

Caldswell zuckte zusammen. Er hatte ganz vergessen, dass die anderen die Stimme ebenfalls hören konnten.

Brenton funkelte das schwarze Alien vor dem Sichtschirm an, als könnte er es mit seinen Blicken erdolchen. »Klingt, als sollten wir die Arbeit machen, während ihr die Früchte erntet.«

Ohne uns werdet ihr sterben, erwiderte das Alien unbekümmert. Ihr braucht uns, und damit wir euch helfen können, brauchen wir Maat.

»Was?!«, bellte Brenton, doch Caldswell hob die Hand.

»Erklär das genauer«, sagte er.

Sie hat das Potenzial, zu sein wie wir, antwortete der Lelgis, begleitet von einem Gefühl unglaublicher Macht. Gebt sie uns, dann machen wir sie zu dem Werkzeug, das uns alle retten wird.

Caldswell spürte, wie Brenton immer wütender wurde, also beeilte er sich zu antworten, bevor Brenton es tat. »Wie würde das genau aussehen?«

Das riesige schwarze Alien kam ein Stückchen näher. Sie wird an unserer statt die Flut aufhalten, erklärte es, begleitet von dem Bild einer sich schließenden Tür. Ohne diese Mauer wird das Verderben uns alle verschlingen. Der Untergang dieses Planeten war nur der Anfang, aber mit ihr können wir es aufhalten. Eine Einzelne wird geopfert, damit alle anderen leben.

Caldswell biss sich auf die Unterlippe und überlegte, was das bedeuten mochte, da sprach das Alien schon weiter.

Wir machen dieses Angebot nur einmal, Feind unseres Feindes. Akzeptiere und rette deine Spezies, oder lehne ab und stirb.

»Tu das nicht, Brian«, sagte Brenton, der plötzlich direkt neben ihm stand. »Denk nicht mal dran. Wir können ihnen nicht vertrauen. Wir wissen nicht einmal, wer oder was sie sind.«

»Du hast selbst gesehen, wie sie das Monster getötet haben«, entgegnete Caldswell. »Ohne sie wären wir jetzt tot.«

»Maat ist unsere einzige Waffe gegen die Phantome«, gab Brenton hitzig zurück. »Du kannst sie nicht einfach …«

»Maat ist am Ende, und das weißt du verdammt gut!«, blaffte Caldswell. »Selbst wenn nicht, glaubst du, wir können ewig so weitermachen wie während der letzten Monate? Manche von uns müssen irgendwann auch einmal schlafen, John. Wir können mit einem einzigen Mädchen als Waffe nicht das ganze Universum beschützen. Nicht bei der Geschwindigkeit, mit der sich die Phantome ausbreiten. Wir brauchen eine andere Lösung, und wenn diese Lelgis uns eine anbieten, wäre es Selbstmord, sie nicht wenigstens anzuhören.«

»Du willst ihnen Maat einfach ausliefern?«, schrie Brenton. »Sie irgendwelchen Aliens auf dem Opferaltar …«

»Genau das.« Caldswell deutete auf die Gesteinstrümmer draußen im All, die einmal ein Planet gewesen waren. »Wenn wir dadurch verhindern können, dass so etwas je wieder passiert, würde ich ihnen sogar meine eigene Tochter geben!«

Caldswell bereute seine Worte sofort, aber es war zu spät. Er hörte das Alien bereits wieder in seinem Kopf.

Gut, flüsterte es zufrieden. Caldswell spürte ein Tätscheln in seinem Geist, dann wendete die Alienflotte. Folge uns.

»Tun Sie’s«, befahl er dem Steuermann und ignorierte Brentons entsetzten Blick.

Wenige Momente später, während der Kreuzer den Lelgis in die Dunkelheit folgte, versuchte Caldswell, Maat aus Brentons Armen zu lösen, doch Brenton ließ ihn nicht. Maat zitterte am ganzen Körper und starrte Caldswell mit angsterfüllten Augen an.

»Ich weiß, was sie vorhaben«, flüsterte sie, ihre Stimme brüchig wie Glas. »Sie dürfen mich nicht bekommen.« Tränen liefen ihr über die Wangen. »Bitte, Brian, tun Sie das nicht.«

Als er nicht antwortete, wurde Maat hysterisch. Brenton und Dr. Strauss mussten sie mit aller Gewalt festhalten und erneut sedieren, während Caldswell sich in seinen Kommandostuhl sinken ließ und der Lelgis-Flotte hinterherstarrte. Er wusste, Brenton würde ihm keine Ruhe lassen, denn er ergriff immer für Maat Partei, aber das spielte keine Rolle. Caldswell hatte seine Entscheidung getroffen: Wenn die Lelgis ihm die Waffe geben konnten, mit der sie das Monster da draußen vernichtet hatten, oder irgendeine andere, die den Phantomen in den Zahlen, in denen sie in letzter Zeit auftauchten, zuverlässig den Garaus machte, würde er jeden Preis bezahlen. Wenn die Lelgis es wünschten, würde er sich sogar mit auf den Opferaltar legen, solange sie ihm nur die Macht gaben, solche Tragödien zu verhindern.

Was waren schon zwei Tote im Vergleich zu den Milliarden bereits ausgelöschter Leben? Welches Opfer wäre nicht gerechtfertigt, wenn damit die anderen Welten gerettet werden konnten? Keines, sagte er sich. Alles war gerechtfertigt.

Fünf Tage später wurde Maat wie vereinbart an die Lelgis übergeben, und in einem entlegenen Winkel des nun gesperrten Svenya-Systems begannen die Arbeiten an einer Gefängnisstation, die später den Namen Dunkelstern erhalten sollte.

1

Ich bin schon oft an seltsamen Orten aufgewacht, aber eine Xith’cal-Rettungskapsel war sogar für mich neu.

Ruckartig fuhr ich hoch und erschrak derart, dass ich sofort etwas mit der Faust zertrümmert hätte, hätte ich nicht in weiser Voraussicht meine Rüstung verriegelt gehabt. So schlug ich mir lediglich leicht den Kopf an.

»Willkommen zurück.«

Ein Blick auf meine Kameras zeigte, wie Rupert Charkow mich über die Schulter anlächelte. Normalerweise hätte das Lächeln eines attraktiven Mannes meine Laune sofort gehoben, aber mein Verhältnis zu Rupert Charkow war in letzter Zeit etwas kompliziert. Also erwiderte ich nur ein gemurmeltes Hallo und schaute weg, allerdings erst nachdem mir aufgefallen war, dass Rupert seine Symbiontenschuppen wieder abgelegt und sich normale Kleidung angezogen hatte, während ich schlief.

