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Kleinvieh macht mehr Mist, als Sie glauben!
Der Einklang mit den Jahreszeiten, der Umgang mit Tieren, selbst erzeugtes Obst und Gemüse: So sieht der Traum vom Landleben aus. Aber wie funktioniert das ganz konkret – mit Huhn und Schaf, mit Kraut und Rüben? Margit Schönberger, auf dem Land aufgewachsene Genießerin, und Rosi Fellner, eine erfahrene Tiroler Biobäuerin, erzählen von ihren Erfahrungen und vermitteln auf unterhaltsame Art das nötige Wissen. Ein Buch über und für das Glück im Grünen!
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Seitenzahl: 291
Rosi Fellner
Margit Schönberger
Kühe essen Wiese auf
und andere Wahrheiten für Leute, die aufs Land wollen
Lektorat: Silke Uhlemann, München
Copyright © 2012 by Ludwig Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
http://www.ludwig-verlag.de
Umschlaggestaltung: Eisele Grafik-Design, München
Umschlagfoto: emely photography
Satz: EDV-Fotosatz Huber/Verlagsservice G. Pfeifer, Germering
ISBN: 978-3-641-08231-4
Über die Sehnsucht nach dem Leben auf dem Lande
Als ich noch so klein war, dass mir alle anderen groß vorkamen, waren Großmütter noch alt. Die meine roch nach Kernseife, Milch und in der Sonne getrockneter Wäsche. Ihre Hände waren immer warm und wenn sie mich an der Hand nahm, spürte ich, dass die ihre innen rau war.
Ich mochte es, neben ihr zu gehen, weil sie als einziger Erwachsener ihr Tempo meinen kleinen Schritten anpasste. Das kam von ihren schmerzenden, fest bandagierten Beinen. Mit schwerem, leicht schlurfendem Gang durchmaß sie die große Stube, die Küche und Wohnraum zugleich war. In dieser Stube waren mein Vater und seine neun Geschwister groß geworden. Sommer wie Winter musste Holz für den großen Feuerherd hereingetragen werden, ein Herd, in dem die Glut fast nie ausging.
Das Holz wurde an der Außenwand des Hauses bis auf Fensterhöhe geschichtet sowie an der gegenüberliegenden Seite in wunderschönen, mannshohen, kegelförmigen Gebilden. Diese Holzstapel waren die ersten architektonischen Wunderwerke, die ich in meinem Leben staunend wahrnahm. Rund und glatt – kein noch so kleines Hölzchen stand weiter vor als die anderen – hielten diese Meisterwerke der Statik vor dem Lattenzaun des Gemüsegartens Wache. Auf der anderen Seite des Hauses war das Wied gestapelt. Getrocknete Zweige, die im nahen Wald gesammelt, von Großvater zu Reisigbündeln geschnürt und auf dem Hackstock links und rechts mit der Axt auf gleiche Länge behauen wurden.
Wenn Großmutter Feuer machte, hockte ich mit großen Augen neben ihr vor dem Herd und sah ihr hochkonzentriert zu. Manchmal blies sie mehrmals kräftig in die Glut, während sie bleistiftdünne Späne darauf legte. Die machte mein Großvater mit dem Holzmesser. Hierfür klemmte er sich besonders trockene Scheite zwischen die Oberschenkel, setzte das Holzmesser oben an und zog es Richtung Körper langsam durch das Holz. Das gab ein schönes, leise splitterndes Geräusch. Großvater wurde gerühmt für seine Gabe, besonders dünne, leicht feuerfangende Späne zu fertigen. Sie wurden unter dem Herd griffbereit aufgeschichtet und er sorgte dafür, dass sie nie ausgingen. War keine Glut mehr im Herd, holte Großmutter eine Handvoll Heu aus dem Stadel und zündete es vor dem Ofenloch an, noch während sie es in der Hand hielt. Unter kräftigem Pusten kam es in den Herd, Späne darauf und ein wenig später, wenn alles aufloderte, das Wied. Ich freute mich schon immer auf das geheimnisvolle Knistern und Knacken des Wieds. Auf meine Frage, was diese Geräusche zu bedeuten hätten, sagte Großmutter, dass das Holz sich was erzähle. Von schönen Sonnentagen, als der Baum noch gewachsen ist. Und dass das Feuer deshalb Wärme mache, weil die Sonne von damals beim Brennen wieder herauskäme.
