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In Zeiten des permanenten Umbruchs sind wir dringend gefordert, zu handeln. Stefanie Indrejak richtet sich an alle, die sich auf den Weg der Transformation machen, und unterstützt sie bei den ersten Schritten. Mit einer Fülle von Methoden, Tools und Best-Practice-Beispielen inspiriert sie dazu, die Transformation in der eigenen Organisation anzustoßen und zu begleiten. Ihr Buch zeigt, wie man die Stärken der Menschen nutzt, ihre Zusammenarbeit verbessert und die Innovationskraft im Unternehmen fördert. Interviews mit erfolgreichen Transformationsbegleiter:innen bieten authentische Einblicke hinter die Kulissen. Das Buch macht Mut, den Kulturwandel als Chance zu begreifen, wirtschaftlich zukunftsfähig zu werden und zu bleiben. Inhalte: - Warum Organisationen interne Transformationsbegleiter:innen brauchen - Warum mit der Organisationskultur alles steht und fällt - Wie Transformationsbegleiter:innen den Kulturwandel spürbar machen - Prinzipien neuer Führung - Herausforderungen und Grenzen der Transformationsbegleitung - Erfahrungsberichte von BabyOne, Heiler Glas, Talanx/HDI next, Varengold Bank und der Otto GroupDie digitale und kostenfreie Ergänzung zu Ihrem Buch auf myBook+: - Zugriff auf ergänzende Materialien und Inhalte - E-Book direkt online lesen im Browser - Persönliche Fachbibliothek mit Ihren BüchernJetzt nutzen auf mybookplus.de.
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ISBN 978-3-648-17696-2
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Stefanie Indrejak
Kulturwandel im Unternehmen
1. Auflage 2024
© 2024 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg
www.haufe.de
Bildnachweis (Cover): © wildpixel, iStock
Produktmanagement: Dr. Bernhard Landkammer
Lektorat: Gabriele Vogt
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Ein altbewährtes Vorgehen von Menschen ist,
bekannte Probleme mit den bewährten Herangehensweisen zu lösen.
Aktuell und zukünftig haben wir jedoch Herausforderungen zu meistern,
die nicht vorhersehbar und deutlich komplexer sind.
Was wir jetzt brauchen: ein Umdenken der Menschen hin zum Kulturwandel
und den Mut zu einer Transformation, unterstützt von TransformationsbegleiterInnen.
Denn: Mut ist, Angst vor Ungewissem zu haben und es trotzdem zu machen.
Stefanie Indrejak
Vielleicht kennst du unendlich viele Theorien, hast schon unzählige Ratgeber gelesen und Ratschläge von vielen Seiten bekommen, wie ein Kulturwandel hin zu einer guten Organisationskultur gestaltet werden kann. Ich möchte dich mit diesem Buch ermutigen, mit der dazu notwendigen Transformation in deiner Organisation zu beginnen und Kulturwandel nicht als Buzzword zu sehen, sondern als Chance, wirtschaftlich zukunftsfähig zu bleiben und zu werden. Wir stecken in einem dauerhaften Umbruch und sind jetzt zum Handeln aufgefordert. Arbeitsformen, die früher sowohl effektiv als auch attraktiv waren, gelten heute als überholt und führen Organisationen wirtschaftlich in eine Sackgasse. Wir können nicht die Augen vor dem verschließen, was jetzt auf Organisationen zukommt. Lass uns mutig sein, ungewisses Terrain zu betreten und Arbeit in jeder einzelnen Organisation neu zu denken.
Hierzu richte ich mich explizit an jene, die sich gerade auf den Weg der Transformation machen wollen. Dieses Buch begleitet und unterstützt bei den ersten Schritten zum Kulturwandel und will mit einer Vielzahl an Methoden, Tools und Good-Practice-Beispielen dazu inspirieren, wie die Transformation in deiner Organisation gestartet und begleitet werden kann. Dabei ist es mir wichtig, zu betonen, dass es den einen Königsweg zur zukunftsfähigen Organisation nicht gibt – mit einem solchen Versprechen würde ich nur in die Irre führen. Denn Kulturwandel braucht immer individuelle Lösungen. So einmalig jede Organisation und darin auch jedes einzelne Mitglied ist, so einzigartig verläuft auch jede Transformation. Eine One-Fits-All-Lösung existiert daher nicht.
