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„Sehr geehrter Herr Lavalle! Demnächst werden Sie den Geschmack des Scheiterns kennenlernen. Seien Sie darauf gefasst!“ Das perfekte Verbrechen: Kann es so etwas geben? Seit die Medien über ihn berichtet haben, ist Henri Lavalle als Spezialist für Serientäter bekannt. Hat ihn dies nun zur Spielfigur eines brillanten Täters gemacht? Jeden Freitag bekommt Lavalle einen Brief voller dunkler Andeutungen. Als tatsächlich ein Mädchen verschwindet, beginnt ein Wettlauf mit der Zeit. Doch obwohl Lavalle keine dringendere Aufgabe kennt, als das junge Leben zu retten, setzt sein Chef ihn auf andere Ermittlungen an. Dabei wird der Kommissar in die dubiosen Machenschaften eines Industriellen verwickelt – und droht, zwischen den beiden Fällen zerrissen zu werden … Ein eiskalter Plan und ein unvorhersehbarer zweiter Fall für einen Kommissar, der an seine Grenzen gehen muss: „Ein großes Plus von Kochs Roman ist die Hauptfigur. Lavalle hat definitiv das Zeug zum Serienhelden.“ Kölner Rundschau Jetzt als eBook: „Kommissar Lavalle: Die Karte des Todes“ von Stefanie Koch. dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 439
Über dieses Buch:
Das perfekte Verbrechen: Kann es so etwas geben? Seit die Medien über ihn berichtet haben, ist Henri Lavalle als Spezialist für Serientäter bekannt. Hat ihn dies nun zur Spielfigur eines brillanten Täters gemacht? Jeden Freitag bekommt Lavalle einen Brief voller dunkler Andeutungen. Als tatsächlich ein Mädchen verschwindet, beginnt ein Wettlauf mit der Zeit. Doch obwohl Lavalle keine dringendere Aufgabe kennt, als das junge Leben zu retten, setzt sein Chef ihn auf andere Ermittlungen an. Dabei wird der Kommissar in die dubiosen Machenschaften eines Industriellen verwickelt – und droht, zwischen den beiden Fällen zerrissen zu werden …
Ein eiskalter Plan und ein unvorhersehbarer zweiter Fall für einen Kommissar, der an seine Grenzen gehen muss: „Ein großes Plus von Kochs Roman ist die Hauptfigur. Lavalle hat definitiv das Zeug zum Serienhelden.“ Kölner Rundschau
Über die Autorin:
Stefanie Koch, geboren 1966 in Wuppertal, studierte in Frankreich, arbeitete in Italien, Thailand und Bangkok und lebt heute in Düsseldorf, wo sie unter anderem als Managerin internationaler Telekommunikationsprojekte tätig ist. Seit 2003 steht sie mit eigenen Kabarettprogrammen auf der Bühne, schreibt für den Rundfunk und veröffentlicht erfolgreich Thriller und Kriminalromane.
Die Autorin im Internet: www.stefanie-koch.com
Bei dotbooks erschienen bereits Stefanie Kochs Thriller CROSSMATCH – Das Todesmerkmal sowie die drei Kriminalromane rund um Kommissar Lavalle:
KOMMISSAR LAVALLE: Im Haus des Hutmachers
KOMMISSAR LAVALLE: Die Karte des Todes
KOMMISSAR LAVALLE: Die Stunde der Artisten
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Überarbeitete Neuausgabe September 2013
Dieses Buch erschien in einer älteren Fassung bereits 2006 unter dem Titel Die Karte des Todes bei Droste, Düsseldorf.
Copyright © der Originalausgabe 2006 Droste Verlag GmbH, Düsseldorf
Copyright © der überarbeiteten Neuausgabe 2013 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Redaktion dieser Ausgabe: Annika Krummacher
Titelbildgestaltung: Maria Seidel (www.atelier-seidel.de) unter Verwendung von Motiven von Thinkstockphoto und istockphoto/Amanda Rohde.
ISBN 978-3-95520-343-6
***
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Stefanie Koch
KOMMISSAR LAVALLE
Die Karte des Todes
Der zweite Fall
Kriminalroman
dotbooks.
Für den Zauberer
AMSTERDAMER MORGENPOST
Tragischer Tod in der Braufamilie Gronerath
Gestern Mittag in Cannes verunglückte Petri Gronerath, die einzige Erbin der alteingesessenen Amsterdamer Brauerei Gronerath, tödlich. Die 16-Jährige machte mit ihrem Verlobten Sebastian Geldermann und dessen Familie Urlaub auf der Geldermann-Yacht. Nach dem Mittagessen wollten die beiden schwimmen gehen und gerieten unbemerkt in das abgesperrte Gebiet eines Schnellbootrennens. Das Rennen war in vollem Gange. Für Petri Gronerath kam jede Hilfe zu spät, Sebastian Geldermann steht unter Schock und wird psychologisch betreut. Die französische Polizei geht nicht von einem Unfall aus, heißt es, sondern hat den Vater des Verlobten, Achim Geldermann, festgenommen. Der Verdacht lautet auf fahrlässige Tötung. Die Verbindung der beiden traditionsreichen Brauereien – in Fachkreisen wurde von einer „freundlichen Übernahme“ gesprochen – ist damit aufgelöst.
AMSTERDAMER MORGENPOST
Was passierte wirklich in Cannes?
