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Zur Lösung komplexer Fragestellungen braucht es »Komplexithoden« – also Organisationswerkzeuge, die so lebendig sind wie heutige Märkte und heutige Arbeit. Dieses Buch stellt clevere, in unsere Zeit passende Vorgehensweisen für die Entwicklung von Unternehmen unter deren realen Bedingungen vor – jenseits von Gebrauchsanweisungen und Checklisten! Niels Pfläging und Silke Hermann präsentieren 33 Komplexithoden und 22 Komplexideen, mit deren Hilfe sich robuste Organisationen für turbulente Zeiten schaffen und erhalten lassen. Komplexithoden passen in jedes Unternehmen: Das macht diesen pfiffigen Band gleichermaßen interessant für die Belebung und Weiterentwicklung von Start-ups, Mittelständlern und Konzernen.
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Seitenzahl: 108
Niels Pfläging | Silke Hermann
Komplexithoden
Niels Pfläging | Silke Hermann
Komplexithoden
Clevere Wege zur (Wieder)Belebung von Unternehmen und Arbeit in Komplexität
Mit Illustrationen von Pia Steinmann
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.
Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Für Fragen und Anregungen:
6. Auflage 2019
© 2015 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,
Nymphenburger Straße 86
D-80636 München
Tel.: 089 651285-0
Fax: 089 652096
Das Geschwisterchen zu diesem Werk ist unter dem Titel
„Organisation für Komplexität“ bei Redline erschienen.
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Illustration und Covergestaltung: Pia Steinmann, www.pia-steinmann.de
Design und Satz: Pia Steinmann, Niels Pfläging
Druck: Florjancic Tisk d.o.o., Slowenien
Printed in the EU
ISBN Print 978-3-86881-586-3
ISBN E-Book (PDF) 978-3-86414-724-1
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86414-725-8
Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter
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eBook by ePubMATIC.com
„Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie.“
Kurt Lewin
Warum dieses Buch – und was Sie damit tun können
Kapitel 1. Das sind Komplexithoden: Lebendige Organisationswerkzeuge
Kapitel 2. Handwerkszeug für Komplexithoden: Die praktisch-theoretischen Grundlagen
Kapitel 3. Komplexithoden für Leistung
Kapitel 4. Komplexithoden für Beweglichkeit
Kapitel 5. Komplexithoden für Lernen
Kapitel 6. Der Rest: Was noch zu sagen bleibt – wie Sie weitermachen können
Literaturempfehlungen/Online-Ressourcen
Über die Autoren/Über dieses Buch
Es ist ein dichtes Buch, das Sie in Ihren Händen halten. Nur eine oder zwei Seiten für jede Idee, für jedes der Konzepte, das wir „Komplexithoden“ nennen. Wir wollen es kurz machen – unter weitgehendem Verzicht auf Storytelling: Der Rest soll sich in Ihrem Kopf abspielen. Wenn Sie mögen.
Das Businessbuch ist ein Metier, in dem wir Gewitztheit, Leichtigkeit und Konzentration aufs Wesentliche oftmals vermissen. Businessliteratur kommt meist fast staatstragend daher. Was eigentlich absurd ist, vor allem aber langweilig. Schließlich kann jede und jeder Business machen – und Business hat mehr mit dem Brettspiel Risiko zu tun als mit großen Plänen und Banketten. Diesem lebendigen Charakter von Business wollten wir entsprechen: Dies sollte ein einladendes, in der Darbietung spielerisches und doch inhaltlich ernsthaftes, kompaktes Buch werden.
Nicht um falsch oder richtig geht es bei Komplexithoden. Sondern um die Frage: Was passt in die Zeit? Es geht uns in diesem zweiten Band zur lebendigen Organisation in Komplexität nicht darum, die Welt neu zu erfinden. Oder um Vollständigkeit. Komplexithoden sind Werkzeuge, die unseren Vorstellungen und Werten von zeitgemäßer Unternehmensführung, neuen Arbeitswelten und funktionierender BWL gerecht werden. Wir wollen Ihnen ein Buch an die Hand geben, das neues Denken begreifbar macht, in den Zusammenhang stellt und Lust macht zu handeln.
Es sind Inspiration und ernsthafte Freude, die wir Ihnen anbieten möchten. Der Illusion von Change wollen wir eine Veränderung der Wirklichkeitskonstruktion entgegensetzen. Wir hoffen, Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, ein Buch zu bieten, das zugänglich ist, Kopf und Herz anspricht und sogar Lernen anregt.