Ich spreche im Buch bewusst von Transformation und nicht von Change: Change hat ein Ende, die Transformation nicht. Den Anfang dieser Reise machen die EntscheiderInnen einer Organisation, die Geschäftsführenden, der Vorstand, die CEOs und Führungskräfte. Ohne ihren Mut und ihren Willen, die Organisation zukunftsfähig zu transformieren, kann der Kulturwandel nicht gelingen. Gleichzeitig müssen insbesondere der Betriebsrat, die Kommunikationsabteilung und HR so früh wie möglich für die Transformation gewonnen werden. Dabei gilt es, der gesamten Organisation zu verdeutlichen, dass alle ein gemeinsames Ziel vor Augen haben.
Als ich dieses Buch geschrieben habe, habe ich lange überlegt, für wen ich schreiben will. Zum einen richte ich mich hier aus eben genanntem Grund an die oberste Führungsriege, die die Transformation anstoßen bzw. unbedingt dahinterstehen muss. Zum anderen stehen hier jene Personen im Fokus, die diesen Kulturwandel aktiv begleiten, vorantreiben und – auch gegen Widerstände – verteidigen und hochhalten. In vielen Organisationen hat sich für diese Treiber der Begriff der People und Culture ManagerInnen etabliert. Im Laufe des Buches werde ich näher ausführen, warum diese Bezeichnung in meinen Augen irreführend ist. Ja, es geht um den Kulturwandel und Kultur geht von Menschen aus – doch managen lässt sich beides nicht. Stattdessen braucht es eine Transformation und diese wiederum benötigt eine bewusste Begleitung. Daher halte ich den Begriff der TransformationsbegleiterInnen für passender.
Die Stellung der TransformationsbegleiterInnen innerhalb der Organisation ist ebenso individuell wie die Transformation selbst. Während manche Organisationen ausgewiesene Positionen geschaffen haben, die sich ausschließlich der Transformationsbegleitung widmen, werden die dazugehörigen Aufgaben in anderen Organisationen in Form von Rollen erfüllt. Mal werden einzelne Mitglieder damit betraut, neben ihrem bestehenden Verantwortlichkeitsbereich einen Teil ihrer Arbeitszeit der Transformation zur Verfügung zu stellen. Mal werden crossfunktionale Teams gebildet, die in regelmäßigen Abständen als TransformationsbegleiterInnen zusammenkommen.
Egal, in welcher Form die Transformationsbegleitung gewählt wird, eines ist dabei immer wichtig: Transformation gelingt nicht nebenbei! Ein halbherziger Versuch wird immer zum Scheitern verurteilt sein.
Ich zeige dir in diesem Buch, wie diese Reise erfolgreich gestartet und begleitet werden kann. Dazu ist es mit den Erfahrungen von bereits erfolgreichen TransformationsbegleiterInnen angereichert und bietet dir einen Blick hinter die Kulissen ihrer Arbeit. Damit ich dir möglichst viele Ansatzpunkte bieten kann, habe ich InterviewpartnerInnen aufgesucht, die mit all den Sonnen- und auch den Schattenseiten von ihrer Reise im Kulturwandel berichten. Hierzu haben sich Linda Loberg (zum Zeitpunkt unseres Gesprächs People und Culture Managerin bei BabyOne), der Geschäftsführer Stephan Heiler von Heiler Glas, Anja Hurtado Medina (Vorstandsassistentin bei Talanx AG und ehem. Culture Managerin bei HDI Next), Sanja Schultz-Szabo und Bianca Stockhausen, die die Transformation der Varengold Bank begleiten, sowie Svenja Reinecke (Projektleiterin im Kulturwandel-4.0-Team der Otto Group) bereit erklärt.
Mein Anspruch ist es, dir ein authentisches Bild von Möglichkeiten der Transformationsreise zu zeichnen. Dafür sind meine InterviewpartnerInnen meiner Bitte nachgekommen, nicht alles rosarot zu beschreiben, sondern auch ganz ehrlich von den echten Herausforderungen des Kulturwandels in ihrer Organisation zu erzählen. Ich zeige dir neben meinen Erfahrungen als Prozessbegleiterin auch die bewährten Tools und Methoden dieser TransformationsbegleiterInnen transparent auf. Aus diesem Repertoire kannst du für dich und deine Organisation auswählen, was sich am stimmigsten anfühlt. Ich rede nichts schön, sondern spreche auch ganz offen die Herausforderungen und Grenzen der Transformationsbegleitung an. Wir sind alle gemeinsam auf einer Reise, die ein unvorhersehbares Ende hat. Ich behaupte nicht, dass es leicht wird, aber es lohnt sich! Davon soll dieses Buch handeln.