Besonders stolz war ich, wenn ich den Auftrag bekam: »Dirndl, hol Scheitel!« Die schleppte ich dann einzeln und mit übertriebenem Geschnaufe von draußen heran und lud sie vor dem Ofen ab. Dann wurde ich gelobt, wie gescheit ich sei und wie stark. Und ich ahmte Großmutter nach, indem ich meine Hände klatschend aneinander sauber klopfte.
War das Herdfeuer in Gang gekommen, musste das Schiff kontrolliert und eventuell aufgefüllt werden. Wie der im Herd versenkte Wasserbehälter zu seinem Namen »Schiff« kam, konnte mir nie jemand erklären. Wenn später die Rede darauf kam, weshalb sich so viele Österreicher und Bayern freiwillig zur Marine meldeten, hatte ich jedenfalls immer eine Erklärung parat: In jedem unserer Haushalte gab es ein Schiff.
Das Schiff war der einzige Heißwasserspender im Haus. Für die Morgen- und Abendwäsche wurde eine der langen Bänke vom Tisch zum Herd getragen und mit einer Waschschüssel – Lavoir genannt (Napoleon hat auch auf dem tiefsten Land zumindest sprachliche Spuren hinterlassen) – bestückt. Das heiße Wasser aus dem Schiff wurde mit einer Kanne kaltem Wasser auf die richtige Waschtemperatur gebracht. Jeder, der sich des Wassers bedient hatte, leerte seine Schüssel mit dem gebrauchten Wasser vor dem Haus, machte sie unter der Schwengelwasserpumpe auf dem Hof sauber und füllte für den Nächsten auch die Kaltwasserkanne wieder auf. Wir Kinder wurden in eine etwas größere, runde Blechwanne gestellt – die auch am Großwaschtag zum Einsatz kam –, von oben bis unten eingeseift und dann abgespült. Aber nicht jeden Tag. Üblicherweise wurde waschmäßig auf Hals, Ohren, Arme, Beine und Füße geachtet – alles andere konnte auch mal zwei, drei Tage warten.
Trotz dieser umständlichen, badezimmerlosen Waschsitten waren wir nicht schmutziger als heutige Kinder. Das wüsste ich, weil mich schon die kleinste Unregelmäßigkeitin dieser Hinsicht irritierte. Ich kann das unangenehme Gefühl von klebrigem Honig an meinen kleinen Händen – und die sofort hysterisch gespreizten Finger – noch heute geradezu körperlich spüren. Ich gab auch keine Ruhe, bis Großmutter mit einem feuchten Waschlappen alles wieder sauber gerieben hatte.
Den Gipfel des Ekels aber verursachte bei mir der Hühnerdreck. Wir Kinder liefen im Sommer auf dem Hof natürlich ständig barfuß. Und überall waren Hühner – außer im Gemüsegarten. Der war ihretwegen eingezäunt. Sie hätten die jungen Salatpflänzchen und Kräuter zerpickt und auf Würmersuche alles aufgescharrt. Wenn ich das Gartentor einmal aufließ, nachdem ich Petersilie oder Schnittlauch für Großmutter hatte holen dürfen, wurde ich ausgeschimpft. Denn schwupps, so schnell konnte man gar nicht schauen, waren zwei, drei Hühner drin. Großmutter jagte sie dann auf ihren Holzschuhen, laut in die Hände klatschend und seltsame Zischlaute von sich gebend, wieder zum »Tempel« hinaus, wie sie den Gemüsegarten nannte. Außer in diesem kleinen abgezäunten Paradies rannten die Hühner überall so frei herum wie wir Kinder. Und ließen dabei ihren Dreck fallen. Ich hatte das Talent, mehrmals am Tag eine solche Spur zu kreuzen. Dann quoll diese höchst übel riechende Hinterlassenschaft zwischen den kleinen Kinderzehen hervor, so unangenehm und ekelerregend, dass ich es heute noch spüre, woraufhin ich mitten im Lauf stoppte und jammernd zu Großmutter humpelte. Die lachte, zeigte mir, wie ein Breitwegerichblatt aussieht, und entfernte damit die gröbste Bescherung. Den Rest besorgte der starke Wasserstrahl, der aus der eisernen Hofpumpe kam. Danach stakste ich eine Weile in den viel zu großen Holzschuhen der Erwachsenen herum, die immer in großer Anzahl vor der Haustür standen. Da ich damit aber nur mühsam schlurfend und wackelnd vom Fleck kam, ließ ich es bald wieder sein.