Ich gebe gerne zu, dass ich ein wenig enttäuscht war, das Umziehen verpasst zu haben. Ich mochte mit einem beängstigenden Plasmex-Virus infiziert und generell verunsichert sein, was meine Situation betraf, aber ich war nicht tot. Wenigstens noch nicht, was nach den Ereignissen auf dem Stammesschiff des Sensenmanns und unserer verrückten Flucht vor den Lelgis an ein Wunder grenzte. Auf Caldswells Schiff hatte ich die Tatsache, noch am Leben zu sein, zwar ausgiebig mit Rupert gefeiert, trotzdem hatte sich einiges zwischen uns verändert, also riss ich den Blick von seinem zweifellos wunderschönen Rücken los und konzentrierte mich auf meine Umgebung.

Überraschenderweise lohnte es sich.

»Wow«, keuchte ich und reckte den Hals. Das All jenseits der Cockpitverglasung war randvoll mit Sternen, hinter ihnen schimmerte ein Regenbogen aus Farben, die von einem tiefen Ultramarin bis zu leuchtendem Pink reichten. Das Farbspiel war so intensiv, dass mein Visier sich sofort verdunkelte, aber nicht einmal das genügte, um das kupferfarbene Strahlen des gigantischen Gasplaneten zu überdecken, den wir gerade umkreisten. Wie eine dritte Sonne erstrahlte er im reflektierten Licht des Doppelsterns hinter uns.

»Wo sind wir?«, fragte ich und hob die Hand vor mein Visier.

»Im Atlas-Emissionsnebel«, antwortete Ruppert. »Die Wiege vieler Sterne, wie du aufgrund des Namens vielleicht erraten hast, und Lizenzgebiet von Atlas Industries.«

Ich stieß einen leisen Pfiff aus. »Dass ihr Terraner euren Konzernen viele Freiheiten lasst, wusste ich ja, aber das ist echt übertrieben.« Warum sollte man einen so wunderschönen Ort den Heuschrecken zum Fraß vorwerfen?

Rupert zuckte die Achseln. »Mit dieser Meinung bist du nicht allein, doch im Moment ist es nur zu unserem Vorteil, dass die Republik so freigiebig Lizenzen für ihren ungenutzten Raum verteilt. Jeder terraformbare Satellit in diesem Sektor wird von Atlas ausgebeutet, und das bedeutet, dass wir reichlich Möglichkeiten zum Landen haben, solange wir es nur innerhalb der nächsten dreißig Minuten tun.«

»Was passiert in den nächsten dreißig Minuten?«

Rupert warf einen Blick auf die Instrumente. »Wenn ich die Anzeigen richtig interpretiere, geht uns dann der Treibstoff aus.«

Er sagte das so unbekümmert, dass mir die volle Tragweite beinahe entgangen wäre. »Moment. Du meinst, wir haben noch eine halbe Stunde, um mit einer Xith’cal-Kapsel auf einer terranischen Kolonie zu landen?«

Rupert nickte, und ich warf die Hände in die Luft. »Warum schießen wir uns dann nicht gleich selber ab und sparen uns den ganzen Ärger?«

Rupert schien schon etwas zu viel von der giftigen Xith’cal-Atmosphäre in der Rettungskapsel abbekommen zu haben, denn er lachte nur. »Alles wird gut«, versicherte er mir und deutete auf den Gasgiganten vor uns. »Das hier ist Atlas 35, er liegt auf einer regulären Handelsroute und hat zehn Monde. Wir brauchen uns nur einen auszusuchen, der Kommunikationseinrichtungen und ein hyperraumfähiges Schiff für uns hat. Bevor du es überhaupt mitbekommst, sind wir auch schon wieder weg.«

Ich wollte ihn gerade fragen, wo zum Teufel wir hinsollten, verkniff es mir aber. Caldswell – meine einzige Garantie, nicht sofort in ein Labor gesteckt und von Wissenschaftlern in sämtliche Moleküle zerlegt zu werden, damit sie an mein Plasmex-Virus herankamen – war im Hyperraum verschwunden, und das womöglich für immer. Doch mit diesem Problem wollte ich mich noch nicht beschäftigen, also konzentrierte ich mich lieber auf die unmittelbar anstehenden Dinge.

»Warst du schon mal hier?«, erkundigte ich mich. »Ich meine, kennst du jemanden, den du anfunken kannst, damit sie uns nicht sofort abknallen?«

»Ich bin auch zum ersten Mal hier«, antwortete Rupert und deutete auf die Bedienkonsole. »Aber wir haben einen Identifizierungscode vom terranischen Militär, mit dem wir alles regeln können. Ich muss ihn nur von deiner Rüstung aus übermitteln, denn ich habe keine Ahnung, wie man diesen Sender hier bedient.«

Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. »Und wieder rettet meine Powerrüstung uns den Hals. Aber warum hast du mich nicht geweckt, bevor wir in den Orbit eingetreten sind? Sie hätten uns längst abschießen können.«

Rupert lächelte milde. »Du hast ausgesehen, als könntest du den Schlaf gut gebrauchen. Außerdem kommt niemand auf die Idee, auf einer Wirtschaftskolonie Langstreckenraketen zu stationieren.«

Da hatte er nicht unrecht. Mit einem Gedankenbefehl fuhr ich mein Com hoch und schaltete auf einen offenen Kanal. Da es nicht zu meinen Hobbys gehört, mich in Alienraumkapseln mitten im Nirgendwo zu verirren, kenne ich mich nicht allzu gut mit Funkverkehr im freien All aus, deshalb dauerte es eine Weile, bis alles bereit war. Meine Lady mochte viele Stärken haben, aber sie war keine Sendeanstalt, und selbst als ich alle Energie in die Antenne umleitete, war das Signal immer noch sehr schwach. Glücklicherweise wurden die Kanäle in diesem entlegenen Sektor kaum genutzt. Das Hintergrundgemurmel war entsprechend leise, sodass wir zumindest eine Chance hatten, gehört zu werden. Jetzt musste ich mir nur noch überlegen, an wen ich senden sollte.

»Die Auswahl ist erstaunlich groß«, sagte ich und musterte die Positionsmarker, die der Computer mir aufs Visier projizierte. »Ich habe alle Monde von Atlas 35 geortet. Irgendwelche Vorschläge?«

Rupert warf einen Blick auf die komplizierten Anzeigen der Xith’cal-Konsole. »Je näher, desto besser, glaube ich.«

Das klang nun überhaupt nicht mehr gut. Ich suchte mir also die nächstgelegene Empfangsstation aus und überlegte, wie ich den Notruf formulieren sollte, damit er nicht für eine List der Xith’cal gehalten wurde, da hielt ich plötzlich inne. Als ich die Kennungen sah, die mir das Com anzeigte, überkam mich ein unangenehmes Déjà-vu, dabei hatte ich geglaubt, diesen Gedächtnislückenmist endlich hinter mir zu haben. Als ich dann meine gespeicherten Kontakte durchging, verflog mein Missmut aber gleich wieder: Die Kennung kam mir nur deshalb bekannt vor, weil sie es war. Mein verärgertes Stirnrunzeln verwandelte sich in ein breites Grinsen.

