Landkarten der Transformation - Julia Andersch - E-Book

Landkarten der Transformation E-Book

Julia Andersch

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Beschreibung

"Die hier vorgelegte Verbindung meiner Organisationsentwicklungs-Konzepte mit den systemischen Ansätzen von Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd wie auch mit den hypnosystemischen Theorien und Praktiken von Gunther Schmidt ist keine bloß additive Verknüpfung intelligenter und nützlicher Konzepte, sondern eine konsistente Integrationsleistung." Friedrich Glasl "Metaphorisch gesprochen, stellen diese Landkarten für mich ein herausragendes »GPS-System« zum optimalen Navigieren in oft zunächst völlig verwirrenden, unübersichtlich zerklüfteten »Landschaften« dar, in denen dazu noch häufig schlechte und überraschend schnell wechselnde »Wetterbedingungen« herrschen. Mit den hier vorgelegten Konzepten kann man sogar dann relativ gemütlich, mit klarem Blick und sehr selbstwirksam handlungsfähig steuern, nicht nur in der beratenden Rolle, sondern auch indem man andere in der Organisation so anregt, dass sie in für sie stimmiger Weise besser selbstwirksam werden können." Gunther Schmidt "Wer dieses Buch liest, hat eine anregende, lehrreiche, lohnende und inspirierende Reise vor sich!" Matthias Varga von Kibéd Beim Driften sicher navigieren Wie findet man sich als Führungskraft oder Berater:in in der komplexen Landschaft einer Organisation zurecht? Woran orientiert man sich? Und vor allem: Wie navigiert man dann durch Veränderungs- und Entwicklungsprozesse? Dieses Buch stellt "Landkarten" zur Verfügung, die es erlauben, jede Organisation – unabhängig von Größe, Branche oder Fragestellung – in ihren Grundstrukturen zu erfassen, Entwicklungsrichtungen zu erkennen und Hinweise für die maßgeschneiderte Gestaltung von Transformationsprozessen zu erhalten. Julia Andersch und Oliver Martin verbinden dazu drei bewährte Modelle der Organisationsentwicklung – Trigon, Systemische Strukturaufstellungen und Hypnosystemik – zu einem eigenen integrierten Beratungsansatz. Sein Fokus liegt auf Strukturen und ihren Wechselwirkungen sowie auf Ressourcen und Potenzialen. Mitarbeiter:innen werden dabei sowohl in ihrer Kognition wie auch in ihrer Intuition angesprochen. Die Autor:innen: Julia Andersch, Pädagogin, Wirtschafts- und Organisationspsychologin, Systemische Organisationsberaterin, Mediatorin, Coach und Trainerin (dvct); Dozentin Fachhochschule Nordwestschweiz, Gast-dozentin Universität Tiblisi; Leiterin von Lehrgängen in Organisations- und Persönlichkeitsentwicklung, Coaching und Supervision an diversen Instituten (u. a. Milton Erickson Institut, Heidelberg; syscoach, München; Metaforum SommerCamp, Abano Terme; wilob, Lenzburg). Geschäfsführende Gesellschafterin Trigon Entwicklungsberatung Luzern Arbeitsgebiete: Identitäts-, Werte- und Kulturentwicklung, Organisationsentwicklung in der freien Wirtschaft, in Verwaltungen und NGO, Systemisches Employer Branding, potenzialentfaltende Persönlichkeitsentwicklung und Führung, Konfliktmanagement und Mediation in Teams und Organisationen, Coaching, systemische Strukturarbeit und -aufstellungen nach SySt® für Organisationen, Teams und Einzelpersonen, Konzeption und Leitung von Lehrgängen in Organisationsentwicklung, systemischer Supervision und systemischen Denken. Oliver Martin, Organisationsberater BSO, Mediator SDM, Senior Coach DBVC, Lehrtrainer DGfS, Master trainer infosyon; Dozent Fachhochschule Nordwestschweiz und Hochschule Luzern, Gastdozent Universität Tbilisi, Leiter von Lehrgängen in Organisationsentwicklung, Mediation, Persönlichkeitsentwicklung, Coaching und Supervision an diversen Instituten (u. a. Milton Erickson Institut, Heidelberg; Metaforum SommerCamp, Abano Terme; Wilob, Lenzburg; Schweizerische Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychologie, Solothurn). Geschäftsführender Gesellschafter der Trigon Entwicklungsberatung.

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Die Reihe Management/Organisationsberatung

Die heutige Gesellschaft ist eine organisierte Gesellschaft. Man muss schon lange suchen, um überhaupt noch Bereiche zu finden, die nicht von Organisationen geprägt sind. Unternehmen jedweder Größe und Eigentumsform, Verwaltungen, Schulen, Gerichte, Krankenhäuser, Universitäten, Kirchen, Verbände, Parteien, Vereine etc. – allesamt übernehmen sie gesellschaftliche Funktionen und bestimmen unser Leben. Die Fülle an Aufgaben, die unter den Bedingungen zunehmender Globalisierung und Digitalisierung gleichzeitig zu erfüllen sind, wie auch die Bandbreite an Organisationskonzepten und Führungsansätzen, mit denen der komplexe Alltag bewältigt werden soll, stecken das Feld ab, in dem Management und Beratung mehr oder weniger wirksam werden.

Die Zeiten, in denen es einfache Antworten auf die vielfältigen Fragen zur Überlebenssicherung einer Organisation und auch zur Steuerung tagtäglicher Entscheidungsprozesse gab, sind seit Langem vorüber. Der Komplexität, mit der heute alle konfrontiert sind, die in verantwortlichen Funktionen in und mit Organisationen arbeiten – Führungskräfte, Manager und Organisationsberater etc. –, wird man mit Rezeptwissen nicht mehr gerecht. Hier setzen die neuere Systemtheorie und mit ihr die Reihe Management/Organisationsberatung im Carl-Auer Verlag an. Beide liefern Konzepte und »Landkarten«, die auch im unübersichtlichen Terrain von Wirtschaft und Organisation Orientierung ermöglichen und Handlungsfähigkeit sicherstellen.

Das Ziel der Reihe ist es, empirisch gehaltvolle Forschungen über die Prozesse des Organisierens wie auch theoretisch angemessene Führungs- und Beratungsansätze zu präsentieren. Zugleich sollen bewährte Methoden einer system- und lösungsorientierten Praxis im Kontext von Organisationen überprüft und neue Ansätze entwickelt werden.

Torsten Groth

Herausgeber der Reihe

Management/Organisationsberatung

Julia AnderschOliver Martin

Landkarten der Transformation

Syntaktisch-hypnosystemische Entwicklungsberatung

Mit Vorworten von Friedrich Glasl, Gunther Schmidt und Matthias Varga von Kibéd

Zweite Auflage, 2024

Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:

Prof. Dr. Dr. h. c. Rolf Arnold (Kaiserslautern)

Prof. Dr. Dirk Baecker (Dresden)

Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg)

Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln)

Dr. Barbara Heitger (Wien)

Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg)

Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena)

Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg)

Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke)

Dr. Roswita Königswieser (Wien)

Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück)

Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg)

Tom Levold (Köln)

Dr. Kurt Ludewig (Münster)

Dr. Burkhard Peter (München)

Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen)

Prof. Dr. Kersten Reich (Köln)

Dr. Rüdiger Retzlaff (Heidelberg)

Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen)

Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln)

Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke)

Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg)

Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster)

Jakob R. Schneider (München)

Prof. Dr. Jochen Schweitzer † (Heidelberg)

Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin)

Dr. Therese Steiner (Embrach)

Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin † (Heidelberg)

Karsten Trebesch (Dallgow-Döberitz)