Lassen Sie uns wissen, was Sie daraus machen.
Komplexität ist wie das Wetter. Es ist nichts Schlechtes daran.
Es ist nur schlecht, nicht darauf vorbereitet zu sein.
Kompliziert ist nicht gleich komplex!
Die wichtigste Unterscheidung zum wirksamen Umgang mit Dynamik in Arbeit und Unternehmen ist die zwischen „Blau und Rot“: Zwischen „tot und lebendig“, zwischen kompliziert und komplex. Sie wird uns über dieses Buch hinweg begleiten.
•Kompliziertheit ist das Maß unserer Unwissenheit. Ein Problem (oder: „nicht ignorierbares Ereignis“) ist kompliziert, weil wir es nicht verstehen. Weil uns Wissen fehlt. Das lässt sich durch Büffeln oder den Zukauf von Wissen beheben. Sie haben eine neue Maschine und wissen nicht, wie sie funktioniert? – Das Lesen der Betriebsanleitung kann helfen! Wenn wir dann wissen wie, wird das Komplizierte einfach oder trivial.
•Komplexität ist das Maß für die Menge der Überraschungen, mit denen man rechnen muss. Je überraschungsreicher der Kontext, je mehr Ideen des Wettbewerbs uns treffen, desto mehr kann man von Komplexität sprechen. Hier kommt Dynamik ins Spiel: Sie ist die Menge der Überraschungen, die eine Organisation aushält.
Wertschöpfung und Arbeit haben immer beides – „Blau“ und „Rot“. Mit „Rot“ bezeichnen wir den lebendigen, dynamik-robusten Anteil von Arbeit und Unternehmensfunktionen, mit „Blau“ den formalen und toten. Rote Funktionen können nur von Menschen erfüllt werden, blaue auch von Maschinen. Bei standardisierbarer Massenfertigung bestimmt das Blaue die Konkurrenzkraft, bei Wertschöpfung in Dynamik das Rote.
Aus Gewohnheit versuchen die meisten Unternehmen, beiden Typen von Problemen, roten wie blauen, mit Wissen zu begegnen. Blaue Herangehensweisen, Methoden, erweisen sich dabei meist als unterkomplex: Sie sind nicht ausreichend robust, um dynamische, rote Probleme wirksam zu bearbeiten. Wo viel Rot ist, dort kann man die Dinge nicht nacheinander abarbeiten. Und auch nicht sinnvoll vorhersagen. Wissen nützt hier wenig! Wenn man versucht, rote Probleme dennoch mit blauen Prozessen zu lösen, dann schwellen diese Prozesse an, werden träge und weniger leistungsfähig.
Blaue „Lösungen“ und Werkzeuge wirken darum oft hilflos und unpassend. Sie schlackern oder entzünden sich. Wirkung erzeugen Sie höchstens zufällig. Anders gesagt: Übertrivialisierung ist eine Form von Schlamperei.
Das Einzige, was hier hilft, sind eigene Ideen. Die erhält man nur von Menschen, die in roten Situationen kreativ werden können und so Dynamik bewältigen. Wir nennen sie Könner. Bei roten Problem steht also die Frage Wer kann es schaffen? im Vordergrund, bei blauen Problem die Frage Wie geht es?
Das einzige „Ding“ zum wirksamen Umgang mit Überraschung ist der Mensch.
Kompliziertheit entsteht durch Mangel an Wissen. Komplexität durch Überraschung – ein wichtiger Unterschied. Kompliziert ist blau, Komplex ist rot.
Komplexität kann weder gemanagt, noch reduziert werden. Man kann ihr nur mit menschlichem Können begegnen.
Blau und Rot machen unterschiedliche Herangehensweisen für Problemlösung und Erfolg erforderlich.
Mischformen sind problematisch! Menschen haben keinen Umschaltknopf.
Die meisten Instrumente und Methoden sind Schablonen. Schablonen sind sehr praktisch. Man kann mit jeder aber nur eine einzige Form malen – ein Rechteck beispielsweise. Will man eine runde Form mit einer eckigen Schablone malen, dann wird es schwierig. Man braucht dann eine andere Schablone – oder einen anderen Malansatz – einen, mit dem man vielleicht alle Formen malen kann. So etwas ist dann eine Komplexithode.