»Oh Mann«, sagte ich und wählte den Empfänger aus. »Du kannst von Glück reden, dass du mich hast.«

Eigentlich hatte ich erwartet, dass Rupert mich auslachen würde, aber er erwiderte nur: »Ich weiß.«

Seine spontane Reaktion brachte mich derart aus der Fassung, dass ich mich schnell wieder meinen Anzeigen widmete, bevor ich noch rot wurde. Ich schrieb die Nachricht, schickte sie ab und drückte die Daumen. Als mehrere Minuten lang keine Antwort kam, fing ich an, mir Sorgen zu machen, das Signal könnte selbst in dieser Stille hier draußen zu schwach sein, doch kurz bevor ich in Panik ausbrach, erklang eine ruppige männliche Stimme aus meinen Helmlautsprechern.

»Unidentifiziertes Xith’cal-Schiff«, sagte sie auf Universal mit starkem Akzent. »Normalerweise versende ich keine Warnungen, aber da Sie entweder so freundlich oder so dumm waren, mich mit einer paradoxischen ID anzufunken, gebe ich Ihnen zehn Sekunden, mir zu erklären, warum ich Sie nicht einfach wegpusten soll.«

Als der Ruf kam, stellte ich die Außenlautsprecher an, damit Rupert mithören konnte. Sein Gesichtsausdruck war unbezahlbar, als ich, statt etwas zu antworten, nur einen durchdringenden Pfiff ausstieß, so laut, dass Rupert zusammenzuckte.

Der Kerl am anderen Ende änderte seinen Tonfall schlagartig. »Seid gegrüßt, Schwarzdrossel«, sagte er in der Königlichen Sprache. »Wie kann ich behilflich sein? Sind Sie ein Gefangener der Xith’cal?«

»Wohl kaum«, antwortete ich. »Schön, deine Stimme zu hören, Higgs.«

Es folgte eine kurze Pause, dann brach mein Gegenüber in schallendes Gelächter aus. »Deviana Morris, ich glaub’s nicht. Was zum Teufel machst du auf einem Xith’cal-Schiff?«

»Versuchen, irgendwie davon wegzukommen«, antwortete ich grinsend. »Kannst du uns einen sicheren Landeplatz zuweisen? Wenn möglich einen ohne automatische Abwehrraketen.«

»Für dich immer, Baby«, gurrte Higgs. »Ich informiere den Tower. Gib mir fünf Minuten, dann bekommst du den Leitstrahl.«

»Verstanden. Danke, Higgs. Bis gleich.«

Die Verbindung brach mit einem Klicken ab, und Rupert warf mir einen funkelnden Blick zu.

»Baby?«, wiederholte er mit einer nach oben gezogenen Augenbraue.

Dieser Unterton in seiner Stimme, dass ich mich ihm gefälligst zu erklären habe, gefiel mir gar nicht, aber da er dieses Ding landen musste, tat ich es trotzdem.

»Higgs und ich kennen uns schon lange«, erwiderte ich. »Er war mein erster Truppführer bei den Schwarzdrosseln, dann hat er bei einem Konzern als Chef der Sicherheitsabteilung auf irgendeiner abgelegenen Kolonie angeheuert.« Damals hatte ich ihn für verrückt gehalten, aber Higgs war Geld schon immer wichtiger gewesen als Ruhm. »Hätte nie gedacht, dass ich ihn eines Tages dort besuchen würde.«

Ruperts Augenbraue blieb erhoben. »Und der Pfiff?«

»Na ja, wir waren mal Schwarzdrosseln.«

»Ein so furchtbares Geräusch habe ich noch nie von einem Vogel gehört.«

»Und den Schrei einer paradoxischen Schwarzdrossel wohl auch nicht«, ergänzte ich mit einem abschätzigen Blick. »Schwarze Federn, drei Meter Spannweite, Zähne wie Sägemesser, jagt in Schwärmen?«

Rupert schnitt eine Grimasse und wandte sich wieder der Konsole zu. »Nach dieser Beschreibung bin ich umso froher, nie einer begegnet zu sein.«

»Hast du etwa geglaubt, wir hätten uns nach den jämmerlichen terranischen Singvögeln benannt?«, schnaubte ich. »Ich bitte dich. Wegen der Schwarzdrosseln war Paradox oberhalb der Schneegrenze vollkommen unbesiedelt, bis der erste Geweihte König kam und uns die Technologie zurückgab. Ein Schwarm von den Biestern skelettiert einen erwachsenen Mann innerhalb von Sekunden, und erst ihr Geschrei …« Ich erschauerte. »Lässt einem das Blut in den Adern gefrieren. Mein Pfiff eben war noch gar nichts.«

»Die Vorzüge deines Heimatplaneten«, murmelte Rupert. »Trotzdem verstehe ich nicht, warum du ihn einweihen musstest. Für eine Landeerlaubnis hätte meine Universalkennung genügt.«

»Jetzt haben wir eben Kontakt zur einheimischen Bevölkerung«, entgegnete ich, aber das war nur ein Teil der Wahrheit. Viel wichtiger war, jemanden zu haben, den ich kannte. Higgs war charakterlos bis zum Gehtnichtmehr, aber er war immer noch eine ehemalige Schwarzdrossel und außerdem Paradoxier. Solchen Menschen vertraute ich weit mehr als Ruperts Kennungen, vor allem auf einem entlegenen konzerneigenen Mond, wo man leicht auf Nimmerwiedersehen verschwinden konnte. Ich schaltete mein Com gerade auf Higgs’ Leitstrahl um, da fiel mir der Zeitstempel der Übertragung auf.

»Rupert …?«, krächzte ich. »Beim Austritt aus dem Hyperraum sagtest du doch, wir hätten wahrscheinlich etwas Zeit verloren.«

Er nickte. »Wie viel denn?«

»Acht Monate, zwölf Tage und fünf Stunden«, las ich mit pochendem Herzen vom Display ab. Acht galaktische Standardmonate entsprachen auf Paradox fast einem ganzen Jahr. Ein Jahr, einfach weg, einfach so.

Rupert schien das weit weniger zu bekümmern als mich. »Gar nicht mal so schlimm«, sagte er nur. »Ich hatte mit mehr gerechnet, aber um Caldswell und die anderen mache ich mir Sorgen.«

Das riss mich aus meinem Selbstmitleid. »Warum?«

»Der Sprung vom Stammesschiff hierher hat keine fünf Minuten gedauert, außerdem hatten wir ein Tor«, antwortete er. »Der zweite Sprung, den Caldswell machen musste, um den Lelgis zu entkommen, war viel riskanter und viel, viel länger.«

Er schaute hinauf zum sternenübersäten Himmel. »Zum Dunkelstern braucht man neun Stunden, aber bei einem unkontrollierten Sprung ist die Zeitdilatation vollkommen unkalkulierbar. Sie könnten sich, schon wenige Sekunden nachdem sie eingetreten sind, wieder aus dem Hyperraum materialisieren …«

»Oder in tausend Jahren«, beendete ich den Satz. »Das würde zu Caldswells Pech passen.«

Rupert drehte mir das Gesicht zu. »Bei den Detektiven ist er eigentlich für sein Glück bekannt. Aber wie er selbst immer sagt: Nur ein Narr verlässt sich auf sein Glück.«

Ich kicherte. »Daher kommt wohl auch der Name seines Schiffs.«

Ruperts Stimme wurde todernst. »Soweit ich weiß, hat er die Glorreicher Narr nach sich selbst benannt. Vor langer Zeit sagte er einmal zu mir, nur Narren setzen etwas aufs Spiel, das sie nicht verlieren dürfen.«

»Und was hat das mit Caldswell zu tun? Der Spielertyp ist er ja nicht gerade.«

»Ich glaube, der Name soll ihn daran erinnern, auch keiner zu werden«, antwortete Rupert leise.

Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, woran ein Mann wie Caldswell sich so schlimm die Finger verbrannt haben mochte, dass er seinem eigenen Schiff einen Namen gab, der ihn auf ewig daran erinnern würde. Ich überlegte immer noch, da meldete Higgs sich mit unserer Landeerlaubnis.

Nie zuvor war ich auf einer Wirtschaftskolonie gewesen. König Stephen hatte sie im gesamten paradoxischen Raum verboten, und die Terraner hielten nichts davon, so unwichtige Nebenprojekte von Elitesöldnern bewachen zu lassen. Nach allem, was ich gehört hatte, hatte ich sie mir immer als verwüstete Einöden vorgestellt, als ausgeweidete Felsklumpen, denen die Konzerne längst alle brauchbaren Erze und Mineralien herausgerissen hatten. Entsprechend überrascht war ich von dem Anblick, der sich mir nun bot.

Mond E war etwa halb so groß wie Paradox, strahlend blau und grün schimmerte er im Licht der zwei Sonnen, das zusätzlich von den kupferfarbenen Gaswolken in der Atmosphäre von Atlas 35 reflektiert wurde. Offensichtlich hatte man ihn terraformt, noch bevor er erkaltet war. Zumindest schien mir das die einzig mögliche Erklärung dafür, dass Mond E nur einen einzigen, perfekt symmetrischen Kontinent hatte. Wie ein Gürtel legte er sich um den Äquator, nördlich und südlich davon erstreckten sich zwei Ozeane bis zu den Polen, dazwischen lagen Tausende von Kilometern brettebenen, waldbewachsenen Bodens. Das Grün war so intensiv, dass es mich beinahe blendete.

Erst als wir in die Atmosphäre eintraten, fiel mir auf, dass es sich bei dem leuchtenden Grün gar nicht um Wälder handelte, zumindest nicht im klassischen Sinn, denn ich sah keine Bäume, sondern endlose Reihen Sojapflanzen. Jemand musste gewaltig an ihren Genen herummanipuliert haben, denn sie waren riesig, bestimmt zehnmal so groß wie die, die ich von zu Hause kannte. Selbst die kleinsten hatten Blätter von der Größe eines Lastwagens, die das aus allen Richtungen einfallende Licht einfingen. Die gelblichen Wolken in der Atmosphäre von Atlas 35 ließen den Planeten sogar noch heller am Himmel erstrahlen als die beiden Sonnen.

Selbst nachdem wir die stark reflektierende obere Atmosphäre hinter uns gelassen hatten, war die Helligkeit kaum zu ertragen. Ich hob den Kopf und blinzelte ungläubig die Sterne an, die immer noch zu sehen waren. Trotz des atmosphärischen Streulichts zeichnete sich der Atlas-Nebel deutlich am mittäglich blauen Himmel ab – eigentlich ein atemberaubender Anblick, hätte mein Visier sich nicht mitternachtsschwarz verfärbt, um meine Augen zu schützen. Ich versuchte dennoch, die Aussicht ein wenig zu genießen, bis wir die Koordinaten erreichten, die Higgs uns übermittelt hatte.

Vom All hatte es ausgesehen, als bestünde Mond E nur aus Pflanzen und Wasser, doch Higgs’ Leitstrahl lotste uns direkt auf eine kleine Stadt zu. Im Näherkommen merkte ich allerdings, dass »Stadt« kaum das passende Wort war: Es gab zwar jede Menge Gebäude, aber keinen Hinweis auf menschliches Leben darin. Keine Häuser, Geschäfte oder Zivilschiffe auf den Landeplätzen, nur Ladezonen, Schienenzubringer und gigantische Verlademaschinen, die im grellen Licht glänzten. Niemand kam ins Freie gelaufen, als Rupert die Landefläche neben einem der turmhohen Stapel von Sojacontainern ansteuerte, und das war eigenartig. Immerhin landete gerade ein Xith’cal-Schiff mitten in einer terranischen Kolonie.

Die kleine Kapsel setzte mit einem Krachen auf, von dem sie sich wahrscheinlich nie wieder erholen würde, aber beeindruckt war ich trotzdem. Für eine Rettungskapsel hatte uns das Gefährt hervorragende Dienste geleistet. Ich hasste die Echsen wie die Pest, aber von Raumschiffen verstanden sie etwas, das musste man ihnen lassen.

Rupert öffnete gerade die Cockpithaube, da sah ich Higgs über den weißen Beton in unsere Richtung laufen. Zumindest vermutete ich, dass es Higgs war, denn sein Visier war genauso schwarz wie meines, weshalb ich sein Gesicht nicht erkennen konnte. Auf einer verlassenen Kugel irgendwo im All eine paradoxische Rüstung der Grafklasse zu sehen war trotzdem eine äußerst willkommene Überraschung. Ich winkte Higgs zu, dann sprang ich aus der Kapsel und ließ mich von ihm in eine knochenzermalmende Umarmung schließen.

»Devi!«, rief er, hob mich mitsamt der Lady hoch und drehte sich mit mir im Kreis, ohne dabei auch nur ins Wanken zu geraten. Nun ja, seine Rüstung konnte auch einen Panzer heben, wenn es sein musste. »Beim König, das nächste Mal kündigst du dich vorher an. Als ich eure Echsendose auf dem Schirm sah, hätte ich um ein Haar auf den Feuerknopf gedrückt.«

»Ging leider nicht«, erwiderte ich und machte mich los. »Und danke fürs Herlotsen. Ich finde es immer wieder schön, wenn zur Abwechslung mal nicht auf mich geschossen wird.«

Higgs trat einen Schritt zurück. »Du bist bestimmt anderes gewöhnt«, sagte er und nickte in Ruperts Richtung, der gerade meinen Rüstungskoffer aus dem Cockpit hievte. »Wer ist dein Begleiter? Ein Söldner wie du?«

Ich biss mir auf die Lippe. Was sollte ich sagen? Rupert beherrschte das Paradoxische perfekt, ich hätte ihn locker als Beamten der Königlichen Kanzlei ausgeben können, was gar nicht einmal so weit von der Wahrheit entfernt gewesen wäre, doch Rupert kam mir zuvor.