Bernhard Trenkle (Rottweil)

Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln)

Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz)

Dr. Gunthard Weber (Wiesloch)

Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien)

Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg)

Prof. Dr. Jan V. Wirth (Meerbusch)

Themenreihe »Management/Organisationsberatung«

hrsg. von Torsten Groth

Reihengestaltung: Uwe Göbel

Umschlaggestaltung: B. Charlotte Ulrich

Umschlagmotiv und Illustrationen: © Florian Caspers | Michael Zentner

Redaktion: Markus Pohlmann

Satz: Verlagsservice Hegele, Heiligkreuzsteinach

Printed in Germany

Druck und Bindung: TZ-Verlag & Print GmbH, Roßdorf b. Darmstadt

Zweite Auflage, 2024

ISBN 978-3-8497-0505-3 (Printausgabe)

ISBN 978-3-8497-8465-2 (ePUB)

© 2023, 2024 Carl-Auer-Systeme Verlag

und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg

Alle Rechte vorbehalten

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Carl-Auer Verlag GmbH

Vangerowstraße 14 • 69115 Heidelberg

Tel. +49 6221 6438-0 • Fax +49 6221 6438-22

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Inhalt

Vorwort von Friedrich Glasl

Vorwort von Gunther Schmidt

Vorwort von Matthias Varga von Kibéd

Einleitung

Wie es zu diesem Buch gekommen ist und was wir damit beabsichtigen

Tiefer geblickt

Wie dieses Buch genutzt werden kann und an wen es sich richtet

Landkarten für das Erkunden vieler und auch entfernter Landschaften

1 Wofür Landkarten in der Organisationsentwicklung?

1.1 Eine Landkarte für viele Organisationslandschaften

1.2 Landkarten ermöglichen uns, Muster zu ergründen, zu verflüssigen und zieldienliche Muster zu festigen

1.3 Entwicklungslandkarten stärken Selbsterneuerungsfähigkeiten und Potenzialentfaltung

1.4 Landkarten der Transformation machen den Unterschied

2 Aufbau der Landkarte der Transformation für Organisationen als mehrschichtige Entwicklungslandkarte

2.1 Basisschicht (Karte der Karte der Karte)

2.1.1 Ganzheitliches Menschenbild

2.1.2 Organisationsbild: Selbst-bewusste Systeme als sich entwickelnde Organismen

2.1.3 Komparative Systemik: Systemischer

2.1.4 Entwicklungsverständnis

2.1.5 Vier Beratungsprinzipien aus der Basisschicht: ganzheitlich, potenzialentfaltend, systemischer und evolutionär

2.2 Logische Grundstrukturen und Archetypen als Basis für ganzheitliche Entwicklungslandkarten

2.3 Die Legende zur Verwendung der Karte (Karte der Karte): syntaktisch – hypnosystemisch – kurativ

2.3.1 Syntaktisch

2.3.2 Kurativ

2.3.3 Hypnosystemisch

2.3.4 Syntaktisch-hypnosystemische und kurative Vorgehens- und Verwendungsweise der Landkarte der Transformation

2.4 Zentrale Modelle für die Transformation von Organisationen (Karte)

3 Vier zentrale Modelle der Landkarte der Transformation von Organisationen

3.1 Organisation als System: Ganzheitliches Systemkonzept der sieben Wesenselemente

3.1.1 Lebendiges und ganzheitliches Erfassen von Organisationen

3.1.2 Systemkonzept im Überblick

3.1.3 Archetypische Struktur und archetypische Qualitäten

3.1.4 Das Systemkonzept als Struktur für syntaktischeres und ganzheitlicheres Arbeiten

3.1.5 Stabilisierende und dynamisierende Wesenselemente

3.1.6 Drei Subsysteme als Ausgangspunkt für drei Typen von Organisationen

3.1.7 Das Systemkonzept in der Praxisanwendung: Wie können wir unsere organisationale Resilienz stärken?

3.2 Organisation in Entwicklung: Entwicklungsphasen von Organisationen

3.2.1 Kurzüberblick

3.2.2 Sieben Wesenselemente als Entwicklungslinien für die Betrachtung der Entwicklungsphasen

3.2.3 Archetypische Entwicklungsprinzipien, auf die Entwicklungsphasen von Organisationen angewandt

3.2.4 Die Entwicklungsphasen von Organisationen im Einzelnen

3.2.5 Syntaktisch-hypnosystemische Arbeit mit den Entwicklungsphasen von Organisationen

3.2.6 Entwicklungsphasen von Organisationen in der Praxisanwendung

3.3 Systemprinzipien in der Organisationsentwicklung

3.3.1 Systemprinzipien als Struktur zur Förderung der Entwicklungs- und Innovationsfähigkeit

3.3.2 Systemprinzipien: Überblick und Anwendungsbedingung

3.3.3 Zentrales Modell der Systemprinzipien im Einzelnen

3.3.4 Anwendung in der Praxis: Fusion zweier werteorientierter Kliniken

3.4 Ziel-Weg-stimmige Prozessgestaltung: Sieben Basisprozesse der Organisationsentwicklung

3.4.1 Sieben Basisprozesse der Organisationsentwicklung als Grundlage für die Gestaltung des vielschichtigen Gesamtprozesses

3.4.2 Archetypische Struktur der Basisprozesse und ihrer Wirkkräfte

3.4.3 Sieben Basisprozesse vertiefter betrachtet

3.4.4 Basisprozesse in der Praxisanwendung

4 Navigieren mit der Landkarte der Transformation für Organisationen

4.1 Anbieten von Entwicklungsräumen mit der mehrschichtigen Landkarte der Transformation

4.1.1 Basisschicht: Ganzheitlich, systemischer, evolutionär und potenzialentfaltend

4.1.2 Legende: Syntaktische, hypnosystemische und kurative Vorgehens- und Verwendungsweise der Landkarte der Transformation

