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Daisy Devreaux, die verwöhnte, lebenslustige Tochter aus reichem Haus, hat genau zwei Möglichkeiten. Entweder sie wandert ins Gefängnis – oder sie entscheidet sich für die vom Vater gestiftete Ehe. Ihr Gatte, der attraktive, aber humorlose Alex Markov, hat jedoch nicht die geringste Lust, sich auf die Champagner-Allüren seiner Frau einzulassen, und verschleppt sie aus der besseren Gesellschaft in seinen heruntergekommenen Wanderzirkus. Was der Mann nicht ahnt: In Daisy hat er eine ebenbürtige Partnerin gefunden – sie ist ebenso dickköpfig, stolz und heißblütig wie er …
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Seitenzahl: 672
Susan Elizabeth Phillips
Küß mich,Engel
Roman
Aus dem Amerikanischenvon Gertrud Wittich
An dem angeblich schönsten Tag im Leben einer Frau, ihrem Hochzeitstag, hat Daisy Devereaux noch genau zwei Möglichkeiten: entweder geht sie ins Gefängnis – oder sie heiratet den mysteriösen Unbekannten, den ihr Vater für sie ausgewählt hat. Eine arrangierte Ehe? In der heutigen Zeit? Was muß da nur passiert sein, daß sich ein attraktives, reiches Mädchen aus der New Yorker High-Society in dieser Zwickmühle wiederfindet?
Diese Fragen stellt sich auch Alex Markov – ein Mann, der, wie Daisy sehr bald feststellt, gefährlich humorlos und beinahe tödlich attraktiv ist. Sicher ist nur eines: Alex hat überhaupt keine Lust, den liebenden Ehemann für einen verwöhnten, niedlichen Wirrkopf mit Champagner-Allüren zu spielen. Also reißt er Daisy ausihrem luxuriösen Lebensstil und verpflanzt sie in seinen etwas heruntergekommenen Wanderzirkus, den er mit ihner Mitgift endlich sanieren kann. Was der Mann jedoch nicht ahnt: In Daisy hat er eine absolut ebenbürtige Partnerin gefunden – sie ist ebenso dickköpfig, stolz und heißblütig wier er. Und bald schon balancieren sie beide auf dem gefährlichen Drashtseil der Liebe – ohne Netz und doppelten Boden ...
Susan Elizabeth Phillips ist eine der meistgelesenen Autorinnen der Welt. Ihre Romane erobern jedes Mal auf Anhieb die Bestsellerlisten in Deutschland, England und den USA. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und zwei Söhnen in der Nähe von chicago.
www.susan-elizabeth-phillips.de
Dies sind meine ganz speziellen Engel – Frauen, die mir im Laufe meiner Karriere sehr geholfen haben. Einige von ihnen sind Schriftstellerinnen, andere Lektorinnen. Die Anleitung und Hilfe, die sie mir zukommen ließen, sind für mich unschätzbar. Hier sind sie in der Reihenfolge, in der sie in mein Leben traten:
Claire Kiehl Lefkowitz Rosanne Kohake Maggie Lichota Linda Barlow Claire Zion Jayne Ann Krentz Meryl Sawyer Carrie Feron
Dieses Buch sei Euch bemerkenswerten Frauen gewidmet, in Liebe und Dankbarkeit!
Daisy Devereaux war der Name ihres Bräutigams entfallen. »Ich, Theodosia, nehme dich, …«
Sie biß sich auf die Unterlippe. Sie war ihm vor ein paar Tagen von ihrem Vater vorgestellt worden, an jenem schrecklichen Vormittag, als sie zu dritt beim Standesamt die Heiratslizenz beantragt hatten, und dort hatte sie auch seinen Namen gehört. Der Mann war gleich danach wieder verschwunden, und sie hatte ihn erst vor ein paar Minuten wiedergesehen, als sie die Treppe des am Central Park West gelegenen Duplex-Apartments ihres Vaters herunterkam, in dem an diesem Vormittag die überhastete Zeremonie stattfinden sollte.
Ihr Vater stand hinter ihr, und Daisy fühlte ihn förmlich vor Mißbilligung vibrieren, doch das war nichts Neues für sie. Er war schon von ihr enttäuscht gewesen, bevor sie überhaupt auf der Welt war, und egal, wie sehr sie sich auch bemühte, es war ihr nie gelungen, seine Meinung über sie zu ändern. Sie riskierte einen verstohlenen Seitenblick auf diesen Bräutigam, den ihr Vater ihr mit seinem Geld gekauft hatte. Der typische Hengst. Ein ziemlich furchteinflößender Hengst, so groß wie er war, so hart, ja fast hager, und so muskulös, und mit diesen unheimlichen, bernsteinfarbenen Augen. Ihre Mutter wäre entzückt gewesen.
Lani Devereaux war letztes Jahr auf einer brennenden Jacht ums Leben gekommen – in den Armen eines vierundzwanzigjährigen Rockstars. Daisy war inzwischen soweit, ohne übergroßen Kummer an ihre Mutter denken zu können, und sie mußte lächeln, als ihr der Gedanke kam, daß der Mann neben ihr in den Augen ihrer Mutter zu alt gewesen wäre. Er sah aus wie Mitte Dreißig, und Lanis Obergrenze hatte bei neunundzwanzig gelegen.
Sein Haar war so dunkel, daß es fast schwarz wirkte, und mit seinen feingemeißelten Gesichtszügen hätte er beinahe zu schön ausgesehen, wenn da nicht das energische Kinn gewesen wäre, ganz zu schweigen von dem finster-bedrohlichen Ausdruck auf seinem Gesicht. Der brutal-attraktive Typ war eigentlich mehr Lanis Sache, sie selbst bevorzugte seit jeher den eher konservativen, väterlichen Typ. Nicht zum ersten Mal, seit die Zeremonie begonnen hatte, wünschte sie, ihr Vater hätte einen weniger einschüchternden Kerl für sie ausgesucht.
Sie versuchte, ihre flatternden Nerven mit dem Gedanken zu beruhigen, daß sie ja nicht mehr als ein paar Stunden in der Gesellschaft ihres frisch angetrauten Gatten würde verbringen müssen. Sobald sich die Gelegenheit ergab, würde sie ihm von ihrem Plan erzählen, und dann wäre die ganze leidige Angelegenheit vergessen. Unglücklicherweise beinhaltete ihr Plan leider auch den Bruch der heiligen Ehegelübde, die sie soeben dabei war abzulegen, und da sie nicht zu jenen Menschen gehörte, die Gelübde auf die leichte Schulter nehmen – ganz besonders nicht Ehegelübde –, fürchtete sie zu Recht, daß ihr schlechtes Gewissen für diese Denkblockade verantwortlich war.
In der Hoffnung, daß ihr der Name auf wundersame Weise ins Gedächtnis hüpfen würde, fing sie noch mal von vorne an. »Ich, Theodosia, nehme dich …« Wieder verlief sich ihre Stimme.
Ihr Bräutigam hatte nicht mal einen Blick für sie übrig, ganz zu schweigen von dem ersehnten Zauberwort. Er blickte starr nach vorn, und sein kompromißloses Profil jagte ihr einen Schauder über den Rücken. Er hatte sein Ehegelübde gerade abgelegt, also mußte er seinen Namen ja wohl erwähnt haben, doch in dem kalten Monoton seiner Stimme, das ihre Panik noch erhöht hatte, war er ihr vollkommen entgangen.
»Alexander«, fauchte ihr Vater von rückwärts, und so wie das klang, war Daisy sicher, daß er mal wieder die Zähne zusammenbiß. Für einen der bedeutendsten Diplomaten der Vereinigten Staaten besaß er beklagenswert wenig Geduld, wenn es um sie ging.
Sie grub die Fingernagel in die Handflächen und sagte sich, daß sie ja schließlich keine Wahl hatte. »Ich, Theodosia …« Sie rang nach Luft. »… nehme dich, Alexander …« Erneut ein Luftringen. »… zu meinem schlechtmäßig angetrauten Ehemann …«
Erst als sie ihre Stiefmutter Amelia aufkeuchen hörte, wurde Daisy klar, was sie gerade gesagt hatte.
Der Hengst drehte den Kopf und blickte auf sie herab. Er zog eine dunkle Augenbraue ein wenig in die Höhe, als ob er nicht glauben könne, was er gerade gehört hatte. Mein schlechtmäßig angetrauter Ehemann. Auf einmal meldete sich ihr Sinn für Humor wieder, und sie fühlte ihre Mundwinkel zucken.
Seine Brauen fuhren zusammen wie zwei Gewitterwolken, und seine unheimlichen, tiefliegenden Augen betrachteten sie ohne einen Funken von Belustigung. Offenbar litt der Hengst nicht unter demselben Problem wie sie, nämlich unangebrachtem Humor.
Tapfer kämpfte sie ihre aufblubbernde Hysterie herunter und stammelte weiter, ohne sich zu korrigieren. Wenigstens dieser Teil ihres Gelübdes stimmte, denn er war ganz sicher ein denkbar schlechter Ehemann für sie. In diesem Augenblick löste sich ihre Denkblockade in Luft auf, und sein Nachname ploppte in ihr Gehirn. Markov. Alexander Markov . Noch einer von diesen Russen, mit denen sich ihr Vater so gerne umgab.
Als ehemaliger amerikanischer Botschafter für die Sowjetunion besaß ihr Vater, Max Petroff, enge Verbindungen zu den Russen, sowohl hier in Amerika als auch im Ausland. Selbst in diesem Raum, in dem die Trauung stattfand, war seine Leidenschaft für die Heimat seiner Ahnen nicht zu übersehen: blauer Wandanstrich, so typisch für Rußland, ein gelbgekachelter Kamin und ein bunter Kelim-Teppich. Links von ihr standen eine Kommode aus Walnuß mit Vasen aus russischem Kobalt sowie erlesene Stücke aus Porzellan und Glas aus den Manufakturen in Sankt Petersburg. Die Möblierung war eine Mischung aus Art Deco und achtzehntem Jahrhundert, die dennoch nicht unharmonisch wirkte.