»Ich bin kein Söldner«, antwortete er mit seinem typischen leichten Akzent auf Universal, nahm seinen Koffer aus der Kapsel und sprang die zwei Meter elegant zu uns hinunter auf die Landebahn. »Sondern Devis Eskorte.«

Higgs erstarrte. Unter dem geschlossenen Visier konnte ich seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen, aber ich spürte seinen ungläubigen Blick regelrecht, als er einen verschlüsselten Kanal zu mir öffnete und fragte: »Meint der Trottel das ernst?«

»Ist eine lange Geschichte«, begann ich, da griff Rupert in seine Tasche und zog einen Ausweis hervor. Es war zwar kein Königlicher Freibrief, aber wohl etwas Ähnliches, denn als er ihn Higgs unter die Nase hielt, verstummte der abrupt.

Rupert lächelte höflich wie immer, aber für mich war der höhnische Zug um seine Mundwinkel unverkennbar, als er den Ausweis in seine Jackentasche steckte. »Mr. Higgs, richtig?«

»Hauptmann Higgs«, korrigierte er auf Universal. Erst auf Ruperts Stirnrunzeln hin fügte er widerwillig hinzu: »Sir.«

Rupert nickte. »Ich brauche Zugriff auf Ihre Kommunikationsdrohnen, außerdem Ihr schnellstes Hyperraumschiff, beides so bald wie möglich. Der Atlas-Konzern wird selbstverständlich für alle Aufwendungen entschädigt.«

»Sie wollen ein Schiff?«, fragte Higgs in einem Tonfall, als hätte Rupert nach einem Einhorn verlangt. »Ähm, Sir, wir sind hier auf einer Wirtschaftskolonie. Hier gibt es keine hyperraumfähigen Schiffe.«

»Machst du Witze?«, fragte ich noch vor Rupert.

Higgs breitete entschuldigend die Arme aus. »Seht euch um. Dieser Mond ist eine vollautomatisierte Farm mit einer Besatzung von dreißig Mann. Meine Aufgabe ist es, mich um die Sicherheitsdrohnen zu kümmern. Ich habe meine Rüstung nur angelegt, weil ich dachte, ihr würdet in Schwierigkeiten stecken.«

»Dann haben Sie also kein Schiff für uns?«, hakte Rupert nach. »Zumindest keines mit Hyperraumantrieb?«

Higgs schüttelte den Kopf.

»Aber«, warf ich ein, »wie kommt ihr dann von hier weg?«

»Mit den Frachtern.« Higgs deutete auf die Mauer aus Containern in unserem Rücken. »Siehst du diese Kisten? Einmal im Monat werden sie von einem Kontinentalfrachter abgeholt.«

Ich blinzelte. »Kontinentalfrachter?«

»Ein Industrieschiff, das zu groß ist, um es auf einem Planeten mit Atmosphäre zu landen«, erklärte Rupert. »Normalerweise werden sie mit Raumaufzügen beladen. Die großen Konzerne setzen sie für Transporte zwischen Kontinenten ein.«

»Im Grunde genommen sind sie bewegliche Raumstationen«, fügte Higgs hinzu. »Nur eben für Frachtgut, nicht für Menschen. Die Feldmaschinen ernten das Soja und laden es auf die Züge, die es dann hierherbringen. Jeden Monat kommt ein Frachter und holt sie ab. Wer wegwill, fliegt einfach mit. Nach ein paar weiteren Zwischenstopps springt der Frachter mit seinem integrierten Hyperraumtor zu einem der Verteilungszentren in den Kernwelten. Von dort aus kommt man überall hin.«

»Moment«, sagte ich. »Der Frachter hat ein integriertes Tor?«

Higgs nickte. »Ich sagte ja, die Dinger sind groß.«

»Wann kommt der nächste?«, fragte Rupert.

»In ungefähr zwei galaktischen Standardwochen«, antwortete Higgs mit einem Schulterzucken. »Kann auch eine Woche früher oder später sein.«

Rupert wirkte nicht erfreut. »Können Sie nicht sofort einen herrufen?«

»Ich nicht«, erwiderte Higgs. »Ich bin nur Sicherheitspersonal. Die Route der Frachter wird vom Konzern festgelegt. Aber ich könnte Kontakt zu der entsprechenden Abteilung aufnehmen.«

Rupert fuhr herum. Ich glaubte, ihn leise fluchen zu hören, doch als er sich wieder Higgs zuwandte, war er wieder die Höflichkeit selbst. »Das wird nicht nötig sein, Hauptmann Higgs. Wir haben keine Zeit, um uns mit den Konzernformalitäten herumzuschlagen, und werden auf unsere eigenen Ressourcen zurückgreifen. Das bedeutet, dass ich nicht nur Ihre Kommunikationsdrohnen brauche, sondern außerdem Unterbringung und Verpflegung für mich und Miss Morris, bis wir abgeholt werden.«

Higgs seufzte. »Nun, was das betrifft, es gibt hier keine Hotels oder so was. Ich würde euch ja mit zu mir nehmen, aber ich bin mittlerweile verheiratet, und ich glaube, meine Frau wäre nicht begeistert.«

»Du hast geheiratet?«, prustete ich. »Die Arme muss verrückt sein.«

Higgs lachte, dann schnippte er mit den Fingern. »Ich hab’s! Ihr könnt das Haus des Koloniemanagers haben. Es ist recht hübsch dort, und er kommt erst Ende des Jahres wieder.«

»Gut«, meinte Rupert nur, doch ich spürte, wie er immer ärgerlicher wurde. »Und die Kommunikationseinrichtungen?«

»Gleich da drüben.« Higgs deutete auf ein senkrechtes Gebilde jenseits des Landefelds, das eher aussah wie ein halb verfallener Wasserturm denn wie eine Sendeanlage. »Unser Kommunikationsoffizier ist ein asozialer Einzelgänger, der alles von der südlichen Halbkugel aus bedient, aber Sie brauchen nur Ihren Ausweis vor die Kamera zu halten, dann wird er Ihnen uneingeschränkten Zugang geben. In der Zwischenzeit hole ich mit Devi den Wagen.«

Rupert nickte knapp, dann presste er mir, noch bevor ich mich wegducken konnte, einen Kuss auf den Helm. »Bin gleich wieder da.«

Ich wollte ihm einen wütenden Blick zuwerfen, doch Rupert trabte schon mit für einen Menschen gerade noch akzeptablem Tempo über den im grellen Licht funkelnden Asphalt davon.

Higgs schaute ihm hinterher und stieß einen leisen Pfiff aus. »Gott und König, Devi, seit wann gibst du dich mit Terranern ab?«

»Halt die Klappe«, murmelte ich. Ich war wütend auf Rupert, weil er einfach so seinen Besitzanspruch auf mich zur Schau gestellt hatte – und auf mich selbst, weil es mir auch noch gefiel. »Machen wir, dass wir aus der Sonne kommen.«

»Wie tief die Mächtigen gefallen sind«, kommentierte Higgs, dann bedeutete er mir, ihm zu folgen.