4.1.3 Zusammenspiel der vier zentralen Modelle auf der eigentlichen Karte

4.2 Choreografien durch die Landkarte entwickeln

4.2.1 Schritt 1: Zuhören, nachfragen und paraphrasieren aus der Landkarte der Transformation

4.2.2 Schritt 2: Ergebnis- und Prozessziele formulieren

4.2.3 Schritt 3: Ziel-Weg-stimmige Prozessgestalt(ung)

4.3 Praxisfall: Navigieren mit der Landkarte der Transformation

4.3.1 Zusammenschluss zweier Ländergesellschaften zu einer Region

4.3.2 Mögliche Fragen anhand der vier zentralen Modelle

4.3.3 Ableitungen von Ergebnis- und Prozesszielen für den Organisationsentwicklungsprozess

4.3.4 Schlusskommentar

5 Vier ausführliche Fallbeispiele

5.1 Fallbeispiel 1: Veränderung der Aufbaustruktur in einem Amt

5.1.1 Hinweise und Paraphrasierungen aus der Landkarte der Transformation für Organisationen

5.1.2 Ergebnis- und Prozessziele

5.1.3 Ziel-Weg-stimmige Prozessgestaltung

5.2 Fallbeispiel 2: Weiterentwicklung der Selbstorganisation einer werteorientierten Reha-Klinik

5.2.1 Hinweise und Paraphrasierungen aus der Landkarte der Transformation für Organisationen

5.2.2 Ergebnis- und Prozessziele

5.2.3 Ziel-Weg-stimmige Prozessgestaltung

5.3 Fallbeispiel 3: Identitätsentwicklung im Kontext der Fusion dreier Gesellschaften einer Holding

5.3.1 Hinweise und Paraphrasierungen aus der Landkarte der Transformation für Organisationen

5.3.2 Ergebnis- und Prozessziele

5.3.3 Ziel-Weg-stimmige Prozessgestaltung

5.4 Fallbeispiel 4: Arbeit der Geschäftsleitung am gemeinsamen Führungsverständnis im Rahmen einer Jahresklausur

5.4.1 Hinweise und Paraphrasierungen aus der Landkarte der Transformation für Organisationen

5.4.2 Ergebnis- und Prozessziele

5.4.3 Ziel-Weg-stimmige Prozessgestaltung

6 Logische und archetypische Formate und Vorgehensmodelle

6.1 Unsere sieben meistverwendeten Formate und Vorgehensmodelle

6.1.1 Formate

6.1.2 Vorgehensmodelle

6.2 Seitenmodell: Gefühle, Bedürfnisse und Ambivalenzen pacen und utilisieren

6.2.1 Seiten von Menschen als Ausdruck achtenswerter Bedürfnisse

6.2.2 Anwendungsbeispiel in der Praxis

Verzeichnis der Abbildungen

Verzeichnis der Tabellen

Verzeichnis der Praxisbeispiele

Literaturverzeichnis

Über die Autorin und den Autor

Vorwort von Friedrich Glasl

In dem integrativen Beratungsansatz von Julia Andersch und Oliver Martin sprechen mich besonders folgende Schlüsselbegriffe, Prinzipien und Werte immer wieder an:

Entwicklung

Beachtung des Zusammenspiels von Körper-Seele-Geist

Selbstbestimmung und Selbstgestaltung durch

Entfaltung der originären Potenziale eines Menschen

Intuitive und rationale Zugänge zu Lösungsmöglichkeiten.

Diese Werte und Prinzipien gelten sowohl für die Begleitung eines individuellen Menschen als auch für eine Arbeit mit einer Organisation – selbstverständlich immer in der jeweils passenden Form. Es hat mich bei der Lektüre des Buches natürlich gefreut zu sehen, dass mein Entwicklungsverständnis – das sie in Kapitel 2.1.4 zitieren – eine wichtige Grundlage für das Werk bildet und wie stimmig es mit den anderen zentralen Inspirationsquellen ist, die wir in unserem Fachbereich Matthias Varga von Kibéd mit Insa Sparrer und Gunther Schmidt zu verdanken haben.

Dieser Stimmigkeit will ich in den nächsten Absätzen nachgehen und beginne mit meinem Entwicklungsverständnis, das ich in »Krisen, Konflikte, Sternstunden« (S. 22 f.) wie folgt formuliert habe:

Ich verstehe unter Entwicklung:

den Wandel eines Wesens und seiner Gleichgewichtszustände in einer zeitlichen unumkehrbar fortschreitenden Folge, in der sich die Gestalt des Wesens und seine gestaltbildenden Prinzipien so verändern, dass es seine Potenziale entfaltet und dadurch mehr und mehr fähig wird zur eigenständigen Bewältigung höherer endogener und extrogener Komplexität.

Nach meinem Verständnis ist das Subjekt, das sich entwickeln kann, ein »Wesen«, das mit einem Ich bzw. einem Selbst begabt ist und das ein Mensch oder ein von Menschen-Ichen gebildetes Kollektiv sein kann. Erst dadurch ist Selbststeuerung bzw. Selbstbestimmung begrifflich denkbar und real möglich. Beim Menschen verweist sein Selbst bzw. sein Ich auf die geistige Dimension in der Trias von Körper-Seele-Geist; und bei einer Organisation haben wir mit der Identität einer Gemeinschaft zu tun, also der Essenz des kulturellen Subsystems, als Geistpol der dreigliedrigen Organisation, die mit dem kulturellen, sozialen und technisch-instrumentellen Subsystem eine Wesens-Ganzheit bildet. Im hier vorgestellten Beratungsansatz verwirklicht sich dies auf stimmige Weise in einem ganzheitlichen Vorgehen, für das sowohl rationale wie auch intuitive Methoden erforderlich sind.

Entwicklung als eine besondere Form des Wandels bedeutet, dass nicht nur der eine oder andere äußerliche Wandel erfolgt – wie quantitatives Wachstum, Formveränderung, Austausch und Perfektionierung bestimmter Elemente –, sondern dass sich mit der Änderung der gestaltbildenden Paradigmen die Gesamtgestalt und die Gesamtkomposition der Elemente wandeln. Der Wandel der Gestalt bzw. der Gesamtkonfiguration ist die Folge veränderter endogener Gestaltungskräfte, kommt also von innen heraus, aus der Beschaffenheit des Wesens. Als 1974 mein damaliger Chef am Institut für Organisationsentwicklung, der Mediziner und Psychiater Prof. Bernard Lievegoed, das auf ähnliche Art in seinem Buch Organisationen im Wandel beschrieb, wurde ihm von deutschen Organisationswissenschaftlern »Biologismus« vorgeworfen – heute wird in der Systemtheorie eine Gestaltung aus eigenen Kräften anerkannt und »Autopoiese« genannt. Und das Besondere daran ist: Sie kann nicht kausal emergierend, also nicht durch materielle Gegebenheiten bedingt erklärt werden, sondern nur, indem ich davon ausgehe, dass der Wandel auf ein Ziel ausgerichtet ist – und das ist etwas Geistiges! Ziel und Sinn des Wandels wirken als Zugkraft, als Attraktor, der die Dynamik des Wandlungsprozesses gestaltet. Deshalb bin ich vor Jahren gegen Führungskräfte aufgetreten, die verkündeten, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur durch einen erhöhten Leidensdruck zum Akzeptieren von Veränderungen bewegt werden können. Ich habe dabei dem oft bemühten »Leidensdruck« meine Wortschöpfung »Lustsog« gegenübergestellt, denn statt Leid motiviert Lust, und statt Druck bewegt uns Sog.

Die Fähigkeit zu einem möglichen Gestaltwandel ist demnach ein Potenzial, das ein Wesen von vornherein mitbringt, auch wenn wir nicht erklären können, woher es genau kommt. In diesem Denken hat mich Viktor Frankls Leben und Werk schon zu Beginn meiner Forschungs- und Beratungsarbeit Ende der Sechzigerjahre bestätigt und ermutigt. Prof. Frankl hat für mich überzeugend dargelegt und vorgelebt, dass die konsequente Beachtung des Zusammenklangs von Körper, Seele und Geist die Grundlage jeden agogischen oder therapeutischen Arbeitens mit Menschen ist. Wobei ich betonen muss, dass mit dem Geist eines Menschen nicht – wie das oft geschieht – seine mentalen Fähigkeiten gemeint sind, sondern sein Bedürfnis, seinem Leben selbstwirksam eine eigene Richtung und einen Sinn zu geben. In dem Film »Die Kinder des Monsieur Mathieu« wird das auf eine berührende Weise sichtbar. Der neue Musiklehrer Mathieu gewinnt die Herzen der »schwierigen Knaben« des Erziehungsheims damit, dass er alle Kinder einen Aufsatz zum Thema »Was ich einmal werden will« schreiben lässt. Und wirklich, jedes Kind hat irgendeine Vorstellung davon, was es später aus sich machen will, und sei es auch ein Meisterdieb! Die Sinnorientierung weist bei einem Menschen eigentlich immer über sich hinaus und ist »selbsttranszendierend«. Es bedeutet, dass jemand sein erworbenes Wissen und Können anderen Menschen bzw. kleineren oder größeren Gemeinschaft (bzw. der Gesellschaft) zur Verfügung stellt. Dabei geht es nicht um großartige, heroische Lebensziele, sondern es kann schon Sinn machen, für einen anderen Menschen einfach nur da zu sein und ihn so aus seiner Einsamkeit zu holen. Auch das ist Selbstentwicklung zur Selbsttranszendenz. Wenn ich dafür die eigenen Potenziale erkenne und bewusst entfalte, dient das nicht dem Egotrip.

