Kreatives Schreiben. Historische Entwicklung,  didaktische Diskussion und die Umsetzung in der Unterrichtswirklichkeit - Maximilian Frisch - E-Book

Kreatives Schreiben. Historische Entwicklung, didaktische Diskussion und die Umsetzung in der Unterrichtswirklichkeit E-Book

Maximilian Frisch

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Beschreibung

Bachelorarbeit aus dem Jahr 2012 im Fachbereich Didaktik für das Fach Deutsch - Pädagogik, Sprachwissenschaft, Note: 1,0, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt (Lehrstuhl für Didaktik der deutschen Sprache und Literatur), Sprache: Deutsch, Abstract: Was aber ist nach aller Kritik am Aufsatzunterricht, nach Forschung und didaktischer Diskussion in der Unterrichtswirklichkeit angekommen? Welche Konzepte und Methoden werden heute genutzt und tragen sie der didaktischen Entwicklung Rechnung? Dieser Fragestellung widmet sich die vorliegende Arbeit. Das Erkenntnisinteresse liegt hierbei auf der Schreibdidaktik, die im Unterricht tatsächlich angewendet wird. Als Referenz dient dabei ein Methoden- und Konzeptbereich, der in der neueren Schreibdidaktik von Anfang an diskutiert und erweitert wird: Das Kreative Schreiben. Da gerade das Kreative Schreiben (neben dem Freien Schreiben) seit den 80er Jahren für den Wandel von der traditionellen Aufsatzdidaktik hin zu einer kreativitäts-, subjekt- und letztlich prozessorientierten Schreibdidaktik steht, soll überprüft werden, inwiefern es in Lehrplänen und offiziellen Handreichungen, in Schulbüchern und schließlich im Unterricht Niederschlag gefunden hat. Dabei wird zunächst der Begriff Kreatives Schreiben vor dem Hintergrund seiner historischen und didaktisch-wissenschaftlichen Entstehung beleuchtet und für diese Arbeit definiert. Anschließend soll festgestellt werden, welche Konzepte und Methoden für das Kreative Schreiben im Unterricht entwickelt wurden und wie diese in der Theorie angewendet werden sollen. In einem letzten Teil wird schließlich untersucht, inwiefern diese Methoden sich in Vorgaben des bayerischen Kultusministeriums, also in Lehrplänen und Handreichungen für den Deutschunterricht, wiederfinden und wie die Lehrwerke und Schulbücher der Verlage dies umsetzen. Eine empirische Untersuchung stellt abschließend vor, wie Lehrer hinsichtlich der Schreibförderung vorgehen und inwiefern Kreatives Schreiben hierbei eingesetzt wird. In der Schlussbetrachtung wird schließlich sichtbar, ob das Kreative Schreiben als ein Konzept der Schreibdidaktik in der unterrichtlichen Wirklichkeit einen Stellenwert erreicht, der dem hier aufgezeigten Bedeutungswandel des Schreibens im Unterricht entspricht.

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Inhalt

 

1 Kreatives Schreiben: Eine neue Entwicklungsstufe auf dem Weg des Schreibens von der unreflektierten Hilfstechnik zu einer Schlüsselkompetenz des 21. Jahrhunderts?