Ich verwende in diesem Buch bewusst das respektvolle Du und bemühe mich um eine genderneutrale Sprache. Sollte dieses an einer Stelle einmal nicht der Fall sein, mögen sich bitte dennoch alle angesprochen und eingeschlossen fühlen. Zudem spreche ich durchweg von »Organisationen« und nicht von »Unternehmen« oder »Firmen«, da ich hier auch Krankenhäuser, Kindergärten und andere Institutionen mitdenke. In diesem Zuge ist es auch sinnvoll, Mitarbeitende als die Mitglieder dieser Organisationen zu bezeichnen. Zitierte Textstellen, die von meiner Begriffswahl abweichen, habe ich in ihrer Ursprungsform belassen.
Du begibst dich mit dem Kulturwandel auf eine immerwährende Reise ohne Ende. Ein andauernder Prozess, der davon getragen wird, dass er partizipativ immer wieder hinterfragt und angepasst wird. Auf diesem Entwicklungsweg gehen Organisationen mit ihren Mitgliedern und Teams in eine zukunftsfähige Arbeitswelt. Organisationen, die nicht wandelfähig sind, bleiben hingegen langfristig auf der Strecke. Denn heutige und auch zukünftige Mitglieder haben andere Bedürfnisse und Vorstellungen von Arbeit als noch vor wenigen Jahren.
Ich stehe in einem Raum eines Finanzdienstleisters, der mich mit dem folgenden Transformationsauftrag gebucht hat: die Führungskraft aus dem Hamsterrad befreien, Teams zu mehr Entscheidungsfreude und Selbstverantwortung bringen und die Kommunikation untereinander verbessern. Bereits nach meinen einleitenden Worten zu den Vorteilen von Selbstorganisation höre ich die mir inzwischen so bekannten Einwände: »Früher ging es doch auch!«, »Jetzt treiben wir wieder eine neue Sau durchs Dorf.« und »Wir müssen uns doch nur lange genug wegducken, dann geht’s an uns vorbei.«
Diese Sprüche hast du sicher auch schon gehört, wenn du versucht hast, Veränderung herbeizurufen. Das ist auch nicht verwunderlich. Haben sich Menschen über Jahre mit den gegebenen Rahmenbedingungen arrangiert und es sich bequem gemacht, scheuen sie sich vor dem Neuen. Bislang hat es ja immer irgendwie geklappt. Und wer kann ihnen garantieren, dass die vorgestellten Veränderungen die (Zusammen-)Arbeit wirklich zum Besseren wenden werden? Bei meiner Antwort auf die Einwände kann ich daher immer ein verständnisvolles Schmunzeln nicht verbergen: »Sie sind in guter Gesellschaft. Schließlich sind Sie nicht die ersten, die so denken, und doch konnte ich am Ende fast alle dafür gewinnen.«
Häufig befinden sich die Mitglieder der Organisationen, mit denen ich zusammenarbeite, in hierarchischen Organisationsgefügen. In Geschichts- und Fachbüchern findest du zahlreiche Beispiele für den Erfolg dieser Pyramide als Organisationsaufbau. Wenn große Gruppen von Menschen an einer gemeinsamen Sache gearbeitet haben, ob in Form von Armeen, in Fabriken oder ganzen Königreichen, schien die Hierarchiepyramide die perfekte Struktur zu sein. Das galt auch und insbesondere für Organisationen. Überraschend ist das nicht: Die klassische Hierarchie schafft es, Komplexität aus einem System herauszunehmen. Sie sorgt für Klarheit. Dank konkreter Arbeitsanweisungen »von oben« weiß jeder, was er oder sie zu tun hat. Wenn traditionelle Hierarchien so lange so gut funktioniert haben, warum soll sich das nun aber ändern?