Damit bin ich bei den Schlüsselbegriffen »Selbstbestimmung«, »Autonomie«, wie sie in meinem Entwicklungsverständnis enthalten ist in der Formulierung »… fähig wird zur eigenständigen Bewältigung höherer endogener und extrogener Komplexität«.

Es ist daher völlig stimmig, wenn der hier vorgestellte Beratungsansatz gemäß den hypnosystemischen Prinzipien davon ausgeht, dass die Klienten oft mehr unwillkürlich ihrer eigenen Sinnorientierung folgen und ihre eigenen Problemlösungen finden können, weil sie dafür Potenziale mitbringen, die sie aktivieren und entfalten können.

Das eingeborene geistige Bedürfnis nach Sinn gibt uns letztlich die psychische Kraft, auch in erlittenen Enttäuschungen, Krisen, Konflikten, Krankheiten und Schicksalsschlägen für uns noch einen Sinn zu erkennen, wie schmerzlich die Erkenntnis auch sein mag, sodass wir nicht verzweifeln und aus dem Leben fliehen wollen.

Für Entwicklungsberatung ergibt sich aus meinen Betrachtungen, dass niemand einen anderen Menschen entwickeln kann – denn das kann jeder nur selbst. Alles andere wäre fremdbestimmte Formung. Als Mediator, Coach oder Berater kann ich die Entwicklungsbemühungen eines Menschen unterstützen – aber auch behindern oder sogar blockieren; oder ich kann durch mein Verhalten einen Menschen in eine Regression treiben. Dies geschieht ja in jedem Eskalationsprozess, wenn die Konfliktparteien durch ihre Interaktion einander zu einem Denken, Fühlen, Wollen und Handeln einladen oder provozieren, wodurch sie in eine von ihnen bereits zurückgelegte Entwicklungsstufe zurückfallen, sodass sich Erwachsene wie Pubertierende oder wie im Kindergarten benehmen. Diese betrübliche Erfahrung muss ich immer wieder machen, wenn ich als Mediator bei Paarkonflikten, in Organisationen oder als Berater bei Friedensprozessen mit den Konfliktparteien bemüht bin, die noch immer irgendwie vorhandenen Selbstheilungskräfte in ihnen aufzuspüren und ihre Selbststeuerung zu reaktivieren, sodass sie ihre Potenziale wirklich konstruktiv einsetzen.

Die hier vorgelegte Verbindung meiner Organisationsentwicklungs-Konzepte mit den systemischen Ansätzen von Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd wie auch mit den hypnosystemischen Theorien und Praktiken von Gunther Schmidt ist keine bloß additive Verknüpfung intelligenter und nützlicher Konzepte, sondern eine konsistente Integrationsleistung.

Seekirchen bei Salzburg, im Februar 2023

Friedrich Glasl

Vorwort von Gunther Schmidt

Organisationen und die Interaktion mit ihnen sind, auch wenn man ihnen nicht selbst angehört, in der heutigen Welt für uns alle sehr relevante Umwelten. Dabei werden sie oft erlebt, als seien sie »feststehende Wesenheiten«, als ob sie quasi über ein autonomes Eigenleben in sich und aus sich selbst heraus verfügen würden. Den Beteiligten innerhalb einer Organisation ebenso wie denen außerhalb von ihr erscheint es dann häufig so, als seien diese vermeintlich ganz eigenständigen »Organisationswesen« sehr machtvoll, womöglich so mächtig, dass man sich von ihnen massiv fremdbestimmt, ja manchmal sogar als ausgeliefertes Opfer unterworfen erlebt.

Gleichzeitig wissen wir, dass jede Organisation erst ins Leben kommt durch ein spezielles Zusammenwirken von autonomen Menschen in dem, was man »die Organisation« nennt, und auch durch deren interaktionelles Wechselspiel mit »Kräften« von außerhalb der Organisation (z. B. Menschen und sonstigen Umwelten). In diesem Wechselspiel wirken sehr unterschiedliche, in vieler Hinsicht auch sehr widersprüchliche Kräfte. Man kann sogar sagen, dass Organisationen die Ansammlung und die gezielte Synergie von Widersprüchen (z. B. hinsichtlich Aufgabenverteilungen, Rollen, Zielen, Interessen usw.) darstellen, wobei gerade dieses Zusammenwirken von Widersprüchen ihre Überlegenheit im Vergleich z. B. zu Einzelaktionen von Individuen erbringt, je nachdem wie es geregelt ist.

Dabei übersteigt die erlebte massive Komplexität eines solchen Gebildes bei Weitem die Verarbeitungskapazität jedes Menschen; wir sind also alle genötigt zur Komplexitätsreduktion, um überhaupt handlungsfähig zu sein. Je nachdem, auf welche Art dies geschieht, ergeben sich dadurch ganz unterschiedliche Wirkungen sowohl auf die betreffenden Individuen als auch auf die Organisationen, mit denen sie in Wechselwirkung treten.

Nach meiner Erfahrung greifen dabei viele Mitwirkende in Organisationen, manchmal auch Berater:innen, intuitiv oft auf Beschreibungs- und Erklärungsmodelle zurück, die sie aus vertrauten Kontexten sozialer Systeme kennen, besonders oft auf solche, die ihren Erfahrungen in Familien und anderen sozialen Systemen ähneln. Dies kann schnell zu Verwirrung und zu unpassenden Lösungsstrategien führen, denn in Familien kann man z. B. nicht so einfach gekündigt werden oder selbst kündigen, selbst wenn das jemand gerne täte.

Andere neigen eher dazu, Organisationen auf hohem Abstraktionsniveau zu beschreiben, abgeleitet aus soziologischen Perspektiven. Dabei werden meist polare Definitionskonstrukte genutzt, zum einen solche, die Organisationen als Systeme begreifen, die aus Organismen, z. B. Individuen, aufgebaut werden, zum anderen solche (z. B. bei Luhmann), die davon ausgehen, dass die entscheidenden Komponenten von Organisationen aus Kommunikation bestehen. Die letzteren Konzepte haben entscheidende Vorteile dahingehend, die Komplexität zu reduzieren; erstere, allein genutzt, könnten die ohnehin große Komplexität noch enorm erhöhen und so behindernd und überfordernd wirken.

Die Perspektive, dass Organisationen aus Komponenten der Kommunikation bestehen, hat neben der wissenschaftlichen Sinnhaftigkeit noch weiteren Charme, denn sie bewirkt aus hypnosystemischer Sicht im Erleben derer, die so vorgehen, eine entlastende Form der Dissoziation, also des Abstandschaffens von der betrachteten Organisationsdynamik. Die beschriebene polare Diskussion führt aus meiner Sicht leider aber oft zu einer Entweder-oder-Haltung, sodass auch in Organisationsberatungsprozessen vor allem auf die Ebene der Organisationsstrukturen, der Kommunikations- und Regelungsprozesse allein fokussiert wird.

Wenn man einen Prozess der Organisationsentwicklung gestalten will, wird dieser durch individuelle Menschen verwirklicht, natürlich in Wechselwirkung mit den relevanten Kontexten. Veränderungen bedeuten immer auch Lernprozesse. Organisationen aber können nicht lernen. Organisationen können z. B. auch keinen Burn-out entwickeln (auch wenn man manchmal von »Organisationen im Burn-out« liest), denn dafür braucht man einen Körper, den Organisationen eben nicht aufweisen. Lernen von Motivation, von optimaler Kompetenzaktivierung für erfolgreiche, zieldienliche Kommunikation und von entsprechenden Kooperationsprozessen können nur Menschen (jedenfalls sieht es bisher – siehe KI – so aus); Organisationen können aber Umwelten bieten, die solches Lernen fördern oder behindern. Das gilt gleichermaßen für die Entwicklung gesunden Verhaltens.

