Kurzlehrbuch Biologie - Gerd Poeggel - E-Book

Kurzlehrbuch Biologie E-Book

Gerd Poeggel

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Beschreibung

Von der Zelle zum Mensch! Mit dem Kurzlehrbuch Biologie bekommst Du: - Das gesamte prüfungsrelevante Wissen für das Fach Biologie: Bereite Dich sinnvoll auf Semesterprüfungen und Dein Examen vor. - Eine klare Gliederung und übersichtliche Aufbereitung des Fachs Biologie: Strukturiere Deinen Lernplan, wie Du möchtest. - Abbildungen: Betrachte genau wie das Gelernte tatsächlich aussieht. - Tabellen: Schau Dir alle Fakten auf einen Blick an. - Klinische Bezüge: Lerne die Themen kennen, die Dir später auch in der Klinik wieder begegnen.

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Seitenzahl: 445

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Gerd Poeggel

Kurzlehrbuch Biologie

3. überarbeitete Auflage

112 Abbildungen

Vorwort zur 3. Auflage

In dieser dritten Auflage wurden die einzelnen Kapitel überarbeitet und aktualisiert sowie kleinere Fehler beseitigt. Anregungen von Lesern wurden dankbar aufgenommen und zusammen mit dem neu hinzu gekommenen Prüfungswissen der letzten Examina eingearbeitet. Eine Anpassung an den im Entstehen befindlichen, neuen Gegenstandskatalog ist – soweit möglich – bereits erfolgt. Mein besonderer Dank gilt Frau Claudia Kirst, Frau Marianne Mauch und Herrn Michael Zepf vom Georg Thieme Verlag für die sehr gute Zusammenarbeit während der Entstehung dieser dritten Auflage. Weiterhin danke ich Frau Angelika Brauner für die Korrektur der Abbildungen sowie allen anderen Menschen, die an der Herstellung des Buches beteiligt waren! Kein Buch ist perfekt, auch diese dritte Auflage wird Kritiker finden. Konstruktive Kritik, Anregungen und Verbesserungsvorschläge werden von mir gerne entgegengenommen.

Gerd Poeggel

Leipzig, im Juni 2013

Vorwort zur 1. Auflage

Die Biologie als die Wissenschaft vom Leben und den Lebewesen erforscht die Gesetzmäßigkeiten lebender Systeme. Sie ist eng verzahnt mit anderen Wissensehaftsgebieten (Physik, Chemie, Biochemie, Physiologie) und ist daher ein wichtiges Grundlagenfach in der vorklinischen Ausbildung. Die Lehrinhalte des Faches „Biologie für Medizinstudenten“ werden durch den GK vorgegeben. Daher orientiert sich dieses Buch am GK, erweitert diesen Lehrstoff jedoch um zwei kleine, aber wichtige Kapitel: Im Kapitel 5.2 Evolution werden die Ursachen für Evolution, die Entstehung des Lebens und die Anthropogenese besprochen, Kenntnisse, die zur Allgemeinbildung eines jeden (nicht nur Medizin-) Studenten gehören sollten. Im Kapitel 5.3 Parasitologie werden die Wechselwirkung zwischen Humanparasiten und Menschen besprochen. Dieses Kapitel ist für den angehenden Mediziner enorm wichtig und erweitert das Kapitel Mikrobiologie auf eukaryontische Parasiten. Wenn man bedenkt, dass in Deutschland jährlich mehrere hundert Menschen durch Fehldiagnosen unnötigerweise an Malaria sterben, sollte diesem Teil der Ausbildung mehr Bedeutung zugemessen werden. Dieses Buch ist Bestandteil der Kurzlehrbuch-Reihe des Georg Thieme Verlags und folgt einem besonderen Konzept: Lerncoach, Merke-Elemente, Lerntipps und ein Check-up am Ende eines jeden Kapitels sollen das Lernen unterstützen. Alle Kapitel enthalten außerdem einen Abschnitt zur klinischen Relevanz, so dass der Student nicht im Sumpf der Theorie versinkt. Das Buch wurde sehr kompakt geschrieben, unnötige Details, die das grundlegende Verständnis erschweren, wurden weggelassen. Das Buch ist also kein allumfassendes Lehrbuch, es dient der Vorbereitung auf die 1. Ärztliche Prüfung und legt Grundlagen für die weitere Ausbildung in den theoretischen, aber auch klinischen Fächern. Ich möchte mich recht herzlich bedanken beim Verlag Wissenschaftliche Skripten (Zwickau) für die Genehmigung zur Nutzung von Abbildungsvorlagen sowie beim Georg Thieme Verlag und Pearson Education für die Überlassung von Fachliteratur. Mein besonderer Dank gilt Frau Simone Profittlich und Frau Ursula Albrecht vom Georg Thieme Verlag für die nützlichen Tipps sowie die vielen kritischen Fragen während der Manuskriptbearbeitung und für die sehr gute Zusammenarbeit während der Herstellungsphase des Lehrbuchs. Weiterhin danke ich Frau Ruth Hammelehle für die Bearbeitung und Erstellung der Grafiken sowie allen anderen Menschen, die an der Entstehung des Buches beteiligt waren. Kein Buch ist perfekt, auch dieses Buch wird Kritiker finden. Konstruktive Kritik, Anregungen und Verbesserungsvorschläge werden von mir gerne entgegengenommen.