Die große Hand ihres Bräutigams ergriff ihre kleine und streifte ihr brüsk einen einfachen Goldring über.
»Mit diesem Ring nehme ich dich zur Frau«, sagte eine schroffe, unnachgiebige Stimme.
Verwirrt blickte sie den schlichten Ring an. So lange sie denken konnte, schwelgte sie in »bourgeoisen Hirngespinsten über Liebe und Ehe«, wie ihre Mutter Lani es immer genannt hatte, und so etwas wie das hier hätte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen können.
»… kraft meines Amtes erkläre ich Sie nun zu Mann und Frau.«
Sie erstarrte, während sie darauf wartete, daß Friedensrichter Rhinsetler den Bräutigam dazu aufforderte, die Braut zu küssen. Als das nicht geschah, wußte sie, daß ihr Vater ihn gebeten hatte, es zu unterlassen, um ihr die Peinlichkeit zu ersparen. Sie war froh, diesen harten, verkniffenen Mund nicht küssen zu müssen. Typisch Vater, an ein Detail zu denken, das jeder andere außer acht gelassen hätte. Obwohl sie das nie und nimmer zugegeben hätte, wünschte sie, ein wenig mehr wie er zu sein, aber sie war ja noch nicht mal in der Lage, ihr Leben in großen Zügen in den Griff zu kriegen, geschweige denn die unwichtigeren Einzelheiten.
Selbstmitleid lag ihr nicht, also schüttelte sie die Anwandlung ab und reckte ihrem Vater gehorsam die Wange hin, als dieser vortrat, um ihr den obligatorischen Gratulationskuß zu geben. Sie ertappte sich dabei, wie sie auf ein Wort der Zuneigung hoffte, war jedoch nicht überrascht, als nichts kam. Ja, sie brachte es sogar fertig, sich nichts anmerken zu lassen, als er sich wieder von ihr zurückzog.
Er zog ihren mysteriösen Bräutigam an die Fensterfront, die auf den Central Park zeigte, wo sich ihnen Richter Rhinsetler anschloß. Die beiden anderen Zeugen der Trauung waren der Chauffeur, der sich taktvoll zurückzog, um sich seinen Pflichten zu widmen, und die Frau ihres Vaters, Amelia, mit ihrem kühlen, hellblonden Haar und dem nasalen Südstaatenakzent.
»Herzlichen Glückwunsch, meine Liebe. Was für ein wunderschönes Paar ihr doch seid, du und Alexander. Sehen sie nicht wundervoll aus, Max?« Ohne eine Antwort abzuwarten, zog Amelia Daisy an ihre stark parfümierte Brust.
Amelia tat, als würde sie die uneheliche Tochter ihres Mannes wirklich mögen, und obwohl Daisy ihre wahren Gefühle kannte, mußte sie Amelia zugute halten, daß sie es immerhin versuchte. Sicher war es nicht leicht für sie, mit dem lebenden Beweis für die einzige unverantwortliche Handlung, die ihrem Gatten je unterlaufen war, konfrontiert zu sein, selbst wenn ihm diese Handlung schon vor gut sechsundzwanzig Jahren unterlaufen war.
»Ich weiß wirklich nicht, warum du unbedingt auf diesem Kleid bestanden hast, meine Liebe. Es mag ja recht nett für einen Tanzabend sein, aber wohl kaum für eine Hochzeit.« Amelias kritischer Blick glitt vernichtend über Daisys sündteures Trägerkleidchen mit dem kurzen Rüschenrock aus Goldmetallic-Tüll, der ihr bis zur Mitte der Oberschenkel reichte.
»Es ist fast weiß.«
»Gold ist nicht weiß, meine Liebe. Und es ist außerdem viel zu kurz«
»Der Blazer ist aber ganz konservativ«, entgegnete Daisy und strich mit den Händen über ihren voluminösen goldenen Satinblazer, der ihr bis zum Ansatz ihrer Oberschenkel reichte.
»Was den Rest auch nicht besser macht. Warum konntest du nicht das traditionelle Weiß tragen? Oder zumindest etwas weniger Auffälliges.«
Weil das hier keine echte Ehe ist, dachte Daisy, und je mehr sie sich der Tradition beugte, desto stärker wurde sie daran erinnert, daß sie im Begriff stand, einen Eid zu brechen, der heilig sein sollte. Sie hatte sogar die Gardenie aus dem Haar genommen, die ihr Amelia dorthin gesteckt hatte, nur leider hatte ihre Stiefmutter es sofort bemerkt, als sie herunterkam, und sie ihr wieder hineingesteckt.
Sie wußte, daß Amelia auch ihre goldenen Schuhe mißfielen. Sie sahen aus wie die Sandalen von römischen Gladiatoren, mit dicken, zehn Zentimeter hohen, goldenen Plateausohlen. Sie waren schrecklich unbequem, aber zumindest bestand nicht die Gefahr, sie mit den traditionellen weißen Pumps zu verwechseln.
»Dein Bräutigam sieht nicht gerade glücklich aus«, flüsterte Amelia. »Nicht, daß mich das überrascht. Versuch also, nichts Dummes zu sagen, wenigstens eine Zeitlang, ja? Du solltest wirklich etwas gegen diese ärgerliche Angewohnheit von dir unternehmen, einfach, ohne zu überlegen, alles herauszuplappern.«
Daisy unterdrückte mühsam einen Seufzer. Amelia sagte nie, was sie wirklich dachte, während Daisy das immer tat, und ihre entwaffnende Ehrlichkeit löste beständiges Entsetzen bei ihrer Stiefmutter aus. Aber Daisy war nicht gut im Verstellen. Vielleicht daher, weil ihre Eltern so gut darin waren.
Sie warf einen verstohlenen Blick auf ihren Gatten und fragte sich, wieviel ihm ihr Vater wohl für die Heirat mit ihr bezahlt hatte. So verrückt der Gedanke auch war, sie hätte gerne gewußt, wie die eigentliche Transaktion stattgefunden hatte. In bar? Per Scheck? Verzeihen Sie, Mr. Markov, aber nehmen Sie auch American Express? Sie sah, wie ihr Bräutigam einen auf einem Tablett angebotenen Cocktail zurückwies, und versuchte sich vorzustellen, was wohl in ihm vorgehen mochte.
Wie lange noch, bevor er den kleinen Fratz rausbugsieren konnte? Alex Markov warf einen ungehaltenen Blick auf seine Armbanduhr. Fünf Minuten sollten genügen, entschied er. Er sah, wie der Steward mit seinem Tablett mit Erfrischungen um sie herumscharwenzelte. Genieß es, Süße, so lange es noch geht. Passiert dir so schnell nicht wieder, darauf kannst du dich verlassen.
Wahrend Max dem Richter einen antiken Samowar zeigte, beäugte Alex die Beine seiner Frischangetrauten, die gut sichtbar unter diesem absolut unmöglichen Ding, das sie wohl für ein Hochzeitskleid hielt, hervorlugten. Sie waren schlank und wohlgeformt, und er fragte sich, ob der Rest ihrer Figur, die sie unter einem haarsträubenden Goldblazer mit enormen Schulterpolstern verbarg, wohl ebenso wohlgeformt und verlockend war. Doch nicht einmal der Körper einer Sirene hätte ihn für diese Zwangsehe entschädigen können.
Er mußte an sein letztes Gespräch mit Daisys Vater denken. »Sie ist vollkommen verzogen, oberflächlich und unzuverlässig«, war Max Petroffs Urteil. »Ihre Mutter hat einen schlimmen Einfluß auf sie gehabt. Ich glaube nicht, daß Daisy je etwas Nützliches und Sinnvolles getan hat. Zugegeben, es ist nicht allein ihre Schuld. Lani hat sie immer ausgehalten und bis zu ihrem Tod überall mit sich herumgeschleppt. Es ist das reine Wunder, daß Daisy sich nicht auch auf dem Boot befand, als das Feuer ausbrach. Meine Tochter braucht eine starke Hand, Alex, oder sie treibt dich in den Wahnsinn.«
Nach dem, was Alex bis jetzt von Daisy gesehen hatte, war er nicht gerade geneigt, Max’ Urteil in Frage zu stellen. Ihre Mutter war Lani Devereaux, ein englisches Fotomodell, das vor dreißig Jahren äußerst populär gewesen war. Lani und Max Petroff hatten damals – er fing gerade an, seinen Weg als außenpolitischer Experte zu gehen – eine stürmische Liebesaffäre gehabt, die er sich heute nur noch mit der abgedroschenen Phrase der berühmten Gegensätze, die sich anzogen, erklären konnte, und das Resultat war Daisy.
Max machte Alex auf seine steife Art deutlich, daß er Lani damals die Ehe angeboten hatte, als sie so unerwartet schwanger geworden war, aber Lani war nicht bereit gewesen, das Hausmütterchen zu spielen. Dennoch, so beharrte Max, hatte er seiner unehelichen Tochter gegenüber, so peinlich ihm die ganze Angelegenheit auch sein mochte, immer seine Pflicht getan.
Die Tatsachen deuteten jedoch auf das Gegenteil hin. Als es mit Lanis Karriere allmählich bergab ging, entwickelte sie sich zu einem professionellen Partygirl, das bei den Reichen und Schönen unentwegt die Runde machte. Und wo Lani hinging, da mußte auch Daisy hin. Zumindest hatte Lani früher einmal eine glänzende Karriere gehabt, dachte Alex, Daisy dagegen hatte es anscheinend bis jetzt noch nicht mal ansatzweise zu etwas gebracht.