Es gibt viele vernünftige und effektive Organisationswerkzeuge. Entscheidend ist aber nicht das Werkzeug an sich, sondern seine Passung zum Problem. Nichts ist lähmender für eine Organisation, als kristallisierte, erstarrte Methode – oder relativ „zu tote“ Methode, angewandt auf „zu lebendige“ Probleme! Organisationswerkzeuge müssen im Verhältnis zu den Problemen, auf die wir sie anwenden, angemessen komplex und sozial sein. Was zeichnet Komplexithoden aus? Sie sind untrennbar von menschlicher Interaktion. Sie integrieren Denken und Handeln – und das ist keine Selbstverständlichkeit, wie wir später sehen werden.
Für dynamische, rote Probleme heißt das: Organisationswerkzeuge müssen neue, wirkungsvolle Beziehungen innerhalb des Systems schaffen – und damit Beziehungen höherer Qualität. Ist das gewährleistet, entsteht konstruktive Veränderung. Anders gesagt: In hoher Dynamik ist hohe Beziehungsdichte das Wichtigste, das Werkzeug selbst wird zweitrangig.
Komplexithoden erhöhen also Beziehungsdichte oder „soziale Dichte“. Sie leisten das, indem sie im entscheidenden Moment einen Dialog zwischen Beteiligten sichern. Sie ermöglichen kommunikativ adäquate Reichweite, z.B. für Zusammenarbeit. Auch dann, wenn man nicht am gleichen Ort oder in großen Gruppen und großen Organisationen unterwegs ist.
Fragen Sie sich immer, wenn Sie es mit Change zu tun haben: Ist die Vorgehensweise, die wir einsetzen, tatsächlich der Lebendigkeit des Problems angemessen? Ist die Methode ausreichend dynamik-robust? Ist sie passend zur Fähigkeit des Problems, uns zu überraschen? Führt die Methode zu höherwertigen Beziehungen innerhalb der Organisation? Eine Komplexithode ist so etwas wie ein „minimum viable product“ zweckmäßiger Organisation in Dynamik: Die kleinste mögliche Einheit, in der das Neue ins Leben kommt.
In diesem Buch sind Komplexithoden stets am weißen Seiten-Hintergrund erkennbar.
Eine Komplexidee ist ein Gedanke. Während die Komplexithode mit Handlung zu tun hat, hat die Komplexidee mit Einsicht, mit Erkenntnis zu tun. Die Komplexidee ist der Unterschied, der einen Unterschied macht, um mit Komplexität umgehen zu können. Das ist Bateson – angewandt.
Die Komplexidee ist zugleich der Zugang zur Sprache der Komplexität. Die alten Organisationsprobleme sind eingebettet in unsere alte Sprache – unsere Fähigkeit, uns auszudrücken und Phänomene in Unternehmen zu interpretieren. In Dynamik braucht es für Komplexität geeignetes Vokabular und Denkwerkzeuge: eben Komplexideen. Komplexideen eröffnen neue Perspektiven, und neue Möglichkeiten der Ausstattung von Organisationen.
Eine Komplexidee ist ein Aha! Die Komplexithode ist ein Oho!
Komplexideen sind in diesem Buch an den blau hinterlegten Seiten erkennbar.
In Dynamik und „rotem“ Kontext reicht tote Methode nicht aus – es braucht Komplexithode. Denken und Sprache aus der blauen Welt helfen nicht weiter – es braucht Komplexideen.
Die Taylor-Wanne illustriert den historischen Verlauf der Entwicklung von Dynamik in der Wertschöpfung von Unternehmen – vom Manufaktur- über das Industrie- bis ins Wissenszeitalter. In vorindustrieller Zeit brachten rein lokale Märkte ohne echten Wettbewerb, Einzel- und Kleinserienauftragsfertigung, Werkstattfertigung, das Fehlen von Standards und extreme Wertschöpfungstiefe hohe Komplexität in der Arbeit mit sich. Der Handwerks- oder Meisterbetrieb mit seiner roten Wertschöpfung war darauf die Antwort. Im 19. Jahrhundert beginnt das Industriezeitalter – und mit ihm eine historische Ausnahmesituation.
Es entstehen explosiv wachsende, weite, oligopolistisch-träge Massenmärkte – und damit gewaltiges Standardisierungspotenzial. In dieser Zeit beginnt das Blaue in der Wertschöpfung zu dominieren. Frederick W. Taylor liefert dazu eine blaue Lösung – das perfekte Organisations-Paradigma für diese Zeit: Seine epochale Idee ist die der strikten hierarchischen Abtrennung des Denkens vom Handeln sowie der konsequenten Steuerung des Unten durch das Oben. Wir nennen diese Idee „Management“. Management oder Taylorismus erlaubt es, Komplexität weitgehend aus Wertschöpfung zu verbannen. Das war jedoch nur unter den Bedingungen jener Zeit möglich.