Gerd Poeggel

Leipzig, im Juni 2005

Inhaltsverzeichnis

Vorwort zur 3. Auflage

Vorwort zur 1. Auflage

1 Einleitung

1.1 Klinischer Fall

1.2 Überblick

1.3 Kennzeichen des Lebens

1.4 Sind Viren auch Leben?

1.5 Heutige Schwerpunkte der biologischen Forschung

2 Allgemeine Zellbiologie

2.1 Klinischer Fall

2.2 Biologisch wichtige Makromoleküle

2.2.1 Überblick und Funktion

2.2.2 Kohlenhydrate

2.2.3 Lipide

2.2.4 Proteine

2.2.5 Nukleinsäuren

2.3 Zytoplasmamembran

2.3.1 Überblick und Funktion

2.3.2 Aufbau der Zytoplasmamembran

2.3.3 Funktionen der Zytoplasmamembran

2.3.4 Funktionelle Anpassungen der Membranoberfläche

2.3.5 Basallamina

2.4 Zelluläre Strukturen und ihre Funktion

2.4.1 Überblick

2.4.2 Zytosol

2.4.3 Zytoskelett und seine Wechselwirkung mit der extrazellulären Matrix

2.4.4 Mikrotubuli als Bausteine von Zellorganellen

2.4.5 Mitochondrien

2.4.6 Ribosomen

2.4.7 Endoplasmatisches Retikulum

2.4.8 Golgi-Apparat

2.4.9 Lysosomen

2.4.10 Peroxisomen

2.4.11 Zellkern (Nucleus)

2.5 Zellzyklus, Zellteilung, Fortpflanzung, Embryonalentwicklung

2.5.1 Überblick und Funktion

2.5.2 Interphase des Zellzyklus

2.5.3 Mitose

2.5.4 Sonderformen mitotischer Zellteilungen

2.5.5 Zelldifferenzierung

2.5.6 Kontrolle des Zellzyklus

2.5.7 Meiose

2.5.8 Entwicklung von Spermien und Eizellen

2.5.9 Frühe Embryonalentwicklung

2.5.10 Apoptose und Nekrose

2.6 Immunsystem

2.6.1 Überblick und Funktion

2.6.2 Unspezifische Abwehrmechanismen

2.6.3 Spezifische Immunantwort

2.7 Zellkommunikation

2.7.1 Überblick und Funktion

2.7.2 Signalmoleküle

2.7.3 Interzelluläre Übertragungswege von Signalen

2.7.4 Rezeptoren

2.8 Molekulare Grundlagen der Zellvermehrung

2.8.1 Überblick und Funktion

2.8.2 Der genetische Code

2.8.3 Replikation

2.8.4 Transkription bei Prokaryonten

2.8.5 Transkription bei Eukaryonten

2.8.6 Processing der eukaryontischen RNA

2.8.7 Differenzielle Genaktivität am Beispiel von Hämoglobin

2.8.8 Translation

2.8.9 Posttranslationale Modifizierung von Proteinen

2.8.10 Abbau von Proteinen

3 Genetik

3.1 Klinischer Fall

3.2 Formale Genetik

3.2.1 Überblick und Funktion

3.2.2 Arten der Vererbung

3.2.3 Mendel-Regeln