Ein Tageshöhepunkt war, wenn Großmutter mir erlaubte, die Eier aus den Strohnestern im Hühnerstall zu nehmen und unter der Ermahnung, nur ja keines fallen zu lassen, in ihre Strohschüssel zu legen. Einmal war ich auch dabei, als sie Eier in einem großen Glasgefäß in Kalkwasser einlegte. Damit man sie für den Winter aufheben kann, wenn die Hühner nicht mehr so fleißig Eier legen.
Hühner waren auch lustig anzuschauen. Ich habe sie lange und gern beobachtet, wenn sie, bedächtig ein Bein vor das andere setzend, ums Haus stolzierten. Manchmal verharrte ein Hühnerbein plötzlich hochgezogen in der Luft, so als hätte man das Tier gerufen und dadurch mitten im Bewegungsablauf gestört. Sie pickten dahin und dorthin und man konnte gar nicht erkennen, was sie da – mit dem Kopf hektisch nach vorn und wieder zurückzuckend – für eine Sorte Futter gefunden hatten. Wenn man ein einzelnes Huhn ansprach – und ich redete oft mit den Hühnern – legten sie den Kopf schief und sahen einen mit dem zugewandten Auge derart intensiv an, als hörten sie genau zu.
So waren die Hühner und ich trotz des Hühnerdrecks längst gute Freunde geworden, bis Großvater dieses Verhältnis nachhaltig zerstörte. Hin und wieder schnappte er sich ein Huhn fast wie im Vorbeigehen und trug es kopfüber, die Hühnerbeine fest im Griff, zum Holzhackstock. Das Tier flatterte wild mit den Flügeln und gackerte aufgeregt. Das Beil musste wohl schon bereitgelegen haben, denn ich sah nur noch, wie Großvater den Arm hob und senkte und dann war das Huhn still.
Großmutter kam dann mit zwei Eimern dazu. In den einen legte Großvater das Huhn und setzte sich damit auf die Bank vor dem Haus. Aus dem anderen Eimer stieg Dampf auf und Großmutter leerte das heiße Wasser über das Huhn zu Großvaters Füßen. Dann lachte sie mir zu und kündigte fürs Abendessen Nudelsuppe an. Mir war nicht ganz geheuer bei der Sache, als ich Großvater aus gehörigem Abstand Federn rupfen sah, und glaube mich heute an so etwas Ähnliches wie ein schlechtes Gewissen zu erinnern. Ich tröstete mich wohl damit, dass die davongekommenen Hühner gleichmütig ihrer Wege gingen und nicht den Eindruck machten, als würden sie um ihre Artgenossin trauern. Aus Großvaters Hühnereimer drang ein derart widerlicher Geruch zu mir, sodass ich mich still und leise zu Großmutter ins Haus verzog. Ich half ihr bei den Nudeln. Sie wurden mit dem Messer aus einem dünn ausgewalzten Teig geschnitten und an Holzstangen, die über dem Ofen angebracht waren, zum Trocknen aufgehängt.
Besonders gern mochte ich als Kind den Geruch im Kuhstall. Da herrschten eine wohlige, milchige Wärme und beruhigende Geräusche. Ein leises Klirren von den Ketten, an denen die Tiere angeschirrt waren, dumpfe Klauentritte auf den Bohlenbrettern unterm Stroh, das Schwanzschlagen der Tiere nach den Fliegen, vereinzeltes gedämpftes Muhen, das nur vor der Fütterung zum Kanon anschwoll, ein gleichmäßiges Malmen, wenn die großen, gutmütigen Tiere das Grünfutter mit ihren langen Zungen in ihre feucht glänzenden Mäuler zogen. Damals gab es noch keine Melkmaschinen. Die Frauen saßen beim Melken auf dreibeinigen Melkschemeln, die kopftuchbedeckte Stirn gegen die Flanke der Kuh gepresst. Mit geheimnisvollen, halb stoßenden, halb ziehenden Handbewegungen molken sie feine, scharfe Strahlen von Milch in fast musikalischem Rhythmus sirrend in die Eimer. Meist waren mehrere Melkerinnen am Werk, das klang wie ein kleines Orchester.