„Wir sind froh, dass sich das Problem damit von selbst gelöst hat.“ So lautet Achim Geldermanns geschmackloser Kommentar zu dem tragischen Ereignis vor zwei Tagen in Cannes. Der hochgewachsene Mann mit der blonden Mähne und dem Schmiss auf der linken Wange wirkte bei seinen Worten eiskalt. „Wer seine Tochter auf meinen Sohn ansetzt, um eine Finanzspritze für sein marodes Unternehmen zu erzielen, hat nichts Besseres verdient.“ Die Brauerei Gronerath steht in der Tat kurz vor der Insolvenz. Achim Geldermann bestätigt, seinem Sohn die Hochzeit mit Petri Gronerath untersagt zu haben. Petris Mutter hingegen behauptet, das Pärchen habe in Cannes heiraten wollen, was von Familie Geldermann bestritten wird. Die notwendigen Papiere für die Hochzeit sind im Hotelzimmer sichergestellt worden. Ein aufgetauchter Drohbrief von Petri Gronerath an Achim Geldermann erhärtet den Verdacht gegen den Brauereibesitzer. Dieser Brief verschwand spurlos, nachdem der deutsche Kommissar Lavalle ihn an sich genommen hatte.
DÜSSELDORFER TAGESKURIER
Holländische Nachbarn erstaunt über Düsseldorfer Filz
Der tragische Tod der Holländerin Petri Gronerath im südfranzösischen Cannes wirft Schatten auf die deutsch-niederländischen Beziehungen. Die Schlagzeile der Amsterdamer Morgenpost lautete gestern: „Düsseldorfer Filz aus Polizei, Politik und Geldadel geht über holländische Leiche!“ Achim Geldermann, Besitzer der erfolgreichen Düsseldorfer Brauerei Kunderalt, geriet durch den Tod von Petri Gronerath unter Mordverdacht. Der mit dem Fall betraute Hauptkommissar Henri Lavalle aus Düsseldorf hielt sich ebenfalls in Cannes auf. Offenbar machte er auf Staatskosten Flitterwochen mit der vor kurzem noch unter Mordverdacht stehenden Ann Stahl. Es wird angenommen, dass er wichtige Beweisstücke gegen Geldermann verschwinden ließ. Nun möchte man als braver Bürger meinen, Geldermann werde unter Anklage gestellt und Kommissar Lavalle vom Dienst suspendiert! Aber nein. Familie Geldermann fliegt morgen – dank der Intervention Lavalles–zurück nach Düsseldorf. Die Polizei sieht keinen Grund für weitere Ermittlungen. Achim Geldermann selbst hat sich trotz der mehr als merkwürdigen Umstände, unter denen der Drohbrief gegen ihn verschwand, dafür eingesetzt, dass Kommissar Lavalle im Dienst bleibt. Wo ist der Rechtsstaat? Wo die Moral?
Wir meinen, unsere holländischen Nachbarn wundern sich zu Recht.
Henri Lavalle, der die ganze Nacht mit einem Totschlag in der Düsseldorfer Altstadt beschäftigt war, saß erschöpft in seinem verrauchten Büro. Er starrte auf die sechs Briefe, die vor ihm lagen. Die Buchstaben tanzten vor seinen müden und roten Augen. Schon wieder eine Drohung, ein anonymer Brief, wie jeden Freitag. Das ging jetzt schon seit Wochen so.
Die Buchstaben stammten aus einer alten Zeitschrift oder einer, die sich einer altertümlichen Schrift bediente, denn bisher konnten sie den Schrifttyp nicht bestimmen. Es gab auch keine Fingerabdrücke, weil der Verfasser ihm immer nur eine Kopie seiner Arbeit schickte. Die Adresse und der fehlerfrei geschriebene Name, Henri Lavalle, auf dem Briefumschlag stammten von einem Laserdrucker. Das Kuvert fühlte sich an wie altes Löschpapier. Diese Qualität stamme aus der Nachkriegszeit und werde nicht mehr hergestellt, hatte ein Spezialist ihm erklärt. Es bestehe aus allerlei Resten und sei entsprechend minderwertig.
Seit der Geschichte in Cannes im vergangenen August hatte Lavalles Bild oft in den Düsseldorfer Zeitungen gestanden. Eine Flut anonymer Briefe verschiedenen Inhalts war über ihn hereingebrochen: Liebeserklärungen, Beschimpfungen, Abhandlungen und auch Drohungen. Seit Januar war ihre Anzahl deutlich zurückgegangen, und seit Februar hatte Lavalle gar keine Schreiben mehr erhalten. Doch vor sechs Wochen war der erste Drohbrief aufgetaucht. Sie hatten ihn beiseitegelegt wie die anderen, obwohl Henri schon da irritiert gewesen war, denn auf eine unbestimmte Art unterschied er sich von der anonymen Post, die sonst im Polizeipräsidium ankam. Die Briefe wurden über verschiedene Postämter verschickt, die aufgeklebten Marken waren Massenware, die Umschläge ohne Fingerabdrücke, und jeweils links oben hatte der Polizeibeamte aus der Poststelle das Eingangsdatum vermerkt. Er las sich die Briefe noch einmal durch:
11. März
Sehr geehrter Herr Lavalle! Demnächst werden Sie den Geschmack des Scheiterns kennenlernen. Mädchen werden in Düsseldorf verschwinden und nie wieder auftauchen. Seien Sie darauf gefasst! Bald!
18. März
Sehr geehrter Herr Lavalle! Ich habe mit der Planung begonnen! Sind Sie auf Ihr Scheitern gefasst?
25. März
Sehr geehrter Herr Lavalle! Wenn es so weit ist, kann nur ich Ihnen helfen, und ich frage mich, ob Sie mich wohl darum bitten werden.