Als Alex seine junge Braut nun etwas genauer unter die Lupe nahm, entdeckte er tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit mit ihrer Mutter. Beide besaßen dasselbe blauschwarze Haar und jene blasse, ja weiße Haut, die nur Frauen zu eigen ist, die sich hauptsächlich drinnen aufhalten. Ihre Augen waren von einem ganz ungewöhnlichen Blau, einem tiefen, leuchtenden Veilchenblau, das beinahe lila wirkte. Aber sie war viel kleiner als ihre Mutter – für seinen Geschmack viel zu zierlich –, und ihre Gesichtszüge waren nicht annähernd so kühn wie die ihrer Mutter. Soweit er sich an alte Bilder in Zeitschriften erinnern konnte, war Lanis Profil beinahe maskulin gewesen, während Daisys eine verwischte Qualität besaß, die besonders stark in ihrer lächerlichen kleinen Stubsnase und dem albernen kleinen Kindermund hervortrat.
Laut Max hatte Lani zwar blendend ausgesehen, war jedoch, was Hirn betraf, nicht gerade üppig ausgestattet gewesen, eine Eigenschaft, die der kleine Hohlkopf dort hinten offenbar ebenfalls geerbt hatte. Man konnte sie nicht gerade als Dummchen bezeichnen, dafür war sie zu gebildet, doch er konnte sie sich ohne Schwierigkeiten als Betthäschen irgendeines reichen Mannes vorstellen.
Er war immer ziemlich wählerisch gewesen, was seine Bettpartnerinnen betraf, und so verlockend ihre süße kleine Figur auch aussehen mochte, er bevorzugte eine andere Art Frau, eine, die mehr zu bieten hatte als ein Paar wohlgeformter Beine. Er mochte intelligente und unabhängige Frauen, Frauen mit Ehrgeiz und der Fähigkeit, ebensogut auszuteilen wie einzustecken. Er respektierte Frauen, die ihm ordentlich ihre Meinung sagten, aber er haßte Schmollen und Geheule. Er wurde schon gereizt, wenn er die kleine Spitzmaus dort hinten nur ansah.
Nun, zumindest war’s kein Problem, sie kleinzukriegen, und kleinkriegen würde er sie. Sein Mundwinkel verzog sich zu einem sardonischen Lächeln, während er sie ansah. Verwöhnte kleine Mädchen müssen am Ende immer bezahlen, so ist nun mal das Leben. Baby, Baby, sei froh, daß du nicht weißt, was dir bevorsteht.
Daisy blieb am anderen Ende des großen Raums vor einem antiken Wandspiegel stehen, um sich zu betrachten. Sie tat das nicht aus Eitelkeit, sondern aus reiner Gewohnheit. Für ihre Mutter war die äußere Erscheinung alles gewesen. Verschmierte Wimperntusche war in ihren Augen eine größere Katastrophe als ein nuklearer Holocaust.
Daisys neuer Haarschnitt war vorne kinnlang und hinten ein wenig länger; er war frisch, duftig und jugendlich, mit einigen leichten Wellen und Locken. Sie liebte ihre neue Frisur, und erst recht, seit Amelia heute vormittag mißbilligend mit der Zunge geschnalzt und gemeint hatte, wie unordentlich sie doch aussehe für eine Hochzeit.
Daisy, die immer noch in den Spiegel blickte, sah auf einmal ihren Bräutigam hinter sich auftauchen. Sie beeilte sich, ein höfliches Lächeln aufzusetzen, wobei sie sich versicherte, daß schon alles gut werden würde. Es mußte einfach.
»Pack deine Sachen, Engelchen. Wir gehen.«
Sein Ton gefiel ihr nicht, aber sie hatte gelernt, mit schwierigen Menschen umzugehen, und überhörte ihn. »Maria hat ihr spezielles Grand-Marnier-Soufflé als Nachspeise geplant, aber es ist noch nicht ganz fertig, also müssen wir noch ein wenig warten.«
»Ich fürchte, daraus wird nichts. Wir müssen unser Flugzeug kriegen. Dein Gepäck ist bereits im Wagen.«
Sie brauchte noch etwas Zeit. Sie war noch nicht bereit, schon mit ihm allein zu sein. »Könnten wir nicht einen späteren Flug nehmen, Alexander? Ich möchte Maria nicht gerne enttäuschen. Sie ist Amelias Augapfel, und ihre Brunches sind einfach himmlisch.«
Sein Mund verzog sich zwar zu einem verständnisvollen Lächeln, doch seine Augen durchbohrten sie messerscharf. Sie besaßen eine ungewöhnliche Farbe, seine Augen, ein heller Bernsteinton, der sie an etwas Unheimliches erinnerte. Sie konnte sich zwar nicht genau erinnern, an was, doch fühlte sie sich zunehmend unbehaglich.
»Der Name ist Alex, und du hast ’ne Minute, um deinen süßen kleinen Hintern hier rauszubewegen.«
Ihr Herz machte einen erschrockenen Satz, und ihr Puls fing an zu hämmern, doch bevor sie etwas sagen konnte, drehte er sich um und verkündete den drei anderen Anwesenden in ruhigem, aber nichtsdestoweniger respekteinflößendem Ton: »Ich hoffe, ihr entschuldigt uns. Wir müssen unseren Flug noch kriegen.«
Amelia trat vor und schenkte Daisy ein wissendes Lächeln. »Ach du liebe Güte. Da kann’s jemand kaum abwarten, daß die Hochzeitsnacht anbricht. Unsere Daisy ist aber auch ein kleiner Leckerbissen, nicht wahr?«
Daisy verlor mit einem Mal jeden Appetit auf Marias Soufflé. »Ich zieh mich rasch um«, sagte sie.
»Dafür haben wir keine Zeit mehr. Du bist völlig in Ordnung, so wie du bist.«
»Aber …«
Eine feste Hand legte sich auf ihr Hinterteil und bugsierte sie hinaus ins Foyer. »Das ist sicher deine Handtasche.« Als sie nickte, nahm er die kleine Chanel-Handtasche von der vergoldeten Konsole und reichte sie ihr.
Da erschienen auch schon ihr Vater und Amelia, um sie zu verabschieden.
Obwohl sie nicht vorhatte, weiter als bis zum Flughafen mit ihm zu fahren, wäre sie am liebsten vor ihm zurückgezuckt, als er sie nun mit fester Hand zur Haustür steuerte. Sie drehte sich zu ihrem Vater um und haßte sich wegen der leisen Panik, die aus ihrer Stimme klang und die sich beim besten Willen nicht unterdrücken ließ. »Vielleicht könntest du Alex dazu überreden, noch ein wenig länger zu bleiben, Dad. Wir sind doch kaum richtig hiergewesen.«
»Tu, was er sagt, Theodosia. Und denke daran – das hier ist deine letzte Chance. Wenn du auch diesmal versagst, will ich nichts mehr mit dir zu tun haben. Bemühe dich, wenigstens einmal in deinem Leben, etwas richtig zu tun.«
Eigentlich hätte sie inzwischen daran gewöhnt sein sollen, daß ihr Vater sie in aller Öffentlichkeit bloßstellte, aber daß er es nun vor ihrem frischangetrauten Ehemann tat, war ihr so peinlich, daß sie es kaum schaffte, sich aufzurichten und das Kinn zu recken. Mit hocherhobenem Kopf trat sie vor Alex und marschierte aus der Tür.
Sie weigerte sich, ihn anzusehen, als sie stumm vor dem Aufzug warteten, der sie in die Lobby hinunterbringen würde. Sie traten ein. Die Türen schlossen sich hinter ihnen und öffneten sich erneut einen Stock tiefer und ließen eine ältere Frau mit einem braunen Pekinesen ein.
Daisy drückte sich sofort erschrocken an die mit Teakholzpaneelen gedeckte Wand des Aufzugs, aber der Hund erspähte sie dennoch. Er legte die Ohren zurück, japste wildwütend los und sprang sie an. Sie kreischte, als er an ihren Beinen hochsprang und ihr die Seidenstrümpfe zerriß. »Los, weg mit dir!«
Der Hund sprang weiter an ihr hoch und zerkratzte ihr die Beine. Sie stieß einen schrillen Schrei aus und krallte sich an das Messinggeländer. Alex blickte sie verblüfft an, dann stubste er das Tier mit der Schuhspitze weg.
»Unartige Mitzi!« Die Frau raffte das Hündchen an sich und bedachte Daisy mit einem bösen Blick. »Also das verstehe ich einfach nicht. Mitzi liebt wirklich jeden.«
Daisy fing an zu schwitzen. Sie umklammerte das Messinggeländer wie einen Rettungsring und ließ das bösartige kleine Biest, das sie weiterhin wütend ankläffte und nach ihr schnappte, nicht aus den Augen. Da öffnete sich zum Glück die Aufzugtür zur Lobby.
»Ihr beiden scheint euch zu kennen«, sagte Alex, während sie den Lift verließen.
»Ich – ich hab den Hund noch nie im Leben gesehen.«
»Das glaube ich nicht. Dieser Hund haßt dich.«
»Ich bin nicht« – sie rang mühsam nach Luft – »ich hab da dieses Problem mit Tieren.«
»Du hast ein Problem mit Tieren? Sag bitte nicht, das heißt, du fürchtest dich vor ihnen.«
Sie nickte und bemühte sich, ihren rasenden Puls wieder unter Kontrolle zu bekommen.