Damals durfte ich mit einem Schöpflöffel kuhwarme Milch aus dem Melkeimer trinken und konnte gar nicht genug davon bekommen. Großmutter wischte das unvermeidliche Milchschnurrbärtchen dann mit dem Schürzenzipfel ab. Heute, so habe ich mehrfach gelesen und gehört, würden Kinder diese Milch gar nicht mehr vertragen. Ihr Verdauungsapparat ist sozusagen von Kopf bis Fuß auf H-Milch eingestellt. Gott sei Dank wissen sie nicht, was ihnen entgeht.
Der größte Teil der Milch wurde in Molkereikannen abgefüllt, aber ein kleiner Rest wurde übrig behalten. Für die Katzen und den morgendlichen Malzkaffee (von meinem Großvater abfällig Kathreiner-Gschlader genannt), aber vor allem fürs Entrahmen und Buttermachen. Bei Letzterem fiel mir eine im wahrsten Sinne des Wortes gewichtige Rolle zu, und ich konnte es immer kaum erwarten, bis es wieder so weit war. Das in der bäuerlichen Literatur so oft zitierte Butterfass (in dem der Rahm gestoßen wurde) war bei uns ein viereckiger Butterkasten, aus dem seitlich eine Kurbel ragte. An dieser Kurbel waren im Inneren des Kastens Holzblätter, Windmühlenflügeln ähnlich, angebracht. Den Deckel konnte man abnehmen, um den Rahm einzufüllen. Dann wurde zugemacht und ich setzte mich obendrauf. Großmutter fing an, die Kurbel zu drehen. Während es zunächst unter mir noch plätscherte und gluckste, begann es im Laufe der Zeit immer mehr zu rumpeln. Dann war der Rahm zu Butter geschlagen. Großmutter wusste genau, wann es so weit war und spürte es wohl auch in ihrem Arm. Nun durfte ich meinen Hochsitz verlassen. Der Deckel wurde geöffnet und wir sammelten die goldgelben Butterbrocken ein, an denen noch Wasser perlte. Großmutter formte sie auf einem weißen Emailleteller mit blauem Rand zu einer Halbkugel und strich sie mit einem Messer glatt. Zu guter Letzt drückte sie mit der Spitze eines Suppenlöffels ein schönes Muster hinein. Die übrig gebliebene Buttermilch wurde in einen blaugrauen Steingutkrug gefüllt und in der Speisekammer kalt gestellt. Dann bekam ich zur Belohnung ein frisches Butterbrot mit Schnittlauch. Ein ganz besonderes Festmahl war es, wenn das Brot frisch aus dem Backofen kam und noch warm war.
Gut erinnere ich mich auch noch an die Getreideernte. Damals gab es noch nicht diese Riesenmaschinen, die alle Arbeitsgänge des Erntens in einem erledigten. Die Getreidefelder wurden von Schnittern gemäht, die gleichmäßig nebeneinander ihre Bahnen zogen. Ab und zu blieb einer von ihnen stehen, holte den Wetzstein aus seinem umgeschnallten, mit Wasser gefüllten Kuhhorn und machte die Sense wieder scharf. Dieses Wetzen geschah mit beeindruckender Virtuosität und harmonischer Schnelligkeit – wie die perfekte Handhabung eines Instruments. Der Vorgang hatte in meinen Kinderohren durchaus auch etwas Melodisches an sich und ich bewunderte die Männer, wie sie so ohne Angst an der scharfen Schneide hantierten.
Ebenso fasziniert verfolgte ich das abendliche Dengeln. Nach dem Abendessen nahm sich der Bauer oder der Großknecht alle Sensen vor und klopfte mit einem Hammer die Unebenheiten und Dellen heraus, sodass sie am nächsten Morgen wieder »Schneid« hatten. Manchmal waren sie zu zweit und hämmerten versetzt in kunstvollen Rhythmen.
