Kurswechsel bei 5.0 - Birgit Fenderl - E-Book

Kurswechsel bei 5.0 E-Book

Birgit Fenderl

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Beschreibung

Selbstbewusst und gut ausgebildet eroberten sie in ihren Dreißigern ehemalige Männerdomänen im Glauben, die gläserne Decke gehöre der Vergangenheit an. Karriere, Kinder und ein erfülltes Privatleben zu vereinen, stellte sich jedoch für viele Frauen schwieriger dar, als sie gedacht hatten. Wie fühlt es sich an, wenn die Kinder erwachsen und die Haare langsam grau werden? Wenn so manche Liebe gescheitert und man längst nicht mehr die berufliche Nachwuchshoffnung ist? Und wie schaut es wirklich mit der Gleichstellung von Frauen und Männern in der Generation der heute Fünfzigjährigen aus? In zweiundzwanzig persönlichen Porträts spüren die Journalistin Birgit Fenderl und die Fotografin Sabine Hauswirth dem Lebensgefühl der Frauengeneration um die fünfzig nach. Mit Porträts von: Daniela Auer, Shlomit Butbul, Catherine Cziharz, Ulli Ehrlich, Margit Frömmel, Doris Gruber, Sabine Gruber, Kristin Hanusch-Linser, Gertrude Henzl, Megumi Ito, Michaela Kardeis, Sophie Karmasin, Doris Kiefhaber, Angelika Kirchschlager, Manuela Krings-Fischer, Andrea Linauer, Corinna Milborn, Maria Planegger, Nancy Semeda, Katharina Stemberger, Elisabeth Tambwe und Marion Tschirk und einem Vorwort von Johanna Rachinger.

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Seitenzahl: 257

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Birgit Fenderl, Sabine Hauswirth

KURSWECHSEL BEI 5.0

PORTRÄTS EINERFRAUENGENERATION,DIE SICH NEUERFINDET

Gedruckt mit Unterstützung der Stadt Wien, Kultur

Sabine Hauswirth dankt: Ninon Hauswirth, Alina Anna Lichtblau, Maximilian Vintschgau, Daniela Mautner Markhof, Friseur Doris, Nikon

Fenderl, Birgit / Hauswirth, Sabine: Kurswechsel bei 5.0. Porträts einer Frauengeneration, die sich neu erfindet / Birgit Fenderl, Sabine Hauswirth

Wien: Czernin Verlag 2021

ISBN: 978-3-7076-0709-3

© 2021 Czernin Verlags GmbH, Wien

Fotos: Sabine Hauswirth

Foto Backcover: Ninon Hauswirth

Lektorat: Karin Raschhofer-Hauer

Satz und Covergestaltung: Mirjam Riepl

ISBN Print: 978-3-7076-0709-3

ISBN E-Book: 978-3-7076-0710-9

Alle Rechte vorbehalten, auch das der auszugsweisen Wiedergabein Print- oder elektronischen Medien

Für Anna und Ninon

INHALT

VORWORT VON JOHANNA RACHINGER

SOPHIE KARMASIN:

FÜNFZIGJÄHRIGE FEIERT MAN NICHT MEHR SO

DORIS KIEFHABER:

ANGEKOMMEN UND ZUFRIEDEN

CATHERINE CZIHARZ:

JETZT KOMME ICH MIR NICHT MEHR ALTERSLOS VOR

DORIS GRUBER:

PREPARE FOR MENOPAUSE

ANGELIKA KIRCHSCHLAGER:

MEIN LEBEN HAT MICH EIGENTLICH IMMER ÜBERRUMPELT

KATHARINA STEMBERGER:

DEN FÜNFZIGER ZU NEHMEN WAR SCHON TRICKY

ELISABETH TAMBWE:

ICH HABE NIE ANGST VOR DEM LEBEN GEHABT

ULLI EHRLICH:

»WARUM?« IST DIE FRAGE MEINES LEBENS

MICHAELA KARDEIS:

UNSERE GENERATION HAT ETWAS WEITERGEBRACHT!

NANCY SEMEDA:

MIT TABUS GEBROCHEN

ANDREA LINAUER:

WIR FRAUEN MÜSSEN AUF DEN TISCH HAUEN

SHLOMIT BUTBUL:

ENDLICH MAG ICH MICH

DANIELA AUER:

BITTE KEINEN WELLNESS-GUTSCHEIN

MARION TSCHIRK:

VOM EISERNEN SINGLE ZUM GROSSFAMILIENMENSCHEN

MARGIT FRÖMMEL:

DASS FRAUEN UND MÄNNER GLEICHGESTELLT SIND, WAR EINE ILLUSION

KRISTIN HANUSCH-LINSER:

MEHR SELBSTBILD ALS FREMDBILD

SABINE GRUBER:

DIE UNGLEICHE BEZAHLUNG ÄRGERT MICH MASSLOS

MANUELA KRINGS-FISCHER:

NOCH EINMAL SO RICHTIG DURCHSTARTEN

MEGUMI ITO:

ICH DENKE, ICH BIN JETZT AUSGEWOGENER

MARIA PLANEGGER:

ICH BIN KEIN VORSTADTWEIB

CORINNA MILBORN:

