Kommissar Platow, Band 6: Frau Wirtins letzter Gast oder Der Klappergassen-Killer - Martin Olden - E-Book

Kommissar Platow, Band 6: Frau Wirtins letzter Gast oder Der Klappergassen-Killer E-Book

Martin Olden

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Beschreibung

Weihnachten `75 versprach kein frohes Fest zu werden. In Wien hatten Terroristen eine blutige Geiselnahme angezettelt. Mike, Abba und ich mussten den Mord an einer beliebten Gastwirtin in Sachsenhausen aufklären. Ein süchtiger "Bulle" aus dem Präsidium war darin verwickelt. Dann klopfte auch noch das BKA mit einem Sonderauftrag an meine Tür. Ich sollte der Frau, die ich liebte, eine Falle stellen ... Die Kommissar Platow-Serie: Frankfurt, Mitte der 70er Jahre. Die Kriminalität boomt. Drogen. Terrorismus. Bandenkriege. Mittendrin: Kommissar Joachim "Joe" Platow. Gemeinsam mit seinem Assistenten Mike Notto und Schutzhündin Abba kämpft er gegen das Verbrechen. Dabei wird Platow immer wieder von seinem persönlichsten Fall eingeholt – seine Ex-Verlobte Petra, die sich der RAF angeschlossen hat ... Alle Bände der Serie: Band 1 "Sieben Schüsse im Stadtwald", Band 2 "Das Grab am Kapellenberg", Band 3 "Endstation Hauptwache", Band 4 "Der Westend-Würger", Band 5 "Blutnacht im Brentanopark", Band 6 "Frau Wirtins letzter Gast", Band 7 "Geiselnahme in der Goethestraße", Band 8 "Der Rächer aus der Römerstadt", Band 9 "Geschändet am Frankfurter Kreuz", Band 10 "Abrechnung in Bankfurt", Band 11 "Die Sünderin vom Schaumainkai", Band 12 "Das Phantom aus dem Palmengarten", Band 13: "Zahltag auf der Zeil", Band 14 "Der Kerker im Kettenhofweg" und Band 15 "Letzte Ausfahrt Frankfurt-Süd"

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Die Kommissar Platow-Serie

Frankfurt, Mitte der 70er Jahre. Die Kriminalität boomt. Drogen. Terrorismus. Bandenkriege. Mittendrin: Kommissar Joachim „Joe“ Platow. Gemeinsam mit seinem Assistenten Mike Notto und Schutzhündin Abba kämpft er gegen das Verbrechen. Dabei wird Platow immer wieder von seinem persönlichsten Fall eingeholt – seine Ex-Verlobte Petra, die sich der RAF angeschlossen hat ...

Band 6: Frau Wirtins letzter Gast oder Der Klappergassen-Killer

Weihnachten `75 versprach kein frohes Fest zu werden. In Wien hatten Terroristen eine blutige Geiselnahme angezettelt. Mike, Abba und ich mussten den Mord an einer beliebten Gastwirtin in Sachsenhausen aufklären. Ein süchtiger „Bulle“ aus dem Präsidium war darin verwickelt. Dann klopfte auch noch das BKA mit einem Sonderauftrag an meine Tür. Ich sollte der Frau, die ich liebte, eine Falle stellen ...

Der Autor

Martin Olden ist das Pseudonym des Journalisten und Kinderbuchautors Marc Rybicki. Er wurde 1975 in Frankfurt am Main geboren und studierte Philosophie und Amerikanistik an der Goethe-Universität. Seit mehr als zehn Jahren arbeitet Rybicki als Filmkritiker für das Feuilleton der „Frankfurter Neuen Presse“. Ebenso ist er als Werbe- und Hörbuchsprecher tätig.

Bei mainbook erscheint auch Martin Oldens Krimi-Reihe mit Kommissar Steiner: 1. Band: „Gekreuzigt“. 2. Band „Der 7. Patient“. 3.Band „Wo bist du?“. 4. Band „Böses Netz“. 5. Band „Mord am Mikro“. 6. Band „Die Rückkehr des Rippers“. 7. Band "Vergiftetes Land". Im Jahr 2013 veröffentlichte er zudem seinen ersten Thriller „Frankfurt Ripper“.