3.2.4 Humangenetik

3.2.5 Variabilität bei der Merkmalsausprägung

3.2.6 Populationsgenetik

3.2.7 Epigenetik

3.3 Genom und Mutationen

3.3.1 Überblick und Funktion

3.3.2 Das menschliche Genom

3.3.3 Numerische Chromosomenaberrationen

3.3.4 Strukturelle Chromosomenaberrationen

3.3.5 Genmutationen

3.3.6 Genreparaturmechanismen

3.4 Grundlagen der Gentechnologie

3.4.1 Überblick

3.4.2 Bakteriengenetik

3.4.3 Neukombination von Erbgut

3.4.4 Methoden der Gentechnik

3.4.5 Genetische Beratung

3.4.6 Gefahren der Gentechnik

4 Mikrobiologie

4.1 Klinischer Fall

4.2 Viren

4.2.1 Überblick und Funktion

4.2.2 Struktur von Viren

4.2.3 Zucht von Viren

4.2.4 Bakteriophagen

4.2.5 Eukaryontische Viren

4.2.6 Virusnachweis

4.2.7 Bekämpfung viraler Infektionen

4.2.8 Viroide

4.3 Bakterien

4.3.1 Überblick und Funktion

4.3.2 Einteilungskriterien der Bakterien

4.3.3 Kultur von Bakterien

4.3.4 Ursachen der pathogenen Wirkung von Bakterien

4.3.5 Sterilisation und Desinfektion

4.3.6 Bekämpfung von Infektionen

4.4 Pilze

4.4.1 Überblick und Aufbau

4.4.2 Fortpflanzung der Pilze

4.4.3 Antibiotika

4.4.4 Toxische Syntheseprodukte von Pilzen

4.4.5 Humanpathogene Pilzinfektionen

5 Evolution, Ökologie und Parasitismus

5.1 Klinischer Fall

5.2 Evolution

5.2.1 Überblick und Funktion

5.2.2 Belege für Evolution

5.2.3 Triebfedern der Evolution

5.2.4 Entstehung des Lebens

5.2.5 Anthropogenese

5.3 Ökologie

5.3.1 Überblick und Funktion

5.3.2 Autökologie

5.3.3 Wechselbeziehungen zwischen Organismen (Synökologie)

5.3.4 Stoff- und Energiekreisläufe

5.3.5 Populationsökologie

5.3.6 Der Mensch greift in ökologische Systeme ein

5.4 Parasitismus und seine Humanrelevanz

5.4.1 Überblick

5.4.2 Reaktion des Menschen auf Parasiten

5.4.3 Protozoa

5.4.4 Metazoa

5.4.5 Klinische Bedeutung

6 Anhang

6.1 Weiterführende Literatur

Autorenvorstellung

Anschriften

Sachverzeichnis

Impressum

1 Einleitung

1.1 Klinischer Fall

Leben im Dunkeln

Chronische Lichtschäden bei einer Xeroderma pigmentosum: Die Haut ist trocken, schuppig, teilweise über-, teilweise unterpigmentiert. Es treten multiple Hauttumoren auf, häufig bleiben - auch von Operationen - Narben zurück.