2. Kreatives Schreiben: Die Ursprünge und die historische wissenschaftlichdidaktische Diskussion

2.1 Kreatives Schreiben vor dem Hintergrund des Kreativitätsbegriffs

2.2 Die Entwicklung des Aufsatzunterrichts und Schreibunterrichts

2.3 Kreatives Schreiben und die Schreibforschung

2.3.1 Schreibprozessmodelle

2.3.2 Schreibentwicklung

3. Konzepte kreativen Schreibens

3.1 Kreatives Schreiben als Medium des „subjektiven Selbstausdrucks“

3.2 Kreatives Schreiben als durchgängige Methode der Wissensbildung im Unterrichtsalltag

4. Methoden kreativen Schreibens

4.1 Methodensammlungen in der Literatur

4.2 Methoden des kreativen Schreibens - Ein Überblick

4.2.1 Assoziative Verfahren

4.2.2 Schreibspiele

4.2.3 Schreiben nach Vorgaben, Regeln und Mustern

4.2.4 Schreiben zu und nach literarischen Texten

4.2.5 Schreiben zu Stimuli

4.2.6 Weiterschreiben an kreativen Texten

5. Kreatives Schreiben in der unterrichtlichen Wirklichkeit

5.1 Kreatives Schreiben im Lehrplan und in Handreichungen des Kultusministeriums

5.2 Kreatives Schreiben in ausgewählten Schulbüchern

5.2.1 Vorüberlegungen

5.2.2 Methodisches Vorgehen

5.2.3 Deutschbücher der Jahrgangsstufe 5

5.2.4 Deutschbücher der Jahrgangsstufe 8

5.2.5 Deutschbücher der Jahrgangsstufe 11

5.3 Kreatives Schreiben im Unterricht

5.3.1 Vorüberlegungen

5.3.2 Zur Methodik

5.3.3 Untersuchungsdesign

5.3.4 Einhaltung und Relevanz der Gütekriterien

5.3.5 Auswertungskriterien

5.3.6 Darstellung und Interpretation der Ergebnisse

6. Kreatives Schreiben: Zwischen hohen Erwartungen und hohem Anspruch an Lehrer, Unterricht und Schüler

6.1. Theorie schlägt Praxis oder: Was ist eigentlich Kreatives Schreiben?

6.2. Zwischen „Heiligsprechung“ und ungenutzten Potentialen

7. Literaturverzeichnis

7.1 Sammelwerke

7.2 Monographien

7.3 Beiträge in Sammelwerken

7.4 Beiträge in Zeitschriften

7.5 Internetquellen

7.5.1 Mit Verfasser

7.5.2 Ohne Verfasser

7.6. Publikationen Ohne Verfasser

7.7. Schulbücher

8. Anhang

8.1. Interviewleitfaden

8.2.1 Interview 1: Lehrerin, Nürnberg

8.2.2 Interview 2: Lehrer, Ingolstadt

 

1 Kreatives Schreiben: Eine neue Entwicklungsstufe auf dem Weg des Schreibens von der unreflektierten Hilfstechnik zu einer Schlüsselkompetenz des 21. Jahrhunderts?

 

Das Schreiben begleitet Menschen, die in den modernen Industriestaaten aufwachsen, von der Schule über Ausbildung und Berufsleben bis in den privaten Bereich. Schriftliche Kommunikation ist überall präsent: Egal, ob Schüler ihre Hausaufgaben Fin schriftlicher Form verfassen oder ob sie in ihrer Freizeit über SMS, Email und Facebook mit Freunden in Kontakt treten: Das Schreiben ist im 21. Jahrhundert mehr denn je die Voraussetzung, um am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Schreiben ist gerade heute eine, wenn nicht die wichtigste Kulturtechnik des Menschen - mit belegbaren Auswirkungen „[...] auf die Kognition des Menschen [...][1]. Der hiermit angesprochene Aspekt der kognitiven Bedingungen und Effekte des Schreibens ist dabei noch nicht lange Gegenstand von wissenschaftlichen wie alltäglichen Diskussionen. Gerade weil das Schreiben zumeist früh erlernt und ab diesem Zeitpunkt ständig angewendet wird, ist es für die meisten Menschen eher eine Art Hilfstechnik, die sich im allgemeinen Sprachgebrauch vor allem durch die motorischen und heute vermehrt mechanischen Aspekte definiert. Schreiben ist, ganz im Unterschied zu der Bedeutung, die Schreibforschung und auch Schreibdidaktik dieser Kompetenz in den letzten Jahrzehnten beimessen, oft eine Selbstverständlichkeit, über die scheinbar nicht weiter diskutiert werden muss. Freilich gilt das mehr für den privaten Kontext und für das Schreiben von Texten, die gemäß ihrer Intention nichts weiter als das gerade probate Mittel zum Zweck sein sollen. Aber von Zeit zu Zeit stellen auch Schreiber einer privaten Email fest, dass das mit dem Schreiben so einfach und basal gar nicht ist. Eine Email kann, schon allein wegen der zerdehnten Sprechsituation [2], in der sie verfasst wird, vom Adressaten möglicherweise anders, sogar falsch verstanden werden, als es der Schreibende beabsichtigt. Folglich muss der Schreibende vor dem Absenden der Email planen, was er wie formuliert, in welche Worte er einen Gedanken kleidet. Er muss antizipieren, was der Kommunikationspartner möglicherweise verstehen könnte, um dann so zu schreiben, dass die eigentlich gewünschte Interpretation des Textes eintritt. Schreiben ist somit, spätestens wenn diese Teilschritte einbezogen werden, ein wesentlich komplexerer Prozess als nur das Übersetzen von Gedanken, die man stattdessen auch einfach aussprechen könnte, in Schriftform. Wenn schließlich beispielsweise im Mailverkehr innerhalb von Gremien Emotionen hochschnellen, wenn aus vermeintlich harmlosen Informationstexten für manche Leser beleidigende Traktate werden, dann wird klar: Schreiben ist längst nicht so selbstverständlich und einfach, wie es der alltägliche Gebrauch des Begriffs vermuten lässt.