Hinter den Bahnen der Schnitter gingen die Frauen her, sammelten die gemähten Ährenhalme auf und fügten sie zu gleichmäßig dicken Bündeln, die sie mit großer Geschicklichkeit verschnürten. Jeweils vier oder fünf – je nach Gegend, die Anzahl war so etwas wie ein Markenzeichen der Gemeinde oder des Hofes – wurden zu sogenannten »Mandln« zusammengestellt. Nach ein paar Tagen Trockenzeit wurden sie eingefahren. Die großen Erntewagen, von zwei Pferden gezogen, wurden so geschickt beladen, dass dabei möglichst wenig Körner aus den Ähren fielen. Die Männer luden die Getreidegarben mit großen Heugabeln auf und stemmten sie zu zweit zu auf dem Wagen stehenden Frauen hinauf, die sie mit großer logistischer Geschicklichkeit sorgfältig aufschichteten. Ich saß auf dem hinteren Achsenstück des Wagens und hatte – wie man mir mehrmals am Tag lachend versicherte – das Wichtigste dabei, das die Männer und Frauen für diese anstrengende Arbeit brauchten: den Mostkrug. Mit der einen Hand hielt ich mich an den Holzsprossen des Wagens fest, mit der anderen balancierte ich geschickt den riesigen Zweiliter-Steingutkrug, damit auch ja kein kostbarer Tropfen verschüttet wurde. Keine geringe Leistung für ein kleines Mädchen – die Fahrt ging über unebenen Boden, die Rösser ruckten, zogen an und hielten abrupt ... Aber ich war mit großem Ernst bei der Sache und mir meiner Bedeutung als Flüssigkeitskeitsspenderin bewusst.
Mit dem Einfahren der hochbeladenen Erntewagen in die Tenne war die kindliche Freude noch lange nicht vorbei, denn jetzt kam der nicht minder spannende Tag des Dreschens. Das mühsame Ausdreschen der Getreidekörner mit dem Dreschflegel war auch damals schon vorbei. Die Gemeinden hatten sich längst gemeinschaftlich genutzte Dreschmaschinen angeschafft, die jeden Tag auf einen anderen Hof kamen. Da halfen alle Leute von allen Höfen zusammen, damit das Ganze jeweils an einem Tag »über die Tenne« gehen konnte. Der Dreschtag war die große Stunde der Frauen. An diesem Tag mussten und konnten sie ihre Kochkünste beweisen und auch ihr Organisationstalent. Es wurden Gerichte gekocht, die relativ schnell gingen – es mussten ja alle mitarbeiten und konnten nicht stundenlang in der Küche stehen. Ich erinnere mich vor allem noch an die süßen Sachen – das gekochte Rindfleisch, die kalten Schweinebraten und Ähnliches haben mich weniger beeindruckt. Aber die Zwetschgenbuchteln, das Schmalzgebackene und vor allem die Zwetschgenbovesen, die habe ich noch in guter Erinnerung. Es ist keine Kunst, zwei dünne Weißbrotscheiben mit Zwetschgenmarmelade zu bestreichen, zusammenzuklappen, in Pfannkuchenteig zu tauchen und auszubacken. Aber bitte nicht mit einfacher Zwetschgenmarmelade – es muss schon das ungesüßte Powidl sein, die zu Mus verkochten Zwetschgen, so wie es sich die Frauen von den tschechischen und slowakischen Köchinnen abgeschaut haben. Ganz vernarrt war ich auch in »gebackene Mäuse«, die aus Hefeteig mit vielen Rosinen gemacht und in Schmalz ausgebacken wurden.
Alle diese wunderbaren Köstlichkeiten ließen einen vollkommen die flirrende Augusthitze vergessen, den Maschinenlärm, den Staub, der sich an Hals, Armen und Beinen mit dem Schweiß vermischte und alle bald aussehen ließ wie gefleckte Ferkel. Mit einer gebackenen Maus in der linken und einer in der rechten Hand spürte ich als Kind auch nicht den herumfliegenden Strohhäcksel und auch nicht die Ährenspleißen, die den Dreschtag für die Erwachsenen zu einer einzigen juckenden Plage werden ließen.