(aus Moll I. Duale Reihe Dermatologie. Thieme 2010)

Kernstück jeder Zelle des Körpers ist die DNA, der Träger der genetischen Information. Dieser Bauplan des menschlichen Lebens wird immer wieder abgeschrieben, kopiert und vervielfältigt – und muss auch repariert werden. Doch bei manchen Menschen ist dieser Reparaturmechanismus defekt. An einer solchen Krankheit – Xeroderma pigmentosum – leidet auch Lilian.

In ihrem ersten Lebensjahr war Lilian ein ganz normales Baby, doch kurz nach ihrem ersten Geburtstag, wird plötzlich alles anders: Es ist der erste schöne Frühsommertag und Lilians Mutter macht mit ihrer Jüngsten einen längeren Spaziergang. Doch sobald ein Lichtstrahl in den Kinderwagen fällt, beginnt Lilian zu weinen. Am Abend ist die Haut im Gesicht gerötet. Lilians Mutter macht sich Vorwürfe, dass sie keine Sonnencreme verwendet hat. Sie kauft eine Creme mit besonders hohem Lichtschutzfaktor und achtet darauf, dass Lilian nicht zu lange in der prallen Sonne ist. Doch als der Hochsommer beginnt, ist Lilians Haut permanent gerötet. Am liebsten verkriecht sich die Kleine unter dem Sofa, im Garten spielt sie nur ungern.

Gestörter Reparaturmechanismus

Schließlich sucht die Mutter mit Lilian einen Hautarzt auf. Dieser untersucht Lilian gründlich und erklärt, Lilian leide möglicherweise an einer extremen Lichtempfindlichkeit. Zur genaueren Diagnose überweist er das Mädchen in die Uniklinik. Nach einigen Spezialuntersuchungen steht fest: Lilian leidet an Xeroderma pigmentosum, einer Erbkrankheit, bei der der Reparaturmechanismus der DNA defekt ist. Sonnenbestrahlung, so erklären die Ärzte den Eltern, führe zu molekularbiologischen Veränderungen an der DNA. Normalerweise verfüge die Zelle über Reparaturmechanismen, die diese Mutationen beheben. Bei Lilian sei dies nicht der Fall. Deshalb könne es an der Haut zu Pigmentstörungen und Hautveränderungen – ja sogar zu gefährlichen Hauttumoren kommen. Lilian solle Licht so weit wie möglich meiden.

Leben im Dunkeln

Licht meiden? In Lilians Zuhause sind die Rollläden nun den ganzen Tag heruntergelassen. Nach Einbruch der Dunkelheit geht der Vater mit der Tochter auf den Spielplatz. Die Nacht wird zum Tag gemacht: Erst gegen drei Uhr nachts bringen die Eltern die Kleine ins Bett. Wenn sie am Nachmittag erwacht, muss sie im abgedunkelten Zimmer spielen. Nach zwei Jahren sind die Eltern mit ihren Nerven am Ende. Wie soll Lilian je ein normales Leben führen? Mit Hilfe eines engagierten Hautarztes aus der Uniklinik finden sich Lösungen: Die Fensterscheiben zu Hause und im Auto werden mit UV-Folie abgedunkelt. Draußen muss Lilian stets vollständig bekleidet sein – auch Handschuhe gehören dazu. Und vor dem Gesicht trägt sie einen speziellen Plastikschutzschild, der ebenfalls mit UV-Folie verkleidet ist.

