Krapp und Ultramarin - Hans Hermann Rump - E-Book

Krapp und Ultramarin E-Book

Hans Hermann Rump

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Beschreibung

Der Aufsatz über Wilhelm Büchners Farbproduktion in Pfungstadt erläutert die Entstehung der Farbproduktion seit frühester Zeit bis zur Lösung des letzten Rätsels, der Farbe Blau. Anschaulich schildert der Autor die Entstehung und den Betrieb der industriellen Produktion der Blaufabrik in Pfungstadt und ihres Vorläuferbetriebes, der Krappfabrik. Mit zahlreichen Illustrationen versehen wird hier erstmals erläutert, welche historischen und technologischen Umstände Büchners Blau zu einem der ersten erfolgreichen Industrieprodukte aus Hessen-Darmstadt machte.

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Seitenzahl: 59

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DANKSAGUNG

Die Idee zu diesem Beitrag entstand nach einem Theaterbesuch in der Büchnerbühne in Riedstadt-Leeheim. Mein Freund Bodo Gollhardt, der während der Ausarbeitung des Textes leider verstarb, war als Diskussionspartner bei Textentwurf und Materialsichtung eine wertvolle Hilfe. Besonderer Dank gebührt Peter Brunner für wichtige Hinweise und die Bereitstellung von Bildmaterial.

Dr. rer. nat. Dr. phil. Hans Hermann Rump

Universität Frankfurt, Historisches Seminar

AG Wissenschaftsgeschichte

Norbert Wollheim-Platz 1, 60323 Frankfurt am Main

Email: [email protected]

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Farben und Farbeindrücke

„Färberröte" und Lapis Lazuli

Die Krappmühle in Pfungstadt

Künstliches Ultramarinblau

4.1 Ein Wettbewerb und seine folgen

4.2 Die Ultramarinfabrik von Wilhelm Büchner

4.3 Künstliches Ultramarin als Massenprodukt und das ende der Produktion in Pfungstadt

Krapprot und Ultramarinblau nach 1890

Literatur

Vorwort

Als Wilhelm Büchner 1816 in Stockstadt am Rhein geboren wurde, war der Vater Ernst „Amtschirurg im Amt Dornberg". Noch im gleichen Jahr zog die da schon fünfköpfige Familie (nach Georg 1813 war 1815 Mathilde geboren) nach Darmstadt, und dort verlebten alle Kinder der Büchners Kindheit und Jugend. Wilhelm war am Pädagog, dem einzigen Darmstädter Gymnasium, ein so schlechter Schüler, dass er es nicht bis zum Abitur brachte - er musste ohne Abschluss abgehen und setzte damit den ersten Bruch in das von Scheitern und Misslingen so reiche Leben der Geschwister Büchner. Aber so wie es auch den anderen Büchners meist gelang, aus dem Scheitern neue Chancen zu ergreifen, stellte sich für ihn der Weg in den Lehrberuf des Apothekers als goldrichtig heraus: er konnte sich endlich mit Naturwissenschaften beschäftigen und fand in der Chemie sein erfolgreiches Betätigungsfeld. Nach der Lehre in Zwingenberg studierte er in Heidelberg und schließlich bei Liebig in Gießen. Bald nachdem sein Bruder Georg 1837 im Züricher Exil an Typhus gestorben war, erkrankte er ebenfalls an der mörderischen Krankheit. Im Schoße der Familie und vom Vater wie einem herbeigezogenen Kollegen bestens versorgt, überlebte er. Beim anschließenden Genesungsurlaub beim Patenonkel in Gouda verliebte er sich in die Kusine Elisabeth (*1821) die er schließlich 1845 in ihrer holländischen Heimatstadt heiratete. Die erste Tochter Lina, in Darmstadt geboren, hatte Minna Jaegle zur Patentante, die Verlobte des toten Bruders Georg († 1837), zu der damals offenbar noch freundschaftliche Kontakte bestanden. Minna hat nach Erscheinen der Werkausgabe Georg Büchners, in der Ludwig und Luise Büchner ohne ihre Erlaubnis ihre Briefe veröffentlicht hatten, jeden Kontakt abgebrochen - wahrscheinlich auch zu Wilhelm und seiner Familie.

Wilhelm, der in Darmstadt inzwischen ein kleines Chemieunternehmen gegründet hatte, konnte mit Elisabeths Mitgift die aufgelassene Pfungstädter Zuckerfabrik erwerben, wo er bessere Bedingungen für seine „Blaufabrik" vorfand als in Darmstadt.

Über die Details dieser Geschichte berichtet der folgende Aufsatz.