»Na herrlich«, brummte er und schritt mit langen Schritten durch die Lobby. »Einfach herrlich.«
Es war inzwischen beinahe Mittag. Der Apriltag war trüb und regnerisch. Keine Papierschlangen zierten die Limousine, die vor dem Gebäude auf sie wartete, keine Blechdosen oder »Just Married«-Schilder wie bei gewöhnlichen Paaren, die einander in Liebe verbunden waren. Daisy warf sich vor, übersentimental zu sein. Lani hatte sie jahrelang damit aufgezogen, hoffnungslos altmodisch zu sein, doch alles, was Daisy sich je gewünscht hatte, war, ein ganz normales, alltägliches Leben zu führen. Was gar nicht so ungewöhnlich war für jemanden, der eine derart unnormale Kindheit gehabt hatte.
Als sie in den Wagen einstieg, sah sie, daß die getönte Trennscheibe, die den Chauffeur von den Passagieren separierte, heruntergelassen war. Nun, wenigstens besaßen sie auf diese Weise die Ungestörtheit, die sie brauchte, um Alex Markov von ihren Plänen in Kenntnis zu setzen, bevor sie am Flughafen ankamen.
Du hast ein Gelöbnis abgelegt, Daisy. Ein heiliges Gelöbnis . Sie schüttelte diesen beunruhigenden Gedanken ab, indem sie sich sagte, daß sie ja keine andere Wahl gehabt hatte.
Er stieg ebenfalls ein, und auf einmal erschien ihr das geräumige Wageninnere viel zu eng. Sie dachte, wenn er nicht so kraftvoll wirken würde, wäre sie gewiß nicht so nervös, was die nächsten Minuten betraf. Auch wenn er kein Muskelpaket war, wie die Bodybuilder, die es wirklich übertrieben, so besaß er dennoch den harten, sehnigen Körper eines Mannes in Topform. Seine Schultern waren breit, die Hüften schmal. Die Hände, die auf seiner schwarzen Anzughose lagen, waren langfingrig, kräftig und tief gebräunt. Etwas durchzuckte sie blitzschnell bei diesem Anblick.
Der Wagen hatte sich kaum vom Straßenrand gelöst, da begann er auch schon, an seiner Krawatte zu zerren. Er riß sie herunter, stopfte sie in die Tasche seines Jacketts und öffnete dann mit einer raschen Handbewegung den obersten Knopf seines Hemds. Sie erstarrte und hoffte, daß er nicht noch mehr ausziehen würde. In einer ihrer liebsten erotischen Phantasien malte sie sich immer eine leidenschaftliche Liebesszene auf dem Rücksitz einer weißen Limousine aus, die im Verkehr von Manhattan festhing, während Michael Bolton »When a Man Loves a Woman« sang, doch zwischen Traum und Realität bestand nun mal ein himmelweiter Unterschied.
Die Limousine setzte sich in Bewegung. In dem Bemühen, sich ein wenig zu beruhigen, holte sie tief Luft und atmete dabei den schweren Duft der Gardenie ein, die immer noch in ihrem Haar steckte. Erleichtert stellte sie fest, daß Alex aufgehört hatte, sich auszuziehen, doch als er seine Beine ausstreckte und ihr den Kopf zuwandte und sie zu studieren begann, rutschte sie nervös auf dem Sitz hin und her. Egal, wie sehr sie sich auch mühte, sie würde nie so schön sein wie ihre Mutter, und wenn sie zu lange angestarrt wurde, fühlte sie sich immer wie ein häßliches Entlein. Das Loch in ihren goldschimmernden Seidenstrümpfen, das sie von ihrer Begegnung mit dem zornigen kleinen Pekinesen davongetragen hatte, trug auch nicht gerade dazu bei, ihr Selbstbewußtsein aufzupolstern.
Sie öffnete ihre Handtasche und fischte eine dringend benötigte Zigarette heraus. Es war eine schreckliche Angewohnheit, das wußte sie, und sie war beileibe nicht stolz darauf. Lani selbst war seit jeher Raucherin gewesen, doch Daisy hatte sich nie mehr geleistet als eine gelegentliche Zigarette nach dem Abendessen zu einem guten Glas Wein. Doch in jenen ersten Monaten nach dem Tod ihrer Mutter hatte sie festgestellt, daß Zigaretten sie beruhigten, und war daraufhin wirklich süchtig danach geworden. Nach einem tiefen Zug entschied sie, endlich ruhig genug zu sein, um Mr. Markov von ihrem Plan erzählen zu können.
»Mach sie aus, Engelchen.«
Sie warf ihm einen schuldbewußten Blick zu. »Ich weiß, es ist eine schreckliche Angewohnheit, und ich verspreche auch, den Rauch ganz bestimmt nicht in Ihre Richtung zu blasen, aber im Moment brauche ich die Zigarette wirklich dringend.«
Er griff über sie hinweg, um das Seitenfenster herunterzulassen. Ohne Vorwarnung ging die Zigarette in Flammen auf.
Sie stieß einen schrillen Schrei aus und ließ sie fallen. Funken stoben in alle Richtungen. Er zog rasch ein Taschentuch aus seiner Brusttasche und schaffte es irgendwie, die glühenden Reste auszutupfen.
Keuchend blickte sie auf ihren Schoß nieder und sah die winzigen Brandlöcher auf ihrem goldenen Spitzenkleid und dem Seidenblazer. »Wie konnte das nur passieren?« stieß sie atemlos hervor.
»Muß wohl ’ne fehlerhafte Zigarette gewesen sein.«
»Eine fehlerhafte Zigarette? So was hab ich noch nie gehört.«
»Es ist wohl besser, ich werfe den Rest der Packung weg, falls die anderen ebenfalls nicht in Ordnung sind.«
»Ja, sicher. Sie haben recht.«
Sie händigte ihm eilig das Päckchen aus, und er schob es in seine Hosentasche. Sie war total aus dem Gleichgewicht geraten, doch er schien vollkommen ruhig zu sein. Er lehnte sich in eine Ecke des Wagens zurück, verschränkte die Arme vor dem Oberkörper und schloß die Augen.
Sie mußten dringend miteinander reden – sie mußte ihm erklären, wie sie dieser peinlichen Farce ein Ende zu machen gedachte –, doch er schien nicht in der Stimmung für ein Gespräch zu sein, und sie hatte Angst, alles zu vermasseln, wenn sie nicht vorsichtig war. Dieses letzte Jahr war eine solche Katastrophe gewesen, daß sie sich angewöhnt hatte, sich mit stummen Selbstgesprächen aufzumuntern, damit sie sich nicht gar so sehr wie ein Versager vorkam.
Sie erinnerte sich daran, daß ihre Schulbildung zwar unorthodox, aber umfassend gewesen war. Und auch wenn ihr Vater anderer Ansicht war, sie wußte, daß sie seinen Verstand und nicht den ihrer Mutter geerbt hatte. Sie besaß außerdem einen guten Sinn für Humor und war von Natur aus ein optimistischer Mensch, was nicht einmal das katastrophale letzte Jahr hatte ändern können. Nicht ganz zumindest. Sie sprach vier Fremdsprachen und konnte zu jedem beliebigen Couturierkleid den Modedesigner nennen. Außerdem war sie eine Expertin, wenn’s um das Beruhigen von hysterischen Frauen ging. Unglücklicherweise besaß sie jedoch nicht ein Quentchen gesunden Menschenverstand.
Warum hatte sie nicht zugehört, als ihr der Pariser Anwalt ihrer Mutter erklärte, daß nichts mehr übrig wäre, wenn Lanis Schulden beglichen waren? Sie war mittlerweile zu dem Schluß gekommen, daß ihre Schuldgefühle sie in jenen monatelangen Kaufrausch getrieben hatten, der einer Zeit emotionaler Betäubung unmittelbar nach der Beerdigung gefolgt war. Seit Jahren sehnte sie sich danach, den emotionalen Erpressungsversuchen ihrer endlos vergnügungssüchtigen Mutter zu entrinnen. Aber sie hatte sich nicht Lanis Tod gewünscht. Wirklich nicht.
Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie hatte ihre Mutter verzweifelt geliebt, und trotz Lanis Egoismus, trotz ihrer endlosen Forderungen nach Liebe, nach der Versicherung, daß sie ihre Schönheit nicht verloren hatte, wußte Daisy, daß Lani sie ebenfalls geliebt hatte.
Je größer Daisys Schuldgefühle über die unerwartete Freiheit, die sie durch Lanis Tod gewonnen hatte, wurden, desto mehr Geld gab sie aus, nicht nur für sich, sondern auch für alle alten Freunde von Lani, die gerade Pech hatten. Als ihre Schuldner langsam ungeduldig wurden, schrieb sie einfach noch mehr Schecks aus, um sie sich vom Leib zu halten. Weder wußte sie, noch bekümmerte es sie, daß sie nicht genug Geld hatte, um alles bezahlen zu können.
Max erfuhr von ihrer Verschwendungssucht, als schließlich ein Haftbefehl gegen sie ausgestellt wurde. Mit einem Knall fand sie sich in der Realität wieder und erkannte mit Entsetzen, was sie getan hatte. Sie flehte ihren Vater daraufhin an, ihr das Geld zu leihen, um ihre Schuldner beruhigen zu können, und versprach ihm, alles zurückzuzahlen, sobald sie wieder auf die Beine gekommen war.
Doch der verlegte sich auf Erpressung. Es wäre höchste Zeit, daß sie erwachsen wurde, meinte er, und wenn sie nicht im Gefängnis landen wolle, müßte sie ihrem ausschweifenden Leben ein Ende machen und tun, was er von ihr verlangte.
