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Lady Trents Entdeckungen in Akhien sind der Stoff romantischer Legenden und haben sie von akademischer Bedeutungslosigkeit zu weltweitem Ruhm katapultiert. Die Details ihres Privatlebens während jener Zeit sind ebenso bekannt und haben bis über die Landesgrenzen hinaus für Aufregung gesorgt. Doch, wie es in der Karriere dieser schillernden Frau so oft der Fall ist, ist die Geschichte, welche die Öffentlichkeit kennt, bei Weitem nicht vollständig. Der abschließende, fünfte Band enthüllt endlich die Wahrheit hinter Lady Trents berühmt-berüchtigstem Abenteuer: Sie trotzte dem höchsten Gebirge der Welt, das weit hinter dem Territorium von Scirlands Feinden liegt und machte dort im Heiligtum der Schwingen eine überraschende Entdeckung.
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Seitenzahl: 481
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MARIEBRENNAN
Ins Deutsche übersetzt vonAndrea Blendl
Die deutsche Ausgabe von LADY TRENTS MEMOIREN 5: IM REFUGIUM DER SCHWINGEN wird herausgegeben von Amigo Grafik, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.
Herausgeber: Andreas Mergenthaler und Hardy Hellstern,
Übersetzung: Andrea Blendl; verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde;
Lektorat: Kerstin Feuersänger; Korrektorat: André Piotrowski; Satz: Rowan Rüster/Amigo Grafik;
Illustrationen Innenteil: Todd Lockwood, Karte: Rhys Davies,
Printausgabe gedruckt von CPI Moravia Books s.r.o., CZ-69123 Pohořelice.
Printed in the Czech Republic.
Titel der Originalausgabe:
THE MEMOIRS OF LADY TRENT 5: WITHIN THE SANCTUARY OF WINGS
Copyright © 2017 by Bryn Neuenschwander
German translation copyright © 2019, by Amigo Grafik GbR.
Print ISBN 978-3-95981-694-6 (März 2019)
E-Book ISBN 978-3-95981-695-3 (März 2019)
WWW.CROSS-CULT.DE
VORWORT
TEIL EINS
EINS
ZWEI
DREI
VIER
TEIL ZWEI
FÜNF
SECHS
SIEBEN
ACHT
NEUN
TEIL DREI
ZEHN
ELF
ZWÖLF
DREIZEHN
TEIL VIER
VIERZEHN
FÜNFZEHN
SECHZEHN
SIEBZEHN
TEIL FÜNF
ACHTZEHN
NEUNZEHN
ZWANZIG
EINUNDZWANZIG
NACHWORT
Den letzten Band seiner eigenen Memoiren zu schreiben, ist eine sehr seltsame Erfahrung. Dieses Buch zeichnet nicht das Ende meines Lebens auf, weil ich noch nicht tot bin. Tatsächlich bin ich immer noch heil genug, um mich auf viele kommende Jahre freuen zu dürfen. Es zeichnet nicht einmal das Ende meiner Karriere nach: Ich habe seit den Ereignissen, die hier beschrieben werden, viele große Taten vollbracht und bin auf einige davon ziemlich stolz.
Ich vermute allerdings, dass jegliche Fortsetzungen für den Leser eine unvermeidliche Enttäuschung würden. Verglichen mit dem, was vorausgegangen ist, war mein Leben in den letzten Jahrzehnten recht ruhig. Furchterregende Erlebnisse waren dünn gesät, der Klatsch über mein Privatleben ist schon lange schal geworden, und obwohl ich sehr stolz auf das bin, was ich über die Verdauungsgewohnheiten des sogenannten »Meteordrachens« im nördlichen Otholé erfahren habe, erwarte ich nicht, dass irgendjemand außer engagierten Drachenforschern diese interessant findet. (Und derartige Persönlichkeiten können natürlich meine akademischen Veröffentlichungen lesen, um ihren Wissensdurst zu stillen.) Dieses Buch ist nicht der Abschluss meiner Geschichte, aber es ist der Abschluss einer Geschichte: der Geschichte darüber, wie mein Interesse an Drachen mich zu der Reihe an Entdeckungen führte, die mich auf der ganzen Welt berühmt gemacht haben.
Ihnen, meinen Lesern, die mit dem Abschluss der Geschichte bereits vertraut sind, muss die Version von mir selbst, die ich in diesen gesamten Memoiren präsentiert habe, schrecklich dumm und schwerfällig erscheinen. Betrachten Sie mich so wie eine unserer Vorfahren, die noch glaubten, dass sich die Sonne um die Erde dreht: Ich konnte nur aus den Beweisen, die mir vorlagen, Schlüsse ziehen, und diese Beweise waren viele Jahre lang unvollständig. Erst als ich die letzten Puzzleteile hatte, konnte ich das Ganze sehen, und jene letzten Teile zu erlangen, bedurfte es einer großen Menge an Mühen (ganz zu schweigen von Gefahren für Leib und Leben). Ich habe hier versucht, die Welt wieder so zu erschaffen, wie sie mir damals erschien, ohne zu erlauben, dass sie zu sehr von heutigem Wissen beeinflusst wird. Für die unvermeidlichen Ungenauigkeiten und Auslassungen, die dazu nötig waren, entschuldige ich mich.
Aber wir dürfen nicht vorauseilen. Ehe wir das Ende meiner Reise erreichen, gibt es mehr zu erzählen: die wissenschaftlichen Fortschritte jener Zeit, die verschiedenen Konflikte, die man schließlich den Luftkrieg taufte, und die schicksalhafte Begegnung, die mich in die schwindelerregenden Höhen des Mrtyahaimagebirges ziehen ließ. Ich hoffe, meine Worte können Ihnen auch nur ein Viertel des schieren Staunens und der Bewunderung, die ich empfand, vermitteln – und vielleicht auch einen Bruchteil der Ängste. Immerhin können Sie den wahren Wert dieser Münze nur erkennen, wenn Sie beide Seiten sehen.
Isabella, Lady TrentCasselthwaite, Linshire · 10. Ventis 5662
In welchem die Memoirenschreiberin einenhöchst unerwarteten Verbündeten gewinnt
Leben als Dame – Eine Vorlesung in der Caffrey Hall –Die Studentin meines Ehemanns – Der Stand unseres Wissens –Suhails Theorie – Ein ausländischer Besucher
Mitglieder des Hochadels benehmen sich, wie ich Ihnen wohl kaum erklären muss, nicht immer gut. Nach meinem Aufstieg in deren Reihen hätte ich wohl zügellos werden und meinen Wohlstand auf Arten verspielen können, die von respektabel bis zu etwas ganz anderem rangierten. Ich hätte mich in die gesellschaftliche Welt der Aristokratie stürzen und meine Tage mit Besuchen in den Salons anderer Damen und dem Klatsch über Mode und Skandale füllen können. Ich hätte mich, wäre ich ein Mann, in die Politik einmischen und versuchen können, mir einen Platz im Gefolge eines einflussreicheren Kameraden zu sichern.
Ich kann mir vorstellen, dass mittlerweile sehr wenige meiner Leser überrascht sein werden, wenn sie hören, dass ich all diese Dinge unterlassen habe. Ich habe nie sehr zum Spielen geneigt (zumindest nicht mit meinem Geld), ich finde sowohl Mode als auch Skandale extrem langweilig, und meine Beschäftigung mit der Politik habe ich immer so weit wie möglich eingeschränkt.
Natürlich bedeutet das nicht, dass ich mich gänzlich aus solchen Angelegenheiten heraushielt. Es wäre akkurater zu sagen, dass ich mir selbst etwas vormachte: Sicherlich war es, wie ich argumentierte, überhaupt nicht politisch, bestimmte Ziele zu verfolgen. Zugegeben, ich half Lucy Devere, die seit Jahren unermüdlich für das Frauenwahlrecht gekämpft hatte, mit meinem Namen und meiner Befürwortung, und ich konnte dabei nichts anderes als eine politische Motivation vorgeben. Mein Name hatte damals bereits eine gewisse Aura, und meine Fürsprache war zu einem bedeutenden Vorteil geworden. Immerhin, war ich nicht die berühmte Lady Trent, die Frau, die die Schlacht von Keonga gewonnen hatte? War ich nicht mit einer eigenen Armee nach Point Miriam marschiert, als die Ikwunde in Bayembe eingefallen waren? Hatte ich nicht die Geheimnisse der drakoneischen Sprache entschlüsselt, die seit dem Fall jenes Reiches nicht mehr entziffert worden war?
Die Antwort auf all diese Fragen war natürlich Nein. Die populäre Geschichte meines Lebens hat die Realität immer recht deutlich überstrahlt. Ich war mir dieses Strahlens bewusst und fühlte mich verpflichtet, es zu nutzen, wann und wo ich konnte.
Doch sicherlich waren die anderen Zwecke, für die ich es verwendete, nur akademisch. Zum Beispiel half ich dabei, die Trent-Akademie für Mädchen in Falchester zu gründen, die ihre Schülerinnen nicht nur in den üblichen weiblichen Fähigkeiten wie Musik und Literatur, sondern auch in Mathematik und verschiedenen naturwissenschaftlichen Fächern ausbildete. Als die Merritford-Universität anfing, die ersten Abschlüsse in Drakonologie zu verleihen, stiftete ich gerne den Trent-Lehrstuhl für jenes Fach. Ich schenkte der Internationalen Bruderschaft für drakonische Forschung, einem Sprössling aus der Arbeit, die Sir Thomas Wilker und ich im Dar al-Tannaneen in Qurrat begonnen hatten, sowohl finanzielle als auch gesellschaftliche Unterstützung. Weniger formell ermutigte ich das Wachstum der Fliegenden Universität, bis sie ein Netzwerk aus Freundschaften und Leihbüchereien in ganz Scirland bildete und in diesem Netz sehr viele Leute auffing, die ansonsten keinen Zugang zu solchen Bildungsmöglichkeiten gehabt hätten.