FÜNFZIG WAR FÜR MICH IMMER EIN SEHNSUCHTSALTER

GERTRUDE HENZL:

GENAU GEFUNDEN, WAS ICH SCHON IMMER WOLLTE

BIRGIT FENDERL UND SABINE HAUSWIRTH:

AUTHENTIZITÄT UND BEWEGUNG – WIE DIESES BUCH ENTSTAND

VORWORT

VON JOHANNA RACHINGER

Vor zwanzig Jahren ist ein Buch entstanden, das der Beginn einer bis jetzt andauernden Freundschaft sein sollte. Birgit Fenderl schrieb zweiundzwanzig Kurzporträts von engagierten, beruflich erfolgreichen Frauen in ihren Dreißigern, Sabine Hauswirth fotografierte die Porträts. Ich war damals als Verlagsleiterin am Zustandekommen dieses Projekts wesentlich beteiligt und freue mich sehr, dass die fruchtbare Zusammenarbeit der beiden Frauen nun in einem neuen Projekt weitergeführt wird. Nach zwei bewegten Jahrzehnten im Kampf um Gleichberechtigung stellen sie nochmals die Frage, ob sich die Situation der Frauen in unserem Land merkbar verbessert hat. Zu Wort kommen diesmal beispielhaft Vertreterinnen der Generation 50plus, darunter auch einige bekannte Namen, wie die ehemalige Familienministerin Sophie Karmasin, Opernsängerin Angelika Kirchschlager oder die bekannte Gynäkologin Doris Gruber. Die Perspektive ist damit eine andere, die meisten der vorgestellten Frauen haben ihren persönlichen und beruflichen Weg gefunden und ihre Lebensziele zum großen Teil verwirklichen können. Sie blicken zurück auf ihre beruflichen Erfolge und Schwierigkeiten, in denen sich die gegenwärtigen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen von Frauen in unserem Land beispielhaft widerspiegeln.

Zweifellos haben sich die Berufs- und Karrierechancen, die Möglichkeiten eines selbstbestimmten Lebens für Frauen generell in den letzten beiden Jahrzehnten verbessert. Dass wir mit dem Erreichten noch nicht zufrieden sein können, wissen wir aber ebenso. Die Vereinbarkeit von beruflicher Karriere und Familie ist nach wie vor eine enorme Herausforderung, das mögliche Berufsspektrum durch traditionelle Rollenbilder immer noch sehr eingeschränkt. Dies liegt nicht nur an den Männern, die ihre Machtpositionen verteidigen, sondern auch an nicht hinterfragten Klischees, die in den Köpfen mancher Frauen immer noch fest verankert sind. Gesellschaftliche Veränderungen brauchen ihre Zeit – und Frauen, die sie einfordern.

Beruflich erfolgreiche Frauen, die zugleich auch ein erfülltes und zufriedenes Privatleben führen, können als Vorbilder wichtige Impulse und Orientierung für die junge Generation geben. Nicht zuletzt geht es um Selbstvertrauen und Mut als Schlüssel zum Erfolg.

Ich freue mich, dass das vor zwanzig Jahren begonnene Projekt nun mit diesem Buch eine interessante Fortsetzung findet.

Dr. Johanna RachingerGeneraldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek

SOPHIE KARMASIN

FÜNFZIGJÄHRIGE FEIERT MAN NICHT MEHR SO

Bereits in meinem ersten Buch, »30erinnen: Portraits von Frauen, die schon weit gekommen sind«, war Sophie Karmasin eine jener Frauen, die karrieretechnisch bereits besonders weit gekommen waren: Geschäftsführerin der »Karmasin Marktforschung«, als Meinungsforscherin durch ihre regelmäßigen Auftritte einem breiten TV-Publikum bekannt. Dass sie bald Ministerin werden würde, das hätte sie 2002, als ich sie für mein Buch porträtierte, wohl selber nie gedacht. Wobei – so überraschend kam ihre neue Karriere dann eigentlich auch wieder nicht, wie ein Blick in das Buch von damals zeigt: Zu jedem Porträt gibt es in diesem Buch einen Fragebogen und die Frage, wer oder was die jeweils Porträtierte im nächsten Leben einmal sein wollte. Sophie Karmasin beantwortete das damals so: »Im nächsten Leben möchte ich mich gerne politisch engagieren.« »Wirklich wahr, das gibt’s ja nicht«, lacht sie, als wir uns für das neue Buch treffen und wir scherzen, ob ihr damals geäußerter Wunsch, sich politisch einzubringen, vielleicht ja schon ein Vorzeichen für ihre spätere Karriere war. Elf Jahre später war sie Familienministerin – die nach außen hin sichtbarste Veränderung, aber nur eine von vielen in ihrem Leben in den vergangenen zwanzig Jahren.