Wie Niklas Luhmann eindrücklich beschrieb, indem er die Ergebnisse der Autopoieseforschung im Bereich der Neurobiologie auf soziale Systeme übertrug, stellen die Individuen in einer Organisation in ihren jeweiligen Rollen jeweils relevante Umwelten füreinander und für die Organisation dar, die Organisation wiederum eine sehr relevante Umwelt für die Individuen. Dann stellt gerade auch die Kopplung dieser sich wechselseitig beeinflussenden Umwelten eine zentrale Thematik und Aufgabe dar. Je nachdem, wie diese Kopplung gestaltet werden kann, wird bei gleichen individuellen Beteiligten daraus ein völlig anderes Organisationssystem. Jede Organisation, genauso wie jedes Individuum, erweist sich also als potenziell multiples System.

So wird neben der Betrachtung der interaktionellen Kommunikationsprozesse eben auch wieder die gezielte Beschäftigung mit den Erlebnisprozessen von Individuen in sozialen Systemen sehr relevant, denn je nachdem, wie sie diese Erlebnisprozesse gestalten, wird die Organisationsdynamik jeweils anders, auch bei formal gleich bleibenden Regelungsprozessen.

Bei jedem Organisationsentwicklungsprozess kann man davon ausgehen, dass er bei den beteiligten Individuen – und damit auch in deren interaktionellem Wechselspiel, welches die Organisation erst ausmacht – zu intensiver Dynamik mit vielen Ambivalenzen (deshalb eigentlich »Multivalenzen«) und auch Konflikten führt. Das ist allein schon wegen der Grundbedürfnisse von Menschen in sozialen Systemen zu erwarten (z. B. Sicherheit, auch Zugehörigkeitssicherheit; Einbezogensein in alles, was einem betrifft; Transparenz dafür; Autonomie mit Gestaltungsmöglichkeiten im eigenen Bereich; Selbstwirksamkeit und gleichzeitig Verbundenheit, Fairness, Status usw.). Jeder Veränderungsprozess kann diese wichtigen Bedürfnisbereiche betreffen und eventuell auch bedrohen.

Mit hypnosystemischen Konzepten (auch basierend auf den Erkenntnissen der Hirn-, Priming- und Embodiment- sowie der Gedächtnisforschung) kann systematisch gezeigt werden, dass jedes Erleben immer wieder neu erzeugt wird durch bewusste und vor allem unwillkürliche und oft auch unbewusste Prozesse der Aufmerksamkeitsfokussierung – immer kontextbezogen.

Dabei verfügt, wie die autobiografische Gedächtnisforschung zeigt (Episodengedächtnis), jeder Mensch in seinem unbewussten Erfahrungsrepertoire über sehr viele verschiedene Erlebnispotenziale – solche mit vielen konstruktiv wirkenden Kompetenznetzwerken, aber auch solche, die aus Erfahrungen mit Verwirrung, Angst, Wut und mit destruktiv wirkenden Reaktionsmustern assoziiert sind (Affektlogik nach Ciompi). Je nach erlebtem Kontext werden solche Erlebnisnetzwerke in unterschiedlicher Weise getriggert (Hebb’sches »Gesetz«: »Cells that fire together wire together«). Werden z. B. Organisationsprozesse von Beteiligten als unklar, verwirrend, widersprüchlich, abwertend, als Druck machend erlebt, werden dadurch auf unwillkürlicher Ebene meist altersregressive, undifferenzierte und häufig destruktiv wirkende Erlebnisprozesse gebahnt, die dann wieder in suboptimale Kommunikations- und Verhaltensprozesse in der Organisation münden. Hypnosystemisch nennt man das einen »Problemtranceprozess«.

Da Erleben eben immer durch Prozesse der Aufmerksamkeitsfokussierung erzeugt wird, müssen diese so gebildet und gesteuert werden, dass die optimal zieldienlichen »schlummernden« Kompetenzpotenziale aller Beteiligten im Dienste der Ziele der Organisation aktiviert und zusammengeführt werden können. Jeder Regelungsprozess, jede Entscheidung, jede Maßnahme generell wirkt als Maßnahme der Fokussierung mit entsprechenden Effekten in der Organisation und für die Menschen in ihr. Jeder Beratungsprozess, auch Team- und Organisationsentwicklungsprozesse sollten deshalb verstanden werden quasi als »Ritual der Aufmerksamkeitsfokussierung«, und zwar sowohl für die Individuen in der Organisation als auch dafür, alle Regelungsprozesse der Organisation so aufzubauen, dass sie – interaktionell zirkulär – zu einer systematischen Aufmerksamkeitsfokussierung werden.

In jeder Beratung werden dafür Modelle benötigt, die es ermöglichen, dass systematisch die zieldienlichen Fokussierungsprozesse für die verschiedenen Ebenen und Phasen geplant, aufgebaut und wirksam kommuniziert werden können. Damit es zu entsprechenden Handlungen kommen kann, muss die riesige Komplexität aller dieser Prozesse auf genau solche zieldienliche Weise reduziert werden.

Die Ebene der inhaltlichen Narrative der Beteiligten ist dabei zwar wichtig, aber letztlich deutlich zweitrangig. Beim hypnosystemischen Vorgehen geht es in erster Linie darum, die Struktur und Dynamik der Organisation des unwillkürlichen und willentlichen Erlebens der Beteiligten und deren interaktionelle Wechselwirkungen (internale und interaktionelle Muster oder Netzwerke) systematisch zu beschreiben und zu nutzen. Für die Beschreibung solcher Netzwerke habe ich detaillierte Strukturmodelle entwickelt. Alle Veränderungsinterventionen zielen darauf ab, dass durch das Einführen von Unterschieden in die gerade dominierenden Netzwerke diese Kompetenzpotenziale (im Sinne des Hebb’schen »Gesetzes«) reaktiviert werden und zu dominierenden Netzwerken gemacht werden können. Das geschieht dadurch, dass Unterschiede eingeführt werden, die wiederum vernetzt sind mit den optimalen, zuvor »schlummernden« Kompetenznetzwerken der Beteiligten. Eine wichtige parallel laufende Aufgabe besteht darin, sehr wohl auch auf die inhaltlichen Narrative achtungsvoll einzugehen, sie zu würdigen und kontinuierlich zu beachten, weil nur so die Bereitschaft und Befähigung zur Kooperation kraftvoll genug unterstützt wird (Pacing).

Die Landkarten der Transformation, die Julia Andersch und Oliver Martin hier vorlegen, bieten mit integrierender Meisterschaft für eine Synergie verschiedener Grundkonzepte hervorragende Systematisierungen und Handlungshilfen für alle diese Aufgaben. Die Autor:innen erfassen sehr differenziert und in äußerst hilfreicher Art auch klar die unterschiedlichen, alle gleichermaßen wichtigen Ebenen von Organisationsprozessen. Damit helfen sie nicht nur allen Menschen, die Beratungsprozesse durchführen, zu optimalen Metabeobachterpositionen und sehr wirksamen Interventionsbildungen zu kommen. In ähnlicher Weise profitieren alle Beteiligten in Organisationen, z. B. durch optimales Pacing und lösungsgestaltendes Utilisieren der erwähnten Problemtranceprozesse. Das ermöglicht sehr konstruktiv wirkende Ankopplungsprozesse an die Welterfahrungen der jeweiligen Kooperationspartner:innen sowie schnell und nachhaltig wirkende Bahnungsmöglichkeiten dafür, dass zieldienliche Kompetenzen in der Organisation reaktiviert werden können. Die Autor:innen zeigen, wie dies Schritt für Schritt systematisch umgesetzt werden kann, sodass die stimmigsten Zeitpunkte (Kairos) für die jeweiligen Maßnahmen mit den jeweils relevanten Beteiligten der einzelnen Prozesse ausgewählt werden können.