 

Im Deutschunterricht - und in der Schule überhaupt - sollte Schreiben eine der eigentlichen Tragweite des Begriffs angemessene Rolle spielen, wie Pädagogen und Didaktiker immer wieder fordern. Da wird sogar die geplante Abschaffung der Schreibschrift - also ein auf den ersten Blick nur die motorische Seite des Schreibens betreffender Aspekt - zu einem Angriff auf die kognitive Entwicklung der Schüler, weil Schreiben unmittelbar mit kognitiven Prozessen verbunden ist.[3] Schlagworte wie Textkompetenz, Schreibkompetenz und auch Lesekompetenz weisen zumindest darauf hin, dass die Debatte rund um PISA und größer angelegte Forschungsprojekte[4] dafür gesorgt haben, dass in den letzten Jahren und Jahrzehnten Schreiben einen Bedeutungswandel erlebt hat, der nach Schreibforschung und Schreibdidaktik nun auch die Unterrichtspraxis erreicht. Auch wenn es der Autor der vorliegenden Arbeit anders erlebt hat und immer wieder Berichte von Schülern zeigen, dass das unbeliebte und als lästig empfundene „Aufsatzschreiben“ nach wie vor mit dem Deutschunterricht assoziiert wird, so sprechen Schulbücher wie auch Lehrpläne, die didaktischen Publikationen ohnehin, längst nicht mehr vom Aufsatzunterricht oder von Aufsatzdidaktik. Es hat sich ein Wandel hin zur Schreibdidaktik vollzogen. Im Mittelpunkt des Interesses - jedenfalls in der Theorie der Didaktik - steht „[...] das Schreiben als Prozess [...], das heißt die Phasen des Planens, des Entwerfens und Formulierens, des Überarbeitens und Revidierens und des Beurteilens [,..]“[5]. Ziele dieser Schreibdidaktik sind längst nicht mehr nur der ge-  lungen formulierte und die Vorgaben bestens erfüllende Aufsatz, sondern eine auch über den schulischen Kontext hinausgehende Schreib- und Textkompetenz. Dieses Kompetenzverständnis erstreckt sich auch aufgrund der Erkenntnisse der Schreib(prozess-)forschung nicht mehr nur auf das Verfassen von Texten nach Sorten, Adressaten, Situationen und anderen Bedingungen. Vielmehr sind in ihrer Bedeutung schwerwiegendere Komponenten heute bestimmend, wenn vom Schreiben und den damit verbundenen Vorgängen die Rede ist. Seit den 1970er und 1980er Jahren wird Schreiben als ein subjektiver Prozess verstanden, als ein Feld der Reflexion und Selbstvergewisserung. Hinzu kommt seit den 90er Jahren die Überlegung, dass das Schreiben und das Denken im Schreiben überhaupt ein eigenständiger, von der Mündlichkeit wie anderen Bereichen zu trennender mentaler Prozess ist. Deshalb gilt die Aufmerksamkeit der Deutschdidaktik heute der Schreibkompetenz, der Schreibentwicklung und auch dem Lernen beim und durch das Schreiben, was zu Überlegungen über Schreiben in den einzelnen Fächern[6] wie auch zum Ansatz eines allgemeinen und fächerübergreifenden Schreibcurriculums führt.[7] Es bleibt festzuhalten: Schreiben und das Schreibenlernen sind in ihrer Komplexität seit geraumer Zeit in der didaktischen Diskussion angekommen, seit dem PISA-Schock[8] wird dieses Thema zudem auch immer wieder in der Öffentlichkeit aufgegriffen.