1. April
Sehr geehrter Herr Lavalle! Bald!
8. April
Sehr geehrter Herr Lavalle! Ich bin mit meiner Planung fast fertig. Ich freue mich schon auf Ihr Scheitern. Sie auch?
15. April
Sehr geehrter Herr Lavalle! Dieses Wochenende ist es so weit. Samstagnacht! Dann werden Sie erfahren, dass ich nicht bluffe. Bis bald.
Auch wenn es sich bei solchen Briefen meist um leere Drohungen handelte, so ließen sie Henri nie kalt. Er war Kriminologe geworden, weil es ihn faszinierte, was in einem Menschen vorging, der einen Mord phantasierte, plante und manchmal auch ausführte. Welche Windungen im Gehirn liefen falsch, welches Versagen in der Kindheit, welche Demütigung reichte aus, um einen Menschen derart entgleisen zu lassen?
„Hi, Chef, gibt es noch etwas?“ Bernd, der Computerspezialist in Lavalles Team, kam hereingeschlendert und lehnte sich an das überfüllte Regal mit den durchhängenden Böden. Henri lächelte dem kleinen schmalen Mann zu, der die Ausstrahlung eines Jungen hatte, solange man nicht in seine intelligenten Augen sah.
„Nein, du kannst gehen. Heute brauche ich dich nicht mehr. Was hast du denn vor, dass du so früh wegwillst?“
„Englischkurs.“
Henri grinste. Er wusste mittlerweile, dass sich hinter dem, was Bernd als Englischkurs bezeichnete, ein Treffen mit gleichgesinnten Polizisten verbarg, die sich gegenseitig Tricks zeigten, wie man illegal in nicht offizielle Datenbanken gelangte.
Auch Henri wollte heute früher gehen. Was er seit Monaten vor sich hergeschoben hatte mit der Gewissheit, dass es doch eines Tages so kommen würde, stand heute endlich an: sein Auszug von zu Hause. Seine Ehe war endgültig vorbei.
Henri nahm ein paar Unterlagen und ging zum Büro seines Kollegen und Freundes Alex Sanders. Der beugte sich gerade über ein paar alte Zeitungen, die aus den Jahren 1945 bis 1955 stammten. Mit einer Lupe verglich er die einzelnen Buchstaben der Drohbriefe mit denen der Zeitungsartikel. Während seine linke Hand die Lupe hielt, strich er mit seiner rechten immer wieder über seinen ingwerfarbenen Vollbart, der ihm den Spitznamen „der Ire“ eingebracht hatte.
„Das B könnte aus dieser Ausgabe des Rheinkuriers von 1947 stammen. Aber macht er sich wirklich so viel Arbeit, die Buchstaben aus verschiedenen Zeitungen auszuschneiden?“, murmelte Alex.
„Würde dich das mit deinem Erfahrungsschatz an Täterprofilen wirklich überraschen?“, entgegnete Henri.
Alex richtete sich auf und dehnte seine Finger. „Nein, nicht wirklich. Aber Zorro weigert sich, eine Untersuchungsreihe durchlaufen zu lassen, bis ich mehr als drei übereinstimmende Buchstaben gefunden habe.“ Er lachte gutgelaunt.
Henri wechselte das Thema. „Hilfst du mir? Ich muss meine Kisten abholen.“
„Henri, das gefällt mir nicht. Ich kann Lisa und dir nicht dabei zusehen, wie du ausziehst. Dagmar und ich sind schließlich auch mit ihr befreundet.“
„Sie ist nicht da.“
„Sicher?“
„Hat sie gesagt.“
Da es wie so oft in den letzten Wochen stark regnete, mussten sie zum Auto rennen, um nicht völlig durchnässt zu werden.
Als Alex sich gerade auf dem Fürstenwall links einordnete, fragte er: „Hast du diese Ann Stahl eigentlich noch einmal wiedergesehen nach euren Flittertagen in Cannes?“
Henri grinste. „Die Sache wurmt dich noch immer, nicht wahr?“
„Also, hast du oder hast du nicht?“
„Willst du es wirklich wissen – oder will deine Frau es im Auftrag von Lisa wissen?“
„Ich dachte, mit dem Thema sind wir durch.“
„Ja, sorry, ich bin etwas reizbar heute Morgen. Nein, ich habe Ann Stahl seitdem nicht mehr gesehen. Ich wollte schließlich Lisa und mir eine echte Chance geben.“
„Und die ist jetzt gescheitert, woran du natürlich unschuldig bist, und so kannst du deine Frau und deine vier Töchter ohne schlechtes Gewissen verlassen.“
„Und damit, dachte ich, sind wir auch durch!“
Sie bogen in die Straße Am Sandacker ein. Henri spürte Erleichterung, dass diese adrette Gegend mit ihren aufgeräumten zweistöckigen Häusern fortan zu seiner Vergangenheit gehören würde. Lisa hatte zwar recht gehabt: Für die Kinder war die dörfliche Atmosphäre des Düsseldorfer Stadtteils Hamm sicher besser. Aber er selbst, der im Pariser Quartier Latin aufgewachsen war, empfand das, was hier wohlwollend als ganz normale soziale Kontrolle wahrgenommen wurde, als nachbarliche Observation. Als sie gerade die letzte der acht Kisten im Auto verstauten, bog Lisa Lavalle mit dem Fahrrad in die kleine Straße ein, erkannte den Wagen, lächelte dünn und begrüßte Alex mit den Worten: „Du bist ja ein toller Freund.“
„Na, super“, murmelte Alex.