Metaphorisch gesprochen, stellen diese Landkarten für mich ein herausragendes »GPS-System« zum optimalen Navigieren in oft zunächst völlig verwirrenden, unübersichtlich zerklüfteten »Landschaften« dar, in denen dazu noch häufig schlechte und überraschend schnell wechselnde »Wetterbedingungen« herrschen. Mit den hier vorgelegten Konzepten kann man sogar dann relativ gemütlich, mit klarem Blick und sehr selbstwirksam handlungsfähig steuern, nicht nur in der beratenden Rolle, sondern auch indem man andere in der Organisation so anregt, dass sie in für sie stimmiger Weise besser selbstwirksam werden können. Dafür danke ich Julia Andersch und Oliver Martin sehr, und ich bin sicher, dass sehr viele Leser:innen zu ähnlich deutlichem Dank für diese hervorragenden Hilfen kommen werden. Viel Vergnügen dabei wünsche ich allen Interessierten!

Heidelberg, im Juli 2023

Dr. med. Dipl. rer. pol. Gunther Schmidt

Leiter des Milton-Erickson-Instituts Heidelberg

Ärztlicher Direktor der sysTelios-Klinik für psychosomatische Gesundheitsentwicklung, Siedelsbrunn

Vorwort von Matthias Varga von Kibéd

In diesem Buch ist etwas Erstaunliches gelungen. Julia Andersch und Oliver Martin haben einen Ansatz vorgelegt, der in der Form seines Entstehens, seiner Struktur, Darstellung, Anwendung und Vermittlung die Grundsätze widerspiegelt, auf denen ihre Arbeit beruht.

Sie arbeiten mit der Idee eines komparativen Ansatzes und betonen das Syntaktische, also die Form der Grammatik der Prozesse und Interventionen. Und sie vermeiden zugleich bei ihrer Art der Darlegung eine fundamentalistische Haltung, indem sie dabei das Syntaktischerwerden des Vorgehens betonen, also das ständige Fortschreiten in einer syntaktischen Haltung und in Methodik – und nicht um ein für alle Mal vorgegebene angeblich letzte Standpunkte.

Dieses »syntaktischere« Vorgehen ist in voller Übereinstimmung mit der Idee einer komparativen Systemik im transverbalen Ansatz der Systemischen Strukturaufstellungen, bei dem die Fortschritte im systemischen Vorgehen, Wahrnehmen, Beschreiben, Vermitteln und Anwenden durch ein immer stärkeres Ablösen von fixen Eigenschaftszuschreibungen erfolgt.

Dabei geht es, wenn die Autoren von »syntaktischerer Beratung« sprechen, nicht um Bewertung und Vergleich verschiedener Methoden, sondern vielmehr darum, dem Komparativ einer Qualität grundlegendere Bedeutung zuzusprechen als der Qualität für sich genommen. Diese Sichtweise liegt indirekt dem lösungsfokussierten Ansatz der Schule von Milwaukee zugrunde im Sinne von Steve de Shazers wichtigem Grundsatz, dass wir die Bedeutung von »besser« verstehen können, ohne die Bedeutung von »gut« zu kennen. Syntaktischeres Beraten, insbesondere wie in diesem Buch bei Transformationsprozessen, ist eine fruchtbare neue Ausprägung solcher komparativer Sicht- und Vorgehensweisen.

Darüber hinaus und kongruent zum syntaktischeren Vorgehen ist der Ansatz von Julia Andersch und Oliver Martin ressourcenorientiert und unterschiedsbasiert und bietet eine differenzierte und zugleich gut handhabbare Grammatik der Interventionen für die Organisationsentwicklung und andere Arten von Transformationsprozessen.

Die Autoren zitieren oft Virginia Satirs bekannte Aussage »Wir finden zusammen auf der Grundlage von Gemeinsamkeiten und wachsen auf der Grundlage von Unterschieden». Es ist also ein höchst stimmiges und sinnvolles Vorgehen, wenn sie in diesem Buch drei Ansätze miteinander verbinden, die einerseits alle den Wert von Strukturen und syntaktischen Aspekten hochschätzen und in vieler Hinsicht ein verwandtes Menschenbild haben, und wenn sie andererseits zugleich in den Unterschieden und Zwischenräumen dieser Ansätze ihre eigene Form gesucht und gefunden haben. In die Grundlagen ihrer Arbeit gehen dabei also als Basisquellen insbesondere das Werk von Friedrich Glasl und der Trigon-Ansatz ein, der hypnosystemische Ansatz von Gunther Schmidt sowie der transverbale Ansatz der SySt-Arbeit von Insa Sparrer und mir. (Von der Vielzahl anderer Quellen, die in diesem Buch und in der Arbeit der Autoren zur Geltung kommen, seien nur erwähnt die Einflüsse von Milton H. Erickson, Viktor Frankl, Virginia Satir, der Schule von Milwaukee und Stephen Gilligan.)

Julia Andersch und Oliver Martin verwenden zentrale Ideen dieser drei Basisquellen als Landkarten im Sinne von Korzybski. Mir ist durch ihr Buch ein Zug der Idee der Landkarte (bei Korzybski) klarer geworden, die ich bisher vorwiegend als Modelle im Sinn der Modelltheorie sah, mit vielen besonders wertvollen Bezügen zur Selbstreferenzialität von Landkarten und einer pragmatisch und semiotisch erweiterten Auffassung von Sprache. Aber die Autoren betrachten ihre Landkarten der Transformation eher als Instrumente der Orientierung und daher näher an der Anwendung in der Praxis, als dies mit dem Modellbegriff im Allgemeinen verbunden wird. So können sie die Landkarten wirklich im alltäglichen Sinne als Orientierungsmittel für die Praxis verwenden, indem sie einerseits Pfade der Interventionen bei Organisationsentwicklungsprozessen in einer Ebene nehmen, in der sie Grundmuster aus den drei Basisrichtungen aufgreifen, im eigenen Stil einsetzen und mit vielen eigenen Ideen verbunden vermitteln. Doch ist ihr Vorgehen nicht auf diese Ebene beschränkt, sondern sie betrachten auch Landkarten für die so entstehenden spezifischen Landkarten und Landkarten dieser Landkartenbildung. Sie arbeiten also zugleich mit einer horizontalen und einer vertikalen Art von Bewegungen, in einer multidimensionalen Landkarte.

Zwischen den Grundideen der Landkarte ihrer Basisebene und den Landkarten höherer Ordnung bewegen sich Julia Andersch und Oliver Martin mit großer Kreativität, Fachkundigkeit, Klarheit und einer entschiedenen Ausrichtung auf die Anliegen der Menschen, für die sie arbeiten.

Landkarten der Transformation ist also ein sehr geeignetes Motto für dieses Buch, denn Landkarten unterscheiden sich schon in der intuitiven Assoziation von Modellen, da wir bei Modellen im Allgemeinen die Darstellung davon, wie etwas ist, im Vordergrund erleben, während Landkarten für uns mit der Frage verbunden sind, wie eine Bewegung im Raum vollzogen werden kann – und daher haben Landkarten auch damit zu tun, wo wir uns gerade befinden.