Solche Dinge häufen sich, Stück für Stück, und man bemerkt erst, wenn es zu spät ist, dass sie ein ganzes Leben verschlungen haben.
An jenem Tag, an dem ich eine gewisse Vorlesung in der Caffrey Hall besuchen ging, hing ich im Zeitplan hinterher, was in meinem Leben der übliche Zustand geworden war. Tatsächlich war der einzige Grund, warum ich sie nicht gänzlich verpasste, der, dass ich mir eine phänomenal hässliche Uhr gekauft hatte, deren einziger Vorzug – die meisten würden es einen Makel nennen – ihr unerträglich lautes Bimmeln war. Dies war die einzige Kraft, die dazu fähig war, mich aus dem Nebel meines Briefschreibens zu reißen, denn unser Butler war kürzlich in die Armee eingetreten, unsere Haushälterin war fortgegangen, um für ihre gealterte Mutter zu sorgen, und ich war mit den Ersatzleuten noch nicht vertraut genug, um mich darauf zu verlassen, dass sie mich mit Gewalt aus meinem Studierzimmer zerren würden.
Allerdings hatten sie die Kutsche bereit gemacht, als ich die Treppe hinuntergerannt kam, und binnen kürzester Zeit war ich auf dem Weg zur Caffrey Hall. Damals war ich dankbar, weil ich tief enttäuscht gewesen wäre, wenn ich die Vorlesung verpasst hätte. Im Rückblick hätte ich noch wesentlich mehr verpasst.
Das Gedränge auf der Straße draußen war so groß, dass ich meinen Kutscher um die Ecke dirigierte, wo ich ausstieg und den Saal durch einen Seiteneingang betrat. Dies brachte mich meinem ersten Ziel viel näher, das ein Raum neben dem eigentlichen Vorlesungssaal war. Ich drückte mein Ohr an die Tür und hörte drinnen eine Stimme murmeln, was mich davor warnte, ihn durch Klopfen zu stören. Stattdessen schob ich vorsichtig die Tür auf und schlüpfte leise hinein.
Suhail lief in einem engen Kreis durch das Zimmer, lose Blätter in einer Hand, während die andere mit dem Rand seiner ungebundenen Krawatte spielte, und murmelte mit leiser, hektischer Stimme vor sich hin. Es war seine Angewohnheit, vor jedem Vortrag seine Punkte ein letztes Mal durchzugehen. Als er jedoch mich sah, blieb er stehen und holte seine Taschenuhr heraus. »Ist es so weit?«
»Noch nicht«, sagte ich. Man konnte es an dem Lärm, der sogar durch die Tür hörbar war, nicht erkennen. »Ich bin aber furchtbar verspätet. Es gab einen neuen Bericht aus dem Dar al-Tannaneen.«
Dies war das Heim der Internationalen Bruderschaft für drakonische Forschung, und der Bericht handelte von den Arbeiten zur Honigsucherzucht, die die Grenzen der Labilität in der Entwicklung feststellten. Tom Wilker und ich hatten dieses Prinzip während unserer Zeit dort durch reinen Zufall entdeckt, als wir festzustellen versuchten, wie viele Abweichungen von den gewohnten Umwelteinflüssen ein Drachenei aushalten konnte, ohne abzusterben oder einen fehlgebildeten Organismus hervorzubringen. Weitere Forschung hatte bestätigt, dass das Problem nicht so sehr eine Fehlbildung, sondern eine Mutation war, welche (im Erfolgsfall) die resultierende Kreatur ihrer erwarteten Umwelt anpasste.
Natürlich war die Theorie noch nicht allgemein anerkannt. Keine solche Theorie ist das je: Es hat erstaunlich lange gedauert, bis sich das Konzept von Krankheitskeimen durchgesetzt hatte, obwohl es den Vorteil hat, Leben zu retten. Ich kann für meine eigene Theorie kein derart grandioses Resultat behaupten. Ganz langsam jedoch, eine Generation Honigsucher nach der anderen, legte die Arbeit der Bruderschaft eine Grundlage, die selbst die skeptischsten Kritiker nicht widerlegen konnten.
Suhails Miene erhellte sich zu einem Lächeln. »Ich würde sagen, ich bin überrascht …«
»… aber das wäre eine Lüge. Sie haben eine neue Idee, wie man das Wachstum größerer Honigsucher ermutigen könnte. Ich musste sie lesen und sehen, ob ich irgendwelche Ratschläge anbieten kann. Wo ich gerade davon spreche: Brauchst du irgendetwas, bevor du dich den Wölfen vorwirfst?«
Er drehte sich um und legte die Papiere, die er hielt, in eine Ledermappe, damit seine Hand sie nicht mit Schweiß beflecken oder zerknittern würde. »Ich glaube, es geht selbst über deine wahnsinnigen Talente hinaus, einen zweiten Kataraktstein für mich aufzutreiben, der genau das ist, was ich wirklich am dringendsten brauche.«
Ein zweites derartiges Artefakt mochte vielleicht existieren, aber wir hatten schon Glück gehabt, dass wir das erste gefunden hatten, und konnten auf eine Wiederholung dieses glücklichen Zufalls nicht zählen. Der Kataraktstein, über den ich im Dschungel von Mouleen gestolpert war, war das wertvollste Geschenk für Linguisten, ein zweisprachiger Text: Seine obere Hälfte war in der unentzifferbaren drakoneischen Schrift verfasst und seine untere Hälfte im viel entzifferbareren Ngaru. Indem wir von der Annahme ausgegangen waren, dass die beiden Hälften denselben Text enthielten, hatten wir zum ersten Mal entschlüsseln können, was in einer drakoneischen Inschrift stand.
Weil ich selbst keine Linguistin war, hatte ich in meiner Einfalt angenommen, dass das reichen würde – dass die drakoneische Sprache nun, wo die Tür so geöffnet war, sogleich ihre Geheimnisse wie eine Blüte entfalten würde. Doch natürlich war es nicht so simpel. Wir konnten den Kataraktstein nicht wirklich lesen. Wir wussten nur, was da stand, was uns nicht dabei half, irgendeinen anderen Text zu entschlüsseln. Er gab uns einen Anhaltspunkt, nichts weiter.
Und auch wenn ein Anhaltspunkt wesentlich mehr war, als wir in der Vergangenheit gehabt hatten, bot er uns nur eine kleine Grundlage, während wir nach dem nächsten Schritt suchten. Suhail hob eine Hand, um sich durchs Haar zu streichen, dann bemerkte er, dass dies seine Frisur durcheinanderbringen würde, und ließ seine Hand wieder sinken. »Ohne einen sichereren Rahmen für die gesamte Silbenschrift«, sagte er, »ist vieles von dem, was ich heute zu sagen habe, eine Vermutung.«
»Eine höchst wissenschaftliche Vermutung«, erinnerte ich ihn und streckte meine Arme aus, um seine Krawatte zu binden. Ich musste das nicht für ihn tun. Als er angefangen hatte, sich auf scirländische Art zu kleiden, hatte er geschworen, dass er nicht die Art Adliger sein würde, der nicht einmal seine eigene Krawatte binden konnte. Außerdem gefielen ihm natürlich die komplizierten Knoten und Falten nicht, die die Dandys meiner Nation in jenen Tagen so liebten. Trotzdem lag ein einfaches Vergnügen in der Erledigung dieser Aufgabe, bei der ich fühlte, wie sich seine Atemzüge hoben und senkten, während ich den Stoff faltete und an seinen Platz steckte.
»Dennoch nur eine Vermutung«, sagte er, während ich arbeitete.
»Wenn du falschliegst, dann werden wir es mit der Zeit feststellen. Die Hypothese wird sich nicht als stichhaltig erweisen. Aber du liegst nicht falsch.«
»So Gott will.« Er küsste mich auf die Stirn und trat zurück. Ob in einem scirländischen Gehrock oder einem akhischen Kaftan, mein Mann bot einen feinen Anblick – besonders in solchen Augenblicken, wenn sich seine Gedanken akademischen Themen widmeten. Die Herzen mancher Damen werden vom Geschick beim Tanzen gefangen, andere durch Poesie oder extravagante Geschenke. Es wird niemanden überraschen, dass ich von seinem scharfen Verstand gefesselt wurde.
»Dich erwartet eine ordentliche Menge«, sagte ich, als der Lärm von draußen immer lauter wurde. »Wenn es dir nichts ausmacht, werde ich mich nach hinten setzen, damit andere einen besseren Blick haben.« Ich hatte bereits einen Logenplatz bei der Entwicklung seiner Ideen genossen, für die das hier nur die öffentliche Verkündung war. In Anbetracht der Größe des wartenden Publikums vermutete ich, dass mehr als nur ein paar Leute während der gesamten Vorlesung stehen würden, und ich hätte meinen Stuhl gerne an jemand anderen abgetreten, aber weil ich eine Adlige und nebenbei noch eine Dame war, wusste ich, dass ich damit niemals Erfolg haben würde. Das Beste, worauf ich hoffen konnte, war es, irgendeinen gesunden jungen Kerl statt eines älteren Gentlemans zu verdrängen, der den Sitzplatz viel dringender brauchen würde als ich.