„Er ist zufälligerweise auch mein Freund, Lisa“, sagte Henri und erschrak über die Bitterkeit in ihrem sonst so sanften Gesicht.
„Sicher, Henri, wir haben ja bekanntlich alles geteilt. So wie meine Mutter auch deine Mutter ist!“
Henri ignorierte ihre Anspielung, hob ein paar Taschen vom Bürgersteig und stellte sie auf den Rücksitz.
„Dass es dir nicht zu blöd ist, zu meiner Mutter ins Haus zu ziehen“, setzte Lisa nach.
„Das kommt unter anderem daher, dass es dir nicht zu blöd ist, einen Großteil meines Nettogehalts zu fordern.“ Er knallte die Hecktür zu und stieg ins Auto.
„Tut mir leid.“ Alex sah sie freundlich an, aber Lisa zuckte nur mit den Schultern und ging ins Haus.
Bis in die Hohe Straße, wo Henriette Pasche in einem der gepflegten Patrizierhäuser lebte, sprachen die beiden kein Wort. Dann setzte Alex wieder an: „Ich finde es auch ein wenig seltsam, bei der Ex-Schwiegermutter einzuziehen.“
„Fang du nicht auch noch an. Wir haben uns doch gemeinsam jede Menge Wohnungen angeschaut, die ich mir mit meinem gerupften Gehalt hätte leisten können, und du hast selbst gesagt, dass dich in diese Häuser keine 20 Scheidungen reinbringen würden. Und Henriette bewohnt dieses große Haus allein, die zweite Etage steht leer.“
Alex half Henri, die Kisten hineinzutragen, und fragte, bevor er ihn allein ließ: „Bist du dir sicher, dass es eine gute Entscheidung war?“
„Ja, Alex, selten in meinem Leben war ich mir so sicher wie jetzt.“
„Aber deine Kinder und die gemeinsame Zeit mit ihnen ist vorbei.“
„Unsinn, wahrscheinlich verbringe ich künftig mehr Zeit mit meinen Kindern als vorher. Und weißt du was? Ich freue mich auf dieses neue Leben. Ich kann nach Hause kommen, wann ich will, kann rauchen, Bier oder Wein trinken, mit Henriette quatschen, mir ihre schmutzigen Witze anhören, und ich habe auf einem Quadratkilometer über 200 Kneipen direkt um die Ecke. Ist doch super.“
„Eines Tages wirst du es bereuen.“
„Sollte es dazu kommen, erfährst du es als Erster.“ Dann wechselte er zu dem Thema, das ihn zurzeit am meisten beschäftigte, den Drohbriefen. „Meinst du, es passiert morgen Nacht etwas?“
„Henri, selbst wenn ein Mädchen verschwinden sollte, dann weißt du doch, dass sie fast alle wieder auftauchen. Die Wahrscheinlichkeit, dass auch an diesem Wochenende wieder ein paar junge Mädels als vermisst gemeldet werden, ist wie immer groß, und dann muss es noch lange nichts mit diesen Drohbriefen zu tun haben.“
„Sie machen mich aber nervös.“
Alex machte eine wegwerfende Geste. „Ich werde Montag früh vor der Teambesprechung die aktuellen Vermisstenzahlen abfragen. Dann bekommen wir ein besseres Gefühl für die Situation, besonders, wenn an diesem Wochenende tatsächlich ein Mädchen in Düsseldorf verschwinden sollte.“
„Gute Idee“, sagte Henri, brachte seinen Freund zur Tür und fügte hinzu: „Danke fürs Helfen.“
Nachdem er sich mit seiner überschaubaren Habe in der Altbauwohnung eingerichtet hatte, rauchte er auf dem kleinen Balkon, der zur Küche gehörte, eine Zigarette. Henriette, seine Schwiegermutter, würde erst am nächsten Freitag von einer Reise zurückkommen, und er war ehrlich gesagt froh darüber. So konnte er sich in aller Ruhe in seinem neuen Alltag einrichten.
Die dunkelhaarige Aliza saß wie so oft, wenn sie und ihre Freundin Dana im Beelers Club waren, allein an einem der hohen Tische am Eingang. Hier war die Luft besser, und sie hatte gute Sicht auf die ankommenden Gäste. Irgendwann, das wusste sie genau, würde ihr Traumprinz kommen und sie erkennen. Aliza prüfte verstohlen, ob ihr Lippenstift verwischt war. Von Kindesbeinen an hatten Eltern und Verwandte ihr wunderschönes Gesicht gelobt. Ihre Großmutter hatte sie Püppchen genannt, weil sie so klein und zart war. Viele Jungen blickten ihr nach und lächelten sie auch hier im Beelers Club oft an. Deswegen hatte sie den Club auch bei der Agentur angegeben, sie genoss es, hier zu sein. Aliza winkte Dana zu, die gerade mit ihrem neuen Freund tanzte, und nippte an ihrem Kirsch-Bananen-Saft. Sie durfte nicht zu schnell trinken, denn bis jetzt hatte sich noch kein Junge angeboten, ihr einen Drink zu zahlen, und das Geld, das sie noch in der Tasche hatte, reichte gerade für die Straßenbahn zurück.
„Hallo, Aliza!“
„Woher weißt du meinen Namen?“
„Ich bin Fotograf. Bist du aus Düsseldorf?“
„Ja, und du?“
„Auch, die Düsseldorfer Mädchen sind wirklich die schönsten.“
Aliza lachte, und er sah eine reizende Zahnlücke aufblitzen.