EINMAL POLITIK UND ZURÜCK

»Die größten Veränderungen in meinem Leben, seitdem wir uns für das Buch damals getroffen haben?«, denkt sie auf die entsprechende Frage kurz nach, »naja, zwei Veränderungen. Oder drei, nein eigentlich vier große Veränderungen waren das. Die erste große Veränderung war, dass ich die Firma meiner Eltern, also das Gallup-Institut und Karmasin Motivforschung zu 85 Prozent übernommen habe. Das war 2010 oder 2011, so um den Dreh herum. Das war schon ein Riesenschritt. Dann kam schon bald die nächste Veränderung, obwohl ich das nicht geplant hatte, nämlich Ende 2013 der Anruf, ob ich Familienministerin werden will.« Sie wollte und war eine Regierung lang parteilose Familien- und Jugendministerin im Team der ÖVP in der großen Koalition unter SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann. ÖVP-Chef und Vizekanzler war zunächst Michael Spindelegger, ab 2014 Reinhold Mitterlehner – eine politisch turbulente Zeit in der Volkspartei. Um nicht gegen das Unvereinbarkeitsgesetz zu verstoßen, gab sie ihre Anteile an der Firma an ihren Mann ab. »Es war nie ausgesprochen, aber für mich war von Anfang an klar – ich will nur eine Zeit lang in der Politik bleiben«, schildert Karmasin ihre damaligen Gefühle. 2017 beendete sie ihre Tätigkeit als Ministerin und ihren Ausflug in die Politik. Veränderung Nummer zwei, gefolgt von Veränderung Nummer drei: die Gründung ihrer neuen Firma Karmasin Research & Identity, »je nach Projekt mit fünf bis zehn MitarbeiterInnen. Also jetzt habe ich das ganze Spektrum, ich war bei einem internationalen Konzern im Ausland, war lange Jahre im großen Familienunternehmen, war in der Politik, jetzt die wesentlich kleinere Firma. Und jetzt weiß ich, das ist der Zuschnitt, der mir am besten gefällt.« Fehlt noch eine Veränderung nach Karmasins Aufzählung. »Die vierte Entscheidung war, nach Klosterneuburg zu ziehen und ein Haus zu bauen«, meint sie und erzählt, wie glücklich sie darüber sei und dass sie kaum mehr auf Urlaub fahre, weil sie mit ihrem Haus und Garten jetzt alles habe, was sie brauche.

Als wir vor bald zwanzig Jahren das Interview für das erste Buch führten, war Sophie Karmasin eine der wenigen Dreißigerinnen, die schon ein Kind hatten. »Mein zweiter Sohn kam dann bald auf die Welt. Aber das war keine große Veränderung, es war so klar, dass wir zwei Kinder bekommen.« Wirtschaft, Politik, Familie – wo beginnen wir unser Gespräch über ihr Lebensfeeling in ihren Fünfzigern, über die gesellschaftliche Stellung von Frauen dieses Alters, über ihre Erfahrungen mit der Politik, über das, was sie, die sich als Schülerin gerne als »Emanze« bezeichnet hatte und im Spaß jetzt von ihrem jüngeren Sohn öfter »Feministin« geschimpft wird, ihren beiden fast erwachsenen Söhnen mitgeben will und, und, und? Versuchen wir es chronologisch: Als Meinungsforscherin machte sich Sophie Karmasin Anfang der 2000er-Jahre zunehmend einen Namen, unabhängig von ihren bekannten Eltern. Gemeinsam mit dem Politologen Peter Filzmaier analysierte sie in der ZIB 2 die Innenpolitik immer dann, wenn wieder einmal gewählt wurde, Koalitionen verhandelt oder gebildet wurden oder wenn es eben ganz besonders viel innenpolitisch zu besprechen gab. Dadurch waren wir uns regelmäßig beruflich begegnet, Sophie Karmasin war eine Expertin, die ich in unsere Sendungen einlud. Aber sie war gefühlt auch »eine von uns« – eine der Politik-BerichterstatterInnen, der Politik-BeobachterInnen. Keine Journalistin, aber eine Kollegin – bis zum 12. Dezember 2013. Da wurde Sophie Karmasin von der ÖVP zur Ministerin für Familie und Jugend ernannt. »Ich war sehr nahe dran an der Politik durch die Analysen im Studio der ZIB 2, durch viele Studien mit meinem Institut. Ich war nahe dran, aber es war etwas komplett anderes«, erzählt sie. »Damals habe ich mir immer gedacht, warum soll Politik so brutal sein und verlogen und so intrigant? Ich verstand das gar nicht, bis – ich schwör’s – zur ersten Stunde, in der ich in diesem System angekommen bin. Wie Politik nach außen vermittelt wird und wie sie nach innen funktioniert, ist wirklich etwas ganz anderes. Wie dieselben Menschen mit dir kommunizieren und mit dir umgehen, wenn du auf einmal in ihrem System bist, und wie sie das tun, wenn du wieder draußen bist. Für mich war das unglaublich spannend, wie stark Systeme und Rollen sind und wie sehr sie Kommunikation und Beziehungen beeinflussen.«