Berufswunsch: Höhlenforscherin

Mit sechs Jahren wird Lilian eingeschult. Sie selbst hat sich längst an ihre Montur gewöhnt, und die Klassenkameraden finden Lilians Helm richtig „cool“. Nur die Sommertage sind eine Qual: T-Shirts und kurze Hosen sind für das Mädchen tabu und von einem Besuch im Freibad kann sie nur träumen. Alle drei Monate besucht Lilian eine Spezialsprechstunde in der Uni-Hautklinik. Dort wird sie gründlich untersucht – bisher sind noch keine Hauttumoren aufgetreten. Lilians Mutter fragt regelmäßig, ob man die Krankheit inzwischen heilen könne. Doch die Ärzte machen ihr wenig Hoffnung. Eine Heilung der genetischen Erkrankung ist nicht möglich. Vielleicht können die fehlenden DNA-Reparaturenzyme eines Tages durch Cremes auf die Haut aufgetragen werden. Lilian selbst macht sich über ihre Zukunft noch wenig Gedanken. Nur einen Berufswunsch hat sie schon, der mit ihrer Erkrankung vereinbar ist: Höhlenforscherin.

1.2 Überblick

Die Biologie ist die Wissenschaft vom Leben und den Lebewesen. Sie erforscht die Gesetzmäßigkeiten lebender Systeme, den Ursprung, die Entwicklung, die Eigenschaften und die Vielfalt der Lebensformen. Dabei ist es ganz natürlich, dass eine enge Beziehung zur Medizin besteht, die Leben bewahren und eine hohe Lebensqualität bis ins hohe Alter ermöglichen soll. Während der Biologe noch vor ca. 150 Jahren mehr beschreibend und ordnend versuchte seine Umwelt zu erfassen, dringt er heute, gemeinsam mit Medizinern, in molekulare Dimensionen vor.

Dieses Buch soll den Medizinstudenten in die Lage versetzen, grundlegende Lebensprozesse zu verstehen. Im ersten Abschnitt dieses Buches werden die molekularen Grundlagen des Lebens, die charakteristische stoffliche Zusammensetzung, abgehandelt, da sie die Voraussetzung für das Verständnis aller nachfolgenden Kapitel (Zellbiologie, Genetik, Mikrobiologie, Evolution und Parasitismus) bilden.

1.3 Kennzeichen des Lebens

Wenn man sich mit den Grundlagen des Lebens beschäftigt, muss man zwangsläufig die Frage beantworten, was Leben eigentlich ist.

Leben ist an Zellen gebunden. Nach der Erfindung des Mikroskops konnten Schleiden und Schwann 1839 die Zelle als die kleinste Funktionseinheit von Geweben und Organen erkennen. Virchow konnte 1855 zeigen, dass jede Zelle durch Zellteilung entsteht. Es gibt zwei unterschiedliche Typen von Zellen: prokaryontische (▶ Abb. 1.1) und eukaryontische Zellen (▶ Abb. 1.2).

Lebende Systeme verfügen über eine hohe strukturelle und funktionelle Komplexität.

Lebende Systeme haben eine charakteristische stoffliche Zusammensetzung (komplexe Makromoleküle wie Proteine, Lipide, Nukleinsäuren, Zucker)

Lebende Systeme haben einen autonomen Stoff- und Energiewechsel. Sie können viele Prozesse innerhalb bestimmter Grenzen unabhängig von den Umweltbedingungen regeln (z. B. Temperatur, Zellstoffwechsel). Diese Unabhängigkeit ist jedoch relativ, Stoff- und Energiewechsel stehen in einem dynamischen Fließgleichgewicht mit der Umwelt.

Lebende Systeme haben einen Bau- und Funktionsplan. Dieser ist in der DNA gespeichert und wird über Transkription und Translation realisiert.

Lebende Systeme können sich vermehren, wobei die Information über den Bau- und Funktionsplan an die Nachfolgegeneration weitergegeben wird.

Lebende Systeme entwickeln sich, sie durchlaufen eine Individualentwicklung (Ontogenese). Beim Menschen entwickelt sich aus einer diploiden Zelle (Zygote) ein komplexer Organismus, der aus ca. 1013–1019 Zellen besteht. Neben dieser Individualentwicklung findet ein Optimierungsprozess über lange Zeiträume, die Stammesentwicklung (Phylogenese) statt.