 

Was aber ist nach aller Kritik am Aufsatzunterricht, nach Forschung und didaktischer Diskussion in der Unterrichtswirklichkeit angekommen? Welche Konzepte und Methoden werden heute genutzt und tragen sie der didaktischen Entwicklung Rechnung? Dieser Fragestellung widmet sich die vorliegende Arbeit. Das Erkenntnisinteresse liegt hierbei auf der Schreibdidaktik, die im Unterricht tatsächlich angewendet wird. Als Referenz dient dabei ein Methoden- und Konzeptbereich, der in der neueren Schreibdidaktik von Anfang an diskutiert und erweitert wird: Das Kreative Schreiben[9]. Da gerade das Kreative Schreiben (neben dem Freien Schreiben) seit den 80er Jahren für den Wandel von der traditionellen Aufsatzdidaktik hin zu einer kreativitäts-, subjekt- und letztlich prozessorientierten Schreibdidaktik steht, soll überprüft werden, inwiefern es in Lehrplänen und offiziellen Handreichungen, in Schulbüchern und schließlich im Unterricht Niederschlag gefunden hat. Dabei wird zunächst der Begriff Kreatives Schreiben vor dem Hintergrund seiner historischen und didaktischwissenschaftlichen Entstehung beleuchtet und für diese Arbeit definiert. Anschließend soll festgestellt werden, welche Konzepte und Methoden für das Kreative Schreiben im Unterricht entwickelt wurden und wie diese in der Theorie angewendet werden sollen. In einem letzten Teil wird schließlich untersucht, inwiefern diese Methoden sich in Vorgaben des bayerischen Kultusministeriums, also in Lehrplänen und Handreichungen für den Deutschunterricht, wiederfinden und wie die Lehrwerke und Schulbücher der Verlage dies umsetzen. Eine empirische Untersuchung stellt abschließend vor, wie Lehrer hinsichtlich der Schreibförderung vorgehen und inwiefern Kreatives Schreiben hierbei eingesetzt wird. In der Schlussbetrachtung wird schließlich sichtbar, ob das Kreative Schreiben als ein Konzept der Schreibdidaktik in der unterrichtlichen Wirklichkeit einen Stellenwert erreicht, der dem hier aufgezeigten Bedeutungswandel des Schreibens im Unterricht entspricht.

 

2. Kreatives Schreiben: Die Ursprünge und die historische wissenschaftlichdidaktische Diskussion

 

Kreatives Schreiben ist eines der der durch seine qualitative und quantitative Erschließung herausragenden Konzepte der neueren Schreibdidaktik. Allerdings gibt es trotz der Vielzahl an Publikationen und der Methodenvielfalt keine eindeutig trennscharfe Definition. Im Folgenden wird Kreatives Schreiben daher in Bezug auf Kreativität, auf Schreib- und Schreibprozessforschung und aufgrund der maßgebenden didaktischen Beiträge zur Schreibentwicklung dargestellt. Anschließend kann eine Definition für den Begriff vorgenommen werden, wie er in dieser Arbeit verwendet wird.

 

2.1 Kreatives Schreiben vor dem Hintergrund des Kreativitätsbegriffs

 

Das herausstechende Merkmal des kreativen Schreibens ist sicherlich die Betonung des Begriffs „kreativ“. Ihm verdankt das didaktische Konzept seine Bekanntheit und auch kritische Stimmen, gerade auch wenn „kreativ“ als nicht-wissenschaftlich oder esoterisch verstanden wird. Es gilt also zunächst zu klären, was mit Kreativität eigentlich gemeint ist.

 