Beim Ankommen im neuen System stand freilich weniger die professionelle Analyse, sondern standen mehr ihre eigenen Emotionen im Vordergrund. »Nachdem die Chose offiziell war, habe ich mir die ZIB 2 angeschaut. Da saß der Peter Filzmaier – und da, wo ich immer gesessen war, stand bewusst ein leerer Sessel. Und dann sagt der Peter: Ja, wir werden schauen, wie sie sich tut auf der anderen Seite. Puh. Da bin ich dann dagesessen und habe mir gedacht, das war eine Wahnsinnsentscheidung«, erzählt sie von der damaligen Achterbahn der Gefühle. Wobei sie sich vor ihrer Entscheidung nicht nur mit ihrer Mutter und ihrem Mann beraten hatte, sondern auch mit einem Freund, der viel später selbst erfahren sollte, wie hart Politik sein kann: mit Christian Kern. »Ich habe mir gedacht, er ist sicher schon zigmal gefragt worden, ob er eine politische Funktion übernehmen will, also hab ich ihn angerufen und mir gedacht, er wird mir abraten und argumentieren, warum ich das sein lassen soll. Und dann sagte er: ›Du, ich würd’s machen‹«, lacht sie noch heute und erinnert sich noch genau, wie Christian Kern das damals begründete: »Ich kenne dich so gut, du bist wie eine Katze, du wirst auf allen vier Pfoten landen.« Damals dachte sie sich: Warum sollte sie landen müssen? Später verstand sie diesen Ausspruch dann aber sehr gut. Und Christian Kern, von Mai 2016 bis Dezember 2017 SPÖ-Bundeskanzler, könnte über das Landen wohl auch einiges erzählen, aber das ist nicht unser Thema hier. Sophie Karmasin meint: »Meine Entscheidung, in die Politik zu gehen, habe ich nie bereut, ein zweites Mal würde ich es mir aber nicht antun. Sollte ich jemandem einen Rat geben müssen als Psychologin, würde ich mir genau anschauen, welche Ressourcen eine Person hat, die in die Politik geht. Aber auch welchen Gestaltungswillen sie hat, ob jemand für eine Sache, ein Ziel wirklich brennt. Denn es ist wirklich hart und es gibt genug Beispiele von Leuten, die das nicht gut verdaut haben.« Sie selbst hatte diese Ressourcen, in sich, durch ihren Mann, ihre Familie und offenbar auch durch die jahrelange Auseinandersetzung mit der Idee, selbst einmal politisch aktiv zu werden, wie ihr damals geäußerter Wunsch in meinem Fragebogen zeigt.

Damals erzählte mir die 1967 Geborene auch, dass ihr Alter für sie immer eine große Rolle spielte: »Mit einundzwanzig hatte ich einen Freund und ich dachte mir, mit einundzwanzig musst du schon einmal Schluss gemacht haben, und dann habe ich Schluss gemacht. Auch einen Freund im Ausland, dachte ich, muss man haben und hatte ihn dann auch. Und zwischen dreißig und einunddreißig war das ein bisserl ein Krampf – ich habe immer geschaut, was machen die anderen, was haben die schon?«, erzählte sie damals. Wie ist das jetzt? »Nein, das habe ich sozusagen für mein Leben erledigt.« Als Dreißigerin ordnete sich die Markt- und Meinungsforscherin selbst dem sogenannten Niveaumilieu nach Gerhard Schulze zu. Als Fünfzigerin sieht sie sich in dieser Skala im »Selbstverwirklichungsmilieu«. »Jetzt weiß ich mehr, was ich will, wie ich mein Leben gestalten will, das wusste ich damals nicht so genau. Heute habe ich natürlich auch eine ganz andere Perspektive, habe vieles ausprobiert und genieße es im Moment so, wie es ist. Ich habe momentan nicht das Gefühl, dass ich irgendetwas für irgendwen oder für mich machen muss. Ich habe ja auch so viel. Ich habe eine intakte Ehe, wir sind immer noch verliebt. Ich habe zwei Kinder, die sich entwickeln, wie sich Kinder eben entwickeln. Ich bin wahnsinnig stolz auf sie, sie sind super Personen geworden, das taugt mir wahnsinnig«, freut sie sich und betont auch noch einmal, wie wohl sie sich in ihrem Haus in Klosterneuburg fühlt, dass sich ihre beruflichen Entscheidungen im Nachhinein richtig anfühlen und dass ihr ihr Job wahnsinnig viel Spaß macht. Rundum zufrieden also? Na ja … persönlich sehr, aber sobald Sophie Karmasin über die gesellschaftliche Situation von Frauen – und im Speziellen von Frauen jenseits der fünfzig – spricht, klingt das ganz anders.