Der einzelne Mensch und seine Werte (im Wittgenstein’schen Sinne als Einstellungen zur Welt als Ganzem), »Ich« und »Du«, kommen aus meiner Sicht in einer Landkarte eher vor als in einem Modell. Und damit findet, meine ich, auch das Buber’sche Grundwortpaar Ich – Du der Begegnung in einer Landkarte eher Raum als in einem Modell, das wohl eher zum Grundwortpaar Ich – Es der Erfahrung gehört.

Da für so verstandene Landkarten also eher als für Modelle wesentlich ist, wo wir uns befinden, haben Landkarten in meinem Sinne also einen natürlichen Selbstbezug und sind daher für die Darstellung von Organisationen und sozialen Systemen angemessener als von uns (als handelnden, subjektiven intentionalen Perspektivenwesen) mindestens scheinbar unabhängige Modelle.

Während bei Wittgenstein im Tractatus logico-philosophicus die Form der Darstellung der Punkt außerhalb des Bildes ist, von dem aus das Bild das Abgebildete darstellt, so würde ich für die Betrachtung der Art und Weise, wie die Autoren Landkarten der Transformation auf mehreren Ebenen anwenden, einen neuen Aspekt hinzunehmen, der für meine Auffassung vom Begriff der Landkarte wesentlich ist. Denn hier geht es nicht nur um eine Abbildung und die subjektive Perspektive auf ein Modell, sondern um Bewegungen, die mit Intentionen, Handlungen und Entwicklungsmöglichkeiten im Allgemeinen zu tun haben. Die Idee der Form der Darstellung sollte daher aus meiner Sicht für Landkarten modifiziert (und erweitert) werden zum Begriff der Form der Entwicklung, den ich definiere als den Ort, von dem aus unterschiedliche Vorgehensweisen und Bewegungen intendiert und gewollt werden können.

So gesehen kann das Werk von Julia Andersch und Oliver Martin als Explikation der Praxis einer komplexen Grammatik von Interventionen und Prozessgestaltungen in der Entwicklungsberatung gesehen werden, durch die die Form der Entwicklung zugänglicher gemacht wird. Landkarten der Transformation sind also aus meiner Sicht ein kunstfertiges Mittel, die Form der Entwicklung in der Entwicklungsberatung verstehbarer, sichtbarer, erkennbarer und nachvollziehbarer werden zu lassen.

Die ausführlich dargelegten Fallbeispiele zeigen auch die hohen Freiheitsgrade, die der Ansatz der Autoren im Sinne von Heinz von Foersters kybernetischem Imperativ bietet. In den verschiedenen Fällen wird auf die Teillandkarten in höchst unterschiedlicher Weise zurückgegriffen und so gezeigt, wie durch die Verwendung von in vieler Hinsicht miteinander kompatiblen und doch ausreichend verschiedenen Basisquellen für die Anwendenden der Raum der Möglichkeiten entscheidend vergrößert wird.

Die Freiheit der Pfadwahl wird ermöglicht und gesteigert durch die Verwendung von Landkarten höherer Ordnung. Und hier, bei der Betrachtung der vier Beratungsprinzipien (ganzheitlich, potenzialentfaltend, evolutionär, systemischer), die aus Sicht der Autoren alle Schichten und zentralen Modelle der Transformationslandkarten durchdringen, ist auch der Wohnort der Werte und des Ethischen in diesem Ansatz. Werte sind in diesem Ansatz etwas, das sich aus der Vorgehensweise organisch ergibt und implizit schon vorhanden ist – und hier besteht auch eine starke Verbindung zwischen der Arbeit von Julia Andersch und Oliver Martin und der Sicht und Haltung bei Friedrich Glasl, Gunther Schmidt, Insa Sparrer und mir. Werte sind hier nicht ein Zusatz oder eine nachträgliche Rahmengebung, auch kein gegen andere Ansätze abgrenzender fundamentalistischer Ausgangspunkt, sondern natürliche Ergebnisse und zugleich implizite Vorbedingungen einer angemessenen Praxis.

Gemeinsam mit Insa Sparrer wünsche ich Julia Andersch und Oliver Martin mit ihrem Buch und ihrer klaren, respektvollen, differenzierten, hingabevollen, wertschätzenden und menschenfreundlichen Arbeit Erfolg und Erfüllung in ihrem weiteren Wirken.

Wer dieses Buch liest, hat eine anregende, lehrreiche, lohnende und inspirierende Reise vor sich!

Lido di Venezia, im August 2023

Matthias Varga von Kibéd

Einleitung

»Bernhard von Chartres sagte, wir seien gleichsam Zwerge, die auf den Schultern von Riesen sitzen, um mehr und Entfernteres als diese sehen zu können – freilich nicht dank eigener scharfer Sehkraft oder Körpergröße, sondern weil die Größe der Riesen uns emporhebt.«

Johannes von Salisbury: Metalogicon 3, 4, 46-50

Wie es zu diesem Buch gekommen ist und was wir damit beabsichtigen

Menschen, Teams und Organisationen darin zu unterstützen, sich wesensgemäß zu entwickeln, ist unser Herzensanliegen.

Seit vielen Jahren sind wir in Organisationsentwicklung, Mediation und Coaching tätig und beschäftigen uns intensiv mit den Trigon-Konzepten der Organisationsentwicklung und des Konfliktmanagements (deren maßgeblicher Entwickler Friedrich Glasl ist), mit den grammatischen Ideen und syntaktischen Formaten des SySt1-Instituts (Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd) und dem hypnosystemischen Ansatz von Gunther Schmidt.

Vor mehr als zehn Jahren haben wir gemeinsam begonnen, diese Ansätze miteinander zu verweben, sowohl in unseren Lehrtätigkeiten als auch in unserer Beratungspraxis.

Oliver Martin war damals schon länger bei Trigon Entwicklungsberatung, war seit vielen Jahren mit den Ansätzen von Glasl zur Theorie und Praxis der Organisationsentwicklung und der Mediation vertraut und hatte begonnen, diese mit den Inspirationen aus dem SySt-Institut zu verbinden. Julia Andersch hatte sich zu jener Zeit bereits intensiv mit SySt auseinandergesetzt und daraus eigene Anwendungen für ihre Beratungspraxis im Kontext von Kultur- und Identitätsentwicklung sowie Employer Branding entwickelt. Wir beide waren gleichzeitig von der Hypnosystemik Gunther Schmidts fasziniert und suchten zunächst unabhängig voneinander nach Ideen, dieses Metakonzept organisch in unsere praktische Beratungsarbeit zu integrieren.

Seither haben wir in allen unseren Projekten und Seminaren systematisch begonnen, Modelle von Trigon unter SySt-Perspektiven und hypnosystemischen Gesichtspunkten zu betrachten und umgekehrt. Dabei war es uns von Anfang an wichtig, diese drei Ansätze nicht einfach nebeneinanderzustellen und instrumentell zu betrachten, sondern die sehr ähnlichen Grundhaltungen und konkreten Modelle und Instrumente miteinander zu verbinden und daraus entstehende Synergien zu nutzen.

Wir hatten und haben das Glück, dass wir von unseren drei Hauptquellen nicht nur lernen, sondern auch mit ihnen in verschiedenen Kontexten immer mehr zusammenzuarbeiten. In vielen Gesprächen, Seminaren und Kundenprojekten, auf Symposien und Kongressen sowie durch vielfältige gemeinsame Erlebnisse haben wir nicht nur deren Ideen, Inspirationen und Impulse besser und tiefer verstehen gelernt, sondern sie mit unseren eigenen Sichtweisen und Erfahrungen verbunden, uns auch mal an und mit ihnen gerieben und sie so immer mehr in unserem eigenen Ansatz integriert.