In barschem, mitleidlosem Ton hatte er ihr seine Wünsche diktiert. Sie würde den Mann heiraten, den er für sie aussuchte, sobald er es arrangieren könne. Außerdem müsse sie ihm versprechen, sechs Monaten lang mit ihm verheiratet zu bleiben, wobei sie sich wie eine gehorsame, pflichtbewußte Ehefrau zu benehmen habe. Erst am Ende dieser sechs Monate könne sie sich von ihm scheiden lassen, wenn sie wollte, und er wolle danach einen Trustfonds für sie einrichten – den natürlich er kontrollieren würde. Falls sie ein Kind erwartete, würde sie von den Zinsen aus diesem Fonds bis ans Ende ihres Lebens bequem leben können.
»Das meinst du doch nicht im Ernst!« rief sie, als sie ihren anfänglichen Schock schließlich überwunden hatte. »Heutzutage gibt es keine arrangierten Ehen mehr.«
»Es war mir nie im Leben ernster. Wenn du dieser Ehe nicht zustimmst, wanderst du ins Gefängnis. Und wenn du es nicht schaffst, sechs Monate lang verheiratet zu bleiben, siehst du keinen Penny mehr von mir.«
Drei Tage später hatte er ihr ihren künftigen Gatten vorgestellt, ohne auch nur ein Wort über sein Leben oder seinen Beruf fallen zu lassen. Das einzige, was er sagte, war: »Er wird dir etwas über das Leben beibringen. Mehr brauchst du im Augenblick nicht zu wissen.«
Sie überquerten die Triborough Bridge, und sie erkannte, daß sie schon bald am La Guardia-Flughafen sein würden, was bedeutete, daß sie ihr Gespräch nicht länger hinauszögern durfte. Aus alter Gewohnheit zog sie eine zierliche goldene Puderdose aus ihrer Handtasche und überprüfte ihr Make-up. Beruhigt, daß alles an seinem Platz war, klappte sie die Dose mit einem Schnappen zu und steckte sie weg.
»Entschuldigen Sie, Mr. Markov.«
Er reagierte nicht.
Sie räusperte sich. »Mr. Markov? Alex? Ich glaube, wir müssen miteinander reden.«
Die Lider über den hellen, bernsteinfarbenen Augen hoben sich langsam. »Worüber?«
Trotz ihrer Nervosität mußte sie lächeln. »Wir kennen uns überhaupt nicht, sind aber trotzdem miteinander verheiratet. Ich glaube, da gibt es wirklich ein paar Dinge zu besprechen.«
»Falls du Namen für unsere Kinder aussuchen willst, Engelchen, muß ich passen.«
Also besaß er doch Sinn für Humor, wenn auch einen eher zynischen. »Ich finde, wir sollten darüber reden, wie wir die nächsten sechs Monate überstehen sollen, bis wir die Scheidung einreichen können.«
»Ich finde, wir sollten einen Tag nach dem anderen nehmen.« Er hielt inne. »Eine Nacht nach der anderen.«
Ihre Haut kribbelte, und sie sagte sich, daß sie nicht albern sein sollte. Er hatte eine vollkommen unschuldige Bemerkung gemacht, und den sinnlich-rauchigen Unterton, den sie gehört zu haben glaubte, gab es nur in ihrer Phantasie. Sie setzte ein strahlendes Lächeln auf.
»Ich habe einen Plan. Er ist wirklich ganz einfach.«
»Ach wirklich?«
»Wenn Sie mir einen Scheck über die Hälfte der Summe geben, die mein Vater Ihnen dafür bezahlt hat, mich zu heiraten – und ich finde, Sie müssen mir zustimmen, daß das nur fair wäre –, dann können wir beide unserer eigenen Wege gehen und dieser Peinlichkeit ein Ende bereiten.«
Ein Ausdruck von Belustigung huschte über seine steinernen Züge. »Welche Peinlichkeit meinst du?«
Sie hätte wissen müssen, aus den Erfahrungen, die sie mit den jungen Liebhabern ihrer Mutter gemacht hatte, daß ein so gutaussehender Mann nicht mit einem Übermaß an Verstand gesegnet sein würde. »Die Peinlichkeit, mit einem vollkommen Fremden verheiratet zu sein.«
»Wir werden uns noch gut genug kennenlernen, kann ich mir vorstellen.« Da war er wieder, dieser heiser-sinnliche Unterton. »Und ich glaube nicht, daß getrennte Wege zu gehen das war, was Max im Sinn hatte. Soweit ich mich erinnere, sollen wir zusammenleben und schön brav Mann und Frau spielen.«
»Das ist typisch mein Vater. Er ist ein kleiner Diktator, wenn es darum geht, das Leben anderer zu bestimmen. Das Herrliche an meinem Plan ist aber, daß er nie erfahren wird, daß wir nicht zusammengelebt haben. Solange wir uns keinen Haushalt in Manhattan einrichten, wo er unerwartet hereinplatzen kann, hat er nicht den leisesten Schimmer über das, was wir tun.«
»Wir werden ganz bestimmt keinen Haushalt in Manhattan einrichten.«
Er war nicht so kooperativ, wie sie gehofft hatte, aber sie war Optimistin genug, um anzunehmen, daß er nur ein wenig mehr Überredung brauchte. »Ich weiß, mein Plan wird funktionieren.«
»Wollen sehen, ob ich dich richtig verstanden habe. Du erwartest von mir, daß ich dir die Hälfte von dem abtrete, was Max mir für die Heirat mit dir bezahlt hat?«
»Wieviel ist das eigentlich?«
»Nicht annähernd genug«, murmelte er.
Sie hatte es nie nötig gehabt zu schachern, und es jetzt tun zu müssen, ging ihr gewaltig gegen den Strich, aber sie hatte keine Wahl. »Wenn Sie darüber nachdenken, werden Sie sicher feststellen, daß das nur gerecht ist. Immerhin, wenn ich nicht wäre, hätten Sie keinen Penny.«
»Das heißt wohl, daß du vorhast, mir die Hälfte des Gelds aus dem Trustfonds zu geben, den er für dich einrichten will.«
»O nein, das habe ich ganz und gar nicht vor.«
Er stieß ein kurzes, bellendes Gelächter aus. »Hatte ich irgendwie auch nicht angenommen.«
»Sie mißverstehen mich. Ich zahle Ihnen das Geld zurück, sobald ich Zugang zu meinem Trust habe. Ich will das Geld bloß geliehen haben.«
»Und ich leih’s dir nicht.«
Da wußte sie, daß sie es vermasselt hatte. Sie besaß die schlechte Angewohnheit, von sich auf andere Leute zu schließen. Wenn sie zum Beispiel Alex Markov gewesen wäre, dann hätte sie sich ganz sicher das Geld geliehen, nur um sich loszuwerden.
Sie brauchte eine Zigarette. Ganz dringend. »Könnte ich meine Zigaretten wiederhaben? Ich bin sicher, daß nur die eine fehlerhaft war.«
Er holte die zerknitterte Packung aus seiner Hosentasche und gab sie ihr zurück. Sie zündete sich rasch eine an, schloß die Augen und inhalierte tief.
Da hörte sie ein Zischen, und als ihre Augen wieder aufflogen, stand die Zigarette auch schon in Flammen. Mit einem verzweifelten Keuchen ließ sie sie fallen. Wieder raffte Alex den Stummel und die brennenden Reste mit seinem Taschentuch zusammen.
»Vielleicht solltest du die Firma verklagen«, erklärte er milde.
Sie preßte die Hand an ihre Kehle. Vor Entsetzen und Überraschung brachte sie kein Wort heraus.
Er streckte den Arm aus und faßte ihr an den Busen. Sie fühlte seinen Daumen kurz über die innere Schwellung einer Brust streicheln und zuckte zurück. Gegen ihren Willen erhärtete sich die Brust unter dem Seidenblazer. Ihr Blick flog hilflos zu seinen unergründlichen goldenen Augen.
»Ein Funke«, sagte er.
Sie legte die Hand auf die Brust und spürte ihr Herz hämmern. Wie lange war es her, seit eine andere Hand als die ihre sie dort berührt hatte? Zwei Jahre, fiel ihr ein, seit ihrem letzten Besuch beim Frauenarzt.
Sie sah, daß sie am Flughafen angekommen waren, und raffte all ihren Mut zusammen. »Mr. Markov, Sie müssen einsehen, daß wir nicht wie Mann und Frau zusammenleben können. Wir sind einander vollkommen fremd. Die ganze Idee ist einfach lächerlich, und ich fürchte, ich muß darauf bestehen, daß Sie etwas kooperativer in der Sache sind.«
»Darauf bestehen?« sagte er milde. »Ich glaube nicht, daß du ein Recht hast, auf irgendwas zu bestehen.«
Sie richtete sich entrüstet auf. »Ich lasse mich nicht von Ihnen zu etwas zwingen, Mr. Markov.«
Er seufzte kopfschüttelnd und betrachtete sie mit einem mitleidigen Ausdruck, den sie keine Sekunde lang für aufrichtig hielt. »Ich hab gehofft, das nicht tun zu müssen, Engelchen, aber ich nehme an, ich hätte wissen müssen, daß es nicht so leicht sein würde mit dir. Vielleicht sollte ich dir am besten gleich sagen, wie der Hase läuft, damit du weißt, was du zu erwarten hast. Ob wir wollen oder nicht, wir sind für ein halbes Jahr miteinander verheiratet. Du kannst dich jederzeit aus dem Staub machen, wenn du willst, aber ohne meine Hilfe. Und falls du’s noch nicht gespannt hast, das hier wird keine dieser modernen Ehen, in denen alles besprochen und überall Kompromisse geschlossen werden, wie du’s aus all den Frauenzeitschriften kennst. Das hier wird eine altmodische Ehe.« Seine Stimme wurde noch sanfter, noch mitleidiger. »Und das heißt, Engelchen, daß ich der Boß bin und du tust, was ich dir sage. Wenn nicht, dann wirst du schon sehen, was passiert. Das Gute an der Sache ist, daß du nach den sechs Monaten tun kannst, was du willst. Mir ist das scheißegal.«
Ein Gefühl von Panik überfiel sie, und sie versuchte sie niederzukämpfen. »Drohungen mag ich nicht. Sie sagen mir besser gleich, was passiert, wenn ich nicht tue, was Sie wollen, anstatt vage Andeutungen zu machen.«
Er lehnte sich wieder zurück, und bei dem kleinen, dämonischen Lächeln, das um seinen Mund spielte, lief ihr ein eiskalter Schauder über den Rücken.