FRAUEN HABEN ES IMMER NOCH SCHWERER

Im Grunde hätten es Frauen jetzt nicht besser als vor zwanzig Jahren, meint die ehemalige Familienministerin, die stolz darauf ist, in ihrer Amtsperiode den sogenannten Papa-Monat eingeführt zu haben oder den Partnerschaftsbonus, bei dem beide Elternteile einen finanziellen Bonus bekommen, wenn sie wirklich halbe-halbe machen. »Ich bin auch wegen dieser Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern in die Politik gegangen«, sagt sie und erörtert, warum ihre damalige Meinung als Dreißigjährige, dass der Hauptunterschied in Karrierechancen zwischen Frauen und Männern durch Kinder entstehe, heute überhaupt nicht mehr ihre jetzige Meinung sei: »Es ist immer noch eine Frage der Wertigkeit, der sozialen Rollen und der Stereotype. Egal, ob du eine Frau mit Kindern oder eine Frau ohne Kinder bist, Frauen haben es immer noch schwerer. Das habe ich auch in der Politik gemerkt. Sagt die Frau etwas, sagt der Mann etwas – das hat nicht dieselbe Wertigkeit. Das ist auch im Parlament merkbar.« Sie kenne genügend Studien, die das belegten – es sei weniger wichtig, was jemand sage, als wer es sage. Das gelte nicht nur für hierarchische Kommunikation, sondern genauso für geschlechterspezifische. Und ganz abgesehen davon, würden Frauen in Österreich immer noch nicht gleichgestellt sein. »Ja, es gibt inzwischen ein paar Aufsichtsratschefinnen, aber das ist kein Gamechanger. Auch die Politik ist gefühlt immer noch eine Männerdomäne. Jetzt haben wir z. B. die Frau Anderl als Arbeiterkammer-Chefin, aber wie viele Frauen haben wir auf Sozialpartnerebene sonst? Keine.« Auch bei der medialen Präsenz von Frauen liege noch vieles im Argen, ganz besonders bei älteren. »Die Fünfzigjährigen feiert man nicht mehr so«, meint Karmasin. »Jugend hat in unserer Gesellschaft noch immer den höheren Wert. Die Weisheit des Alters, die Kompetenz oder auch Kontinuität in Lebensläufen ist in unserer medialisierten Welt kein Wert. Jung, fesch und kompetent, das zählt. Der schwierigere Weg wäre alterslos, kompetent, seriös.«

FRAUEN VERLIEREN SCHNELLER AN GESELLSCHAFTLICHER RELEVANZ

Und wie geht es ihr damit persönlich, als Frau, die ein Leben lang auch öffentlich gearbeitet hat? »Also, die Hälfte ist überschritten. Das ist weder besonders fröhlich noch ein netter Gedanke. Aber man muss auch die positive Seite sehen: Wenn man nicht älter wird, dann ist man nicht mehr da«, lacht sie und fügt an, dass das Älterwerden und auch Älteraussehen natürlich auch mit ihr etwas mache, »alles andere wäre gelogen«. Auch das ihrer Meinung nach immer noch ziemlich tabuisierte Thema Wechsel bei Frauen beschäftigt sie und sie bespricht es mit ihren Vertrauten und ihrem Mann »ohne Tabu«. »Aber natürlich ist das eine Zäsur: Du bist nicht mehr fruchtbar und verlierst ein gewisses Attribut. Du bist nicht mehr dreißig, sondern du bist eigentlich schon eine ältere Frau. Beides ist nicht wahnsinnig attraktiv. Wer spricht da schon gern öffentlich drüber?« Sie selbst schaue jetzt mehr aufs Essen, betreibe mehr Sport und nehme sich mehr Zeit für sich selbst, erzählt Sophie Karmasin, die natürlich auch genau beobachtet, wie Frauen ihres Alters in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Als Studiogäste in TV-Sendungen würden Frauen, die jung und fesch sind, immer lieber genommen, das sei System, meint sie. »Frauen verlieren durch das Älterwerden mehr und schneller an gesellschaftlicher Relevanz als Männer. Also, eine Frau mit derselben Kompetenz wie ein Mann verliert schneller mit den Jahren«, erklärt sie sich die Tatsache, warum Frauen, und vor allem ältere Frauen, wesentlich weniger in TV-Diskussionsrunden zu sehen seien als gleichaltrige Männer. »Frauen spüren das und setzen sich dem weniger aus, nach dem Motto: Zoom auf die Falte. Das kommt noch dazu – Frauen wissen, dass sie auch nach wie vor stärker nach ihrem Aussehen beurteilt werden als Männer.«

Als Ministerin konnte sie ihre Anliegen für die Gleichstellung von Frauen und Männern einbringen, was und wie kann sie das als Mutter von zwei Söhnen tun? »Naja, erstens müssen sie alles lernen, was mit dem Haushalt zu tun hat. Ausreden wie: ›Ich weiß nicht, wie man die Waschmaschine andreht‹, gelten nicht«, sagt die Frau, die mir als Dreißigjährige berichtete, wie sie und ihre damals beste Freundin in der Schule »als die zwei Emanzen« galten und damals fest davon überzeugt waren, »dass sie Männer nicht brauchten« und mit ihrem damals ausgeflippten und bewusst »antiweiblichen« Outfit die anderen vor den Kopf stießen. Jetzt habe sie vor allem mit ihrem jüngeren Sohn oft halb ernste, halb spaßhafte Diskussionen über das, was Frauen machen sollten und was Männer. »Was du schon wieder glaubst, das stimmt ja alles gar nicht«, lacht sie, meine er dann manchmal, und: »Er nennt mich in diesen Diskussionen dann immer spaßeshalber Feministin.«