Zum einen hat sich die Sicht auf Arbeit verändert. Mitglieder von heute wollen nicht länger auf ihr Dasein als Angestellte reduziert werden. Sie wollen gesehen werden als die Menschen, die sie sind, mit all ihren Fähigkeiten, Stärken und Bedürfnissen. Dazu gehört, dass sie ihre Arbeit selbst organisieren und als wichtiger Teil der Organisation und deren Erfolg agieren und wahrgenommen werden. In einer Struktur, die darauf baut, dass die anderen ohne Mitspracherecht tun, was einer da oben sagt, wird das außer Acht gelassen. Auf diese Weise geht ein wichtiger Teil des persönlichen Potenzials Einzelner verloren.
Zum anderen ist die Arbeitswelt eben keine statische. Nur weil etwas schon immer so war, heißt das nicht, dass es auch auf ewig so bleiben wird. Andere schwerwiegende Veränderungen, wie in den letzten Jahren hervorgerufen durch die Coronapandemie, sind unübersehbare Beweise hierfür. So konnten Organisationen beispielsweise spüren, dass Meetings nicht nur produktiv sind, wenn sich alle Beteiligten im Konferenzraum treffen, und Homeoffice die Balance von Arbeit und privaten Verpflichtungen erleichtern kann. Hättest du dir das vor wenigen Jahren vorstellen können?
Eine kleine Geschichte soll dir verdeutlichen, wie wichtig es ist, als Organisation auf die veränderten Ansprüche der Arbeitnehmenden zu reagieren.
Ein (außer-)gewöhnliches Anliegen
Christian ist wie immer bestens vorbereitet. Er hat alle relevanten Informationen zusammengetragen, eine ordentliche Tabelle vorbereitet und alle möglichen Einwände oder Widersprüche schon im Vorfeld durchdacht. Er fühlt sich gut, aufgeregt, aber gut.
Das Gespräch mit seinem Chef sollte eine Formalie sein – auch wenn es um ein außergewöhnliches Anliegen geht.
Pünktlich zum Termin betritt er das Büro von Werner, den Christian bereits seit 23 Jahren kennt – seit seinem ersten Tag in der Organisation. Auch wenn Werner schon ein paar Jahre älter und nunmehr seit zehn Jahren sein Vorgesetzter ist, haben die beiden immer ein fast freundschaftliches Verhältnis gehabt.
»Guten Morgen, Christian, was kann ich für dich tun?«, begrüßt ihn Werner und lädt ihn ein, sich zu setzen.
Christian nimmt ihm gegenüber Platz, ordnet seine Unterlagen und steigt direkt ein: »Werner, du weißt ja, dass meine Frau im Sommer nochmal sechs Monate Elternzeit nimmt und dann will sie zu ihrer Familie nach Italien. Da haben wir uns überlegt, dass ich mitgehen und von dort aus remote arbeiten könnte – jetzt nach Corona ist das ja alles viel leichter geworden. Ich habe hier mal was vorbereitet.«
Er legt Werner alle Unterlagen vor, inklusive der Infos zu rechtlicher und steuerlicher Unbedenklichkeit seines Vorhabens, und schließt: »Alles, was ich von der Firma brauche, ist eine offizielle Genehmigung. Und für uns ändert sich ja nichts, denn bei dringenden Sachen kann ich einfach einfliegen.«
Christian atmet aus und sieht Werner erwartungsvoll an. Natürlich weiß er, dass das eine große Sache ist, und trotzdem ist er hoffnungsvoll – denn noch nie hat er um irgendetwas gebeten und sich immer loyal für die Firma eingesetzt.
Werner räuspert sich und lehnt sich zurück.
»Nun ja, das klingt ja ganz spannend. Aber lass es mich kurz machen: Ich glaube nicht, dass die Firma solch ein Vorhaben unterstützt. Soweit ich informiert bin, will die Firma nicht, dass unsere Mitarbeitenden aus dem Ausland arbeiten.« Christians Lächeln erstirbt. Aber Werner bemerkt es gar nicht, sondern fährt unbeirrt fort:
»Weißt du, ich kann ja verstehen, dass du als langjähriger Mitarbeiter einen Bonus verdient hast. Wir haben schon eine Weile darüber nachgedacht, dich ins Highpotential-Programm aufzunehmen. Denk doch mal darüber nach.«
Als Christian sich vor der Tür wiederfindet, blickt er auf seine Unterlagen und wieder auf Werners Tür und fragt sich, wie das so falsch hatte laufen können.