Suhail nickte geistesabwesend. Er war vor einer Vorlesung immer so, und ich nahm es nicht persönlich.
»Dann werde ich sehen, ob Miss Pantel irgendetwas braucht.« Ich schlüpfte wieder aus dem Zimmer.
Draußen konnte ich Gesänge mit einem entschieden unfreundlichen Unterton hören. Das steigende Interesse an drakoneischen Angelegenheiten hatte einen gleichzeitigen Anstieg an segulistischem Zelotismus ausgelöst, der unsere neu gefundene Besessenheit von der heidnischen Vergangenheit anprangerte. Suhails Vortrag würde sie wahrscheinlich noch weiter erzürnen. Zum Glück hatte der Verwalter der Caffrey Hall die Vorsichtsmaßnahme getroffen, Männer anzuheuern, die an den Türen Wache standen, und die schlimmsten Störenfriede wurden draußen gehalten.
Danach waren allerdings immer noch eine Menge Leute im Gebäude. Die Entzifferung des Kataraktsteins und die Entdeckung des Herzens der Wächter in den Tiefen der akhischen Wüste hatten eine Welle an Begeisterung für diese antike Zivilisation ausgelöst, sodass eine große Menge billiger Bücher von zweifelhaftem Wahrheitsgehalt oder wissenschaftlichem Wert zu dem Thema veröffentlicht und drakoneische Motive in jedem Bereich von der Mode bis zur Innenarchitektur beliebt wurden. Zu Beginn dieser Woche hatte der Dichter Peter Flinders mir eine Ausgabe seines epischen Gedichts Draconis geschickt, weil er hoffte, dass ich es gutheißen würde.
Selbst inmitten eines solchen Trends ist historische Linguistik ein ausreichend abstruses Thema, sodass es ein begrenzteres Publikum von einer (wenn ich es so sagen darf) höheren Klasse anzieht. Ich meine nicht unbedingt von Geburt oder Wohlstand: Ich sah dort Menschen, die man niemals in die erhabenen Hallen der Gesellschaft der Linguisten gelassen hätte. Sie machten eine ernste Miene, als wissen sie zumindest ein wenig über das Thema und seien begierig, mehr zu erfahren.
Es war ein Anzeichen dafür, wie sehr sich die scirländische Gesellschaft seit meiner Kindheit gewandelt hatte, dass ich nicht die einzige Frau dort war. Selbst in nüchternen Nachmittagskleidern stachen die Angehörigen meines Geschlechts als helle Flecken unter den dunklen Anzugfarben der Männer hervor, und es waren mehr solche Flecken da, als ich erwartet hatte. Es gibt natürlich seit Jahrhunderten weibliche Gelehrte. Der Unterschied war, dass sie endlich draußen in der Öffentlichkeit waren, statt die Artikel und Bücher alleine in ihrem Salon oder in Gesellschaft weniger gleich gesinnter Freundinnen zu lesen.
Eine solche Dame war auf der Bühne und veränderte die Platzierung des großen Ständers, der die Plakate halten würde, die Suhails Argument illustrierten. Ein guter Anteil der Skandale, die man einst Tom Wilker und mir nachgesagt hatte, hatte sich auf Erica Pantel und meinen Gatten verlagert. Es gab viel zu viele Leute, die es nicht glauben konnten, dass ein Mann tatsächlich eine junge Frau als seine Studentin annehmen konnte und das Wort etwas anderes als einen reinen Euphemismus meinte. Ich hatte den Überblick über die Anzahl an Gelegenheiten verloren, zu denen jemand in meiner Hörweite angedeutet hatte, dass ich schrecklich eifersüchtig auf sie sein müsse – besonders weil ich mit beinahe vierzig doch wirklich in die Jahre gekommen sei.
Dies störte mich sehr wenig, was mich selbst betraf, denn ich wusste, wie falsch diese Gerüchte waren. Nicht nur hatte Suhail wenig Interesse daran, sich anderweitig umzusehen, sondern Miss Pantels Herz war auch bereits vergeben, an einen jungen Seemann aus der Handelsmarine. Sie waren wahnsinnig verliebt und hatten fest vor zu heiraten, sobald er von seiner derzeitigen Seereise zurückkehrte. Inzwischen beschäftigte sie sich mit ihrer anderen Leidenschaft, die aus toten Sprachen bestand. Ihre Zuneigung zu Suhail entsprang seiner Vertrautheit mit der drakoneischen Sprache und nichts sonst. Unsere Studienbereiche mochten sich unterscheiden, dennoch betrachtete ich sie als Mitreisende auf den Straßen der Wissenschaft. Sie erinnerte mich ein wenig an mich selbst in meiner Jugend.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte ich sie.
»Momentan schon«, sagte sie mit einem bedeutungsschwangeren Seitenblick auf das Publikum.
Der Verwalter der Caffrey Hall mochte zwar die offensichtlichen Störenfriede draußen halten, aber ich hegte keine Zweifel, dass einige ins Gebäude schlüpfen würden. Und selbst jene, die aus wissenschaftlichen Gründen kamen, mochten sich wohl erzürnt finden, sobald sie hörten, was Suhail zu sagen hatte.
Ich wurde deutlicher: »Ich meinte, mit den Plakaten und dergleichen.«
»Ich weiß.« Sie warf mir ein kurzes Lächeln zu. »Ist Lord Trent bereit?«
»Beinahe. Hier, lassen Sie mich Ihnen damit helfen.« Die Plakate mussten groß sein, damit sie von ganz hinten im Saal zu sehen waren. Die Tragetasche, die Miss Pantel genäht hatte, um sie zu transportieren, war beinahe so groß wie sie selber, denn die Studentin meines Mannes war eine klein gewachsene Frau. Zusammen wuchteten wir die Tasche an ihren Platz und öffneten die Schnallen. Sie hatte die Plakate klug so gestapelt, dass sie zur Wand zeigten und die erste Karte ganz außen war, was bedeutete, dass wir nicht befürchten mussten, dass irgendjemand vorzeitig einen Blick auf Suhails Ideen erhaschen würde.
Außer natürlich, wenn jemand heraufkommen und sie durchblättern würde. Miss Pantel nickte, ehe ich irgendetwas sagen konnte. »Ich werde sie mit meinem Leben verteidigen.«
»Ich bezweifle, dass das nötig sein wird, und danke Ihnen trotzdem.« Ich lachte. Kein Drache hätte ein wilderer Wächter sein können. »Wenn Sie sonst nichts mehr von mir brauchen, werde ich Gastgeberin spielen gehen.«
Ich meinte den Ausdruck als Euphemismus. Die Notwendigkeit hatte mich gelehrt, eine Gastgeberin im üblichen Sinne zu sein, obwohl ich immer noch ein Treffen der Fliegenden Universität einem förmlichen Abendessen bei Weitem vorzog. Eine Baronin hat allerdings gewisse Verpflichtungen, und obwohl ich diese in meiner Jugend als nutzlose Zwänge abgeschüttelt hätte, hatte ich im reiferen Alter den Wert erkannt, den sie hatten. Dennoch war mein wahres Ziel, als ich im Saal und in der Lobby umherschweifte, mir einen Überblick über die Männer zu verschaffen, von denen ich erwartete, dass sie Ärger machen würden. Ich merkte mir besonders einen gewissen Magister, dessen Namen ich hier nicht enthüllen werde. Wenn sein Benehmen in der Vergangenheit irgendeinen Anhaltspunkt darstellte, dann würde er etwas finden, über das er streiten konnte, selbst wenn Suhails Vorlesung nichts Substanzielleres als das Wetter betroffen hätte – und mein Ehemann würde ihm wesentlich mehr Munition geben als das.
Bis zum Beginn des Vortrags hielt ich mich, solange ich konnte, in der Lobby auf. Zu dem Zeitpunkt, als ich den Hauptsaal betrat, war jeder Stuhl besetzt, und dazu reihten sich Menschen an den Wänden auf. Trotz meiner großen Mühen scheiterte mein Versuch, mich diskret zu den Gentlemen ganz hinten zu gesellen, wie erwartet. Das Beste, was ich tun konnte, war es, einen Stuhl anzunehmen, der mir von einem Mann angeboten wurde, der nur ein wenig älter als ich selbst war, anstatt von dem ehrwürdigen Gentleman, der locker achtzig Jahre zählte.
Nach einer kurzen Einführung durch den Präsidenten der hochtrabend benannten Gesellschaft für die Verbesserung des Verständnisses der drakoneischen Sprache trat Suhail unter einem großzügigen Applaus auf die Bühne. Unsere Entdeckung des Herzens der Wächter (um nicht unsere romantisierte Hochzeit zu erwähnen) hatte ihn berühmt gemacht. Seine wissenschaftliche Arbeit seither hatte ihm Respekt eingebracht. Es war nicht Interesse an den Drakoneern alleine, das an jenem Nachmittag ein solch großes Publikum zur Caffrey Hall gebracht hatte.