»Ach, Engelchen, das brauche ich gar nicht. Bis heute abend bist du ganz von selbst draufgekommen.«
Daisy kauerte in einer entfernten Ecke des Abflugschalters der USAir, in der winzigen Rauchersektion. Sie zog so hektisch an ihrer Zigarette, daß ihr ganz schwindlig wurde. Ihr Flug ging nach Charleston in South Carolina, wie sie entdeckt hatte, und das war eine ihrer Lieblingsstädte. Sie versuchte das als gutes Zeichen in einer Kette von Ereignissen zu nehmen, die von Minute zu Minute katastrophaler wurden.
Zuerst mal hatte sich der arrogante Mr. Markov geweigert, bei ihrem Plan mitzumachen. Dann hatte er ihr Gepäck sabotiert. Als der Chauffeur nur eine übervolle Reisetasche aus dem Kofferraum holte anstelle der Kofferparade, die sie gepackt hatte, hatte sie zuerst angenommen, daß es sich um ein Versehen handelte, doch Alex räumte rasch die Zweifel beiseite.
»Wir reisen mit leichtem Gepäck. Ich habe die Haushälterin gebeten umzupacken, während wir verheiratet wurden.«
»Sie hatten kein Recht dazu!«
»Wir nehmen die Sachen als Handgepäck, anstatt sie einzuchecken.« Er hatte seine eigene, viel kleinere Tasche aufgehoben, und sie hatte mit offenem Mund zugesehen, wie er davonspazierte, ohne weiter darauf zu achten, ob sie ihm folgte oder nicht. Sie hatte ihre unförmige Reisetasche kaum hochheben können und war mit wackeligen Fußgelenken auf ihren hohen Absätzen hinter ihm hergewankt. Verzweifelt und niedergeschlagen hatte sie sich bemüht, mit ihm Schritt zu halten, wobei sie sicher war, daß jeder ihr nachstarrte, wie sie mit löchrigen Nylons, versengtem Goldkleidchen und einer verwelkten Gardenie im Haar dahinstolperte.
Als er in der Herrentoilette verschwand, wollte sie sich rasch eine neue Packung Zigaretten kaufen, mußte jedoch zu ihrem Leidwesen feststellen, daß sie nur mehr einen einzigen Zehn-Dollar-Schein in ihrer Brieftasche hatte. Entsetzt erkannte sie, daß dies alles war, was ihr noch an Geld geblieben war. Ihre Bankkonten waren aufgelöst, ihre Kreditkarten gekündigt worden. Also steckte sie den Schein wieder in ihren Geldbeutel und schnorrte statt dessen eine Zigarette von einem gutaussehenden Geschäftsmann.
Gerade als sie sie ausdrückte, tauchte Alex aus der Toilette auf, und als sie sah, wie er angezogen war, sank ihr das Herz. Der maßgeschneiderte Anzug war einem vom vielen Waschen schon ganz weichen Jeanshemd gewichen und einer Jeans, die so ausgebleicht war, daß sie beinahe weiß aussah. Ausgefranste Hosenbeine fielen über abgetretene Cowboystiefel. Die Hemdsärmel hatte er hochgekrempelt, wobei zwei kräftige, tiefgebräunte Unterarme mit einem leichten Überzug aus schwarzen Haaren zum Vorschein kamen sowie eine goldene Uhr mit einem Lederarmband. Sie vergrub ihre Zähne in ihrer Unterlippe. Trotz all der Dinge, die ihr Vater ihr bis jetzt angetan hatte, wäre sie nie auf den Gedanken gekommen, daß er sie mit dem Marlboro-Mann verheiraten würde.
Er ging zu ihr, die Reisetasche lässig und locker schwenkend. Die enganliegenden Jeans enthüllten schmale Hüften und endlos lange Beine. Lani wäre außer sich gewesen. »Das war der letzte Aufruf. Komm.«
»Mr. Markov – bitte – Sie wollen das doch nicht wirklich durchziehen. Wenn Sie mir nur ein Drittel der Summe leihen würden, die mir rechtmäßig zusteht, dann könnten wir das hier hinter uns bringen.«
»Ich habe deinem Vater ein Versprechen gegeben, und ich halte immer mein Wort. Kann sein, daß ich altmodisch bin, aber für mich ist das eine Frage der Ehre.«
»Ehre! Sie haben sich an ihn verkauft! Sie haben sich von meinem Vater kaufen lassen! Was für eine Art Ehre ist das?«
»Max und ich haben einen Deal, und ich hab nicht die Absicht, mich zu drücken. Du kannst ihn natürlich brechen, wenn du unbedingt willst; ich werd dich nicht aufhalten.«
»Sie wissen, daß ich das nicht kann. Ich hab überhaupt kein Geld.«
»Dann also los.« Er holte ihre Flugscheine aus seiner Hemdtasche und wandte sich zum Gehen.
Sie besaß kein Bankkonto mehr, keine Kreditkarten, und ihr Vater hatte ihr ausdrücklich befohlen, sich nicht mehr bei ihm zu melden. Mit einem flauen Gefühl im Magen erkannte sie, daß ihr wohl keine andere Wahl blieb, als ihm zu folgen. Sie hievte ihre Reisetasche hoch.
Alex, der schon ein Stückchen vorausgegangen war, kam soeben an der letzten Stuhlreihe vorbei, in der ein Junge im Teenageralter saß und rauchte. Als ihr frischgebackener Ehemann den Jungen passierte, ging dessen Zigarette in Flammen auf.
Gut zwei Stunden später stand sie in der brütenden Nachmittagssonne auf dem Parkplatz des Flughafens von Charleston und musterte Alex’ schwarzen, vollkommen verstaubten Pickup, dessen Nummernschild so mit vertrocknetem Schlamm verkrustet war, daß man das Kennzeichen von Florida kaum mehr erkennen konnte.
»Wirf sie einfach auf die Ladefläche.« Alex ließ seine Tasche mit einer lässigen Armbewegung auf besagter Ladefläche landen, erbot sich jedoch nicht, dasselbe für sie zu tun, wie er sich auch nicht erboten hatte, ihr die Reisetasche aus dem Flugzeug zu tragen.
Sie preßte trotzig die Lippen zusammen. Wenn er dachte, daß sie ihn um Hilfe bitten würde, dann hatte er sich geschnitten. Ihre Arme schrien Protest, als sie versuchte, die bullige Reisetasche über die Seitenabgrenzung der Ladefläche zu hieven. Sie spürte seinen Blick im Rücken, und obwohl sie fürchtete, am Ende dankbar dafür zu sein, daß die Haushälterin ihres Vaters so viel in die eine Tasche gestopft hatte, so hätte sie in diesem Moment alles um eins von den kleinen, eleganten Louis-Vuitton-Reisetäschchen gegeben.
Sie packte den Taschengriff mit der einen und die Schlinge am Taschenboden mit der anderen Hand. Mit einem heftigen Ruck riß sie sie hoch.
»Brauchst du Hilfe?« fragte er mit geheuchelter Unschuldsmiene.
»Nein … danke«, grunzte sie vor Anstrengung.
»Bist du sicher?«
Sie hatte die Tasche nun bis auf Schulterhöhe gehievt und besaß nicht mehr genug Luft zum Antworten. Bloß noch ein paar Zentimeter. Sie wackelte auf ihren hohen Absätzen. Nur noch ein paar …
Mit einem verzweifelten Quieken fiel sie mitsamt der Tasche nach hinten. Sie jaulte auf, als sie auf dem Pflaster aufschlug und dann noch mal aus purer Wut. Das Gesicht zur blendenden Sonne aufgewandt, merkte sie, daß die Tasche ihren Fall abgefangen hatte, was der einzige Grund dafür war, daß sie sich nicht weh getan hatte. Außerdem merkte sie, daß sie in einer recht unattraktiven Stellung dahockte. Ihr Minikleid spannte sich über ihre Oberschenkel, ihre Knie waren zusammengepreßt und die Füße rechts und links nach hinten gespreizt.
Ein Paar abgewetzter Cowboystiefel tauchte in ihrem Augenwinkel auf. Ihr Blick glitt an jeansumhüllten langen Beinen hinauf, über eine breite Brust und schließlich zu zwei bernsteinfarbenen Augen, die sie belustigt anfunkelten. Sie raffte rasch ihre Würde und ihre Beine zusammen und stützte sich auf die Ellbogen. »Ich hab’s jedenfalls versucht.«
Sein Glucksen klang irgendwie rostig, als ob er es lange Zeit nicht gebraucht hätte. »Was du nicht sagst.«
»Ja, das sage ich.« Mit so viel Würde, wie sie aufbringen konnte, drückte sie sich noch ein wenig höher in eine sitzende Position. »Daran ist nur Ihr kindisches Verhalten schuld, und ich kann nur hoffen, daß es Ihnen leid tut.«
Er stieß ein bellendes Gelächter aus. »Du brauchst einen Wärter, Engelchen, keinen Ehemann.«
»Würden Sie bitte aufhören, mich so zu nennen!«
»Sei froh, daß ich dich nicht anders nenne.« Er schnappte sich den Taschengriff mit drei Fingern einer Hand und warf sie über die Abgrenzung auf die Ladefläche, als ob sie nicht mehr wöge als ihr Stolz. Dann zog er sie mit Schwung auf die Füße, sperrte die Wagentür auf und stieß sie in die brüllheiße Fahrerkabine.