Weitere Titel von Marc Rybicki sind die Kinderbücher „Mach mich ganz“, „Wer hat den Wald gebaut?“, „Wo ist der Tannenbaum?“ und „Graue Pfote, Schwarze Feder“.

(Autorenwebsite: www.sonnige-sendung.de)

Copyright © 2016 mainbook Verlag, mainebook Gerd FischerAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-946413-33-2

Lektorat: Gerd FischerLayout: Olaf TischerBildrechte Cover: © igoror/ fotolia

Besuchen Sie uns im Internet: www.mainbook.de oderwww.mainebook.de

Martin Olden

Kommissar Platow

Band 6:

Frau Wirtins letzter Gast

oder

Der Klappergassen-Killer

Krimi-Serie aus den 70er Jahren

Alle Fälle der „Kommissar Platow“-Serie basieren auf wahren Begebenheiten und tatsächlichen Fällen.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

1

Samstag, 08. November 1975

Die „Babalu“-Bar stank nach Schnaps, Schweiß und Glimmstängeln. Am Tresen und an den runden Tischen war die übliche Kundschaft versammelt. Osteuropäische Kriminelle mit gefälschten Pässen, rauschgiftsüchtige GIs, Zuhälter, Dealer und Prostituierte auf der Jagd nach schnellem Geld. Zur Melodie von „Fly, Robin, Fly“ tanzte ein blutjunges Mädchen auf einem rotbeleuchteten Steg und ließ mehr oder weniger gekonnt die Hüllen fallen. Ab und zu glitten lüsterne Blicke über ihren halbnackten Körper. Mich konnten die Kurven der Stripperin nicht ablenken. Hochkonzentriert, mit angespannten Muskeln, bewegte ich mich im Slalom durch die Ansammlung der halbseidenen Gestalten. Stets darauf bedacht, ob unter irgendeinem Jackett der kalte Stahl eines Revolvers aufblitzen würde. Die Spelunke in der Moselstraße war für mich feindliches Gebiet, denn ihr Besitzer wollte meinen Tod. Alle nannten ihn „Zappa“ wegen seiner Ähnlichkeit mit dem Rocker Frank Zappa. Eigentlich hieß er Simon Zapatka, stammte aus Tel Aviv und hatte sich in Frankfurt als einer der führenden Unterweltbosse etabliert. Zappa beherrschte das Bahnhofsviertel. Ihm gehörten Bordelle, Spielcasinos, Restaurants und Immobilien. Nebenbei handelte er mit Drogen, Waffen und Mädchen. Dank vorzüglicher Beziehungen zum Geldadel unserer Stadt gelang es Zappa immer wieder einer gerechten Strafe zu entkommen, indem er Zeugen kaufte und Beweismittel verschwinden ließ. Offene Rechnungen mit Konkurrenten pflegte der Rotlicht-König in Blei zu begleichen. Auch der Name „Joe Platow“ stand weit oben auf seiner Abschussliste, weil ich nicht käuflich war und geschworen hatte, ihn zur Strecke zu bringen. Ich wusste, dass Zappa ein Kopfgeld auf mich ausgesetzt hatte. Womöglich wollte es sich einer der zwielichtigen Gäste in der „Babalu“-Bar verdienen. Darum war ich nicht ohne Schutz gekommen. Neben mir lief eine hochgewachsene Blondine, von Mutter Natur gesegnet mit schnellen Reflexen und zweiundvierzig Zähnen. Abba – meine Lebensversicherung auf vier Pfoten.

„Wenn einer der Kerle frech wird, zeigst du ihm dein 1-A Scherengebiss“, flüsterte ich und kraulte eine Stelle hinter ihren Schlappohren. In Gedanken hörte ich die Antwort meiner Hovawart-Hündin.

Gerne, Joe. Aber wir sollten mal über eine Gehaltserhöhung reden.