Lebende Systeme sind reizbar, sie reagieren auf chemische (Transmitter, Hormone, Pheromone) und physikalische (taktile, visuelle, akustische) Reize.

Lebende Systeme können sich bewegen. Damit ist nicht nur der Ortswechsel gemeint, sondern auch die Bewegung von Zellorganellen, Zilien, Geißeln und Protoplasma.

Abb. 1.1Aufbau einer prokaryontischen Zelle.

(nach Kayser FH et al. Taschenlehrbuch Medizinische Mikrobiologie. Thieme 2010)

Abb. 1.2Aufbau einer eukaryontischen Zelle.

(nach Königshoff M, Brandenburger T. Kurzlehrbuch Biochemie. Thieme 2012)

Als Grundeigenschaften des Lebens sollte man einige dieser Kriterien für eine Bewertung herausheben:

Den Bau- und Funktionsplan,

die Vermehrung,

und die Entwicklung.

1.4 Sind Viren auch Leben?

Einen Grenzfall des Lebens bilden die Viren, von denen lange unklar war und auch heute noch nicht ganz klar ist, wie sie phylogenetisch einzuordnen sind. Viren „werden gelebt“, da sie für ihre Vermehrung und Entwicklung auf lebende Zellen angewiesen sind. Es scheint, als ob es sich um „rückentwickelte“, extrem parasitäre Bakterien handelt, die praktisch alle Zellorganellen über Bord geworfen haben und nur noch aus Nukleinsäure und Proteinen bestehen. Eine andere Theorie leitet Viren von in der Evolution entstandenen, selbstreplizierenden Molekülen ab (Koevolution). Eine dritte Hypothese geht davon aus, dass es sich um verselbstständigte Zellbestandteile handelt. Viren haben in jedem Fall einen Bau- und Funktionsplan (RNA oder DNA), der sie zur Regeneration ihrer Struktur befähigt. Sie können dies aber nicht unabhängig, sondern sind auf Wirtszellen angewiesen. Auf Grund ihrer hohen Vermehrungs- und Mutationsrate können sie sich extrem schnell an veränderte Umweltbedingungen anpassen (Entwicklung).

1.5 Heutige Schwerpunkte der biologischen Forschung

Großes wissenschaftliches Interesse besteht in der Biologie heutzutage in folgenden Bereichen:

Die Beherrschung und gezielte Beeinflussung der genetischen Informationsprozesse, der Zelldifferenzierung und des Alterns,

die Informationsverarbeitung im menschlichen Gehirn, die Mechanismen von Lernen und Gedächtnis,

die Gentechnik (gekoppelt mit der Biotechnologie),

die molekulare Bioinformatik und

die Umweltforschung.

2 Allgemeine Zellbiologie

2.1 Klinischer Fall

Eingefrorenes Grinsen

Der Tetanus-Erreger: Clostridium tetani (REM, Vergr. 1:5000]

(aus Riede UN, Werner M, Schäfer HE [Hrsg.]. Allgemeine und spezielle Pathologie. Thieme 2004)

Der menschliche Organismus besteht aus Milliarden von Zellen. Wie diese aufgebaut sind und welche Funktionen Zellen übernehmen, lesen Sie im zweiten Kapitel dieses Kurzlehrbuchs. Dabei werden Sie auch Formen der Kommunikation von Zellen mit ihrer Umgebung kennen lernen. Eine dieser Kommunikationsmöglichkeiten ist die Exozytose, mit der Stoffe an die Zellumgebung abgegeben werden können. Ist dieser Transport blockiert, kann das schwerwiegende Folgen haben. Beispielsweise bei einer Infektion mit dem Bakterium Clostridium tetani. Ein vom Bakterium gebildetes Toxin, das Tetanospasmin, verhindert die Ausschleusung von wichtigen Botenstoffen des Nervensystems: Es kommt zu einem erhöhten Muskeltonus und einer vermehrten Erregbarkeit der Muskulatur. Dies beginnt meist an der Kaumuskulatur. Wie bei Gustav B.