Einiges hat sich also verändert im Leben von Sophie Karmasin. Vieles klingt aber sehr ähnlich wie vor zwanzig Jahren. Ihr Eigenbild entspreche auch oft noch dem von früher. »Also man hat doch nicht dieses Bild von einem selbst, dass die Dreißigjährige neben einem vielleicht über einen selbst denken könnte, man sei diese mittelalterliche Frau. Oh was für ein schreckliches Wort!«, meint sie lachend. Aber was helfe es, »man ist jetzt eben nicht mehr der Jungspund. Ich merke das vor allem bei Bewerbungen. Puh, sind die jung! Da denke ich mir oft, wenn ich Geburtsdaten sehen – Hallo? Da habe ich gerade Matura gemacht. Es gibt inzwischen mindestens zwei Generationen nach uns, die jetzt im Berufsleben sind«, das sei ein Faktum. Wer weiß, welchem Milieu sich die heute Dreißigjährigen in der Skala von Gerhard Schulze zuordnen würden? Sicher nicht dem sogenannten Selbstverwirklichungsmilieu, wo sich Sophie Karmasin nun sieht. So bringt das Alter doch auch schöne Veränderungen …

DORIS KIEFHABER

ANGEKOMMEN UND ZUFRIEDEN

Der Weg zu Doris Kiefhaber führt in ein kleines, vollgeräumtes Büro in einem Hinterhofgebäude mitten in der Wiener Innenstadt. Wer nicht genau schaut, könnte das Türschild der Österreichischen Krebshilfe fast übersehen, so dezent ist es angebracht. In der ersten Reihe stehen und klotzen, das war nie ihr Ding, erzählt uns die Geschäftsführerin der Österreichischen Krebshilfe, die aber durch ihre Arbeit, und da vor allem durch die Pink Ribbon-Aktion, selbst seit Jahren in der Öffentlichkeit steht – nolens volens. Eigentlich hatte sie diesen Job, den sie vor zwanzig Jahren vor allem deshalb angenommen hatte, um mehr Zeit und Platz für ihre neue private Situation zu schaffen, ja nur maximal drei Jahre machen wollen. Damals mutierte Kiefhaber nämlich innerhalb weniger Monate von der Single-Karriere-Frau, die beruflich wochenlang vor allem in Osteuropa unterwegs war, zur Ehefrau und Stiefmutter. Inzwischen hat sie vier Enkelkinder, liebt und genießt das Großfamilienleben und kümmert sich mit Herz und Seele um schwer kranke Menschen. Die Vergänglichkeit hat sie in ihrem Beruf vor Augen wie kaum jemand anderer. Was das Älterwerden mit uns macht, wie wir im Lauf des Lebens unsere Bedürfnisse und Prioritäten verändern, wie viele Veränderungen auf den unterschiedlichsten Ebenen ihr Leben geprägt haben, das wollen wir von dieser beeindruckenden Frau unbedingt erfahren.

MEINE DREISSIGER WAREN STURM UND DRANG

»Die Welt niederreißen, unsterblich sein, Optimismus, keine Zukunftsängste, ungebunden sein, nach meiner Scheidung als Single neu durchstarten«, beschreibt Kiefhaber mit Leuchten in den Augen ihr Lebensgefühl als junge Frau. Seit ihrem Schulabschluss an einer HAK arbeitete Kiefhaber im medizinischen Bereich, richtete Spitäler ein, war viel in Polen und Russland unterwegs, wo sie als junge Frau viele prägende Begegnungen hatte, Freundschaften fürs Leben schloss, aber auch unangenehme Situationen erleben musste. Da ging es nicht mehr nur um fehlende Akzeptanz von Frauen in wichtigen Positionen. Mehr als einmal versperrte sie ihr Hotelzimmer so fest es ging, um sich als Frau sicher zu fühlen.

Dass Frauen und Männer auch in Österreich nicht gleichberechtigt waren, erlebte Kiefhaber bereits in jungen Jahren, als ihr ein Schulkollege, der sich mit ihr um denselben Job beworben hatte, erzählte, um wieviel mehr er in diesem Job verdient hätte als sie. Als sie in ihrer Jugend »sehr aktiv« Tennis spielte, konnte sie es nicht glauben, dass die Bubenmannschaft mehr Schläger gratis bekam als die der Mädchen. »Aber ich habe das erlebt, als Zeitzeugin, wenn man so will.« Diese Ungerechtigkeiten seien ihre Motivation gewesen, sich selbstständig zu machen. Doch als sie nach dreizehn Jahren Selbstständigkeit zur Krebshilfe kam, wurde sie, wie sie erzählt, auch deshalb genommen, weil sie weniger verlangt habe als der Mann, der sich damals für denselben Job interessierte. Trotzdem entschied sich Kiefhaber für die Selbstständigkeit, obwohl sie auch ein Angebot eines internationalen Medizintechnik-Konzerns mit Sitz in Deutschland hätte annehmen können – aus privaten Gründen, denn Doris Kiefhaber holte das Kinderthema ein, obwohl sie damit eigentlich schon abgeschlossen hatte.