Als wir die gut fünfzig Meter bis zu der Garage am Rand des Landefelds zurückgelegt hatten, hatte ich die Schnauze bereits gründlich voll von dem übergrellen Licht auf diesem Mond, hübscher Sternenhimmel hin oder her. Higgs hingegen wirkte um einiges entspannter, seit Rupert verschwunden war, was sich vor allem darin äußerte, dass er ohne Pause von seinem neuen Leben hier erzählte. Nun wusste ich alles: angefangen von seinem unfassbar hohen Gehalt bis zu seiner Hochzeit mit der Dame, die die vollautomatischen Züge überwachte.

»Wenn sie nicht wäre, hätte ich dich zu mir eingeladen, statt euch im Haus des Koloniemanagers unterzubringen«, erklärte er, als wir in den wohltuenden Schatten der Garage traten. »Aber lieber kriege ich Ärger mit ihm als mit meiner Frau. Sie macht sich ständig Sorgen, ich hätte sie bloß geheiratet, weil es auf dem ganzen Mond außer ihr nur noch vier andere Frauen gibt.«

»Und, hast du?« Es hätte Higgs ähnlich gesehen.

»Zum Teil vielleicht«, gestand er und nahm seinen Helm ab.

Im ersten Moment erschrak ich, vor allem weil er um so viel älter aussah, als ich ihn in Erinnerung hatte. Anscheinend war das Jahr, das ich im Hyperraum verloren hatte, ziemlich hart gewesen.

»Vielleicht habe ich ihr aber auch ein bisschen zu viel von dir erzählt.«

Ich verdrehte die Augen. Higgs und ich waren während unserer gemeinsamen Einsätze ein- oder zweimal miteinander im Bett gewesen. Es hatte Spaß gemacht, aber nach einer Weile ging er mir auf die Nerven, hauptsächlich weil er genau solche Dummheiten machte. »Warum erzählst du deiner Frau so was?«

Er zuckte die Achseln und ging weiter zu einem Lastwagen, der aussah wie eine Kreuzung aus Panzer und Traktor. »Sie hat mich gefragt.«

Danach beschloss ich, das Thema zu wechseln. Während wir zum Funkturm hinüberfuhren, erkundigte ich mich, woher dieses grelle Tageslicht kam. Zwei Sonnen und der reflektierende Gasgigant bedeuteten, dass es auf Atlas 35 Mond E keine Nacht gab; der Himmel wurde nur alle vierzig Stunden für zwei Stunden ein wenig dunkler als sonst.

»Wie hältst du das nur aus?«, fragte ich. »Nichts zu tun, keine Nächte und keine Möglichkeit wegzukommen. Ich würde durchdrehen.«

»Man gewöhnt sich dran«, antwortete Higgs und drückte auf die Bremse. Rupert stand in dem bisschen Schatten, den das kleine Vordach des Kontrollturms spendete, und wartete bereits auf uns. »Devi«, fügte Higgs mit gesenkter Stimme hinzu, obwohl wir über Funk sprachen. »Ist wirklich alles in Ordnung? Ich kenne diesen Terraner zwar nicht, aber …«

»Ich habe alles im Griff«, schnitt ich ihm das Wort ab. »Wir reden hier über mich, schon vergessen?«

Higgs warf mir einen skeptischen Blick zu. »Genau das meine ich. Zumindest früher warst du ja nicht gerade bekannt für dein Talent, dir Ärger vom Hals zu halten.«

Unwillkürlich musste ich lachen. »Danke für deine Anteilnahme, aber alles ist gut«, erwiderte ich, dann kam der Laster zum Stehen. »Im Moment will ich nur noch zu diesem Haus, damit ich endlich mal wieder richtig schlafen kann. Du kannst dir nicht vorstellen, was für eine Woche ich hinter mir habe.«

Higgs schaute mich fragend an, aber da Rupert sich schon in den Rücksitz geschwungen hatte, hakte er nicht weiter nach.

Schweigend fuhren wir durch die endlosen leeren Straßen des Verladebereichs. Aus der Luft hatte ich gar nicht gesehen, wie riesig das Gelände war. Wir brauchten volle fünfzehn Minuten, bis wir den Gebäudebereich verlassen hatten und die Plantagen erreichten. Als es dann endlich so weit war, sah ich nur noch Sojapflanzen.

Anfangs fand ich es angenehm, von übergroßen Gewächsen umgeben zu sein, die ich nur als schulterhoch kannte, aber schon nach kurzer Zeit verwirrten sie mich. Die Felder waren so angelegt, dass Automaten sie mit optimaler Effizienz abernten konnten, nicht damit Menschen sich darin gut zurechtfanden. Es gab nicht ein einziges Hinweisschild, und nach dem fünften Mal Abbiegen hatte ich die Orientierung vollkommen verloren. Glücklicherweise schien Higgs – oder seine Rüstung – den Weg auswendig zu kennen, denn eine halbe Stunde später bog er auf eine asphaltierte Zufahrtsstraße ab, die abrupt vor einer breiten Veranda endete.

Obwohl die Straße für die Erntemaschinen nur wenige Meter weit weg war, fühlte es sich an, als läge das Haus des Managers mitten im Wald. Eigentlich sah der kleine, zweistöckige Betonkasten eher billig aus, aber er war in einem beruhigenden Grünton gestrichen, der perfekt zu den umliegenden Pflanzen passte. Der Soldatin in mir missfiel zwar, dass die dicken Blätter fast bis zu den Fenstern reichten und potenziellen Angreifern perfekte Deckung boten, doch abgesehen davon fand ich das Haus durchaus kuschelig. Wie ein Vogelnest im hohen Gras.

Der Laster hatte kaum angehalten, da sprang Higgs schon aus dem Fahrersitz, tippte etwas in das Bedienfeld neben der Tür, und die Leuchtanzeige schaltete auf Grün.

»Alles bereit«, sagte er an uns gewandt und klappte sein Visier hoch. »In der Gefriereinheit müsste genug zu essen sein, über die Satellitenantenne auf dem Dach seid ihr mit dem planetenweiten Kommunikationsnetz verbunden. Ich wohne nur dreißig Minuten entfernt. Wenn ihr was braucht, meldet euch einfach.«

»Danke, Higgs«, erwiderte ich grinsend. »Du bist ein echter Lebensretter.«

Higgs zwinkerte mir zu und setzte sich wieder hinters Steuer, ohne sich von Rupert zu verabschieden, aber der nahm bereits das Haus in Augenschein und merkte es nicht einmal.

Einfach so hereinzuplatzen fühlte sich ein bisschen an, als würden wir in ein Ferienhaus einbrechen. An den Wänden hingen Bilder von Familienmitgliedern, die ich nie gesehen hatte, an dem Haken neben der Eingangstür baumelte der Mantel eines Fremden. Alles war staubig, aber wenigstens sorgte der Schatten der Sojapflanzen dafür, dass es drinnen schön kühl war.