„Ich kenne dich aus dem Katalog von Modelgarten und wusste, dass du heute hier bist. Du hast ein tolles Fotogesicht. Trinkst du etwas mit mir?“
Aliza blickte in warme braune Augen, taxierte schnell seine teure Kleidung und dachte: Der sieht reich aus. Sie nickte ihm zu und wartete, bis er von der Bar zurück war. Er plauderte nett mit ihr, machte ihr viele Komplimente, und sie entspannte sich. Als sie den spendierten Cocktail zur Hälfte geleert hatte, wurde ihr schwindelig.
„Ist dir nicht gut?“, fragte er besorgt und legte fürsorglich seinen Arm um ihre Schulter. „Komm, ich bringe dich kurz raus. Du scheinst keinen Alkohol zu vertragen.“
„Aber ich muss meiner Freundin Bescheid sagen, sie ist auf der Tanzfläche.“
„Hast du ein Handy dabei? Deine Freundin auch? Sehr gut, dann rufen wir sie von draußen an. Aber jetzt erst einmal raus hier. Du brauchst bestimmt nur frische Luft.“
Als er Aliza vom Barhocker half, stieß er geschickt mit dem Ellbogen ihr Glas um. Dank der lauten Musik vernahm niemand das Splittern. In seinen Ohren rauschte es. Er hatte es sich so oft in seiner Phantasie ausgemalt, aber dieses Gefühl der Allmacht war so wunderbar, dass es all seine Erwartungen übertraf.
Er zog das Mädchen die Treppe hinauf, und kaum waren sie um die Ecke in der dunklen Gasse verschwunden, wo sein Auto stand, verlor Aliza das Bewusstsein. Wegen des starken Regens befand sich niemand auf der Straße, als er die junge Frau unbeobachtet in den Kofferraum legte.
„Guten Morgen, zusammen – und schön, dass ihr vollzählig seid.“ Henri war die Erleichterung darüber anzumerken, dass an diesem Wochenende kein Mädchen aus Düsseldorf vermisst gemeldet worden war.
Das Team war heute komplett anwesend, denn jeder dritte Montagmorgen eines Monats war für eine große Teambesprechung vorgesehen, die allerdings oft ausfiel, weil Mörder und Straftäter sich nicht an Terminpläne hielten.
Henri blickte hinüber zu Zack, der Abteilungssekretärin, die wie immer mehrere frisch gespitzte Bleistifte in ihrem Turm aus blondgefärbten Haaren stecken hatte. Leni Zackmann, die seit über 30 Jahren für die Düsseldorfer Polizei arbeitete und eigentlich schon längst pensioniert gehörte, wurde, seit Henri denken konnte, von allen Zack genannt, weil sie prompt und effektiv war. Begegnete man ihr allerdings nicht mit derselben Korrektheit, kannte sie keine Entschuldigung.
Ziel der Besprechung war, dass die einzelnen Fachbereiche über ihre aktuellen Aufgaben berichteten, Anfragen anderer Dienststellen und gegebenenfalls neue Erkenntnisse aus ihrem Gebiet vortrugen.
„Gibt es etwas, worüber ihr berichten wollt?“ Henri blickte jedem einen Moment in die Augen, nur der Gräfin nicht, denn die Gerichtsmedizinerin seines Teams machte sich Notizen. Schließlich meldete Alex sich zu Wort.
„Was machen wir mit den Drohbriefen? Weiterforschen?“
„Nein, für den Moment nicht. Es ist entgegen der Ankündigung nichts passiert – Gott sei Dank –, und heute war kein neuer Brief in der Post. Wir warten bis Freitag. Allerdings möchte ich, dass in der Notrufzentrale die Anweisung bestehen bleibt, uns umgehend zu informieren, sobald ein Mädchen vermisst gemeldet wird. Hast du Zeit gehabt, die aktuellen Zahlen zu recherchieren?“
„Ja“, bestätigte Alex und zog ein Papier hervor. „Täglich haben wir es bundesweit mit 150 bis 250 Fahndungen zu tun, die neu erfasst oder wieder gelöscht werden.“
„Datenerfassung bei der Polizei scheint ja ein krisenfester Job zu sein“, sagte Bernd salopp und fing sich einen feindseligen Blick von Alex ein, der weitersprach:
„Noch einmal für alle zur Erinnerung: Eine Vermisstenfahndung wird nur eingeleitet, wenn eine Person ihren gewohnten Lebenskreis verlassen hat, der Aufenthaltsort unbekannt ist und Gefahr für Leib und Leben besteht. Letzteres ist der Grund, warum wir oft gar nicht erst anfangen zu suchen. Anders als Erwachsene haben Minderjährige nicht das Recht, ihren Aufenthaltsort frei zu wählen, deshalb wird hier sofort eine Fahndung eingeleitet. Zwei Drittel aller Vermissten sind übrigens männlich.“
Schweigen trat ein, dann sagte Henri: „Ich bin von morgen an bis Donnerstagabend beim BKA in Wiesbaden. Informiert mich bitte sofort, wenn es Neuigkeiten gibt. Noch etwas?“
Als keiner antwortete, verteilte Zack die aktuellen Listen der Abwesenheit und der Bereitschaft. Henri erhob sich und wandte sich an Zoran Ohlman von der Spurensicherung. „Treffen wir uns morgen hier am Präsidium?“
„Nö“, nuschelte der Mann mit den dichten schwarzen Haaren, den alle nur Zorro nannten, „ich sammle dich gern zu Hause auf.“
„Hohe Straße.“
„Weiß ich. Bin um sieben vor der Tür.“
Henri hatte noch niemanden im Team außer Alex über seine neue Lebenssituation informiert, und doch wussten alle Bescheid – das irritierte ihn.