PLÖTZLICH DOCH MUTTER

»Rund um meinen 30. Geburtstag waren Kinder für mich ein großes Thema. Meine heiß geliebte Oma war 1901 geboren, meine Mutter 1931, ich 1961. 1991 spürte ich fast so etwas wie eine Verpflichtung: Das musst du fortsetzen. Nur passten die Umstände eigentlich gar nicht, ich hatte mich gerade selbstständig gemacht und, und, und. Aber pünktlich Anfang 1991 bin ich ungewollt schwanger geworden, habe das Baby dann aber leider verloren. Und irgendwie war das Thema damit durch, ich konnte dann auch nicht mehr schwanger werden. Irgendwie hatte mir das Schicksal diese Kinderentscheidung aus der Hand genommen« – und Jahre später anders wiedergebracht, als sich Doris in einen um vierzehn Jahre älteren Mann verliebte, der zwei Söhne hatte, und innerhalb kürzester Zeit vom Single zur verheirateten Frau und Stiefmutter wurde. »Und dann war ich plötzlich doch Mama. Die Wucht der Verantwortung habe ich dann sehr deutlich gespürt. Sein jüngerer Sohn, damals elf Jahre alt, wollte bei uns leben, wir bekamen auch das alleinige Sorgerecht zugesprochen. Und ich wollte ihm, der sich in seinem anderen Zuhause offensichtlich nicht wohlgefühlt hatte, unbedingt ein Zuhause geben, wo er wirklich gern ist. Da war’s mit meiner Freiheit dahin.« Und so kam die Entscheidung für einen karitativen Job, der schon bald ihre Herzensangelegenheit werden sollte.

Charity war für sie bis dahin kein großes Thema gewesen. In Polen hatte sie ein bisschen bei einem Benefiz-Konzert mitgearbeitet, das ein Herzchirurg organisiert hatte und wo damals auch die Startenöre Domingo, Carreras und Pavarotti auftraten. Und in ihren letzten beiden Jahren bei Olympus, »da haben wir den Life Ball gesponsert, da habe ich Gerry Kessler kennengelernt und gesehen, wie er das anlegt, und das war schon sehr faszinierend. Aber nie habe ich mir gedacht, dass ich so etwas in der Art auch einmal machen will.« Hat sie aber. Die Pink Ribbon-Aktion wurde von Doris Kiefhaber nach Österreich geholt, sie hatte sie während eines längeren USA-Aufenthaltes kennengelernt und als Geschäftsführerin der Krebshilfe Jahre später dann in Österreich etabliert. »Inzwischen haben wir zirka fünfzig Partner aus der Industrie, die Produkte jedes Jahr unserer Aktion widmen. Wir haben unzählige Pink Ribbon-Botschafterinnen, die uns helfen, mehr Bewusstsein für Brustkrebs zu erzeugen und damit auch mehr Spenden zu sammeln. Seit Beginn der Aktion 2002 wurden bis 2020 fast neun Millionen Euro gesammelt und damit mehr als 80.000-mal Brustkrebspatientinnen konkret geholfen. Pink Ribbon ist ihr berufliches Baby, für krebskranke Frauen und ihre Angehörigen da zu sein, ihr größtes Anliegen. »Ich will, dass wirklich jede und jeder weiß, dass man sich an uns wenden kann, auch an mich direkt per Mail. Ich möchte hören, woran es fehlt, woran es krankt.« Vorsorgeuntersuchungen sind auch ein wichtiges Thema der Krebshilfe – wie schwer sich viele damit tun, kann Kiefhaber selbst bestens nachvollziehen: »Also, wäre ich nicht bei der Krebshilfe, wäre ich so wie die meisten, man müsste mich wirklich stupsen. Ich handle brav ab, was ich predige. Ich gehe also zur Mammografie, zum Krebsabstrich, zur Darmspiegelung, lass mir die Haut genau anschauen. Aber vor jeder dieser Untersuchungen ist es ein Horror. Blitzartig tun sich alle Szenarien, alle Geschichten auf.«

SCHÖNHEITSWAHN – WAS SOLL DENN DAS?

Und schlimme Geschichten erlebt und begleitet Kiefhaber viele – und sie erfährt dabei auch, welche Prioritäten manche Patientinnen zu Beginn einer Erkrankung haben. »Was mich wirklich traurig und zum Teil auch wütend macht, ist, wenn ich erlebe, wie Frauen, die sich ihr Leben lang darauf fokussiert haben, Konfektionsgröße 34 zu tragen, im Zuge ihrer Erkrankung Panik haben, dass sie ihre Haare verlieren, weil man ihnen dann ja ihre Krankheit ansehen könnte. Oder weil sie der Mann dann verlassen würde. Es gibt wirklich Frauen, die deshalb eine Chemotherapie ablehnen«, erzählt sie. »Das macht mich so wütend, was uns diese Schönheitsindustrie vorgaukelt und wie manche Frauen das wirklich unter Druck setzt. Besonders in meinem Alter, ab fünfzig: ewige Jugend, Schönheitswahn – was soll denn das? Natürlich sehe ich auch an mir die Zeichen der Zeit, aber die Knie lasse ich mir nicht liften, damit ich wieder einen Minirock tragen kann«, lacht Kiefhaber.