Am Abend rekapituliert er das Gespräch mit seiner Frau und schließt resigniert: »Ich kann es nicht fassen, dass ich das sage, aber ich glaube, es wird Zeit, dass ich meinen Lebenslauf aktualisiere und mich tatsächlich mal nach einer neuen Stelle umschaue. Diesem Laden bin ich als Mensch doch völlig egal!«
Neue Bedürfnisse
Noch immer wird zu häufig nur die Anwesenheit von Mitgliedern und nicht das Outcome oder der Impact betrachtet. Verankert ist diese Erwartungshaltung in der Organisationskultur. Christians Chef Werner argumentiert: »Die Firma will nicht, dass unsere Mitarbeitenden aus dem Ausland arbeiten.« Aber warum eigentlich nicht? Offensichtlich sind Vertrauen, Freiheit und Wertschätzung keine Bestandteile der Kultur, die in Christians Organisation gelebt wird. Das Problem: Für Christian – und nicht nur für ihn – sind diese Werte jetzt essenziell. Er hat eine andere Vorstellung von Arbeit, die er gern macht und mit der er sich langfristig identifizieren kann.
Dieses Verständnis hat sich seit seinem ersten Arbeitstag verändert. Damals war er froh über die Sicherheit, die ihm der feste Rahmen mit geregelten Arbeitszeiten und klaren Ansagen seiner Führungskraft boten. Mit der Zeit haben sich seine Wertepriorisierungen aber gewandelt. Für ihn zählt nun, dass seine Vorgesetzten ihm und seinen guten Leistungen vertrauen, unabhängig davon, wie er sie erreicht. Er hat jetzt Familie und konnte – in der Zeit, als die Pandemie nichts anderes erlaubte – erfahren, dass Remote-Arbeit für ihn sehr gut funktioniert. Seine Vorstellung von für ihn passenden Arbeitsbedingungen hat sich grundlegend gewandelt – die Organisationskultur seiner Arbeitsstätte jedoch nicht. Folglich wird er einen neuen Weg bei einer anderen Organisation einschlagen müssen, deren Kultur mehr mit seinen Bedürfnissen und Wünschen übereinstimmt. Er wird seinen »Cultural Fit« suchen.
Christian ist kein Einzelfall, sondern nur ein exemplarisches Beispiel für den allgemeinen Wandel, den viele Mitglieder heute durchlaufen haben. Zahlreiche Organisationen haben bereits erkannt, dass es in der heutigen Zeit einen Kulturwandel braucht, damit Mitglieder gern und somit auch sehr effektiv arbeiten. Jene, die das schon umsetzen, haben »die Nase vorn«. Für alle anderen heißt es jetzt: nachziehen!
Die Notwendigkeit, Arbeit neu zu denken, ist keineswegs ein Novum. Wie ich im folgenden Exkurs zu zwei weit verbreiteten Akronymen der Wirtschaftswissenschaft zeigen werde, beinhalten die Veränderungen, mit denen du heute konfrontiert bist, eine nie dagewesene Komponente: ihr rasantes Tempo.
Exkurs: Aus VUCA wird BANI
Ein heute 50-Jähriger hat seinen Berufsweg mit dem Aufkommen des damals revolutionären Faxgeräts begonnen, ist dann auf E-Mails umgeschwenkt und trifft sich jetzt mithilfe von Zoom, Microsoft Teams etc. mit seinen KollegInnen im Homeoffice. Die Intervalle zwischen solch weitreichenden Veränderungen werden immer kürzer. Die Wirtschaftswissenschaftler Warren Bennis und Burt Nanus haben diesem Phänomen erstmals 1985 einen Namen gegeben: »VUCA.«
Alle agilen und selbstorganisierten Denk- und Handlungslogiken basieren auf VUCA. VUCA ist ein Akronym für die englischen Begriffe:
Volatility/Volatilität (Unbeständigkeit),
Uncertainty/Unsicherheit,
Complexity/ Komplexität und
Ambiguity/Mehrdeutigkeit.
Konkreter: Volatilität meint die Intensität, mit der sich das Marktumfeld über den zeitlichen Verlauf verändert. Das lässt sich am Beispiel von Aktienkursen beschreiben. Wenn diese in kurzer Zeit stark schwanken, werden im Chart spitze Zacken sichtbar. Je höher die Volatilität ist, desto stärker und spitzer fallen die Ausschläge aus.