Obwohl offensichtlich seit Monaten niemand hier gewesen war, zögerte ich, meinen Koffer in die Stromversorgung des Hauses einzustöpseln. Bei all den privaten Besitztümern um mich herum drängte sich mir das Bild auf, wie der Hausbesitzer die Treppe heruntergestürmt kam und mich anblaffte, was ich in seinem Wohnzimmer zu suchen hatte.

Rupert schien das alles nicht zu kümmern. Er ging schnurstracks in die kleine Küche, öffnete sämtliche Schubladen und inspizierte den Inhalt der Gefriertruhe, als wäre er hier zu Hause.

Währenddessen zog ich meine Rüstung aus und verstaute sie zum Aufladen im Koffer. Meine Waffenkoffer hatte ich nicht mehr, deshalb musste ich Mia direkt an die Steckdose anschließen. Sascha legte ich gleich daneben ab, dann noch meine Pistolen, die Griffe so ausgerichtet, dass ich sie falls nötig sofort benutzen konnte. Damit war meine Ausrüstung versorgt, bei mir selbst würde das allerdings etwas länger dauern.

Ich trug immer noch die Militärunterwäsche, die man mir in der paradoxischen Botschaft gegeben hatte. Obwohl ich zutiefst dankbar war, dass Rupert statt meines Seesacks den Koffer für meine Lady mitgenommen hatte, war ich nun mit dem Problem konfrontiert, keine Ersatzkleidung zu haben. Außerdem brauchte ich dringend eine Dusche. Meine verschwitzte Unterwäsche konnte ich hier bestimmt irgendwo waschen, aber ich hatte keine Lust, in der Zwischenzeit nackt herumzusitzen. Ich versuchte immer noch, eine Lösung für das Dilemma zu finden, da kam Rupert aus der Küche zurück, legte seine Tasche auf den Tisch und holte seine Pistole heraus. Bei dieser Gelegenheit sah ich, dass er außer einem Ersatzanzug, den er bei seinem Kleiderverschleiß bestimmt gut gebrauchen konnte, auch noch mehrere Hemden eingepackt hatte.

»Hey, kann ich mir ein paar Klamotten von dir leihen?«, fragte ich.

Rupert setzte sich auf die Couch und warf mir einen leicht verletzten Blick zu. »Natürlich«, erwiderte er nach einer kurzen Pause. »Bedien dich.«

Ich bedankte mich mit einem Lächeln, schnappte mir eines der Hemden und machte mich auf die Suche nach dem Badezimmer. Es war genauso staubig wie der Rest des Hauses. Im Wandschrank fand ich Seife und Dusche, und auch wenn das Wasser so weich war, dass es sich beinahe schleimig anfühlte, war es ein herrliches Gefühl, zum ersten Mal seit der Nacht in Anthonys Apartment auf Paradox wieder unter einer richtigen Dusche zu stehen, nicht in der Nasszelle eines Schiffs oder Bunkers. Als ich das heiße Wasser vollkommen aufgebraucht hatte, war ich so entspannt, dass ich beinahe im Stehen eingeschlafen wäre. In Anbetracht der jüngsten Ereignisse beschlich mich zwar der Verdacht, dass meine Tiefenentspannung eher eine Art Schockreaktion war, aber das störte mich im Moment nicht, vor allem, da ich hier noch kein einziges Phantom gesehen hatte. Ich war nur so müde, als hätte ich ein ganzes Jahr lang nicht mehr geschlafen. Als ich zum Abtrocknen aus der Dusche stieg, konnte ich kaum noch die Augen offen halten.

Als ich einigermaßen trocken war, stopfte ich Handtuch und Unterwäsche in den Waschautomaten, der in der Ecke stand, und streifte mir Ruperts Hemd über. Es war so riesig, dass mir der Saum beinahe in den Kniekehlen hing, und die Ärmel reichten bis weit über meine Hände, aber nachdem ich sie aufgerollt hatte, kam ich gut zurecht.

Nur meine Frisur machte Probleme. Wegen des weichen Wassers und der scharfen Seife standen meine Haare vom Kopf ab wie Wurzelgestrüpp. Ich brauchte dringend eine Bürste und vernünftiges Shampoo, aber beides gab es hier nicht. Gleichzeitig war ich zu müde, mich deshalb zu grämen, also ließ ich meine Haare, wie sie waren, und schärfte mir zum tausendsten Mal ein, sie bei nächster Gelegenheit einfach abzuschneiden.

Das war natürlich eine leere Drohung. Sosehr sie mir manchmal auf die Nerven gingen, meine langen Haare waren das einzige Gegengewicht zu meinem Babygesicht. Selbst in voller Rüstung und mit beiden Waffen im Anschlag hätte mich mit dem Kurzhaarschnitt einer Sechzehnjährigen niemand ernst genommen. Der Gedanke tröstete mich ein wenig, und so ging ich barfuß zurück nach unten, um Rupert zu fragen, was als Nächstes auf dem Plan stand.

Offensichtlich war ich noch erschöpfter, als ich gedacht hatte, denn als ich das Wohnzimmer erreichte, konnte ich mich kaum noch auf den Beinen halten. Glücklicherweise musste ich Rupert nicht erst suchen. Er saß immer noch auf der Couch und hatte seine Ausrüstung ordentlich vor sich ausgebreitet. Nur das Tablet in seiner Hand war mir neu. »Wo hast du das her?«

»Aus dem Kontrollturm«, antwortete er mit einem wütenden Blick auf das Display. »Das Ding ist kompletter Schrott, aber wenigstens kann ich damit die ankommenden Nachrichten verfolgen.«

Er drehte mir den Kopf zu und verstummte abrupt. Normalerweise war Rupert ziemlich gut darin, seine Gefühle zu verbergen, aber ich musste ihn kalt erwischt haben, denn er starrte mich eine Weile nur wortlos an.

»Du siehst sehr … hübsch aus«, sagte er schließlich.

Ich sah aus wie eine ertrunkene Wasserratte in einem gestohlenen Hemd, aber dass Ruperts Blick auf mich nicht viel mit der Realität zu tun hatte, war nichts Neues. Außerdem hatte ich im Moment nicht die Kraft, gegen das wohlige Gefühl anzukämpfen, das sein Lächeln mir bescherte. Ein unverbesserlicher Teil meiner Persönlichkeit wollte einfach nicht begreifen, dass ich besser die Finger von Rupert ließ, und die Erschöpfung, die ich unter der Dusche verspürt hatte, wurde sekündlich stärker. Inzwischen war es so schlimm, dass ich kaum noch stehen konnte. So gerne ich mit Rupert unsere Lage besprochen hätte, bevor mich der Schlaf übermannte, mein Körper hatte anderes vor, also murmelte ich nur etwas von »Bett«, drehte mich um und ging wieder die Stufen hinauf. Ich hatte etwa die Hälfte geschafft, da holte Rupert mich ein.