Suhail eröffnete seinen Vortrag mit einer kurzen Zusammenfassung dessen, was wir sicher wussten und was wir uns mit mäßiger Sicherheit über die drakoneische Sprache denken konnten. Hätte er vor der Gesellschaft der Linguisten gesprochen, wäre eine solche Erklärung unnötig gewesen. Sie waren alle mit dem Thema vertraut, weil selbst jene, die zuvor kein Interesse daran gezeigt hatten, es sich nach der Veröffentlichung der Texte vom Kataraktstein als Hobby zugelegt hatten. Die Gesellschaft, die eine der älteren gelehrten Institutionen in Scirland ist, zeigte jedoch eine entmutigende Tendenz, auf Informationen sitzen zu bleiben und sie nur in Rundbriefen an ihre Mitglieder zu verbreiten. Suhail wünschte sich, dass die Allgemeinheit mehr wissen sollte. Immerhin war es immer noch sehr das Zeitalter der Amateurgelehrten, wo ein Neuling auf einem Feld ohne den Vorzug einer formellen Ausbildung zufällig eine gewaltige Schlussfolgerung ziehen mochte. Suhail hielt seinen Vortrag deshalb vor der ganzen Welt, von denen einige den Unterschied zwischen Deklination und Dekolleté nicht kannten.
Er fing mit dem Teil des Ngaru-Texts auf dem Stein an, der eine Stammlinie antiker eriganischer Könige wiedergab. Diese war von einigem Interesse für Menschen, die die eriganische Geschichte erforschten, und von wesentlich mehr Interesse für Linguisten, denn Eigennamen werden viel wahrscheinlicher als gewöhnliche Worte in mehr oder weniger derselben Form von einer Sprache zur anderen erhalten. Die Namen der Könige schenkten uns eine Grundlage, eine Reihe an Lauten, von denen wir wussten, dass sie wahrscheinlich im drakoneischen Text vorkamen und bei denen wir vermuten konnten, wo im Text diese Laute fielen. Obwohl sie unvollständig war, verlieh uns diese Silbentabelle einen gewaltigen Vorteil gegenüber unserem früheren Wissensstand.
Einen Eindruck von der drakoneischen Aussprache zu haben, bringt uns jedoch nicht viel weiter. Was nützt es, Gewissheit zu haben, dass ein bestimmtes Symbol »ka« ausgesprochen wird, wenn ich nicht weiß, was jegliche Worte, die »ka« enthalten, bedeuten? Um weitere Fortschritte zu machen, müssen Sprachwissenschaftler eine andere Taktik versuchen.
Das Wort »König« taucht in jener Rezitation der Stammlinie achtmal auf. Suhail und seine Kollegen hatten die Häufigkeit analysiert, mit der verschiedene Symbolreihen im drakoneischen Text vorkamen, und alle Gruppen herausgesucht, die achtmal (und nur achtmal) vorkamen. Sie fanden natürlich sehr viele, von denen der Großteil zufällig war: Die Tatsache, dass vor dem Wort »zufällig« in diesem Absatz die Kombination »ch« achtmal vorkommt, ist nicht signifikant. Die Sprachwissenschaftler allerdings waren zuversichtlich, dass sie durch ihre statistischen Mühen das drakoneische Wort für »König« identifiziert hatten.
Das ist nur die Spitze der Drachennase, was die Methoden linguistischer Entschlüsselung betrifft, und ich werde nicht versuchen, sie genauer zu erklären. Ich würde meine begrenzte Erfahrung bald überschreiten, und die Mittel, durch die sie die Flexion von Pluralnomina oder andere solche Feinheiten entdeckten, sind nicht nötig, um das, was folgt, zu verstehen. Es reicht, wenn ich sage, dass wir an jenem Nachmittag zwei Dinge mit mäßiger Sicherheit kannten: die richtige Aussprache für ungefähr zwei Fünftel der drakoneischen Silbenschrift und eine verstreute Handvoll an Wörtern, die wir provisorisch rekonstruiert hatten, von denen wir aber nicht alle aussprechen konnten. Es war wesentlich mehr als das, was wir früher gehabt hatten, doch wesentlich weniger als das gesamte Verständnis, das wir uns erhofften.
Mein Ehemann war ein ausgezeichneter Redner. Er legte all diese Dinge zügig und gleichzeitig klar dar (Letzteres ist eine Qualität, die Gelehrten so oft fehlt), ehe er sich dem Hauptteil seiner Rede widmete. »Im Idealfall«, sagte Suhail, »sollten wir nur direkte Beweise verwenden, wenn wir unsere Arbeit fortführen. Hypothesen sind von begrenztem Nutzen. Weil wir so wenige Daten zur Verfügung haben, ist es einfach, ein ganzes Luftschloss zu bauen und eine Spekulation nach der anderen zu postulieren, deren Gültigkeit – oder Ungültigkeit – weder bewiesen noch widerlegt werden kann. In Ermangelung eines weiteren Kataraktsteins oder anderen Durchbruchs haben wir jedoch keine andere Wahl, als zu spekulieren und zu sehen, was herauskommt.«
Miss Pantel, die ihr Stichwort erkannte, deckte das nächste Plakat in der Reihe auf. Dieses zeigte die gesamte drakoneische Silbentabelle, die in einer Art Grafik aufgezeichnet war, und die Schriftzeichen, deren Aussprache wir kannten, rot eingefärbt. Gelehrte hatten schon viele Male zuvor eine Tabelle mit den Symbolen erstellt, in vielen unterschiedlichen Konfigurationen. Wie Suhail gerade angemerkt hatte, konnte man die wenigen Fakten, die wir hatten, leicht in eine Anzahl spekulativer Formen gießen. Diese hier aber wurde von mehr als Vermutungen gedeckt.
Die sonore Stimme meines Mannes hallte locker durch den Saal. »Das hier ist eine modifizierte Version der Tabelle, die Shakur ibn Jibran zusammengestellt hat, und sie basiert auf dem, was wir derzeit über die Aussprache etablierter drakoneischer Glyphen wissen. Er bemerkte eine grundlegende Ähnlichkeit zwischen den Symbolen für ›ka‹ und ›ki‹ und eine weitere zwischen ›mi‹ und ›mu‹ und so weiter. Seine Hypothese ist, dass jeder Anfangskonsonant seine eigene Grundform besitzt, die auf relativ vorhersehbare Weise mit einer Vokalkennzeichnung modifiziert wird. Indem wir die Symbole entsprechend dieser Grundformen und Kennzeichnungen eingruppieren, können wir theoretisch die Aussprache der Glyphen, die nicht in den Eigennamen auf dem Kataraktstein enthalten sind, rekonstruieren.«
Der Prozess war natürlich nicht so geradlinig, wie ihn seine Beschreibung klingen ließ. Sprachen sind selten ordentlich. Mit Ausnahme der Kaegangschrift, die vor einem Jahrhundert gestaltet worden war, um Jeosan zu schreiben, zeigen sie eine verstörende Tendenz, ihre eigenen Regeln zu brechen. Obwohl viele Linguisten Shakur ibn Jibrans generelles Prinzip zur Ordnung der Glyphen akzeptiert hatten, diskutierten sie über die Details, und locker ein halbes Dutzend Tabellenvariationen hatte jeweils seine eigenen überzeugten Unterstützer. Es gab im Saal bereits Gemurmel, als Gentlemen aufbegehrten, weil sie nicht ihre eigene bevorzugte Tabelle ausgestellt sahen.
Dieses Gemurmel würde bald genug lauter werden. Vorerst gab uns die Tabelle einen Ausgangspunkt – und Suhails eigene Spekulation hing von der seines Landsmannes als Grundlage ab. Miss Pantel enthüllte ein weiteres Plakat, auf welches die Zeilen mit dem drakoneischen Text gedruckt und mit einer alphabetischen Transkription hinterlegt waren.
Mein Ehemann sagte: »Wenn wir diese Spekulation versuchsweise als wahr erachten, dann würde diese Auswahl – dem weiteren Text auf dem Kataraktstein entnommen – wie hier eingetragen ausgesprochen. Leider haben wir keine Möglichkeit, diese Theorie zu prüfen: Hier gibt es keine Eigennamen, die uns leiten können. Wir werden nie erfahren, ob das hier akkurat ist … außer wir spekulieren erneut.«
Suhail nahm einen langen Zeigestab und deutete auf ein Wort in der ersten Zeile. »Wenn wir für einen Moment voraussetzen, dass unsere Tabelle korrekt ist, werden diese Schriftzeichen aris ausgesprochen. Eines der grundlegenden Prinzipien der historischen Linguistik ist, dass sich Sprache über die Zeit verändert. Sprachen, die heute gesprochen werden, haben ihre Wurzeln wohl in älteren, jetzt ausgestorbenen Formen. Das thiessische Wort terre und das Murñe-Wort tierra stammen beide vom Spurenischen terra ab, was ›Erde‹ bedeutet. Ebenso können wir die Hypothese aufstellen, dass aris sich zum Lashon ’eretz und zum Akhischen ’ard entwickelt hat – was ebenfalls ›Erde‹ bedeutet.«
Hätte ich dazu geneigt, mit mir selbst zu wetten, hätte ich in genau diesem Moment gewonnen, weil sich im Hörsaal ein Aufschrei erhob.
Linguisten hatten schon früher derartige Theorien gesponnen und sich vorgestellt, dass die drakoneische Sprache der Vorfahr einer wilden Vielzahl moderner Sprachen war, Lashon und Akhisch nicht ausgenommen. Immerhin waren die Wüsten des südlichen Anthiopiens die wahrscheinlichste Heimat jener Hochkultur. Die allgemeine Ansicht war allerdings, dass die drakoneische Abstammung linguistisch ausgestorben war: Die Drakoneer waren eine separate Ethnie gewesen, die über ihre Untertanen geherrscht hatte, ganz ähnlich, wie Scirland derzeit Teile von Vidwatha beherrschte, und mit dem Untergang ihres Reiches war ihre Sprache für immer verschwunden. Es war beinahe buchstäblich ein Glaubensbekenntnis, weil sich alle, von scirländischen Magistern über bayitistischen Priestern und amaneenischen Gebetsführern, einig waren, dass unsere modernen Völker diesen antiken Tyrannen nichts verdankten.