Bei ihr selbst habe sich mit den Jahren vieles verändert und verschoben diesbezüglich. »Wenn ich mich vergleiche zu früher, ich wäre früher nicht ungeschminkt aus dem Haus gegangen. Das hat sich total verschoben. Man kennt mich, die Haare hinten zusammengebunden, meist ungeschminkt. Weil mir das nicht wichtig ist. Das hat sicher viel mit meinem Beruf zu tun.« Wer so intensiv und tagtäglich mit den essenziellen Fragen konfrontiert wird, die auftauchen, wenn das Ende droht, will sich nicht mehr mit Oberflächlichem abgeben. »Es hat sicher auch mit meinem Alter zu tun, dass ich endlich gelernt habe, Nein zu sagen. Ich war ja eine begnadete Ja-Sagerin früher. Aber wenn ich jetzt nicht auf eine Abendveranstaltung gehen will, dann sage ich auch die Wahrheit – dass ich nicht will und lieber auf meinem Sofa liege. Ein lieber Freund meint, ich sei früher eine Menschenfreundin gewesen und eine Misanthropin geworden«, schmunzelt sie. Und da sei schon etwas dran, Oberflächlichkeit könne sie nicht mehr ertragen: »Mein Freundeskreis ist kleiner geworden. Und ich verbringe lieber einen Abend mit einer Patientin, so traurig ihre Geschichte auch sein mag, und rede mit ihr, als auf irgendeinem Event hundertmal zu hören: ›Wie geht’s Dir?‹, aber die Antwort will eh niemand wissen, weil es nur eine Floskel ist.« Mit den Jahren sei sie aber auch gelassener geworden, meint Kiefhaber. »Die Qualität meines Alters ist, dass ich zufrieden bin. Ich habe das Gefühl, nichts versäumt zu haben. Ich bin angekommen, beruflich wie privat.«

Und trotzdem bleibt ein Teil in ihr kämpferisch. »Ich glaube, dass wir Frauen in unseren Dreißigern naiv waren, was die Gleichberechtigung mit Männern betrifft. Ich glaube, dass wir in unserem Alter zum Teil resigniert haben, uns arrangiert haben, aber ein Teil von mir rebelliert immer noch. Das ist so eine Drittel-Drittel-Drittel-Geschichte und solange mein Herz schlägt, werde ich mich wehren, wenn es eine Ungerechtigkeit gibt, zum Beispiel in der Frage, ob eine Frau besser geeignet wäre für einen Job als ein Mann.« Erst in der übernächsten Generation, so glaubt Kiefhaber, werde es echte Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern geben. Wobei ihrer Meinung nach Frauen manchmal auch selbst daran schuld sind, wenn das vielzitierte 50 : 50 nicht funktioniert. »Die partnerschaftliche Aufteilung würde manchmal vielleicht sogar funktionieren, wenn wir Frauen Abstriche machen würden von unserem Perfektionismus. Mein Mann hätte zu Hause sicher auch die Hälfte übernommen, aber die Hälfte wurde so definiert: die Hälfte dessen, was notwendig ist. Aber ich hätte viel mehr als notwendig empfunden. Das hat sicher auch mit der weiblichen Emotion, mit unserer Zuwendung bis hin zur Aufopferung gerade für unsere Kinder zu tun«, räsoniert sie.

FRAUEN AB FÜNFZIG WERDEN OFT AUSGEBLENDET

Aber auch die gesellschaftliche Wahrnehmung hat ihrer Meinung nach noch wenig mit Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern zu tun. Ältere Frauen, also Frauen ab fünfzig, würden in Österreich in der Öffentlichkeit immer noch ausgeblendet. »Diese Slogans ›Fünfzig ist das neue Dreißig‹ und wie sie alle heißen, die mögen für uns Frauen gelten, weil wir uns so fühlen und wahrnehmen. Aber draußen, die Buberlwelt, die nimmt uns nicht so wahr«, ist sie sich sicher. Sie selbst könnte mit Dezember 2021 in Pension gehen, werde das aber mit Sicherheit nicht tun. Weil sie sich das für sich überhaupt noch nicht vorstellen kann und weil sie ganz vehement der Meinung ist, dass das Erwerbsleben anders und neu organisiert gehört. »Wir sollten, wenn wir uns nach zehn, fünfzehn Jahren beruflich etablieren konnte, die Möglichkeit bekommen, eine Arbeitspause einzulegen, zur Neuorientierung, aber auch, um uns um unsere Kinder, Familien kümmern zu können – und im Gegenzug wesentlich länger arbeiten dürfen. Ich mag nicht sehr viel an den USA, aber dass ältere Menschen dort zum Beispiel im Verkauf tätig sind, ist auch ein Programm gegen das Vereinsamen im Alter. Das wäre ein totaler Paradigmenwechsel und würde gerade Frauen viel mehr Flexibilität in ihrer Lebensplanung schaffen. Ich würde gerne, wenn es mir gegönnt ist und ich fit bin, auch mit achtzig noch etwas Nützliches tun. Nur garteln oder basteln würde mir nicht reichen.« Wobei man hier anmerken muss, dass Doris Kiefhaber Häkeln, Nähen, Kochen oder Heimwerken liebt und wohl kaum jemand derartig liebevolle und aufwendige Weihnachtsdekorationen selbst gestaltet wie sie – aber eben als Ausgleich zu ihrem fordernden Job, nicht als Lebensinhalt.