„Der Begriff der Kreativität wird für recht Verschiedenartiges gebraucht, auch und gerade im Zusammenhang mit dem Schreiben.“ [10]  Solche von der Schwierigkeit der Definition des Begriffs Kreatives Schreiben berichtenden Sätze finden sich in nahezu jedem Versuch, eine Einordnung vorzunehmen. Auch Kreativität selbst bereitet Probleme bei der näheren Bestimmung. Gerd Brenner nennt Kreativität einen „schillernden Definitionsgegenstand“ [11], der weder etymologisch noch mit einem Rückgriff auf die wissenschaftliche Kreativitätsforschung der 50er Jahre befriedigend zu fassen sei. [12]  Dennoch nimmt er Bezug auf das lateinische Verb (creare) und verweist auf die Bedeutung „hervorbringen, erschaffen“ [13]. Die wörtliche Bedeutung ist als relativ greifbarer Zugang für viele Autoren die Grundlage ihrer Annäherung an den Begriff, wenn sie wie auch Gabriele Pommerin lexikalische und alltagssprachliche Definitionen zu Rate ziehen. [14] .Das Erschaffen von etwas Neuem bezieht Brenner auf das schreibende Individuum wie auch auf dessen Lebensraum; etwas Neues entsteht dann, wenn „[...] Jugendliche sich ihnen bislang unzulängliche[n] Möglichkeiten des Denkens, Empfindens und Formulierens erschließen. [...] Für überindividuelle oder gar weit über die Lerngruppe hinauszielende kreative Leistungen [...]“ ist bei Brenner aber kein „[...] Erwartungshorizont [...]“[15]  vorgesehen. Damit hebt Brenners Arbeitsdefinition sich ab von den ursprünglichen Überlegungen, wie sie über Kreativität in den 50er Jahren angestellt wurden. Die schöpferische Komponente des Begriffs wird in dieser Zeit, in der Kreativität gleichzeitig das erste Mal eine derartige wissenschaftliche Aufmerksamkeit erfährt[16], überformt zu einer „[...] gesamtgesellschaftlich relevanten und verwertbaren Innovationskraft [...]“[17]. In Zeiten des Sputnik-Schocks diente „creativity“[18] als Kon  zept dazu, angesichts der offenkundig gewordenen technischen Ebenbürtigkeit von Ost und West anderweitig einen Vorsprung zu erwerben. Mit dem Ausbrechen aus bereits bekannten Mustern und Denkpfaden soll die Wirtschaftsleistung weiter gesteigert werden.[19] Nach Joy Paul Guilford ist es das „divergente Denken“[20], also das unsystematische Vorgehen, das nun anstatt der traditionellen Methoden (konvergentes Denken) Lösungen hervorbringen soll. Dass der Kreativität diese Gestaltungskraft beigemessen wird, ist auch darin begründet, dass Kreativität „[...] eine universelle Eigenschaft menschlichen Handelns und Denkens [...]“[21] ist. Die Fähigkeit, Neues zu schaffen und damit „[...] Bahnen biologischer Vorbestimmung durch eine selbst geschaffene Kultur zu ersetzen, ist ein Wesensmerkmal der Menschheit.“[22] Dass Kreativität tatsächlich etwas ist, das mit dem Menschen beziehungsweise dem menschlichen Gehirn fest verbunden scheint, lässt auch das Hemisphärenmodell vermuten, nachdem die Hirnforschung der linken Hirnhälfte rationales Denken, der rechten Gehirnhälfte emotionales- intuitives Denken zuweist. Kreativität entsteht dann durch die Aktivierung der rechten Hälfte beziehungsweise durch ein bestimmtes Verhältnis beider Hälften zueinander.[23] Auch Pommerin und Böttcher zählen Kreativität als „Persönlichkeitsmerkmal“[24] und als „Disposition“[25] zu einer allen Menschen grundsätzlich zuzuschreibenden Kompetenz.[26] Böttcher stellt im Anschluss an Pommerin und Karl-Heinz Brodbeck Grundmuster fest, die die Vielfalt der Definitionsversuche und Bestimmungen einen. Kreativität bezieht sich demnach auf „[...] Denken und Handeln sowie auf das Produkt dieses Denkens und Handelns.“[27] Damit richtet sich Kreativität im Kontext des kreativen Schreibens also auf den Schreibenden selbst und das Schreibprodukt; „kreativ“ ist, was für eine kleinere Gruppe oder ein Individuum als neu gelten kann.[28] In den 70er Jahren überträgt beispielsweise Fritz Winterling Kreativität auf den Deutschunterricht. In seinem Aufsatz Kreative Übung oder Gestaltungsversuch[29] ist Kreativität vor allem das „[...] Durchbrechen sprachlicher Normen [...]“[30]. Das Spielen mit Sprache oder die Verfremdung von Vorlagen gehören zu den Methoden, die Winterling vorschlägt, um durch dieses neuartige Betrachten oder Neuerschaffen von Texten das „[...] Normsystem der Sprache und der sprachlichen Äußerungen“ zu erkunden [,..]“[31]. Ziel ist es auch, die Normsysteme in Frage stellen zu können um dann letztlich eigenständig und ohne Bindung an Vorgaben produktiv tätig werden zu können. Kreativ und neu ist dabei also weniger das Neugeschaffene, als vielmehr das für den oder die Schreibenden umgewandelte und diesbezüglich neue Normsystem.