Ich hatte Suhail geraten, nach dieser Aussage innezuhalten, damit der Lärm seine nächsten Worte nicht übertönen würde. Er hielt sich an meinen Ratschlag, aber die Pause dauerte länger, als wir beide erwartet hätten. Schließlich gab er es auf, auf Ruhe zu warten, und fuhr fort, wobei er mit lauterer Stimme sprach, um über dem Lärm aus Kommentaren aus dem Publikum gehört zu werden. Sein Argument beruhte nicht auf diesem einzigen Beispiel: Er glaubte, dass er für eine gewisse Anzahl von Worten Kognate gefunden hatte, und verband sie methodisch mit Beispielen im Akhischen, Lashon und Seghar und historisch belegten Sprachen, die man heutzutage nicht länger spricht. Es waren, wie er zu mir gesagt hatte, Vermutungen: Alles, was er tun konnte, war es, provisorisch verschiedene Glossen aus dem Ngaru-Text zu identifizieren und sie dann zu Spekulationen über andere drakoneische Inschriften zu extrapolieren. Eine Tafel von einer Stätte in Isnats schien zum Beispiel eine Art Steuerliste zu sein, weil er wahrscheinliche Worte für »Schaf«, »Kuh«, »Getreide« und noch mehr gefunden hatte.
Jedes einzelne Beispiel war leicht abzuschmettern. Gemeinsam betrachtet allerdings, ergaben sie eine sehr vernünftige Theorie – so fand ich zumindest. Ich war jedoch keine Sprachwissenschaftlerin, und es waren an jenem Tag Gentlemen im Publikum, die diesen Titel für sich beanspruchten. Sie waren mehr als bereit dazu, mit Suhail zu streiten.
Als ich von hinten im Saal erhobene Stimmen hörte, nahm ich an, dass dies ein Streit über den Inhalt der Vorlesung sei. Der Magister, den ich zuvor erwähnt hatte, war zehn Reihen vor mir auf die Füße gesprungen, um meinem Ehemann seinen Widerspruch besser zubrüllen zu können. Vermutlich war der Lärm hinter mir etwas Ähnliches. Als ich mich jedoch umdrehte, um nachzusehen, erblickte ich an der Tür eine kleine Gruppe Männer, die einander statt der Bühne zugewandt waren.
Sicherlich würden sie über ein Problem in der historischen Linguistik keine Rauferei anfangen? Allerdings habe ich genug von meinem Leben unter Gelehrten verbracht, um zu wissen, dass akademische Konflikte und Faustschläge nicht immer so weit voneinander entfernt sind, wie man erwarten würde. Ich stand von meinem Stuhl auf und ging nachsehen, ob ich die Situation entschärfen konnte, ehe sie diesen Punkt erreichte.
Der Streit an der Tür jedoch hatte mit Suhails Vorlesung nichts zu tun. Von meinem Stuhl hatte ich den Mann im Zentrum des Getümmels nicht sehen können. Jetzt, wo ich näher kam, erhaschte ich einen Blick zwischen die Schultern der anderen Männer. Er war nach der Art eines Nordanthiopiers gekleidet und hatte kurz geschorenes Haar, allerdings konnte der Anzug, den er trug, nicht über seine Gesichtszüge hinwegtäuschen. Der Mann war Yelangese.
Nun, oberflächlich betrachtet, war nichts schrecklich seltsam daran, wenn ein yelangesischer Mann einen öffentlichen Vortrag in Falchester besuchte. Schon seit der Seehandel über lange Strecken ein Teil des allgemeinen Lebens geworden ist, gibt es Seeleute und andere Einwanderer in scirländischen Hafenstädten, Yelangesen nicht ausgenommen. Zum Zeitpunkt von Suhails Vortrag allerdings waren wir gegen Yelang fest in das verstrickt, was die Zeitungen unseren »Luftkrieg« genannt hatten, wobei unsere und deren Caeliger überall auf der Welt um Positionen kämpften und unsere jeweiligen Streitkräfte in einer Reihe kleinerer Scharmützel zusammenstießen, die ständig drohten, sich zu einem offenen Krieg zu verschlimmern. Männer aus jener Nation waren in Falchester nicht direkt willkommen, egal wie lange es her war, dass sie das Reich ihr Heim genannt hatten.
Darüber hinaus wissen Leser meiner Memoiren, dass ich zu zahlreichen Gelegenheiten Auseinandersetzungen mit den Yelangesen gehabt hatte: als ich aus Va Hing deportiert worden war, als ich auf den keonganischen Inseln einen ihrer Caeliger gestohlen hatte und als sie organisierte Versuche unternommen hatten, unsere Arbeit im Dar al-Tannaneen zu sabotieren. Das war zu jenem Zeitpunkt auch allgemein bekannt – was bedeutete, dass die Gentlemen in der Nähe der Tür, als sie gesehen hatten, dass ein Yelangese beim Vortrag meines Mannes auftauchte, einige sehr feindselige voreilige Schlüsse gezogen hatten.
Ich hielt meine Stimme leise, weil ich nicht vorhatte, noch mehr Aufmerksamkeit zu erregen, als dieser Vorfall es bereits getan hatte. Zum Glück war der Magister, der aufgestanden war, immer noch auf den Füßen, zusammen mit einem weiteren Mann, der gerade versuchte, ihn niederzubrüllen. »Meine Herren«, sagte ich, »ich schlage vor, dass wir diese Angelegenheit draußen in der Lobby regeln. Wir wollen nicht den Vortrag stören.«
Es hat seine Vorteile, wenn man berühmt ist. Die Männer erkannten mich und waren eher geneigt, als sie es sonst wohl gewesen wären, meinem Vorschlag zu folgen – welcher natürlich ein kaum verhüllter Befehl war. Einer von ihnen drückte mit der Schulter die Tür auf, und wir entkamen in die relative Ruhe und Ungestörtheit der Lobby.
»Also«, begann ich, sobald die Tür hinter uns wieder zugeschlagen war. »Was ist denn nun das Problem?«
»Er ist das Problem!« Der am größten gewachsene Scirländer deutete mit dem Kinn auf den Ausländer. Er überragte den Yelangesen um mehr als einen Kopf und nutzte seine Größe, um sich bedrohlich vor ihm aufzubauen. »Ich weiß nicht, wer er glaubt, dass er ist, wenn er herkommt …«
»Haben Sie versucht, ihn zu fragen?«
Es folgte eine kurze Pause. »Nun ja«, gab ein anderer Mann zu. »Er hat gesagt, er sei für den Vortrag hier.«
»Jeder kann das sagen«, höhnte der groß gewachsene Mann. »Das heißt nicht, dass es wahr ist.«
»Genauso wenig heißt das, dass es falsch ist«, wandte ich ein. Ich vermutete, dass hinter der Geschichte wirklich mehr steckte. Der yelangesische Fremde hatte mich, auch wenn er sein Bestes gab, eine unbeteiligte Miene zu machen, eindeutig erkannt. Was alles schön und gut war – wie ich gesagt habe, war ich sehr leicht zu erkennen –, doch etwas an seiner Haltung ließ mich vermuten, dass ich der Grund war, aus dem er an jenem Tag zur Caffrey Hall gekommen war.
Mein Tonfall war deshalb schneidend, als ich den Fremden ansprach. »Wie ist Ihr Name?«
»Thu Phim-Lat«, sagte er mit einem starken Akzent. »Lady Trent.«
Also würde er nicht versuchen vorzugeben, dass er mich nicht kannte. Unter den Umständen hätte ihm ohnehin keiner von uns geglaubt. »Wie lange sind Sie schon in Scirland?«
»Seit drei Wochen.«
Mein Herz setzte für einen Schlag aus. Vielleicht denken Sie, dass dies eine dämliche Reaktion war. Ich werde nicht mit Ihnen streiten. Aber ich war schon die Leidtragende von yelangesischen Mordversuchen gewesen und konnte das nicht so einfach vergessen. Wäre Thu Phim-Lat ein langjähriger Bewohner von Falchester gewesen, hätte ich mir vielleicht einreden können, dass er keine Bedrohung darstellte. Doch wenn er gerade erst angekommen war …
Ich beschloss, das Thema anzusprechen. »Sie mögen wohl für den Vortrag hier sein, Mr. Thu, ich bezweifle allerdings, dass das Ihr einziges Ansinnen ist. Erzählen Sie mir, was Sie erreichen wollen.«
Seine Blicke schossen von einer Seite zur anderen und nahmen die Männer auf, die uns beobachteten. Sie hatten sich ziemlich nahe gedrängt und waren offensichtlich bereit, mit ihren Körpern dazwischenzugehen, wenn Mr. Thu eine einzige Bewegung in meine Richtung machte. »Ach, kommen Sie schon«, sagte ich ungeduldig – ebenso sehr zu mir selbst wie zu ihnen. Es gefiel mir nicht, in meiner Heimatstadt Angst zu haben, und es gefiel mir noch weniger, Angst zu haben, wenn ich so wenig Grund dazu hatte. »Wenn er mir etwas antun will, gibt es weitaus einfachere Wege für ihn, das zu erreichen, als in einen öffentlichen Hörsaal zu marschieren.« Er hätte mich auf der Straße angreifen können, einfach aus der Menge erscheinen, ehe ich auch nur gewusst hätte, dass er da war. Ein Schlag gegen den Hinterkopf, ein Messer zwischen die Rippen … das war jedoch Narrheit. Yelang hatte mir nur Ärger gemacht, als ich ihnen Ärger gemacht hatte, indem ich die Drachen in ihrem Land untersucht oder versucht hatte, für die Königliche Armee meine eigenen zu züchten. Sie hatten keinen Grund, mich daheim zu ermorden, außer ich hatte mir einen viel persönlicheren Feind gemacht, als ich wusste. Und das zu tun, würde sie im Urteil der Öffentlichkeit nur schrecklich aussehen lassen.