„Bekommst du nicht genug Futter?“

Erstens kann man nie genug Futter haben. Zweitens schiebe ich nicht umsonst Überstunden. Schau mal auf die Uhr! Um die Zeit schlummere ich normalerweise friedlich in meinem Körbchen.

„Tut mir leid um deinen Schönheitsschlaf. Aber wir müssen einen Kollegen retten.“ Ich hielt Ausschau nach einem Mann mit graubraunem Vollbart, speckiger Lederjacke und einem melancholischen Dackelblick. „Hast du ihn schon entdeckt?“

Abba hob die Nase. Schluckspecht sitzt hinten links, neben der Bühne – folge einfach dem Whisky-Mief!

Uwe Finkerweckte den Eindruck eines Gammlers vom nahegelegenen Hauptbahnhof. Den erfahrenen Kriminalkommissar sah man ihm nicht an. Wie ein Fragezeichen hing er über seinem Bourbon-Glas und starrte auf die hellbraune Flüssigkeit, als sei darin eine tiefe, für ihn allein sichtbare Weisheit verborgen. Nach Uwes zerknitterter Miene zu urteilen, war es weder sein erster Drink noch würde es sein letzter sein – falls ich ihn nicht stoppte.

Ich ließ mich neben ihm nieder und tippte auf seine Schulter. „Suchst du Gesellschaft oder willst du dich allein ertränken?“

„Joe, du alter Anarchist! Wo kommst du denn her?“ Uwe lächelte entrückt. Seine Reibeisenstimme klang schleppend.

„Ist nicht leicht gewesen, dich zu finden. Abba und ich haben ein gutes Dutzend Bars und Kneipen nach dir abgegrast. Konntest du kein schöneres Plätzchen für dein Besäufnis finden?“

Mit einer ausladenden Geste umarmte Uwe Fink den obskuren Schuppen. „Mir gefällt`s hier! Ich passe in diesen Laden wie der Arsch auf den Eimer! Abschaum zu Abschaum! Prost!“ In einem Zug leerte er das Glas. „Bedienung! Noch zwei für mich und meinen guten Freund!“ Uwe drückte mich an sich. Sein Fusel-Atem wehte mir ins Gesicht.

„Was redest du für einen Stuss?“, fragte ich und löste mich aus seiner Umklammerung. „Wer hat gesagt, dass du Abschaum bist?“

„Ich! Und ich muss es wissen, weil ich mich selbst am besten kenne.“

„Komm, lass uns ein andermal über die Vorzüge deines Charakters reden. Ich bringe dich nach Hause, es ist schon spät.“ Auffordernd legte ich die Hand auf seinen Unterarm. Uwe schob seinen stämmigen Körper von mir weg, sodass der Barhocker unter ihm knarrte.

„Will nicht nach Hause. Was soll ich da? Ich hab Durst, verstehst du? Wie damals in der Wüste! In Nordafrika hat`s nie genug zu trinken gegeben. Scheiß Gefangenenlager!“

Abba legte den Kopf schief. Oh weh, jetzt serviert er wieder seine Kriegsgeschichten!

„Hab die Knochen hingehalten“, brabbelte er weiter, „für einen verschissenen Führer, der uns am Ende in den Arsch gefickt hat. Und heute? Da ist es keinen Deut besser, sage ich dir! Gute Jungs wie wir riskieren jeden Tag an der Front ihren Kopf. Wofür? Für nichts!“ Uwe fummelte eine HB aus der Zigaretten-Schachtel und klemmte sie in seinen Mundwinkel. „Bin zweiundfünfzig Jahre alt und immer noch Schütze Arsch im letzten Glied. Ein popeliger Kommissar, mehr nicht.“

Eine grell geschminkte Kellnerin brachte die Drinks. Uwe griff nach dem Glas. Ich hielt seine Hand fest.