Am Wochenende lässt sich der 56-jährige Waldarbeiter Gustav B. normalerweise Zeit für ein gemütliches Frühstück. Doch an diesem Sonntag schmeckt ihm der Morgenkaffee nicht: Seine Lippen wollen sich nicht ordentlich um den Tassenrand schließen und auch das Schlucken fällt ihm unerklärlich schwer. Genauso ergeht es ihm, als er in sein Brot beißen will: Sein Mund gehorcht ihm nicht mehr. Später, beim Rasieren, scheint ihn ein fremdes Gesicht im Spiegel anzuschauen. Der Mund ist zu einem seltsamen Grinsen verzogen, das Gustav nicht beeinflussen kann.

Kieferorthopäde oder Psychiater?

Ein weiteres von Gustavs Sonntagsritualen ist das Telefonat mit seiner Schwester. Doch als Gustav den Hörer abhebt, kann er kaum seinen Namen sagen. Mit einem hilflosen Lallen antwortet er auf die Fragen seiner Schwester, die immer besorgter wird. Eine halbe Stunde später steht sie vor der Tür. Ihr Entschluss steht fest: Gustav B. muss sofort zum Arzt.

Zunächst suchen sie den Dorfarzt auf, der auch sonntags Zeit für seine Patienten hat. Doch er kann sich auf diese Symptome keinen Reim machen. Welche neurologische Erkrankung führt zu einem derartigen Kieferkrampf? Oder handelt es sich gar um ein psychiatrisches Krankheitsbild? Soll er den Patienten zum Kieferorthopäden überweisen? Schließlich empfiehlt der Arzt, die nächste neurologische Klinik aufzusuchen.

Eine Wunde ist schuld!

Auch in der Klinik wird die Diagnose nicht sofort gestellt. Die Krämpfe lassen nicht nach. Speichel rinnt Gustav unaufhörlich aus dem Mund. Plötzlich bleibt der Blick der Arztes an der Narbe an Gustavs Unterarm hängen: Vor etwa zwei Wochen hat sich Gustav beim Baumfällen verletzt. Die Wunde ist jedoch gut verheilt. „Sind Sie gegen Tetanus geimpft?“ will der Arzt wissen. Gustav schüttelt den Kopf: Impfungen hat er seit seiner Kindheit nicht mehr erhalten. Gustav wird sofort auf die Intensivstation verlegt und dort behandelt. Bei vollem Bewusstsein erlebt er die Symptome einer Tetanusinfektion: Sein Rücken wird steif und wölbt sich nach oben. Auch seine Bauchmuskeln sind bretthart. Bei jeder Berührung durch Arzt oder Pflegepersonal kommt es zu Krämpfen. Als wenig später auch Atemprobleme hinzukommen, wird Gustav intubiert und beatmet. Erst Wochen später ist er über den Berg. Glück für ihn: Eine Tetanusinfektion endet bei einem Viertel der Erkrankten tödlich.

Gerade für Gustav wäre eine Tetanusimpfung äußerst wichtig gewesen: Bei seiner Arbeit im Wald kann er sich leicht infizieren, da das Bakterium aus dem Boden in Wunden eindringen kann. Entlang der Nervenbahnen wandert das vom Bakterium gebildete Gift Tetanospasmin ins Gehirn und entfaltet dort seine Wirkung: Es verhindert die Freisetzung von hemmenden Überträgerstoffen (Transmittern) an den Synapsen zwischen den einzelnen Nervenzellen. In Deutschland ist die Erkrankung durch die Impfung selten geworden – ein Grund dafür, warum es lange gedauert hat, bis bei Gustav die richtige Diagnose gestellt werden konnte.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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