Sie hatten den Flughafen bereits weit hinter sich gelassen und befanden sich nun auf einer zweispurigen Schnellstraße, die ins Landesinnere zu führen schien anstatt nach Hilton Head, wie sie gehofft hatte, als sie sich endlich wieder so weit über den Weg traute, um erneut den Mund aufmachen zu können.
Eine weite, ausgedörrte, mit Zwergpalmen und trockenem Unterholz bestandene Ebene erstreckte sich zu beiden Seiten der Straße, und bei der heißen Luft, die durch die offenen Wagenfenster hereinwehte, flatterte ihr das Haar nur so um die Wangen. Mit bewußt freundlicher Stimme meinte sie schließlich, das lange Schweigen unterbrechend: »Könnten Sie bitte die Klimaanlage einschalten? Der Wind bläst mich ja in alle Richtungen.«
»Die funktioniert schon seit Jahren nicht mehr.«
Vielleicht stumpfte sie ja allmählich ab, denn seine Antwort überraschte sie nicht. Meile um Meile zog an ihnen vorbei, und die Besiedlung wurde immer dünner. Noch einmal stellte sie ihm die Frage, die er nicht hatte beantworten wollen, als sie aus dem Flugzeug ausstiegen. »Würden Sie mir bitte sagen, wo wir hinfahren?«
»Ist wahrscheinlich besser für deine Nerven, wenn du wartest, bis du’s mit eigenen Augen siehst.«
»Klingt nicht gerade gut.«
»Laß es mich so sagen. Eine Cocktail-Lounge gibt’s da nicht.«
Jeans, Cowboystiefel, Pickup mit Florida-Kennzeichen. Vielleicht war er ja ein Rancher! Sie wußte, daß es viele reiche Rinderzüchter in Florida gab. Vielleicht nahmen sie ja den längeren Weg nach Süden. Bitte, lieber Gott, mach, daß er ein Rancher ist. Wie in Dallas. Wunderschönes Haus, schicke Kleider, Sue Ellen und J.R. eingeölt am Swimmingpool .
»Sind Sie ein Rancher?«
»Seh’ ich etwa so aus?«
»Im Moment klingen Sie wie ein Psychiater. Sie beantworten eine Frage mit einer Frage.«
»Da kenn’ ich mich nicht aus. Hab’ nie einen gebraucht.«
»Natürlich nicht. Sie sind ganz offensichtlich viel zu normal.« Sie meinte das sarkastisch, war aber leider nicht sehr gut darin, und es sah aus, als hätte er die Bemerkung überhaupt nicht registriert.
Sie blickte auf die hypnotisch gerade dahinführende Schnellstraße. Rechts sah sie ein heruntergekommenes Haus mit einem vertrockneten Baum davor, an dem mehrere Futterhäuschen aus Flaschenkürbissen hingen. Die heiße Luft blies ihr ins Gesicht.
Sie schloß die Augen und versuchte sich vorzustellen, daß sie den Rauch einer Zigarette inhalierte. Bis jetzt war ihr nicht klar gewesen, wie süchtig sie bereits nach Nikotin war. Sobald die Dinge sich ein wenig beruhigt hatten, würde sie aufhören. Auf jeden Fall. Sie war auf dem Weg in eine völlig neue Umgebung und würde ein paar Regeln für sich aufstellen. Zum Beispiel würde sie nie im Ranchhaus selbst rauchen. Wenn sie eine Zigarette brauchte, würde sie hinaus auf die Veranda gehen oder in einem Liegestuhl am Pool rauchen.
Während sie langsam einschlummerte, schickte sie noch mal ein Stoßgebet gen Himmel. Bitte, lieber Gott, mach, daß es dort eine Veranda gibt. Mach, daß es einen Pool gibt …
Irgendwann später wurde sie durch das ruckartige Anhalten des Pickup aufgeweckt. Sie schrak hoch, machte die Augen auf und stieß ein ersticktes Keuchen aus.
»Stimmt was nicht?«
»Bitte sagen Sie mir, daß das eine Halluzination ist.« Mit zittrigem Finger deutete sie auf ein sich bewegendes Objekt auf der anderen Seite der Windschutzscheibe.
»Wär eine ziemlich dicke Halluzination, wenn das stimmen würde.«
Ein Elefant. Ein wirklicher, lebendiger Elefant. Das Monstrum nahm gerade ein Büschel Heu mit dem Rüssel auf und warf es sich auf den Rücken. Sie starrte in die gleißende Nachmittagssonne und betete, daß sie noch schlief und das nur ein Traum war. Ein Alptraum. »Wir halten hier an, weil Sie mich mit in den Zirkus nehmen wollen, stimmt’s?«
»Nicht ganz.«
»Sie wollen allein zur Vorstellung gehen?«
»Nö«
Ihr Mund war staubtrocken, und sie brachte die Worte kaum heraus. »Ich weiß, Sie mögen mich nicht, Mr. Markov, aber bitte sagen Sie nicht, Sie arbeiten hier.«
»Ich bin der Manager.«
»Sie managen einen Zirkus«, wiederholte sie schwach.
»Genau.«
Geschockt sank sie gegen die Sitzlehne zurück, doch selbst ihr unverwüstlicher Optimismus konnte an dieser Situation nichts Positives entdecken.
Auf dem brütenden Freiplatz standen ein großes, rotblaugestreiftes Zelt, mehrere kleinere Zelte und eine Anzahl Wohn- und Lastwagen. Der größte Wohnwagen war ebenfalls rotblau-gestreift, und außerdem prangte darauf in roter Inschrift QUEST BROTHERS CIRCUS, EIGENTÜMER: OWEN QUEST. Zusätzlich zu einer Reihe von Elefanten mit eisernen Fußfesseln erblickte sie außerdem ein Lama, ein Kamel, mehrere große Tierkäfige und jede Menge zwielichtiger Gestalten, inklusive einiger schmutzig aussehender Männer, denen zumeist die Vorderzähne fehlten.
Ihr Vater war immer ein Snob gewesen. Er liebte alte Stammbäume und Adelstitel. Er selbst prahlte damit, von einer der großen aristokratischen Familien aus dem zaristischen Rußland abzustammen. Die Tatsache, daß er seine einzige Tochter einem Mann gab, der in einem Zirkus arbeitete, hätte keine klarere Botschaft über die Gefühle, die er ihr gegenüber empfand, abgeben können.
»Ist nicht gerade Ringling Brothers.«
»Das sehe ich«, erwiderte sie schwach.
»Quest Brothers sind das, was man gemeinhin als Schlammshow bezeichnet.«
»Wieso?«
Seine Antwort besaß einen diabolischen Unterton. »Das wirst du noch früh genug rausfinden.«
Er fuhr den Wagen zwischen eine Reihe anderer, stellte die Zündung ab und stieg aus. Bevor sie ganz herausgeklettert war, hatte er auch schon ihre beiden Reisetaschen von der Ladefläche genommen und sich auf den Weg gemacht.
Sie stolperte ungeschickt hinter ihm her, und ihre hohen Absätze versanken im Sand, der über den unebenen Boden gestreut worden war. Alle, die sie sahen, hielten mit ihrer Beschäftigung inne und starrten sie an. Das Loch in ihren Seidenstrümpfen war inzwischen größer geworden, so daß nun ihr ganzes Knie durchguckte, ihr Seidenblazer war voller Brandflecken und hing ihr von einer Schulter, und ihr Schuh versank in etwas, das sich verdächtig weich anfühlte. Mit einem Gefühl zunehmender Mutlosigkeit blickte sie nach unten, nur um zu sehen, daß sie genau in das getreten war, was sie befürchtet hatte.
»Mr. Markov!«
Ihr Schrei besaß etwas Hysterisches, doch er schien sie nicht zu hören, sondern marschierte vielmehr ungerührt auf eine Reihe von Wohnwagen und Mobilheimen zu. Sie wischte die Schuhsohle, so gut sie konnte, an der sandigen Erde ab, was sie prompt noch mehr verklebte. Mit einem erstickten Laut setzte sie sich erneut in Bewegung.
Er näherte sich zwei dicht beieinanderstehenden Trailern. Der nächststehende war ein hochmodernes, silbernes Ungetüm mit einer Satellitenschüssel auf dem Dach. Daneben stand ein heruntergekommener, rostiger alter Trailer, der in einem früheren Leben vielleicht einmal grün gewesen sein mochte.
Bitte laß ihn zu dem modernen Wohnwagen gehen und nicht zu diesem abscheulichen alten Schrotthaufen. Bitte laß ihn …
Er blieb vor dem kotzgrünen Trailer stehen, machte die Tür auf und verschwand im Innern. Sie stöhnte und merkte dann, daß sie bereits so abgestumpft war, daß sie nicht einmal das mehr überraschte.
Einen Augenblick später tauchte er wieder im Türrahmen auf und sah zu, wie sie schwankend näher kam. Als sie die verbogene Metallstufe erreicht hatte, die in den Trailer hineinführte, lächelte er sie zynisch an. »Home Sweet Home, Engelchen. Soll ich dich über die Schwelle tragen?«
Trotz seines Sarkasmus’ wählte sie ausgerechnet diesen Moment, um sich daran zu erinnern, daß sie noch nie über eine Schwelle getragen worden war, und ungeachtet der Umstände war dies nun mal ihr Hochzeitstag. Vielleicht würde eine kleine Verbeugung vor der Sentimentalität ihnen beiden ja guttun und noch ein wenig von diesem katastrophalen Tag retten.