„Lässt du deshalb die Whisky-Quelle plätschern, damit du im Selbstmitleid baden kannst? Mensch, hör endlich auf zu saufen und komm mit! Wir machen uns Sorgen um dich!“

Verständnislos sah er mich an. „Wer ist wir? Meinst du unseren hochverehrten Mister Brillant? Sag dem Chef, er kann mich kreuzweise. Bin nicht im Dienst. Und dann mache ich, was ich will.“

„Ich rede von Lilo. Sie hat bei mir angerufen und mich gebeten, dich zu suchen.“

Uwe grinste schief. „Lilo! Mein geliebtes Eheweib. Spielt die Fürsorgliche und sieht mich an wie einen Versager. Recht hat sie. Hab`s in all den Jahren zu nix gebracht. Hätt`s machen sollen wie der Jürgen. Nach oben buckeln und nach unten treten. Dann wäre ich jetzt wenigstens Oberkommissar.“

„Jürgen hat den Posten verdient, was nicht heißt, dass du kein guter ...“

„So? Da hab ich was anderes gehört“, fuhr er mir über den Mund. „Du solltest den Job kriegen. Hast du aber nicht, weil du genauso bist wie ich früher. Hab auch immer das Maul aufgerissen und gesagt, was ich über die hohen Tiere im Präsidium denke.“ Uwe richtete die Zigarette auf mich wie ein Lehrer den Zeigestock. „Merk`s dir, Kumpel, nur die Angepassten bringen`s zu was im Leben.“

Mein Kollege spielte auf ein Zeitungsinterview an, in dem ich über meine Liebe zu Petra Helm gesprochen hatte. Sie war meine Verlobte gewesen. Doch dann hatte sie der Drang, die Gesellschaft zu verändern, in die Fänge der Roten Armee Fraktion getrieben. Verdammen wollte ich Petra deshalb nicht. Ich verstand ihre Motive, auch wenn ich die Methoden der Terroristen zutiefst verabscheute. Unbeirrt träumte ich von einem Neubeginn für Petra und mich, wenn „der Krieg von sechs gegen sechzig Millionen“, wie Heinrich Böll den RAF-Terror genannt hatte, endlich vorbei sein würde. Gegenüber einem Reporter der Zeit hatte ich meine Einstellung öffentlich erklärt und zugleich den Ablauf des Stammheim-Prozesses hinterfragt. Im Kampf gegen den Terrorismus darf der Rechtsstaat die Gebote von Fairness und Menschlichkeit nicht über Bord werfen. Andernfalls stellt er sich auf eine Stufe mit den zu verurteilenden Extremisten. Meine Kritik war nicht ungehört verhallt. Mitglieder der Polizeigewerkschaft hatten meine Entlassung gefordert mit einem Hinweis auf den Radikalenerlass. Dieser Beschluss war vor drei Jahren von unserem damaligen Kanzler Willy Brandt verkündet worden und besagte, dass niemand im Staatsdienst arbeiten durfte, an dessen Verfassungstreue der kleinste Zweifel bestand. Es genügte schon, mit Organisationen zu sympathisieren, in denen Kommunisten und Anarchisten eine tragende Rolle spielten. Der Radikalenerlass war der Freifahrtschein für eine Hexenjagd sondergleichen. Allein unter den Lehrern hatte es zweitausend Disziplinarverfahren und über einhundertdreißig Entlassungen gegeben. Wie konnte ausgerechnet Brandt seine Unterschrift unter ein Papier setzen, das Andersdenkende mit Berufsverbot bedrohte und die rebellische Jugend noch stärker gegen die Regierung aufbrachte? Darüber hatten Petra und ich noch im Januar `72 diskutiert – und nun wäre ich selbst davon betroffen gewesen, wenn sich Mister Brillant nicht persönlich bei Polizeipräsident Müller für mich verbürgt hätte. Mir hatte der Chef den dezenten Hinweis gegeben, ich solle das nächste Mal gefälligst mein Hirn einschalten, bevor ich mein Herz sprechen ließe. Ich konnte weiter meinen Dienst versehen, bekam aber das Misstrauen und die Abneigung mancher Kollegen zu spüren, besonders von Seiten der Schutzpolizisten. Da wurde schon mal eine Anfrage überhört, eine Bitte um Unterstützung verschlafen oder eine dringend benötigte Akte verschleppt. Zweimal waren mir die Reifen auf dem Parkplatz des Kommissariats zerstochen worden. War`s das wert gewesen? Die Frage hatte mir mein Partner Mike Notto gestellt. Meine Antwort lautete: Ja! Wenn ich meine Gefühle zu Petra weiter verleugnet hätte, wäre ich mir selbst untreu geworden. Glaubwürdigkeit war jedoch das Erfolgsrezept meiner Arbeit. Die Menschen, egal ob Straftäter oder nicht, vertrauten sich mir an. Sie hatten in meiner Gegenwart ein Gefühl der Sicherheit, weil sie wussten, dass ich ihnen nichts vormachte und sie nicht belog. Ich bereute das Interview keine Sekunde und konnte mir nichts vorwerfen. Das war der Unterschied zwischen Uwe und mir.