Die Zeiten ändern sich in den 1970er-Jahren. Mit dem aufkommenden Wissenszeitalter kehrt das Rote in die Wertschöpfung zurück: Unternehmen – kleine wie große – sind nun Dynamik ausgesetzt, die sie im Industriezeitalter nicht kannten. Statt des Blauen dominiert wieder das Rote in der Wertschöpfung. Tayloristische Organisationen beginnen unter ihrer Unzulänglichkeit im neuen Kontext zu leiden.
Heute ist beobachtbar, dass auf komplexe, rote Herausforderungen oft mit komplizierten, blauen Lösungen oder Methoden reagiert wird Das ist geübt – es ist trotzdem auf Dauer unzureichend. „Blaue Reflexe“ sind typisch für den Übergang von der Industrie- zur Wissenszeitalter-Organisation. Die Übergangsphase dauert bis heute an, weil nur wenige Unternehmen den Übergang zu einem komplexitäts-robusten Organisationsmodell ohne Steuerung vollzogen haben. Tayloristische Organisationen, die bereits Konkurrenten haben, die mit Komplexität und Überraschung souverän umgehen können, haben derweil ein Riesenproblem.
Im Übergang von blauer zu roter Dominanz geht es darum, Überlastung zu überwinden – nicht Erfolglosigkeit. Wir müssen rote Reflexe trainieren.
Wertschöpfung ist heute wieder dominant rot. Die meisten Unternehmen versuchen, rote Wertschöpfung mit Industriezeitaltermethode zu bewältigen. Das erzeugt organisationales Leiden. Der einzige Ausweg aus diesem Dilemma ist Arbeit am Organisationsmodell.
Organisationen, die den Unterschied zwischen der Domäne des Blauen und der des Roten nicht verstehen, ihn nicht erkennen oder ihn ignorieren, fangen an, sich mit komischen Dingen zu beschäftigen. Weil bei der Anwendung blauer Methode auf rote Probleme die Wirkung ausbleibt, wird dann immer mehr vom Gleichen gemacht. Ergebnis sind geschwollene, entzündete Prozesse ohne jede Chance, mit dynamischen Störungen fertig zu werden. Das nennen wir eine Havarie.
Tayloristische Organisationen neigen heute dazu, sich mit optischen Täuschungen, Projektionen und eigenen Wahrnehmungsfehlern zu beschäftigen, statt mit echten Problemen. Ein Beispiel für einen typischen Wahrnehmungsfehler ist der des „unmotivierten Mitarbeiters“: Er mündet direkt in die Schuldzuweisung.
Post-tayloristische Unternehmen integrieren mithilfe von Komplexithoden Könner in ihre Abläufe. Sie schützen so auch ihre blauen Prozesse vor roter Dynamik.
Es gibt zwei Arten von Lernen. Die eine nennen wir Büffeln, oft aber auch Studieren oder Pauken. Sie eignet sich zur Aneignung von Wissen. Zum Erwerb von Können indes reicht Büffeln nicht aus – es braucht reflektierte Erfahrung in Form von Üben bzw. disziplinierter Praxis. Oft ist hierzu ein Meister erforderlich, also jemand, der bereits ein Könner ist und in der Lage, Schüler anzuleiten.
Zur Lösung bekannter Probleme reicht Wissen oft aus. Wissen ist aber ein Kind der Vergangenheit und kann in einer stetig sich wandelnden Welt nie die Zukunft sichern. Darum braucht es Können in der Domäne des Roten, um mit gänzlichen neuen Problemen umzugehen. Das wiederum haben nur Könner – also geübte Menschen mit Ideen.
Information ist übertragbar – dafür genügen Maschinen. Wissen entsteht durch Büffeln.
Können dagegen entsteht nur durch Üben.
Organisationen sollten nicht flach sein, sondern dezentralisiert. „Flach“ ist nur eine Verlängerung des Holzwegs. Denn in „Flach“ bleibt es bei Steuerung von oben nach unten. Wendet sich die Organisation nicht dem Markt zu, wächst Mittelmanagement immer wieder nach. Nur in „Dezentralisiert“ verschwindet der Grund, überhaupt welches zu haben. Wird Selbstorganisation und Führung von außen nach innen möglich.