Die scirländischen Männer wirkten nicht überzeugt, aber ich hatte mich selbst überredet und Mr. Thu ausreichend beruhigt, dass er mir antwortete. »Ich wollte Sie kennenlernen«, gab er zu, wobei er sehr langsam sprach. Mir wurde später klar, dass dies daran lag, dass er die scirländische Sprache bei Weitem nicht perfekt beherrschte und sicherstellen wollte, dass er keine Fehler bei der Grammatik oder Wortwahl machte, die vielleicht dafür gesorgt hätten, dass man ihn missverstand. »Ich habe Neuigkeiten über eine Sache, von denen ich glaube, dass Sie sie hören wollen.«
»Neuigkeiten kann man per Brief schicken«, sagte ich. »Oder Sie könnten sich in meinem Stadthaus vorstellen – seine Lage ist kaum ein Geheimnis. Warum zu einem öffentlichen Vortrag kommen?«
»Wenn ich zu Ihrem Haus kommen würde, würde ich zur Tür hineingelassen?«, fragte er. »Würde mein Brief gelesen?«
»Ja, oder meine Bediensteten hätten mir sehr viel zu erklären. Ich bezahle sie nicht, um solche Entscheidungen an meiner statt zu treffen.«
»Ah«, sagte Mr. Thu, sobald er diese Worte aufgenommen hatte. »Und woher würden Sie es wissen?«
Ich tat das mit einem Handwinken ab. »Sie wurden ganz klar nicht auf solche Weise abgewiesen, sonst hätten Sie das bereits gesagt. Lassen Sie uns keine Zeit mit hypothetischen Fragen verschwenden. Welche Botschaft wollen Sie so dringend überbringen?«
An vielen Punkten meines Lebens war ich an Mr. Thus Ende einer derartigen Konversation gewesen und durch eine Sprache gestolpert, die ich nur rudimentär beherrschte. Meine schnelle Sprechweise und spitze Betonung hatten ihn abgehängt. »Ihre Neuigkeiten«, erklärte ich, als ich sah, dass er mich nicht verstanden hatte. »Sie haben mich gefunden. Sagen Sie, was zu sagen Sie gekommen sind.«
Er warf wieder einen Blick auf die Männer, die so energetisch über ihm aufragten. »Ein Drache«, sagte er schließlich. »Der Körper eines Drachens. Nicht wie irgendeine Art, die ich kenne. Ich glaube, nicht wie irgendeine Art, die lebt.«
Mein Herz machte wieder einen Sprung, diesmal vor Aufregung statt aus irrationaler Furcht. Nicht wie irgendeine Art, die lebt. Eine ausgestorbene Rasse … Ich hatte die ganze Welt abgegrast, mit Forschern in einem Dutzend und mehr Ländern korrespondiert und alles getan, um Beweise für die Drachen zu finden, die die Drakoneer vor so vielen Tausenden von Jahren erschaffen hatten. Konnte es sein, dass dieser Mann gefunden hatte, wonach ich suchte?
Es war unwahrscheinlich. Doch selbst falls er nur Beweise für eine andere ausgestorbene Rasse gefunden hatte, hatte er mein vollstes Interesse geweckt. »Wo?«
»In den Bergen«, antwortete Mr. Thu. »Sie werden sehen.«
In meinem Haus – Der Mrtyahaima –Moorleichen und Wollmammuts – Die Khiam Siu –Meine Unterstützung
Die weitere Diskussion ausgestorbener Drachen musste warten. Die Lobby der Caffrey Hall war kein geeigneter Ort für solche Themen, besonders mit einer Phalanx übereifriger Leibwächter, die bereit waren, Mr. Thu an den Ohren hinauszuzerren. Und es war klar, dass die Sprachbarriere jeden Erklärungsversuch von seiner Seite behindern würde. Wir würden mit Suhails Hilfe viel schneller vorankommen.
Ich arrangierte, dass Mr. Thu an jenem Abend zu meinem Haus kommen sollte, und versicherte ihm, dass mein Bediensteter ihn bestimmt hineinlassen würde. Ich ließ mir auch die Namen der Gentlemen geben, die ihn angepöbelt hatten – vorgeblich, damit ich ihnen ordentlich für ihre Unterstützung danken konnte, aber auch als Versicherung. Als Mr. Thu fort war, sagte ich zu ihnen allen: »Wenn er nicht sicher ankommen sollte, wäre ich sehr verärgert.« Ob sie ihm Ärger gemacht hätten oder nicht, kann ich nicht beurteilen, ich hatte jedoch den Eindruck, es sei besser, nur für den Fall eine Warnung auszusprechen.
Zu dem Zeitpunkt, als ich es zurück in den Hauptsaal schaffte, hatte sich Suhails Vortrag, wie erwartet, zu einer öffentlichen Debatte entwickelt. Diese dauerte an, bis uns der Veranstalter aus dem Gebäude warf. Dann wurde sie für eine Weile auf der Straße draußen fortgesetzt, wo mehrere rechthaberische Kerle meinen Mann in eine Ecke drängten, um noch etwas weiter zu streiten. »Danke«, sagte Suhail inbrünstig, nachdem ich ihn gerettet hatte, indem ich mir meinen Weg ins Zentrum des Gedränges gebahnt und meinen überlegenen Anspruch auf die Zeit meines Gatten klargemacht hatte. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie von selbst nicht vor der Dämmerung morgen früh aufgehört hätten.«
»Ich hoffe, du bist nicht zu müde. Ich vermute, dass wir einen interessanten Abend vor uns haben.«
Er lauschte mit steigender Überraschung, als ich ihm von Thu Phim-Lat erzählte. Als ich fertig war, gab Suhail zu bedenken: »Er ist nicht der erste Mann, der behauptet, er hätte Beweise für irgendeine unentdeckte Rasse, drakoneisch oder anders.«
»Oh, ich bin skeptisch«, versicherte ich ihm. »Und neugierig. Falls das hier wirklich irgendein yelangesisches Komplott gegen mich ist, dann hat, wer auch immer es ausgeheckt hat, seine Arbeit gut gemacht. Ich kann Mr. Thu nicht gehen lassen, ohne ihn wenigstens weiter zu befragen.«
Die Verzögerung gab mir auch Zeit, Tom Wilker zu kontaktieren, sodass drei von uns warteten, als mein Besucher einige Stunden später erschien. Tom verbrachte die Zeit zwischen seiner eigenen Ankunft und der von Mr. Thu damit, mich mit Fragen zu löchern. »Was meinte er mit dem ›Körper eines Drachen‹? Ein Skelett oder einen neueren Kadaver? Welches Gebirge? Was macht ihn so anders als moderne Arten?«
»Ich habe ganze fünf Minuten damit verbracht, mit dem Mann zu sprechen, und die Hälfte davon musste ich mich mit überaus eifrigen Beschützern beschäftigen«, antwortete ich etwas gereizt. »Warte, bis er hier ankommt. Dann kannst du ihn nach Herzenslust aushorchen.«
Nach Mr. Thus Haltung zu urteilen, als er ankam, erwartete er genau die Art von Befragung, die er bekommen würde. Ich versuchte mein Bestes, um ihn mit Vorstellungen und einem Angebot von Erfrischungen zu beruhigen. Er lehnte sowohl Tee als auch Brandy ab und saß auf der Kante seines Stuhls, als befürchte er, dass dieser Handschellen um seine Handgelenke werfen werde, wenn er sich entspanne. Ich sagte: »Mein Mann spricht etwas Yelangesisch, wenn auch nicht fließend. Ich hoffe, dass wir damit und mit Ihrer eigenen Kenntnis des Scirländischen fähig sind, eine vernünftige Erklärung zusammenzubasteln. Also, erzählen Sie uns, was Sie wissen.«
Ich habe mir in diesen Memoiren angewöhnt, meine eigenen unbeholfenen Gespräche in Fremdsprachen zu glätten, um die Geduld meiner Leser nicht zu strapazieren. Ich werde hier dasselbe für Mr. Thu tun und die vielen eingeschobenen Wortwechsel auf Yelangesisch übergehen, die seine scirländischen Aussagen unterbrachen, ebenso seine sporadischen Fehler bei Grammatik oder Vokabular. (Unter anderem gibt es mehrere yelangesische Sprachen, und diejenige, die Suhail beherrschte, war nicht Mr. Thus Muttersprache. Sie sprachen sie allerdings beide fließend genug, dass wir weiterkamen, wenn auch mit Schwierigkeiten.)