Ich muss gestehen, dass ich kaum protestierte, als er mich hochhob. Hätte ich mich besser gefühlt, hätte ich ihm gesagt, er solle die Finger von mir lassen. Aber ich fühlte mich nicht besser. Ich fühlte mich grässlich und war dankbar, mich nicht aus eigener Kraft weiterschleppen zu müssen. Ich beschwerte mich nicht einmal, als Rupert mich auf die verstaubte Couch unter dem Fenster legte.

Danach schien er das Bett zu machen, denn ich hörte das Rascheln von Stoff, und Sekunden später hob er mich auf eine glatte, weiche Unterlage, die nach Wandschrank roch. Das Letzte, was ich spürte, bevor ich das Bewusstsein verlor, war die sanfte Berührung seiner Lippen auf meiner Wange. Danach fiel ich binnen eines Wimpernschlags in einen tiefen und glücklicherweise traumlosen Schlaf.

Ich wachte langsam auf und blinzelte ins sanfte Licht. Das letzte Mal, dass ich von einer echten Sonne geweckt worden war, nicht von einer Alarmsirene oder der Tageszyklusbeleuchtung eines Raumschiffs, lag so lange zurück, dass ich sie im ersten Moment gar nicht erkannte. Was ich allerdings sofort erkannte, war die durchschimmernde Silhouette, die wie ein Staubflöckchen vor mir im Licht tanzte: Ein Phantom schwebte keine Armeslänge von meiner Bettkante entfernt. Es war ungefähr faustgroß und damit etwas größer als die, die ich normalerweise zu Gesicht bekam. An der Stelle, wo sich vermutlich der Kopf befand, ragten drei lange Fühler aus dem bauchigen Körper. Als ich die Augen öffnete, hingen sie schlaff herab, doch dann, als hätte das Phantom gemerkt, dass ich wach war, bewegten sie sich zögerlich.

Ich seufzte und wartete darauf, dass das kleine Leuchtvieh das Weite suchte, aber es blieb. Das Phantom rührte sich nicht von der Stelle und wedelte immer eifriger mit seinen Fühlern, als wollte es meine Aufmerksamkeit erregen. Sein Verhalten war so seltsam, dass ich ohne Nachdenken die Finger nach ihm streckte.

Ich hatte meinen Arm kaum gehoben, da ergriff das Phantom die Flucht durchs Fenster und verschwand draußen im gleißenden Licht. Einen Moment lang starrte ich ihm hinterher und überlegte gerade, noch eine Runde zu schlafen, da hörte ich eine warme Stimme direkt neben mir.

»Guten Nachmittag.«

Vor Schreck musste ich einen halben Meter hoch gesprungen sein, denn ich schlug hart auf die Matratze und landete auf der Seite, sodass ich Ruperts verschüchtertes Lächeln sah.

»Tut mir leid«, sagte er.

»Lass das gefälligst«, fluchte ich und ließ den Kopf sinken. Ich versuchte immer noch, meinen rasenden Puls wieder auf Normalniveau zu bringen, da fiel mir auf, dass die Möbel sich bewegt hatten.

Die Couch, die zuvor noch unter dem Fenster gestanden hatte, befand sich nun direkt neben meinem Bett. Die grünen Polster waren dick mit Staub und allerlei elektronischen Geräten bedeckt. Offensichtlich hatte Rupert seine neue Basis hier aufgeschlagen. Neben dem Com-Empfänger und dem Tablet, die er aus dem Kontrollturm mitgenommen hatte, lagen Ruperts Pistole sowie diverse Ausweise, alles penibel angeordnet und sofort griffbereit. Er hatte sogar eine Tasse mit diesem bitteren schwarzen Zeug, das die Terraner so gerne tranken. Kaffee nannten sie es, glaube ich.

»War unten der Empfang zu schlecht?«, fragte ich mit nach oben gezogenen Augenbrauen.

Rupert lehnte sich achselzuckend zurück. »Das Signal war in Ordnung«, erwiderte er und nippte an seiner Tasse. »Aber hier oben gefällt es mir besser.«

Normalerweise hätte ich ihm kein Wort geglaubt, aber Rupert sah tatsächlich zufrieden aus. Ohne Schuhe saß er mit aufgerollten Hemdsärmeln da, das lange schwarze Haar gekämmt. Außer in der Nacht, als ich in seine Kabine kam, hatte ich ihn noch nie so entspannt gesehen. Leider rief die Erinnerung in Kombination mit dem recht intimen Arrangement sofort alle möglichen Bilder in mir wach, die ich nicht gebrauchen konnte. Schließlich schaute ich weg und zwang mich, an etwas anderes zu denken. »Wie lange habe ich geschlafen?«

»Gut achtzehn Stunden.«

Mein Kiefer klappte nach unten. »Achtzehn Stunden?«

Rupert stellte seine Tasse ab. »Mehr oder weniger. Ich wollte dich schon wecken, aber du hast so friedlich ausgesehen.«

Ich schwang die Beine über die Bettkante und setzte mich fluchend auf.

»Wo willst du hin?«, fragte Rupert, nachdem ich mich schwankend erhoben hatte.

»Bad«, erwiderte ich und stolperte Richtung Flur.

Zum Glück verflog die Steifheit in meinen Gliedern schnell. Als ich das Badezimmer erreicht hatte, konnte ich beinahe wieder normal gehen. Ich fühlte mich wieder viel besser, was auch keine Überraschung war, wenn man bedachte, wie lange ich weg gewesen war. Nachdem ich mein Geschäft verrichtet hatte, spritzte ich mir kaltes Wasser ins Gesicht, bis ich mich wieder einigermaßen wie ich selbst fühlte, dann machte ich mich auf die Suche nach meinen Kleidern.

Ich fand sie ordentlich zusammengelegt in einem Stapel auf dem Waschautomaten. Ruperts Hemd und Hose, ebenfalls frisch gewaschen, hingen glatt gestrichen auf Bügeln an der Wand. Um ein Haar hätte ich gelacht. Ich fand Ruperts Ordnungsbedürfnis keinesfalls lächerlich, aber seit wann waren Supersoldaten gleichzeitig Super-Nerds?

Ich schnappte mir meine Klamotten und schlüpfte in die olivfarbene Militärunterwäsche aus der Botschaft. Für normale Menschen mochte das nichts Besonderes sein, aber in dem Kampfunteranzug fühlte ich mich wieder ein Stück mehr wie ich selbst. Um der Höflichkeit willen stopfte ich das Hemd, da ich mir von Rupert geliehen hatte, in den Automaten, auch wenn es eigentlich Verschwendung war, nur ein einziges Stück zu waschen, und machte mich auf den Rückweg. Jetzt, da wir allein waren und ich wieder bei vollem Bewusstsein, wurde es Zeit, das weitere Vorgehen zu besprechen.