Als Henri aus Wiesbaden zurückkam, ging er direkt in sein Büro, wo er Dr. Annett Graf über seinen Schreibtisch gebeugt fand. Er verschloss sein Büro nie, damit die Teammitglieder jederzeit an Unterlagen kamen, die bei ihm gelagert wurden. Er mochte die Gräfin, hatte Hochachtung vor ihrer Allgemeinbildung und ihrem medizinischen und psychologischen Fachwissen.
Jetzt sahen ihre kurzen dunkelbraunen Haare zerrupft aus, die Lesebrille war ihr auf die Nasenspitze gerutscht.
„Hallo, Gräfin“, sagte Henri so leise wie möglich und erschreckte sie doch.
„Verdammt! Jetzt habe ich mir auf die Zunge gebissen. Kannst du nicht laut polternd über den Gang kommen?“
Henri hob entschuldigend seine Hände. „Schön, dass du da bist, hast du noch ein wenig Zeit?“
Sie blickte rasch auf die Uhr. „Eigentlich habe ich dir schon alles aufgeschrieben, aber ich habe noch ein paar Minuten, bis ich meine Tochter vom Ballett abholen muss. Willst du einen Kaffee?“
„Bitte.“ Er ließ seine Aktentasche auf den Boden fallen, und während er auf die Gräfin wartete, las er schnell die Notizen, die sich im Laufe der letzten Tage auf seinem Schreibtisch eingefunden hatten.
„Hallo, Henri!“ Bernd kam um die Ecke geschlendert und setzte sich Henri gegenüber an den Tisch.
Dr. Annett Graf kam zurück, stellte den Kaffee ab und sah Henri an.
„Zack hat gerade den Anruf erhalten, dass ein Mädchen vermisst wird. Hier ist die Adresse.“ Sie reichte ihm den Zettel.
Aliza Wetter, wohnhaft in der Nordstraße, 15 Jahre, zuletzt gesehen im Beelers Club, Oberkassel, am Samstag, 16. April um 23.30 Uhr.
„Sag mal, wieso erfahren wir erst jetzt davon?“ Henri sprang auf und hätte beinahe seinen Kaffee verschüttet. „Wo steckt Alex?“
„Beim Sport“, antwortete Bernd mit einem Grinsen.
„Okay, fährst du mit mir hin?“
Henri rauchte auf dem kurzen Weg bis zur Nordstraße drei Zigaretten, während er mit der Leitstelle telefonierte, die die Vermisstenmeldung aufgenommen hatte. Aliza Wetter war mit ihrer Freundin Dana Peters um halb neun in den Beelers Club gegangen. Während Dana auf der Tanzfläche war, hatte sich der Club rasch gefüllt, wie jeden Samstag. Um Viertel vor zwölf hatte Dana eine Tanzpause gemacht und ihre Freundin nicht mehr finden können. Als Aliza jedoch später auf eine SMS geantwortet hatte, war Dana beruhigt. Bis gestern hatte Aliza auf alle SMS reagiert. Mehr wusste der Mitarbeiter von der Leitstelle nicht.
Bernd parkte auf der belebten Straße direkt vor dem Haus, in dem die Familie Wetter lebte, und schaltete die Warnblinkanlage ein.
Die Haustür öffnete sich gleich nach dem ersten Klingeln. Im Treppenhaus mit den typisch hohen Decken eines Altbaus roch es säuerlich. Henri hastete die Stufen hinauf. In der zweiten Etage erwartete die beiden eine zierliche und blasse Frau mit verweinten Augen, Alizas Mutter. Wortlos folgten sie ihr in die Wohnung. Im Wohnzimmer, das zur Nordstraße hinausging, saß der Vater mit grauem Gesicht.
Henri stellte sich und Bernd vor und wandte sich dann an die Eltern: „Die dringendste Frage, die wir an Sie haben, lautet: Warum haben Sie Ihre Tochter erst heute vermisst gemeldet?“
Mit bedrückten Mienen erzählten die Eltern, dass sie mit dem Ehepaar Peters, das unter ihnen wohne, seit zehn Jahren jeden April gemeinsam eine Woche Urlaub auf Ibiza machten. Heute erst seien sie zurückgekommen. Gestern noch habe Aliza auf eine SMS geantwortet. Früher habe die Oma auf die beiden befreundeten Mädchen, die wie Schwestern aufgewachsen seien, aufgepasst. Aber die Oma sei vor zwei Jahren verstorben, und die beiden Mädchen hätten stets gut aufeinander achtgegeben. Seit gestern Abend dann habe Aliza nicht mehr auf ihre SMS geantwortet. Heute Morgen dann hätten sie auf Alizas Handy angerufen, aber es sei abgeschaltet gewesen.
Henri bat Frau Wetter, bei den Nachbarn anzurufen und Dana Peters hochzuschicken. Wenig später klingelte es an der Wohnungstür, und Dana Peters kam mit ihrer Mutter herein.