»Ich fand den Körper eines Drachen«, berichtete er. »Oder eher den Teil von einem. Er war unvollständig, aber es war genug davon da, dass ich mir sicher sein konnte, dass ich seine Art nicht erkannte.«
»Sind Sie Naturforscher, dass Sie mit verschiedenen Drachenarten so vertraut sind?«
Mr. Thu schüttelte den Kopf. »Nein, Lady Trent. Ich war schon früher in den Bergen. Ich kenne die Drachen, die man dort findet. Dieser war von keiner Art, die ich kenne.«
Tom runzelte die Stirn. Wenn man jemanden befragt, ist es oft effektiv, wenn ein Befrager sich skeptisch gibt, während der andere leichtgläubiger wirkt, aber ich fürchte, sowohl Tom als auch ich nahm zu Beginn jenes Abends die Rolle des Skeptikers ein. Er sagte: »Es ist vielleicht keine Gebirgsrasse.«
»Vielleicht. Was hat er dann dort gemacht?«
»Wo ist ›dort‹?«, fragte ich. »Welches Gebirge?«
»Der Mrtyahaima.«
Seine Antwort ließ mich schockiert schweigen. Das Mrtyahaimagebirge ist natürlich eines der großen geologischen Elemente des Dajinkontinents. Es setzt sich aus einer Anzahl miteinander verbundener Gebirgszüge zusammen und stellt das, was wir in vielen anderen Erdteilen »Berge« nennen, in den Schatten. Wenn die Messungen der Landvermesser akkurat sind, findet man alle fünfzehn höchsten Gipfel der Welt in jener Region, von denen jeder einzelne mehr als achttausend Meter hoch ist.
Sie waren unter den Bewohnern von Dajin schon lange berühmt und seit der Entdeckung von Bergsteigen als athletischer Aktivität nun auch in Anthiopien bekannter geworden. Unsere frühen Kletterer waren zufrieden damit gewesen, sich an den niedrigeren Gipfeln der vystranischen Berge oder in den Netsjas in Bulskevo zu prüfen; als aber immer mehr von diesen erobert waren, wandten die Ehrgeizigen ihre Aufmerksamkeit nach Dajin und in den Mrtyahaima. Niemand wusste überhaupt, ob es möglich war, einen achttausend Meter hohen Gipfel zu erklimmen: Konnten menschliche Wesen auf dieser Höhe überleben? Heutzutage glauben wir, dass sie das können, doch niemand hat je einen so hohen Gipfel erfolgreich bestiegen.
Der Mrtyahaima war auch aus anderen Gründen von Interesse für uns. Die verschiedenen Gebirgszüge, die unter jenem Namen zusammengefasst werden und von nahe der Nordküste weit ins Landesinnere laufen, trennen den Kontinent beinahe in zwei Teile. Im Osten liegt Vidwatha, im Westen Yelang. Und Scirland hatte natürlich verschiedene koloniale Besitztümer in Vidwatha – was bedeutete, dass die beiden Nationen Jahre damit verbracht hatten, einander über die beinahe unüberwindbare Barriere des Gebirges anzufunkeln.
Ich durchwühlte mein Gedächtnis nach dem, was ich über Drachenarten aus dem Mrtyahaima wusste. Es war enttäuschend wenig: Die Region war so abgelegen, dass die wenigen Berichte, die wir hatten, hauptsächlich aus nichtakademischen Quellen kamen. Sie beschrieben alles, von kleinen, katzenartigen Drachen, die von den Menschen in den Hochtälern angeblich als Haustiere gehalten wurden, bis zu dämonischen Bestien, die gänzlich aus Eis bestanden. »Beschreiben Sie mir, was Sie gefunden haben. Es war ein frischer Kadaver?«
Mr. Thu schüttelte den Kopf. »Nein. Ich weiß nicht, wie lange er schon tot war. Es muss ein Jahr gewesen sein. Oder länger.«
Konnten Knochen unter den geologischen Bedingungen jenes Gebirges auf natürliche Weise konserviert werden? Ich hatte keine Ahnung. »Wenn Sie nur ein Skelett zu betrachten hatten, wie können Sie so sicher sein, dass es eine fremde Rasse war?«
»Es war kein Skelett«, sagte Mr. Thu. »Überhaupt keine Knochen. Fleisch und Haut.«
Wir kamen an diesem Punkt schrecklich lange zum Stillstand, denn Tom und ich waren sicher, dass mit der Übersetzung etwas schiefgegangen sein musste. Suhail jedoch, der Mr. Thu auf Yelangesisch befragte, stieß plötzlich einen Schrei aus. Auf Scirländisch rief er: »Wie eine Moorleiche!«
»Was?«, fragte ich noch verwirrter als zuvor.
Er erklärte es hastig. In Uaine und einigen Teilen von Heuvaar praktizierten antike Gesellschaften Menschenopfer, indem sie Menschen erdrosselten und die Leichen im Moor versenkten. Die chemische Zusammensetzung des Wassers macht das Fleisch auf natürliche Weise haltbar und konserviert die Weichteile, die gewöhnlich verwesen würden – dafür löst es die Knochen auf und zerfrisst das Kalzium, bis das, was übrig bleibt, nach Suhails Worten »ein schleimiger, knochenloser Sack« ist.
Etwas Ähnliches war mit dem Exemplar passiert, das Thu Phim-Lat gefunden hatte, jedoch aus ganz anderen Gründen. Die Knochen der toten Kreatur waren schon lange zerfallen, wie es unter drakonischen Spezies üblich ist, und der Kadaver, der hoch in den Mrtyahaimagipfeln lag, war nach dem Tod gefroren, was das Fleisch davor bewahrt hatte, wie gewöhnlich zu verrotten. »Man hat im Permafrost im nördlichen Siaurien Mammuts gefunden«, warf Tom ein. »Das hier klingt sehr ähnlich.«
»Halb Mammut, halb Moorleiche«, murmelte ich. Die Aussicht war bezaubernd. Paläontologen, Wissenschaftler, die ausgestorbene Organismen erforschen, sind es gewohnt, mit nichts mehr als Skeletten zu arbeiten. In meinem Forschungsgebiet, wo wir selten das Glück haben, Skelette zum Studium zu haben, ist die Evolution drakonischer Spezies ein beinahe vollständiges Mysterium. Wir hatten einige Theorien, doch die meisten davon waren durch die Entdeckung der Entwicklungslabilität in Stücke zerfallen. Fakten waren sehr dünn gesät, und konservierte Weichteile waren nichts weniger als ein Wunder.
Als ich Mr. Thu fragte, wo das Exemplar jetzt sei, schüttelte er traurig den Kopf. »Ich habe es nicht mehr. Ich glaube, es ist oberhalb der Schneegrenze eingefroren und wurde von einer Lawine auf eine wärmere Höhe hinuntergetragen. Zu dem Zeitpunkt, als ich es fand, war viel davon verwest oder von Aasfressern gefressen worden.«
»Viel davon«, sagte ich. »Sicher muss noch irgendetwas da gewesen sein, oder Sie wären nicht hier und würden mir versichern, dass es von einer unbekannten Spezies stammte.«
»Ja. Der Kopf, der Hals, ein wenig Material von darunter, schlimm zerfetzt und deformiert. Stücke, die vom restlichen Körper abgerissen waren.« Er breitete hilflos die Arme aus. »Ich habe das, was da war, mit in unser Lager genommen, aber wir hatten nichts, womit wir es konservieren konnten. Ich habe Skizzen angefertigt.«
»Ihr Lager«, wiederholte Tom, bevor ich auf das Wort »Skizzen« anspringen konnte. Er runzelte die Stirn und tippte mit einer Fingerspitze an sein Knie. »Wie viele von Ihnen waren dort? Wo genau waren Sie? Und was, sagen Sie bitte, haben Sie dort gemacht?«
Sein Tonfall war kühler als meiner, und das mit gutem Grund. Während mich Gedanken an Drachen mitgerissen hatten, war Tom mit den Beinen fest auf dem Boden der derzeitigen Realität geblieben. Yelangs östlichstes Territorium war Khavtlai, die Hochebene westlich des Mrtyahaima. Sie erhoben keinen Anspruch auf Land im Gebirge selbst – noch nicht. Was hatte also die yelangesische Gruppe dort gemacht?
Mr. Thu zögerte. Ich tauschte einen Blick mit Suhail und sah, dass auch er besorgt war. Dann nickte Mr. Thu, als würde er einen innerlichen Streit abschließen. »Wir waren eine Gruppe Bergsteiger und erkundeten die Hochlagen.«
»Auf der Suche nach einem Pass«, behauptete Tom.
Mir lief es kalt den Rücken hinunter. Ein Weg durch den Mrtyahaima … so etwas existierte natürlich bereits. Das Gebirge ist nicht völlig unpassierbar, nur größtenteils. Die Nationen in den Hochlagen, Tser-Nga, Khavtlai, Lepthang und Drenj handeln seit Jahrhunderten miteinander. Die wichtigen Pässe sind Fremden nicht gut bekannt und werden außerdem streng bewacht. Jeder Versuch, eine Armee über sie zu bringen, würde erbitterten Widerstand auslösen. Yelang suchte nun nach anderen Routen, Möglichkeiten, eine Streitmacht durchschlüpfen zu lassen und sich auf der Ostseite festzusetzen, von wo aus sie die gesamte Region kontrollieren konnten.
Es war beinahe genau dieselbe Taktik, die die Ikwunde in Eriga versucht hatten, indem sie sich Bayembe von seiner theoretisch unüberwindbaren Südgrenze mit Mouleen annäherten.