Nachdem die beiden Brüder Ludwig und Alexander in Gießen 1848 revolutionäre Propaganda für die demokratische Paulskirchenbewegung machten, ließ sich Wilhelm nach der Niederlage von 1849 in die demokratischste Versammlung wählen, die es bis dahin in Hessen gab - den „Revolutionslandtag" von Dezember 1849 bis Januar 1850. Nachdem der Großherzog diesen mit neu erstarkter Macht für aufgelöst erklärt und schließlich auch das demokratische Wahlrecht wieder abgeschafft hatte, verzichtete Wilhelm Büchner bis 1862 auf die Landespolitik und konzentrierte sich auf unternehmerische und politische Aktivitäten in Pfungstadt. Hier war er jahrzehntelang Gemeindevertreter und hat zusammen mit Justus Hildebrand, dem befreundeten Bierbrauer, wesentlich Anteil daran genommen, aus dem Bauerndorf ein modernes Industriestädtchen zu machen. Im Landtag saß er zusammen mit einem alten Freund und Kampfgenossen Georg Büchners, dem treuen August Becker, der nach jahrelanger Haft und Schweizer Exil 1848 nach Gießen zurückgekommen war, wo er mit den beiden andern Büchnerbrüdern Ludwig und Alexander die republikanische Zeitschrift „Der Jüngste Tag" herausgab. In der Schweiz war Becker ein enger Mitarbeiter des Frühsozialisten Wilhelm Weitling, und es ist eine offene Frage, ob und wie Wilhelm Büchners arbeiterfreundliche Unternehmenspolitik von dessen Ideen beeinflusst war. Jedenfalls gab es in der Pfungstädter Blaufabrik nicht nur frühe Invaliden- und Krankenversicherung, Büchner zahlte am Jahresende auch Gewinnbeteiligungen an die Arbeiter aus. Auch der Einsatz für Kinderbetreuung und Schulausbildung zeugt vom sozialpolitischen Engagement. Natürlich gehörten er und seine Frau zu den Gründern des örtlichen Alicevereins für Krankenpflege, der auf Initiative seiner Schwester Luise von Darmstadt aus im ganzen Großherzogtum ins Leben gerufen wurde und schließlich im Roten Kreuz aufging.

1851 war er zur Weltausstellung nach London gereist, um dort sehr erfolgreich seine blaue Farbe zu präsentieren. Auf dieser Reise begleitete ihn der jüngste Bruder Alexander, frisch gebackener „Doktor beider Rechte" und ungestümer Republikaner auch nach der Niederlage der Revolution 1849. Alexander hat in London die Köpfe des republikanischen Exils getroffen - unter ihnen Carl Schurz, der später Innenminister der USA werden sollte, und Gottfried Kinkel, von Schurz zuvor abenteuerlich aus preußischer Haft befreit. Es ist kaum vorstellbar, dass Wilhelm von diesem Treffen und Alexanders republikanischen Bestrebungen nicht wusste. Schließlich wurde die Zusammenkunft, zurück in Hessen-Darmstadt, für Alexander zum Anlass für eine weitere Büchnersche Lebenskatastrophe: er wird wegen Hochverrat angeklagt und verliert den „Access" - er wird nie als Rechtsanwalt arbeiten können. Alexander Büchner hat sich dann auf das Sprachstudium geworfen und ein neues Leben begonnen, Wilhelm hat man offenbar weder beschuldigt noch verfolgt. Einem so erfolgreichen Unternehmer zu schaden wäre allerdings auch ungleich aufwändiger und riskanter geworden, als das „Berufsverbotsverfahren" gegen Alexander.

Wilhelm Büchners wirtschaftlicher Erfolg steht in engem Zusammenhang mit der sozialen Entwicklung im Deutschland des 19. Jahrhunderts: seine blaue Farbe verkauft sich nämlich insbesondere als „Waschblau". Bei der Zugabe von blauer Farbe zur Waschlauge wirkt ein physikalisches Prinzip: die unerwünschte gelbliche Färbung gelagerter Weißwäsche - das Vergilben - verschwindet durch Beigabe der Komplementärfarbe Blau. Ein Prinzip, das sich Anstreicher bis heute zunutze machen: eine strahlend weiße Wand erreichen sie, indem sie der weißen Farbe einen Klecks Blau zugeben und damit jeden Rest von Gelb eliminieren. (Wäsche wird heute chemisch weiß gewaschen. Die blauen Körnchen in modernen Waschmitteln haben mit dem Wäscheblau nichts mehr zu tun.) Mit der starken Zunahme der Bevölkerung, insbesondere mit der Zuzug vom Land in die Stadt, müssen Alternativen zu den überholten ländlichen Lebens- und Arbeitsformen entwickelt werden. Das Bleichen der Wäsche auf wiesen am Rand öffentlicher Waschstellen am Bach oder Teich, bei dem eine chemische Wirkung zusammen mit dem Ultraviolett des Sonnenlichtes das Gelb verschwinden ließ, steht der städtischen Bevölkerung kaum noch zur Verfügung. Illustrierend dafür sind die zahlreichen Straßennamen mit „Bleich-", bei denen sich regelmäßig nachweisen lässt, dass sie im 19. Jahrhundert erstmals bebaut wurden: die Bleichwiesen verschwanden.

Wie so oft kommt es also auch hier dazu, dass eine Erfindung „ihre Zeit braucht". Die fast lawinenhaft ansteigende Produktion der Pfungstädter Blaufabrik und ihre außergewöhnlichen Erfolge gerade auch im Export (kaum ein anderer Betrieb im Hessen-Darmstadt der 1860er Jahre exportiert in nennenswerter Menge) erklärt sich aus dem ebenso lawinenhaft ansteigenden Bedarf nach einer Lösung der „Wäschefrage". Allerdings war Wilhelm Büchner auch ein besonders cleverer Marketingmann (wieder einmal ein Attribut, das zu einer Zeit auf einen Büchner passt, als es den Begriff noch gar nicht gibt ...). Früh hat er ein „Markenzeichen" entwickelt, und er unterhält Handelsbeziehungen buchstäblich in die ganze Welt. Einen Eindruck davon verschaffen die hunderte von Etiketten, die überliefert sind. Spätestens mit der Einstellung von Moritz Kohnstamm (1820 - 1898) als Prokurist entsteht auch eine schwunghafte Handelsbeziehung in die USA. Kohnstamms Sohn Oskar, geboren