»Ja, bitte.«
»Du machst Witze.«
»Sie müssen nicht, wenn Sie nicht wollen.«
»Ich will nicht.«
Sie versuchte ihre Enttäuschung herunterzuschlucken. »Also gut.«
»Das ist ’n verdammter Trailer!«
»Das sehe ich.«
»Ich glaub nicht, daß Trailer überhaupt Türschwellen haben.«
»Wenn etwas eine Tür hat, dann hat es auch eine Türschwelle. Selbst ein Iglu hat eine Türschwelle.«
Aus dem Augenwinkel konnte sie sehen, daß sich allmählich eine Menschenansammlung bildete. Alex bemerkte es ebenfalls. »Jetzt komm schon rein.«
»Sie sind derjenige, der sich erboten hat.«
»Ich hab’s ironisch gemeint.«
»Ist mir schon aufgefallen, daß Sie das oft sind. Falls es Ihnen noch niemand gesagt hat, es ist eine nervtötende Angewohnheit.«
»Jetzt komm rein, Daisy.«
Irgendwie war etwas, das ganz impulsiv begonnen hatte, zu einem Willenskampf geworden. Sie stand am Fuß der Stufen, ihre Knie schlotterten vor Angst, aber sie war nicht bereit, in dieser Sache auch nur einen Zentimeter nachzugeben. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie zumindest diesen Brauch ehren würden.«
»Himmelherrgottnochmal.« Er sprang herunter, schwang sie auf seine Arme und trug sie hinein, wobei er der Tür hinter sich einen Fußtritt versetzte. Er stellte sie auf die Füße, kaum daß sie zugefallen war.
Bevor sie entscheiden konnte, ob sie dieses Scharmützel gewonnen oder verloren hatte, wurde sie sich ihrer Umgebung gewahr und vergaß mit einem Mal alles andere. »Ach du liebe Güte.«
»Du verletzt meine Gefühle, wenn du jetzt sagst, daß es dir nicht gefällt.«
»Es ist abscheulich.«
Von innen sah der Trailer sogar noch schlimmer aus als von außen. Es war eng wie in einer Sardinenbüchse, bloß daß es hier nach Milben, Altersschwäche und abgestandenem Essen roch. Direkt vor ihr befand sich eine winzige Küche, deren blaue Plastikarbeitsfläche schon ganz verblichen und zerkratzt war. Schmutziges Geschirr war in dem winzigen Spülbecken gestapelt, und eine rostige Pfanne stand auf einem Herd, dessen Backrohr mit Draht zugehalten wurde. Der vollkommen durchgelaufene Teppich war wohl früher einmal goldfarben gewesen, doch nun konnte man ihn nur mehr mit den Farben von gewissen Eingeweideprodukten vergleichen. Rechts von der Küche war der verblaßte Karoüberzug einer Miniaturcouch unter dem Stapel von Büchern, Zeitungen und Männerkleidung kaum zu erkennen. Sie sah einen zerkratzten, abgesplitterten Kühlschrank, Oberschränke, deren Laminat bereits abging, und ein einziges ungemachtes Bett.
Sie fuhr herum und suchte nach dem zweiten. »Wo sind die anderen Betten?«
Er betrachtete sie ungerührt und trat dann um die Reisetaschen herum, die er mitten auf dem Teppich abgestellt hatte. »Das ist ein Wohnwagen, Engelchen, nicht eine Suite im Ritz. Mehr, als was du siehst, ist nicht.«
»Aber –« Sie klappte den Mund wieder zu. Ihre Kehle war wie ausgedörrt, und ihr Magen krampfte sich angstvoll zusammen.
Das Bett nahm den größten Raum der einen Trailerhälfte ein; es war vom Rest der Einrichtung mittels eines durchhängenden Drahts mit einem braunen Vorhang daran getrennt, der im Moment ganz zur Seite geschoben war. Auf dem zerwühlten Bett lagen weitere Kleidungsstücke, ein Badetuch und etwas, das aus der Entfernung wie ein dicker schwarzer Gürtel aussah.
»Die Matratze ist echt bequem«, sagte er.
»Also mir genügt die Couch.«
»Von mir aus.«
Sie hörte ein metallisches Klappern und drehte sich um. Er lud gerade den Inhalt seiner Taschen auf die Küchenanrichte: Wechselgeld, Autoschlüssel, Brieftasche. »Ich hab bis vor einer Woche in einem anderen Trailer gelebt, aber der war zu klein für zwei Leute, also hab’ ich diesen hier beschafft. Leider hatte ich noch keine Zeit, meinen Innendekorateur anzurufen.« Er wies mit einem Kopfnicken nach hinten. »Der Donnicker ist da. Ist das einzige, was ich bis jetzt saubermachen konnte. Du kannst versuchen, dein Zeug in dem Schrank hinter dir unterzubringen. Die Spec fängt in ’ner Stunde an; halt dich von den Elefanten fern.«
Donnicker? Spec?
»Ich glaub wirklich nicht, daß ich so leben kann«, sagte sie. »Das ist ein Saustall.«
»Da hast du ausnahmsweise recht. Ich denke, hier fehlt ’ne weibliche Hand. Putzmittel sind unter der Spüle.«
Er ging an ihr vorbei zur Tür, dann hielt er inne. Bevor sie richtig merkte, wie ihr geschah, war er zur Anrichte zurückgegangen und hatte seine Brieftasche wieder eingesteckt.
Sie war zutiefst entrüstet. »Ich stehle nicht.«
»Sicher tust du das nicht. Und wir wollen dafür sorgen, daß es auch so bleibt.« Sein Oberkörper streifte ihren Arm, als er sich umdrehte, um an ihr vorbei zur Tür zu gehen. »Heute ist Vorstellung um fünf und um acht. Sieh zu, daß du bei beiden bist.«
»Also Moment mal! Ich kann nicht in diesem Saustall bleiben, und ich weigere mich, Ihren Dreck aufzuräumen!«
Er blickte abwesend auf seine Schuhspitze und dann wieder auf sie. Sie sah in seine hellen, goldenen Augen und verspürte ein ängstliches Schaudern, doch daneben auch etwas, das sie lieber nicht zu genau untersuchen wollte.
Er hob langsam die Hand, und sie zuckte zusammen, als er sie sanft um ihren Hals legte. Sie fühlte, daß sein Daumen ein wenig rauh war, als er damit sanft, ja beinahe liebevoll über die Einbuchtung unter ihrem Ohr streichelte. »Hör zu, Engelchen«, sagte er leise. »Wir können das hier auf die leichte oder die harte Tour machen. Aber ich gewinne in jedem Fall. Die Entscheidung liegt bei dir.«
Ihr Blicke verhakten sich ineinander. Einen Moment, der ihr endlos lange vorkam, forderte er wortlos ihre Unterwerfung. Seine Augen schienen sich bis in ihr Innerstes zu bohren, durch ihre Kleidung, ihre Haut, so daß sie sich vollkommen nackt und verwundbar vorkam, all ihre Schwächen vor ihm ausgebreitet. Am liebsten wäre sie davongelaufen und hätte sich irgendwo versteckt, aber seine schiere Willenskraft nagelte sie fest.
Seine Hand strich über ihren Hals und schob dann den steifen Blazer von ihren Schultern. Er fiel wispernd zu Boden. Er fuhr mit dem Finger unter den goldenen Träger ihres Kleidchens und schob ihn ebenfalls herunter. Sie hatte keinen BH an – das war bei diesem Kleid nicht möglich –, und ihr Herz fing wie wild an zu hämmern.
Mit der Fingerspitze zog er den zarten Stoff so weit herunter, bis er an ihrer Brustwarze hängenblieb. Dann beugte er sich nieder und nahm das zarte Fleisch, das er soeben freigelegt hatte, zwischen seine Zähne.
Ihr stockte der Atem, als sie seinen Liebesbiß fühlte. Es hätte eigentlich weh tun müssen, doch ihre Nervenenden registrierten den kleinen Biß als lustvoll. Sie fühlte seine Hand über ihr Haar streichen, und dann wandte er sich von ihr ab, einfach so, nachdem er seine Markierung auf ihr hinterlassen hatte, wie ein wildes Tier. Da fiel ihr auf einmal ein, woran sie seine Augen erinnerten. An eine große Raubkatze.
Die Trailertür schwang in den Angeln. Er trat hinaus und blickte zu ihr zurück. Die Gardenie, die er aus ihrem Haar gestohlen hatte, entfiel seiner Hand.
Dabei ging sie in Flammen auf.
Daisy schmetterte die Tür zu, damit sie die brennende Gardenie nicht mehr sehen mußte, und preßte die Hand auf ihre Brust. Was für ein Mann war das, der sogar über das Feuer herrschte?
Während sie unter ihrer Hand ihr Herz hämmern spürte, gemahnte sie sich daran, daß dies ein Zirkus war, ein Ort der Illusionen. Er mußte über die Jahre ein paar Zaubertricks aufgeschnappt haben; kein Grund, gleich die Phantasie davongaloppieren zu lassen.
Sie berührte den kleinen roten Abdruck auf ihrem Brustansatz, und ihre Brustwarze zog sich erregt zusammen.
Sie sah das ungemachte Bett an und sank auf einen der Stühle am eingebauten Küchentischchen. Die Ironie ihrer Situation war einfach unfaßbar.
Meine Tochter hebt sich für die Ehe auf. Diese Bemerkung pflegte Lani als Gesprächsstoff beim Dinner in die Runde zu werfen, um ihre Gäste zu amüsieren, während Daisy heftig an ihrer Verlegenheit schluckte und tat, als würde sie mit den anderen mitlachen. Lani hatte schließlich mit ihren öffentlichen Verkündigungen aufgehört, als Daisy dreiundzwanzig wurde, weil sie fürchtete, ihre Freunde könnten glauben, ihre Tochter sei nicht ganz normal.