Unsicherheit wird durch die Unvorhersehbarkeit von Ereignissen verursacht. Wenn wir nicht absehen können, welche Veränderung hinter der nächsten Abbiegung lauert, fühlen wir uns unsicher. Somit verstärkt jede neue Überraschung, der wir uns gegenübersehen, dieses Gefühl.
Komplexität rührt aus der zunehmenden Verknüpfung und Vernetzung von Sachverhalten und Prozessen. Da alles auf irgendeine Art und Weise miteinander zusammenhängt, verlieren wir schnell den Überblick.
Mehrdeutigkeit drückt das Phänomen aus, dass Situationen selbst dann nicht eindeutig zu bewerten sind, wenn wir viele Informationen zur Verfügung haben. Es fehlt ein eindeutiger »Masterplan«, der uns verrät, wie wir die Gegebenheiten interpretieren können.
Entstanden ist der Begriff VUCA vor dem Hintergrund des zu Ende gehenden Kalten Krieges und der zunehmenden Vernetzung durch die Digitalisierung. Seitdem er auch in der Organisationswelt angekommen ist, wird er als Beschreibung der schwierigen Rahmenbedingungen der Organisationsführung genutzt.1
Als Antwort auf die in VUCA beschriebenen Herausforderungen hat der Unternehmensberater und Autor Willms Buhse 2014 »VOPA+« als agiles Führungsmodell entwickelt. Dieses Akronym lässt sich als Anleitung für Führungskräfte lesen, die ihr Team geschickt durch VUCA lenken wollen. Es steht für:
Vernetzung – sowohl in den sozialen Medien als auch im Sinne der Schwarmintelligenz.
Offenheit – transparente Informationsvermittlung, um gemeinsam an Lösungen und Entscheidungsfindungen zu arbeiten.
Partizipation – Mitglieder werden aktiv in Prozesse und Entscheidungen eingebunden und dafür bestimmten Kompetenz- und Verantwortungsbereichen zugeordnet.
Agilität – Mitglieder werden durch autonome Arbeit positiv bestärkt und gefördert.
Das Plus symbolisiert dabei Vertrauen im Sinne der psychologischen Sicherheit.
Das VOPA+-Modell hält bereits wichtige Lösungsansätze für eine zukunftsfähige Organisationskultur bereit.
Der US-Forscher Jamais Cascio hat 2020 mit »BANI« ein neues Modell entwickelt, welches die heutige Welt seiner Meinung nach besser beschreibt als VUCA. Denn nach diversen Krisen blicken wir durch eine andere Brille auf die Welt. Eine Welt, die von Chaos geprägt ist. Stephan Grabmeier, ein Organisationsberater aus Deutschland, zieht folgendes Zwischenfazit aus diversen Diskussionen mit Führungskräften: BANI wird VUCA als führendes Denk-Framework wohl auf absehbare Zeit nicht ganz ersetzen, es aber voraussichtlich sehr sinnvoll erweitern.
BANI beschreibt den Rahmen der Next Generation of Business:
Brittle/Brüchig,
Anxious/Ängstlich,
Non linear/Nicht linear und
Incomprehensible/Unbegreiflich.
Im ersten Schritt lässt sich mithilfe dieses Modells erkennen, mit welchen Herausforderungen die heutige Arbeitswelt konfrontiert ist. Anschließend können für die einzelnen Bestandteile des Akronyms bereits Lösungsansätze durch stetigen Kulturwandel entwickelt werden.2 So lässt sich Brüchigkeit mit Resilienz begegnen, Angst wird durch Achtsamkeit und Empathie gemildert, Kontextualisierung und Anpassungsfähigkeit wirkt der Nichtlinearität entgegen und schließlich wird Unverständlichkeit durch Transparenz reduziert bzw. vermieden.
Oft wird allerdings auch versucht, das Unbekannte mit dem »Analyseknüppel« zu erschlagen. Auf der Suche nach Gründen und Ursachen begibt man sich stattdessen in eine Scheingenauigkeit. Ich möchte dir Beispiele geben, um dir aufzuzeigen, mit welchen Unbekannten es viele Organisationen heute zu tun haben:
Es gibt keine Ergebnissicherheit mehr. Vor einigen Jahren wussten etablierte Organisation noch relativ genau, was sie tun mussten, um den Umsatz zu steigern und wie beispielsweise Vertrieb und Ergebnis miteinander korrelieren. Plötzlich funktionieren bekannte Methoden und Maßnahmen nicht mehr, der Umsatz stagniert oder geht sogar zurück.