Henri stellte sich dem schlanken Mädchen mit den blonden Haaren vor und erklärte dann: „Es ist sehr wichtig, dass du dich konzentrierst und jede Einzelheit erwähnst, selbst wenn du sie für albern hältst. Falls dir später noch etwas einfallen sollte, rufst du mich bitte an. Also, was habt ihr am letzten Samstag gemacht, bevor ihr nach Oberkassel gefahren seid?“
Dana antwortete leise: „Wir waren auf der Kö zum Schaufensterbummel. Am Abend haben wir zu Hause erst ferngesehen und uns dann umgezogen. So um halb zehn sind wir mit Straßenbahn und U-Bahn nach Oberkassel in die Kyffhäuserstraße gefahren. Der Club liegt im Keller unter einer Praxis.“
„Ist euch jemand gefolgt, schon am Nachmittag vielleicht?“
„Nein, niemand.“
„Oder hat jemand euch angestarrt?“
„Aliza ist sehr hübsch, sie wird oft angestarrt.“
„Und der Club, warum lässt der euch rein?“
„Vor zehn Uhr gibt es keine Ausweiskontrolle.“
„Wann genau hast du Aliza zuletzt gesehen?“
„Ich war auf der Tanzfläche, ziemlich schnell, nachdem wir im Club waren. Ich mag es, wenn die Tanzfläche noch leer ist, man hat mehr Platz, um sich zu bewegen. Aliza hat an einem der Stehtische beim Eingang gesessen. Wie immer. Sie mag die hohen Hocker, weil sie dann nicht so schnell übersehen wird. Und die Luft ist etwas besser. Gegen elf war die Tanzfläche voll, und ich konnte Aliza nicht mehr sehen.“
„Wann hast du wieder von ihr gehört?“
„Ich habe ihr eine SMS geschrieben, das war gegen Mitternacht, um mit ihr nach Hause zu fahren.“
„Und dann?“
„Sie hat um zwei Uhr zurückgeschrieben, dass sie einen tollen Typen kennengelernt hat und die Nacht mit ihm verbringt.“
„Das hat dich nicht beunruhigt?“
Dana lief rot an und zuckte mit den Schultern. Mit tränenerstickter Stimme fuhr sie fort: „Nein. Ich habe bei meinem Freund übernachtet und dachte, Aliza sei hier zu Hause. Sie hat mir ja auf jede SMS in den nächsten Tagen geantwortet. Bis gestern.“
Henri trommelte mit den Fingern auf den Wohnzimmertisch. Dana nahm ihr Handy, drückte ein paar Knöpfe und gab es ihm.
Ich bin glücklich. Gehe auf die große Reise, von der ich immer geträumt habe. Melde mich im nächsten Leben …
„Das ist ein seltsamer Text“, bemerkte Henri.
„Wir haben uns immer in Rätseln geschrieben. Es macht mehr Spaß.“
„Wie hast du dir denn dann diesen Text übersetzt?“
„Sie hat diesen Text immer geschickt, wenn sie ihren Tagträumen nachging.“
Das weitere Gespräch verlief unergiebig, weshalb Henri nach einer Weile die Eltern um ein Foto von Aliza bat. Er ließ seine Karte da und verabschiedete sich. Als sie im Auto saßen, fragte er Bernd: „Findest du das normal, Mädchen in diesem Alter allein zu lassen?“
„Was meinst du damit? Sie haben zu essen, zu trinken, Heizung, Licht, einen Wecker, der ihnen sagt, wann sie aufstehen müssen, und ein Handy.“
„Das ist doch nicht alles.“
„Sieh dich um, Henri“, Bernd zeigte auf das bunte Treiben in der Nordstraße, „15-jährige Mädchen sind keine Kinder mehr, sondern kleine Frauen. Oder nimm das Foto. Hättest du gedacht, dass das Mädel noch so jung ist?“
„Du hast sicher recht, aber was ihnen noch fehlt, ist Lebenserfahrung.“
Henri starrte das Foto an. Aliza hatte einen weißen Teint, wie Porzellan, und war stark geschminkt. Der knallrote Mund stand in einem herausfordernden Kontrast zu ihren dunklen Haaren, die das Gesicht umrahmten. Außerdem war sie so klein wie ihre Mutter, was ihr etwas Puppenhaftes verlieh. „In Frankreich nennt man solche Mädchen Lolitas“, murmelte er.
Sein Telefon klingelte. „Alex hier. Wir haben die Großfahndung eingeleitet und alle Daten bei INPOL eingegeben. Ein paar Kollegen durchkämmen gerade Oberkassel mit Suchhunden. Viel Hoffnung haben wir allerdings nicht nach fünf Tagen Dauerregen.“
„Ja, aber wer weiß, vielleicht ist sie ja erst seit gestern verschwunden. Da kam die letzte SMS. Wir sind gleich wieder im Büro.“ Er beendete das Gespräch und murmelte: „Was ist, wenn sie schon seit Samstag tot ist und der Täter die SMS beantwortet hat?“
„Wie das denn?“
„Ihr Handy war an, als er sie abschleppte. Also hat er es so lange benutzt, bis der Akku leer war. Sowohl Dana als auch die Eltern haben gesagt, dass Aliza jede SMS beantwortet hat. Das heißt aber, dass sie nicht selbst Kontakt aufgenommen hat. Verdammt! Der Täter hat sich damit ordentlich Zeit verschafft, um Spuren zu verwischen.“
Bernd bewunderte Henris Fähigkeit, alle Möglichkeiten, und seien sie noch so absurd oder schrecklich, blitzschnell zu durchdenken.
„Noch wissen wir nicht, ob Aliza tot ist“, meinte er.
Henri ließ die Bemerkung unkommentiert. Während er das Foto betrachtete, beschlich ihn die Ahnung, dass dieses Mädchen nicht mehr lebte. Per Telefon schickte er die Spurensicherung los, Alizas Zimmer zu untersuchen. Als sie im Präsidium ankamen, ging er sofort zu seinem Vorgesetzten Dr. Pahl.