Um bei den ländlichen Gaumenfreuden aus meiner Kindheit zu bleiben: Unübertroffen war die Köstlichkeit, die meine Großmutter aus grünen Äpfeln zauberte. Wenn sie ihren braunen geflochtenen Reisig-Henkelkorb holte und sagte: »Dirndl, jetzt gehen wir Äpfel klauben«, dann wusste ich, dass es so weit war: Die Zimtsache würde auf den Tisch kommen! Wir sammelten heruntergefallene, grasgrüne unreife Äpfel auf der Apfelbaumwiese, während es ganz nebenbei noch ein bisschen Botanikunterricht gab. Ich lernte den gelben Scharfen Hahnenfuß, die blaue Kornrade und die Wegwarte kennen, den weißen Schierling, die Glockenblume und die Margerite, den roten Klatschmohn, die hellblauen Rührmichnichtan (weil es sonst regnen wird), den Löwenzahn, den Sauerampfer und den Frauenmantel, der vormittags immer eine Wasserperle in der Blattmitte trug, und viele andere mehr. Und zu jeder noch so kleinen Pflanze gab es eine Geschichte und den Hinweis, dass man sie nicht pflücken darf, weil sie auf die Wiese gehört und nicht in eine Vase, wo sie bald sterben würde.
So sammelten wir nebenbei unsere grünen Äpfel und wenn der Korb voll war, gingen wir nach Hause. Da wurden sie – je nach Größe geviertelt oder halbiert – in einem großen Topf in wenig Wasser weich gedünstet. Wenn es so weit war, stand eine Riesenschüssel parat und ich hielt das Passiersieb, durch das die Apfelmasse gekurbelt wurde. Zwischendurch mussten die Reste der Schalen, Stiele und Kerngehäuse herausgekratzt werden, damit es wieder weitergehen konnte. An dieses grüne Apfelmus kam wenig Zucker, viel Zimt und – die Krönung – saurer Rahm. Die Schüssel stand in der Tischmitte, jeder schmierte sich ein Butterbrot und dazu löffelten alle das köstliche Zimtmus aus grünen Äpfeln direkt aus der Schüssel. Für mich stand fest, dass so nur Könige und Prinzessinnen speisten, was Besseres konnte es auf der ganzen Welt nicht geben. Das glaube ich immer noch, allerdings weiß ich heute, dass es Sachen gibt, von denen Könige und Prinzessinnen nichts wissen – weshalb sie sie auch nicht bekommen. Nicht für Geld und nicht für gute Worte.
Solche Erinnerungen und vor allem die damit verbundenen positiven Gefühle prägen Menschen und halten die Sehnsucht nach der scheinbar so heilen Welt von damals ein Leben lang wach. Es müsste schön sein, wieder etwas näher an den Jahreszeiten, näher an der Natur und näher an Tieren und Pflanzen zu sein. Aber die äußeren Zwänge, die Bequemlichkeit der Stadt mit allen ihren Verführungen siegen natürlich.
Dann lernte ich Rosi Fellner kennen. Die leidenschaftliche Imkerin und Biobergbäuerin, die mit dem Computer besser umgehen kann als ich. Sie kennt nicht nur alle ihre Hühner, Enten und Kühe mit Namen, sie weiß auch, wie man mit ihnen lebt und wie man sie so versorgt, dass sie gesunde Eier legen und dabei auch selbst ein glückliches, artgerechtes Leben führen. Ihre Indischen Laufenten sind sichtlich guter Dinge und höchstzufrieden mit ihrer Berufung zur Schneckenpolizei im Gemüsegarten. Durch Rosi habe ich auch endlich erfahren, wann Kühe Milch geben und wann nicht – und dass sie Sonnenbrand bekommen und Heimweh haben können. Und dass Brennnesseln als Futter eine schöne gelbe Butter geben und wie man aus der Milch selber Käse machen kann, auch wenn man nicht auf dem Land lebt.