Es gibt keine Prozesssicherheit mehr. In den letzten Jahren haben viele Organisationen feststellen müssen, wie fragil Lieferketten sind und wie das Fehlen von nur einem Puzzlestück eine ganze Industrie ins Stocken bringt.
Kultur ist die letzte verbleibende Sicherheit vor der Unsicherheit. Je weniger Konstanten wir in unserem (Arbeits-)Leben haben, umso wichtiger wird das Miteinander. Je unsicherer die Prognosen, umso wichtiger wird ein Team, welches mit einer gesunden Streitkultur für die beste Lösung kämpft.
Wer also in diesen Zeiten Unsicherheit managen will, sollte weniger analysieren und von seinen Mitgliedern ellenlange Excel-Listen und Budgets ausfüllen lassen. Stattdessen sollten innerbetriebliche Strukturen, Prozesse und das spürbare und erlebbare Verhalten an die neuen Realitäten angepasst werden. Dafür solltest du das WIR stärken und in die Organisationskultur investieren. Mitglieder, welche eine wirklich emotionale Verbindung zu ihrem Arbeitgebenden haben, werden auch im Sturm zu ihm stehen und optimale Lösungen für KundInnen und eine bessere Zukunft der Organisation finden.
Kurzfassung
Kulturwandel ist ein stetiger Entwicklungsweg in eine zukunftsfähige Arbeitswelt. Zwar hat die Hierarchiepyramide, bei der einer den Ton angibt und die anderen folgen, lange gut funktioniert. Doch die (Arbeits-)Welt sowie die Vorstellungen von Arbeit und die Bedürfnisse der Organisationsmitglieder haben sich in kurzer Zeit enorm gewandelt. Dieses Tempo der Veränderungen wird aufgrund des vorherrschenden Chaos künftig noch zunehmen. Organisationen, die nicht untergehen wollen, müssen dynamisch und flexibel reagieren können und die Bedürfnisse der Mitglieder stärker berücksichtigen. Dies gelingt über die Etablierung einer starken Organisationskultur, in der das WIR gefördert wird.
1https://de.wikipedia.org/wiki/VUCA.
2https://stephangrabmeier.de/bani-vs-vuca/.
Unsere täglichen Erfahrungen zeigen, dass unsere Welt sich immer schneller dreht und Organisationen dabei nicht stillstehen können. Damit eine Organisation bei all der wachsenden Komplexität wendiger im Umgang mit den Veränderungen werden kann, müssen Aufgaben auf viele Schultern verteilt werden, anstatt auf nur einen Spezialisten oder ausschließlich auf Führungskräfte zu setzen. Diese Verteilung macht die Organisation insgesamt stärker. Nassim Nicholas Taleb hat hierfür einen schönen Vergleich gefunden. Vielleicht kennst du die Geschichte der Hydra, einem vielköpfigen Ungeheuer aus der griechischen Mythologie. Immer wenn ihr ein Kopf abgeschlagen wurde – für unsere Zwecke können wir sagen: Es ist ihr etwas Unvorhergesehenes zugestoßen, dass ihr Leben nachhaltig verändert hat –, sind ihr zwei neue Köpfe gewachsen. Sie ist also mit jeder Veränderung nur noch stärker geworden. Dies bezeichnet Nassim als »Antifragilität«.3
Damit ist als Gegenteil zu Fragilität nicht einfach nur »Robustheit« gemeint. Robuste Organisation sind stark und können einigen Störungen standhalten, doch sie sind auch nicht unkaputtbar. Zudem profitieren sie nicht von Störungen und Veränderungen. Anders ist es bei antifragilen Organisationen: Wie die Hydra nutzen sie Veränderungen für sich, entwickeln sich weiter und bleiben auf flexible Weise lebensfähig.
Entsprechend geht Taleb davon aus, dass gerade unvorhergesehene Ereignisse und die damit einhergehende Unsicherheit unser Leben nicht nur nachhaltig verändern, sondern wir sie sogar benötigen, um uns zukunftsfähig aufzustellen. Vorausgesetzt ist dabei allerdings, dass wir uns diesen Veränderungen anpassen und uns dem Wandel nicht mit Sturheit entgegenstellen.