„Hör auf, dir selbst leid zu tun. Dazu hast du keinen Grund“, sagte ich sanft. „Ich zahle und wir verschwinden aus diesem Loch, okay?“

„Nein! Muss doch meinem Ruf gerecht werden. Schluckspecht. So nennt ihr mich doch, oder nicht?“

Ich hielt seine Hand weiter fest und hinderte ihn am Trinken. „Ja, den Spitznamen hast du weg. Aber erinnerst du dich, wie du dazu gekommen bist? Weil du bei einer Weihnachtsfeier einen über den Durst getrunken und auf dem Tisch Cancan getanzt hast. Damals haben wir das lustig gefunden. Heute vergeht mir das Lachen, wenn ich dich sehe.“

„Dann guck woanders hin und lass mich in Ruhe!“

„Denkst du, ich merke nicht, was mit dir los ist? Du bist auf dem besten Weg, ein Quartalssäufer zu werden! Lilo hat mir erzählt, dass du an jedem Wochenende blau bist. Schwindelst ihr vor, du würdest Überstunden schieben und dann kann sie die ganze Nacht nicht schlafen vor lauter Gedanken, die sie sich wegen dir macht. Wenn du nach Hause kommst, bist du verdreckt und stinkst und torkelst aufs Klo, das die arme Frau hinter dir sauber machen muss. Ihr Respekt vor dir geht langsam flöten – und ihre Liebe. Willst du das?“

Schluckspecht lachte dreckig. „Vielleicht sollten sie dich doch rausschmeißen, Joe. Dann kannst du Prediger werden!“ Er unternahm wieder den Versuch, das Glas zu heben und ich packte härter zu.

„Hast du schon mal versucht, einen Monat auf Alkohol zu verzichten? Hältst du das durch? Wenn nicht, bist du krank, mein Lieber.“

„Quatsch! Bloß weil ich mir einen hinter die Binde kippe, bin ich noch lange kein Säufer.“ Uwe sah mich aus glasigen Augen an. „Aber ich will dir sagen, was krank ist. Krank ist eine Welt, in der Paul Breitner nicht mehr für Deutschland spielen will! Hast du`s gehört? Er ist zurückgetreten! Unser Weltmeister! Weil er keine Lust hat, sich den scheiß Funktionären unterzuordnen! Der rote Paul ist wie ich! Ich bin breit, breiter, Breitner! Ha!“ Er kicherte über sein eigenes Wortspiel und griff nach dem Aufschlag meines Wollmantels. Sein Ton wurde schlagartig rauer. „Ich trinke, weil`s mir schmeckt, kapiert? Mach mit oder schieb ab mit deinem Fiffi! Sonst gibt’s eins in die Fresse!“

Abba bellte zornig. „Sachte, Mädchen“, mahnte ich. „Hab die Lage im Griff.“ Sie beruhigte sich nicht. Ich warf ihr einen strengen Blick über die Schulter zu. Da bemerkte ich, dass Abbas Aufregung nicht Schluckspecht galt. Meine Gefährtin schaute auf die gegenüberliegende Seite der Bar. Ein schwarzhaariger Ganove hatte sich von seinem Stuhl erhoben und unter seinen Trenchcoat gegriffen. In seiner Faust glänzte eine russische Makarow-Pistole mit aufgesetztem Schalldämpfer.