Dass frisches Gemüse gesund ist, wusste ich zwar schon vorher, aber dank Rosi weiß ich jetzt, dass es viel mehr kann. Denn wer ahnt schon, dass der eigene Gemüsegarten – natürlich chemiefrei – so etwas wie ein wohlschmeckendes Erste-Hilfe-Areal sein kann? Dass älterer, schon leicht auskeimender Knoblauch nicht weggeworfen werden muss, sondern, da und dort an freien Plätzchen in Gartenerde gesteckt, das ganze Jahr über eine frische Knoblauchernte nach dem Motto »Aus Alt mach Neu« garantiert? Und dass Wühlmäuse Knoblauch nicht ausstehen können, weshalb Knoblauchzehen zu den Krokus- und Tulpenzwiebeln gesteckt denselben Effekt bei Nagern haben wie angeblich bei Vampiren? Von den Wirkungen der diversen Küchen- und Heilkräuter ganz zu schweigen, mit deren Hilfe man Mensch und Tier von Muskel- und Wundschmerzen und vielen anderen Malaisen befreien kann, ohne gleich in die Apotheke sausen zu müssen. Und wer weiß schon, dass sich um jedes Haus wild wachsende Kräuter ansiedeln, die seine Bewohner zur Linderung der kleineren, aber auch der größeren Wehwechen immer mal wieder gut gebrauchen können und die man deshalb nicht einfach ausrupfen sollte?
Selbst Brot zu backen, das so gut schmeckt wie bei Rosi, das ist keine Hexerei. Die Anleitungen zur achtsamen Behandlung der Gartenerde und seiner Lebewesen, ohne die nichts wachsen würde, schärfen den Blick für Zusammenhänge. Denn alles, was wächst, blüht, fliegt, kriecht und flattert, ist voneinander abhängig. Der richtige Boden für die richtigen Pflanzen ergibt Nahrung für Bienen, Schmetterlinge undVögel, die uns wiederum mit Früchten für Körper, Geist und Seele belohnen. Schon allein der Anblick eines prächtig blühenden Bauerngartens oder das Beobachten von Vögeln in den Obstbäumen und Beerensträuchern sind Wellness für Herz und Seele.
In diesem Buch ist auch viel über die richtige Vorratshaltung zu erfahren – vom Trocknen, Dörren und Räuchern über das Einwecken, Einkochen und Entsaften bis hin zur Haltbarmachung von Eiern ist die Rede. Ebenso, wie man Salben, Tinkturen, Hustensäfte und Teemischungen herstellt und welche Pflanzenblattsäfte bei Bienen- und Insektenstichen schnelle Linderung verschaffen. Aber auch, wie man die verschiedenen Getreidesorten auseinanderhalten kann, wie es in einem Bienenstock zugeht und wie es um die Hühnerhackordnung bestellt ist.
Rosi, für die all dieses Wissen selbstverständlich zu ihrem Leben gehört, ist mir längst eine gute Freundin geworden. Und jetzt weiß ich auch, was hinter der Faszination meiner Kindheitserinnerungen wirklich steht: Durch sie habe ich erfahren, wie viel Arbeit,Aufmerksamkeit, Wissen und Zeit sich in den rauen Händen meiner Großmutter verborgen haben müssen, was also tatsächlich hinter den Träumen steckt, die wir vom Leben auf dem Land haben. Und wie viel Liebe für ihre Realisierung notwendig ist. Denn ohne diese Liebe geht gar nichts. All das hat Rosi mir während der gemeinsamen, freudvollen und für mich höchst spannenden Arbeit an diesem Buch gezeigt. Sie hat mir unendlich viel Neues erzählt und beigebracht, viele Aha-Erlebnisse verschafft und mich darin bestärkt, dass man Träume durchaus verwirklichen kann, wenn sie nicht nur auf romantischen Vorstellungen beruhen. Dafür werde ich ihr immer dankbar sein.
Margit Schönberger
Mit einem Apfel fing alles an … – Der Obstgarten
Viele Menschen, die es aufs Land zieht, wären gerne Hobby-Pomologen. Sie wissen, dass Pomologie nichts mit Pommes frites zu tun hat, sondern die Lehre vom Obstbau benennt. Leider kennen die meisten von uns nur diejenigen unserer heimischen Obstfrüchte, die im Supermarkt und im Obst- und Gemüseladen angeboten werden – oft hochgezüchtete Prachtexemplare, schön anzusehen, aber leider steckt nicht viel dahinter, da nur von mäßigem Eigengeschmack. Kein Wurm weit und breit, den hat der Chemiesprühregen auf den Obstplantagen schon durch Vernichtung seiner
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