Die Tatsache, dass wir in disruptiven Zeiten leben und diese demnach Veränderungen antreiben, konnten wir bereits in vielen Bereichen wie der Digitalisierung, Automatisierung und Regionalisierung selbst erfahren. Die aktuelle Zeit des politischen Chaos, der Klimakatastrophen und der Nachwirkungen der globalen Pandemie verdeutlicht obendrein die Notwendigkeit der Sinnstiftung für die Menschen – auf der Welt und bei ihrer Arbeit. Wir brauchen neue Formen der Zusammenarbeit, einen Fokus auf Transformation hin zu einer ansprechenden Organisationskultur und andere Methoden und Tools, um die Formen dieses Zeitalters des Chaos zu erkennen und ihnen als attraktive Arbeitgebende zu begegnen. Die bisherigen scheinen zunehmend überholt, wenn wir Menschen für Organisationen gewinnen und binden wollen.
Der Teufelskreis der Fluktuation
Mit dem Blick auf eine ungewisse Zukunft entstehen bei Mitgliedern Sorgen, die Organisationen zum Handeln auffordern. Das beschreibt auch Anja Hurtado Medina, Kulturmanagerin bei Talanx AG und ehem. Culture Managerin der HDI next GmbH. Die HDI next ist ein Kundenservicecenter, das sich als hierarchiefreie Organisation mit 190 Mitgliedern in 13 selbstgeführten Teams aufstellt. Anja spürt, dass die Veränderungen in der Außenwelt mit Klimakrise, Kriegen und Pandemien den Blick auf Arbeit verändert haben: »Mitarbeitende wollen nicht länger 9 to 5 arbeiten und tun, was ihnen von oben gesagt wird. Sie wollen selbstbestimmt in der Organisation agieren, sich leidenschaftlich und mit ganzer Kraft einbringen. Aber das ist nur möglich, wenn dafür das nötige Mindset und die entsprechenden Strukturen geschaffen werden.«
Daher müssen Organisationen Arbeitsbedingungen und -rahmen schaffen, in denen Menschen gern tätig sind, in denen sie sich sicher, wertgeschätzt und gefordert, aber nicht überfordert fühlen. Die Dringlichkeit zum Handeln verschärft sich durch den aktuell herrschenden Arbeitnehmermarkt. Organisationen, die erkannt haben, was Mitglieder sich heute wünschen, befinden sich bereits mitten im Transformationsprozess. Sie entwickeln sich damit zu einer Organisation, die wirtschaftlich zukunftsfähig ist.
Anja meint, dass die HDI next GmbH als weltweit tätiger Großkonzern mit seiner kulturellen Transformation großen Mut bewiesen hat. »Allerdings hatten wir auch keine andere Wahl. Wer erfolgreich in die Zukunft gehen will, kann sich nicht länger auf die Vergangenheit berufen, à la ›Das haben wir schon immer so gemacht‹«, so Anja. Als Organisation, die sich für die Zukunft aufstellen will, darf man keine Angst vor Veränderungen haben, sondern benötigt Mut, Neues auszuprobieren. Es reicht auch schon, in Babyschritten auszuprobieren.
Jene Organisationen, die jedoch in ihrer Entwicklung stehen bleiben – nach dem Motto »So haben wir es immer gemacht, so werden wir es immer machen« –, werden in den »Teufelskreis der Fluktuation« geraten. Nach und nach werden die Mitglieder sich nach Organisationen umsehen, die mehr ihren Vorstellungen entsprechen und in der ihre Bedürfnisse besser erfüllt werden können. Diese freien Stellen werden aber nicht so schnell wieder besetzt werden können. Eine Erhebung des Statistikportals Statista hat bei Fachkräften eine Vakanzzeit von 150 Tagen ermittelt.4 Allein zwischen 2020 und 2021 ist es in allen Wirtschaftszweigen schwieriger geworden, offene Stellen zu besetzen.5 Die Mitglieder, die fehlen, sind vor allem auch ein Problem der Mitglieder, die (noch) da sind. Für sie bedeuten die unbesetzten Stellen vor allem Mehrarbeit. Die Last, die fehlende Arbeitskraft mit eigenen Leistungen zu kompensieren, führt schnell auch zu Überforderung – bis auch die verbleibenden Mitglieder das sinkende Schiff verlassen.
Kulturwandel passiert nicht nebenher