„Wir brauchen noch heute zwei Trupps! Fünf Leute, die die Kyffhäuserstraße abgrasen, noch einmal fünf, die sich mit den Nachbarn in der Nordstraße beschäftigen.“
„Lavalle, Sie schießen wie immer über das Ziel hinaus. Aliza ist noch keine 24 Stunden als vermisst gemeldet!“
„Sie ist aber seit Samstag verschwunden. Und wenn wir noch mehr wertvolle Zeit verschwenden, müssen Sie das verantworten, Herr Dr. Pahl.“
„Und wenn Aliza morgen wieder da ist, bleibt unser Budget mit den Kosten belastet.“
Henri schloss die Augen, richtete sich auf, starrte seinen Chef an und sagte gepresst: „Ich schicke die Trupps jetzt los. Wagen Sie nicht, sie zurückzupfeifen.“
Wütend trat er die Tür zu seinem Büro auf, wo Bernd und Alex gemeinsam auf den Bildschirm seines Computers starrten und die Köpfe einzogen. Die beiden bildeten den Kern seines Teams, der Computerfreak Bernd, der so unscheinbar wirkte und voller Überraschungen steckte wie eine Festplatte, und der ruppige Alex, der ihn bei den Ermittlungen und Vernehmungen draußen unterstützte. Über ihre unterschiedlichen Ermittlungstechniken gerieten sie regelmäßig aneinander, doch letztlich ergänzten sie sich perfekt.
„Alex, du begleitest die Truppe zur Kyffhäuserstraße, ich gehe mit der anderen Truppe zur Nordstraße. Was sucht ihr eigentlich in meinem Computer?“
Bernds graues Gesicht tauchte hinter dem Bildschirm auf. „Deine heiligen Datenbanken, um zu überprüfen, ob in den letzten Monaten ein Mädchen mit ähnlichen Eigenschaften wie Aliza verschwunden ist. Außerdem prüfen wir wieder einmal, ob deutschlandweit ähnliche Drohbriefe aufgetaucht sind. Bis jetzt allerdings ohne Ergebnis.“
„Vielleicht“, brummte Alex, „taucht Aliza noch heute wieder auf, wir sollten diese Möglichkeit nicht außer Acht lassen.“
„Also los, ich bleibe hier, und wir halten über Handy Kontakt“, meinte Bernd.
Auf dem Gang trafen Henri und Alex auf Dr. Pahl, der pünktlich auf dem Weg in den Feierabend war. Henri drehte grußlos zur Treppe ab und überließ Alex das versöhnliche Geplänkel im Fahrstuhl.
Auf dem Hof erwarteten ihn die angeforderten Kollegen mit mürrischen Gesichtern, denn sie alle hatten ihren Dienst für heute eigentlich bereits beendet. Aber sie wussten, dass Lavalle keine Rücksicht nahm auf wartende Ehefrauen, Kindergeburtstage, Kegelabende oder Fußballspiele.
„Wir fünf fahren zur Nordstraße. Zehn Häuser vor, zehn Häuser nach Alizas Elternhaus und das Gleiche auf der gegenüberliegenden Seite. Alle Geschäfte, damit fangen wir an. Die Anwohner können wir auch später noch vom Fernseher wegholen.“
Alex winkte ihm von der anderen Seite des Parkplatzes zu und stieg ins Auto. Um unnötiges Aufsehen zu vermeiden, legte Henri bei solchen Einsätzen Wert auf Zivilfahrzeuge.
Kurz nach Mitternacht entließ Henri die letzten beiden müden Kollegen und fuhr in seine neue Wohnung. Alle hatten ihm ihre Notizen überreicht, nur Alex, der sich mit seiner Truppe bereits um 23 Uhr abgemeldet hatte, wollte seine Aufzeichnungen in Henris Briefkasten werfen.
In der Hohe Straße angekommen, nahm Henri die Unterlagen aus dem Postkasten und stieg die Treppen bis zur zweiten Etage hoch. Als Erstes öffnete er eine Flasche Rotwein und versuchte vergeblich, die Heizung in Gang zu bringen. Schließlich übertrug er die Notizen in seinen Laptop. Gemeinsam mit Bernd hatte er ein Programm entwickelt, das aufgrund der gesammelten Informationen eine Vorstellung davon erarbeitete, wie das Opfer auf den Täter gewirkt haben mochte. Die meisten Polizisten wussten, dass sie unter Henri Lavalle anders als sonst arbeiten mussten. Außer eher allgemeinen Fragen wie: „Wann haben Sie die Person X zuletzt gesehen und wo, und welchen Eindruck machte sie auf Sie?“, gab es einen ganzen Katalog von weiteren Fragen, die zu stellen waren: „Was mochten Sie an X?“, „Was ärgerte Sie?“, „Wie hat X sich Ihrer Meinung nach benommen? Aufreizend? Provokant?“
Henri konnten die Antworten nicht subjektiv genug sein. Eltern, Verwandte, Freunde lieferten die Innenansicht, aber der Kioskbesitzer um die Ecke, die alte Dame im Erdgeschoss, die Angestellten aus der Apotheke gegenüber halfen ihm herauszufinden, warum in diesem Fall Aliza als Opfer geeignet gewesen war.
Zack sah sofort, dass es Henri nicht gutging. Tiefe Ränder unter den Augen zeugten von zu wenig Schlaf und die graue Haut von zu vielen Zigaretten. An solchen Ausnahmetagen brachte sie ihm Kaffee ins Büro.
Guten Morgen und danke.
Zack ging an ihrem Chef vorbei und öffnete trotz der kalten Aprilluft das Fenster. Eine Rasur könnte nicht schaden, war ihre einzige Bemerkung.
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