„Deckung!“, schrie ich, tauchte unter den Tisch und riss Uwe mit.

Über unseren Köpfen explodierten die Gläser, begleitet vom feinen Knall der Makarow. Die Stripperin kreischte wie eine Sirene. Einige der Animiermädchen warfen die Hände in die Luft und trippelten zum Ausgang. Ihre Macker verfielen nicht in Panik. Schießereien gehörten im Bahnhofsviertel zur Tagesordnung. Da man in mir den „Bullen“ erkannt hatte, rührte auch keiner einen Finger, um den Killer aufzuhalten. Gnadenlos riss er den Abzug durch und kam immer näher auf uns zu.

„Tu was!“, stöhnte Schluckspecht. „Hast du deine Knarre nicht dabei?“

„Ich hasse Waffen, das weißt du genau! Kannst ihn ja anhauchen, vielleicht fällt er ins Koma!“ Ich überlegte fieberhaft. Meine Walther PPK lag im Handschuhfach. Abba wollte ich nicht in die Schusslinie jagen – zu riskant! Was nun? Kurzerhand griff ich einen Hocker und schleuderte ihn dem Angreifer entgegen. Er wich aus, doch das Wurfgeschoss streifte seine Schulter. Der Trenchcoat-Träger geriet ins Straucheln und verlor die Pistole aus der Hand. Sofort sprang ich auf. „Abba! Fass!“

Wie ein geölter Blitz fegte der Bursche davon. Abba und ich rannten ihm nach. Er stürzte aus der Tür, die Moselstraße hinunter. Weit kam er nicht. An der Kreuzung zur Taunusstraße erwischte Abba seine rechte Wade. Der Attentäter taumelte und landete auf dem Asphalt.

Ich pfiff Abba zurück und pumpte die nebelfeuchte Nachtluft in meine Lungen. „Ist Zappa pleite, dass er Amateure wie dich anheuern muss?“, höhnte ich. Doch der Kerl hatte noch nicht genug. Er rappelte sich auf und schüttelte ein Springmesser aus dem Ärmel.

„Steck den Zahnstocher lieber weg, Jungchen, sonst muss ich dir wehtun!“ Meine Provokation zeigte Wirkung. Blindlings stach er zu. Ich wirbelte um die eigene Achse, bekam seinen Unterarm zu fassen, riss mein Knie hoch und traf sein Handgelenk. Das Messer fiel klirrend zu Boden. Mit einem Hüftwurf aus dem Judo-Lehrbuch brachte ich meinen Gegner zu Fall. Ein Handkantenschlag in die Halsbeuge beförderte ihn ins Reich der Träume.

„Abba, pass auf den Kerl auf, bis die Jungs vom 4. Revier hier sind und ihm Manschetten verpassen. Glaube kaum, dass er über Zappa singen wird, aber probieren kann man`s ja mal. Und dann sammeln wir Uwe ein.“

Meine Hündin wedelte mit der Rute. Ein schräger Vogel und ein Schluckspecht – was für ein tierisches Wochenende!

2

Zur gleichen Zeit in Alt-Sachsenhausen ...

Nebelschwaden umhüllten die Fassaden der Fachwerkhäuser wie ein Leichentuch. Verlassen lag die feucht-fröhliche Klappergasse. Die Lichter der Apfelweinlokale waren nach und nach erloschen. Dort, wo man sonst auf langen Bänken an Holztischen saß und sein „Stöffche“ aus dem „Gerippten“ genoss, hatte nächtliche Stille die Herrschaft im Viertel übernommen. Einsam lief Lia Grau durch den Dunst. Die Schritte der attraktiven Brünetten hallten über das Kopfsteinpflaster. Sie hatte ihre Wirtschaft Zum Grauen Esel