Meine Stimme unter Kontrolle zu halten, war mühsam. »Das Einzige, was mich überzeugt, Sie nicht sofort hinauszuwerfen, ist meine Verwunderung. Warum in aller Welt sollten Sie zugeben, dass Sie ein Späher der yelangesischen Armee sind?«
»Weil irgendjemand es früher oder später entdecken würde und ich dann unaufrichtig wirken würde, wenn ich nicht die Wahrheit gesagt hätte.« Mr. Thu seufzte. »Und außerdem deswegen, weil ich kein Späher der Armee bin. Ich war einer. Jetzt nicht mehr.«
»Warum nicht?«
»Sie erfuhren, dass ich ein Khiam Siu bin.«
Meine Interessen mögen primär im wissenschaftlichen Bereich liegen, doch selbst ich erkannte diesen Namen unweigerlich. Etwa fünfzehn Jahre zuvor hatte Yelang angefangen, interne Schwierigkeiten zu erleiden, in Form einer revolutionären Bewegung, die die derzeitige Taisên-Dynastie (welche seit beinahe dreihundert Jahren geherrscht hatte) stürzen und den Kaiser mit einem neuen Thronanwärter ersetzen wollte. Diese Bewegung nannte sich selbst Khiam oder Erneuerung, und die Siu waren ihre Anhänger.
Wie Mr. Thu uns erklärte, war er kein richtiges Mitglied der Armee gewesen. Er war ein Bergsteiger, den man angeheuert hatte, um mit den Landvermessern zu arbeiten, sodass Yelang genauere Karten des Gebirges in seinem Osten bekommen würde. Wie es schien, hatte er Kopien jener Landkarten angefertigt und sie seinen Khiam-Siu-Brüdern zukommen lassen, deren Anführer nach einer schrecklichen Niederlage in Diéziò aus Yelang vertrieben worden waren. Jemand, der in der Reichshierarchie über ihm stand, hatte diese Tatsache aufgedeckt, und Mr. Thu war kaum mit dem Leben davongekommen.
Er erzählte diese Geschichte in jenem einfachen, sachlichen Tonfall, den man vielleicht benutzt, wenn man über Ereignisse berichtet, die man in der Zeitung gelesen hat. Vielen Leuten wäre dies wohl wie ein Beweis für ihre Unwahrheit vorgekommen, für mich jedoch ließ es die ganze Angelegenheit wahr klingen. Ich kannte diesen Tonfall gut, denn ich habe ihn selbst benutzt, wenn ich von irgendetwas tief verstört war und mich davon distanzieren musste, um meine Würde vor Fremden nicht zu verlieren. Als er mit den Worten »Also sehen Sie, ich bin ein Exilant« endete, empfand ich einen Anflug von Mitgefühl.
»Es tut mir sehr leid, das zu hören«, erklärte ich ihm und meinte es ganz aufrichtig.
Es herrschte unangenehmes Schweigen, bis Tom es auf sich nahm, es zu durchbrechen. »Aber warum sind Sie hierher gekommen?«
»Wegen Lady Trent«, sagte Mr. Thu mit einer kleinen Verbeugung in meine Richtung. »Ich wünsche Ihre Hilfe. Im Gegenzug biete ich an, was ich weiß.«
»Welche Art von Hilfe?«, fragte ich misstrauisch.
Er streckte seinen Rücken und platzierte seine Hände präzise auf den Knien. Jetzt waren wir zum Kern der Angelegenheit gekommen, für den der ganze Rest nur Vorgeplänkel gewesen war. »Ihre Unterstützung. Wir – die Khiam Siu – sind an Ihre Regierung herangetreten, weil wir ein Bündnis gegen die Taisên wollen. Viele werfen einen Blick auf uns und sehen nur Yelangesen und sagen, dass wir niemals Verbündete sein können. Sie können sich gegen sie aussprechen. Sie können uns helfen, unser Bündnis zu bekommen.«
Ich würde viele Schwierigkeiten beim Sprechen haben, wenn ich nicht erst mein Kinn vom Boden aufsammelte. Das vorgeschlagene Bündnis mit den Khiam Siu war das Thema hitziger Debatten. Die Magazine und Zeitungen fielen generell in zwei Lager: diejenigen, welche, wie Mr. Thu gesagt hatte, nur Yelangesen sahen und ihnen nicht weiter als bis zur Tür trauten, und diejenigen, welche verstanden, dass die Khiam Siu Feinde der Taisên waren, sich allerdings zurücklehnen und dabei zuschauen wollten, wie die beiden sich nach Herzenslust aneinander aufrieben. In weniger öffentlichen Ecken gestand man, dass das Thema komplexer war – aber relativ wenige mit der Macht, irgendetwas zu unternehmen, neigten dazu, den Khiam Siu Gefallen zu tun. Mr. Thu hatte sehr recht, wenn er dachte, dass sie Unterstützung brauchten.
Wo ich von seinen Schlüssen abkam, war der Punkt, an dem er dachte, meine Unterstützung würde ihm irgendetwas einbringen. Ich mochte mich zwar öfter in der Politik engagieren, als ich vorgehabt hatte – denn wir können nicht vorgeben, dass die Bildung von Mädchen und das Schließen internationaler Bündnisse zum Wohl der Drachen unpolitische Akte sind –, das machte jedoch mich bei Weitem nicht zu einer Kraft, mit der man an der diplomatischen Front rechnen musste.
Tom hatte wieder die Rolle des Skeptikers eingenommen, während ich versuchte, meine Sprache wiederzufinden. »Welche Versicherung haben wir, dass diese Informationen von Ihnen etwas taugen? Sie könnten uns einen Haufen Müll füttern, und wir würden es erst erfahren, nachdem Lady Trent ihren Ruf für Sie und Ihre Verbündeten riskiert hätte.«
»Es ist kein … Müll«, sagte Mr. Thu und benutzte die neue Vokabel mit ruhiger Würde. »Und ich habe Vertrauen, dass Lady Trent und Sie es durchschauen würden, wenn es so wäre.«
Ich hatte meine eigenen Worte für Mr. Thu, die ebenso eine Prüfung wie eine ehrliche Frage waren. Ich sah ihm direkt in die Augen. »Was lässt Sie glauben, dass ich Ihnen vertrauen werde? Meine Vorgeschichte mit Ihren Landsleuten war nicht gut.«
Er nickte wenig überrascht. »Sie mögen die Yelangesen nicht. Das verstehe ich. Man sagt allerdings, dass Sie sich mehr um Drachen als um derartige Dinge kümmern. Ich hoffe, dass das zutrifft.«
Und natürlich tat es das.
Politische Verdächtigungen –Die Taten von Justin Broadmay – Tee mit Lady Astonby –Mr. Thus Beweise – Ein zweites Exemplar
Uns schlug vorhersehbare Ungläubigkeit entgegen, als wir unsere Situation vor Mitgliedern des Synedrions präsentierten.
Mein Bruder Paul lachte mir ins Gesicht. Ich war zuerst an ihn herangetreten, denn auch wenn wir uns nicht nahestanden, waren wir zumindest freundschaftlich verbunden (wobei meine Erhebung in den Hochadelsstand wesentlich dazu beigetragen hatte, meine konfliktbeladene Beziehung zum Großteil meiner Familie zu kitten). Weil er immer noch einen Sitz im Offenen Haus des Synedrions hatte, dachte ich, dass ich bei ihm eine bessere Chance hätte als bei jemandem, den ich nur von öffentlichen Veranstaltungen kannte. »Es ist eine Falle, Isabella«, sagte er beim Dinner in meinem Haus. »Ich hätte dich für klug genug gehalten, das selbst zu sehen.«
»Eine Falle zu welchem Zweck?«, fragte ich. Meine Ungeduld war, wie ich befürchte, nicht so gut verborgen, wie ich es gewünscht hätte. »Um mich in das Mrtyahaimagebirge wegzulocken, damit ich getötet werden kann? Lieber Himmel – wenn mich jemand tot haben will, gibt es viel weniger komplizierte Wege, um das zu arrangieren.«
»Und was, wenn sie dich stattdessen gefangen nehmen wollen?«
»Ja«, entgegnete ich trocken. »Es ist so viel einfacher, das zu tun, indem man mich in der eisigen Wildnis der höchsten Gipfel der Welt jagt, statt mir zum Beispiel auf meinem Weg, um eine Freundin zu besuchen, eins über den Kopf zu braten. Außerdem ist er ein Khiam Siu, kein Gefolgsmann der Taisên. Sie wollen unsere Unterstützung. Ein falsches Spiel würde ihnen kaum helfen, dieses Ziel zu erreichen.« (Ich unterließ es zu erwähnen, dass gewisse Mitglieder des Synedrions ihnen vielleicht dafür applaudieren würden, wenn sie mir ein Ende bereiteten.)
Paul legte seine Gabel mit einem ungeduldigen Klirren weg. »Welchen anderen Grund könnten diese Yelangesen haben, an dich heranzutreten? Wenn sie glauben, dass diese Information so wertvoll ist – ein Punkt, den einzugestehen ich überhaupt nicht bereit bin –, warum lassen sie ihren Botschafter dann dieses Angebot nicht förmlich vor dem Synedrion präsentieren?«
Suhail lachte, ebenso sehr, um die Spannung zu lösen, wie aus Belustigung. »Weil sie unsere liebe Lady Trent gut genug kennen, um zu verstehen, was für ein guter Köder das ist.« Als ich ihm einen verzweifelten Blick zuwarf, sagte er: »Meine Liebe, du weißt, dass das wahr ist.«
»Dass es ein guter Köder ist, ja.« Ich konnte kaum etwas anderes vorgeben, wenn es bereits eine so deutliche Wirkung gezeigt hatte. »Welchen Vorteil haben sie davon, mich an ihrem Haken hängen zu haben?«
»Deine Stimme zum Beispiel.«