Aus anfänglich eher losen Verknüpfungen ist es uns gelungen, die Kernideen und -prinzipien dieser drei Schulen so miteinander zu verweben, dass ein originärer, integraler Beratungsansatz daraus geworden ist, den wir in Dutzenden von Beratungsprozessen erprobt und verfeinert haben und den wir in öffentlichen und firmeninternen Lehrgängen im ganzen deutschsprachigen Raum und darüber hinaus jährlich über 250 Beraterinnen und Beratern2 und Führungskräften vermitteln. Auch haben wir unsere Ideen in zahlreichen Fach- und Buchartikeln und in Vorträgen auf Kongressen vorgestellt.

So war es nun an der Zeit, mit diesem Buch unseren eigenen Ansatz, den wir syntaktisch-hypnosystemische Entwicklungsberatung nennen, zu beschreiben. Damit wollen wir den Nutzen für die Praxis der Organisationsentwicklung deutlich machen und die konzeptionellen Hintergründe nachvollziehbar darstellen.

Mit dem vorliegenden praxisorientierten Handbuch wollen wir unsere über viele Jahre zusammengetragene Erfahrung und unser Wissen teilen und so dazu beitragen, Menschen, Teams und Organisationen darin zu unterstützen, sich wesensgemäß zu entwickeln.

Tiefer geblickt

In unserer Entwicklungsarbeit zu diesem Ansatz sind uns von Anfang an große Gemeinsamkeiten der genannten Beratungsschulen aufgefallen:

Grundsätzliche strukturelle Ebenen geben Orientierung und Ausrichtung

Die auf den Arbeiten des NPI (Niederländisches Pädagogisches Institut für Volkswirtschaftslehre,

3

1954 gegründet von Bernard Lievegoed) basierenden

Konzepte von Friedrich Glasl

haben den Anspruch, ganzheitlich auf Organisationen, deren Entwicklung und die Gestaltung von Entwicklungsprozessen zu blicken und dafür grundsätzliche Strukturen, Gesetzmäßigkeiten bzw. Prinzipien zu beschreiben, sodass diese für alle Organisationen gleichermaßen anwendbar sind. Dafür bedienen sich diese Konzepte archetypischer Strukturen, die intuitiv verständlich sind und ein Stimmigkeitsgefühl erzeugen.

Insa Sparrer

und

Matthias Varga von Kibéd

betrachten ihre Entwicklungsarbeit der

Systemischen Strukturaufstellungen

als eine transverbale Sprache, für die sie eine Grammatik entwickelt haben. Diese soll es ermöglichen, die transverbale Sprache zu erlernen. Sie bedienen sich dabei logischer Grundstrukturen, die bestimmte Frage- bzw. Themenstellungen auf einer allgemeinen Ebene erfassbar machen, wodurch neue Lösungsräume eröffnet werden.

Gunther Schmidt

betont in seinem hypnosystemischen Ansatz den Aspekt der möglichst allgemeinen Strukturen auf seine Weise, indem er Modelle und Interventionssysteme entwickelt hat, die sich ebenso wie die beiden vorher genannten Ansätze auf einer grundsätzlichen Ebene damit auseinandersetzen, wie therapeutische bzw. Beratungsprozesse gestaltet werden können.

Verbindung von Kognition und Intuition

Die

Trigon-Konzepte

betonen seit jeher die Wichtigkeit, Menschen und Organisationen nicht nur »in ihrer Kognition abzuholen«, sondern die intuitiven Potenziale anzusprechen, indem über sozialkünstlerische Methoden

4

und den Körper unwillkürliche Prozesse und Ressourcen bzw. inneres Wissen gleichberechtigt einbezogen werden.

Die

Systemischen Strukturaufstellungen

als Interventionssystem beziehen sich schon grundsätzlich auf Körperreaktionen bzw. -wahrnehmungen und nutzen diese, um innere Bilder zu externalisieren und damit der Kognition zugänglich zu machen. Dabei werden explizit unter anderem Ideen aus der Hypnotherapie bzw. der Hypnosystemik genutzt. Dafür wurden vielfältige logische Formate und Methoden entwickelt, um unwillkürlichen Prozessen Raum zu geben und sie mit willentlich-kognitiven Zielen zu verbinden.

Die

hypnosystemische Arbeit von Gunther Schmidt

hat die hypnotherapeutischen Konzepte Milton Ericksons mit der systemischen Heidelberger Schule verbunden und weiterentwickelt. Die konsequente Würdigung und Nutzung unwillkürlicher Prozesse unter Einbezug aller Sinne und des ganzen Organismus sowie ein Höchstmaß an Transparenz, um die Autonomie und Verantwortung – und somit das willentlich-kognitive Ich – des Individuums zu achten und zu stärken, kennzeichnet grundlegend die Hypnosystemik.

Potenzialorientierung und wertschätzende Grundhaltung

Der Respekt vor dem Gewordenen, die Würdigung und Nutzung bestehender Prozesse und Energien sowie die Überzeugung, dass Menschen und Organisationen sich wesensgemäß entwickeln können und im Sinne eines höchsten Potenzials ein höheres Selbst haben, an dem Orientierung möglich ist, zeichnen die

Arbeit Friedrich Glasls und von Trigon

aus – und die Begleitung entsprechender Entwicklungsprozesse von Menschen, Organisationen und gesellschaftlichen Systemen ist die zentrale Motivationsquelle dieses Ansatzes.

Die konsequente Orientierung an Lösungen und Ressourcen, ausgeprägte Wertschätzung in Sprache und Beschreibungen sowie die Überzeugung, dass sich im Möglichkeitsbaum von Menschen unzählige und oft überraschende Verästelungen zeigen können, prägt unter anderem

die Arbeit von Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd und ihre Systemischen Strukturaufstellungen

. Der SySt-Ansatz basiert auf der Annahme, dass leidvolle Prozesse unter anderem durch Mitgefühl, Unterscheidungsfähigkeit, verantwortungsvolles Handeln und weisheitsvollen Humor unterbrochen und ressourcenreich in Lösungen umgestaltet werden können.

Die Hypnosystemik wiederum betrachtet jedes Problem und Symptom als Lösungsversuche und findet in noch so anspruchsvollen Situationen schlummernde Kompetenzen, die sich für nachhaltige Lösungen utilisieren lassen. Die Überzeugung, dass Menschen die für die Lösung ihrer Probleme notwendigen Kompetenzen in sich tragen und ihre Potenziale entfalten können, prägt entscheidend

die Arbeit von Gunther Schmidt

.

Selbstverständlich gibt es zwischen den Ansätzen auch Unterschiede. So betonen der hypnosystemische bzw. SySt-Ansatz die Wirkung von Sprache stärker, als dies in den Trigon-Konzepten der Fall ist, während dort der Aspekt der expliziten Auseinandersetzung mit Entwicklungsprinzipien stärker gewichtet wird als in der Hypnosystemik oder bei SySt. Auch die erkenntnistheoretischen Grundlagen sind verschieden: Während Gunther Schmidt und der SySt-Ansatz sich deutlich systemisch-konstruktivistisch verstehen, spricht Friedrich Glasl von einem systemtheoretischen Verständnis seiner Konzepte und betont eher eine konstruktbewusste Haltung statt eine streng konstruktivistische.

Die drei Ansätze sind nicht nur miteinander kompatibel, sondern können sich gegenseitig enorm befruchten und ergänzen.

Mit unserem Ansatz der syntaktisch-hypnosystemischen Entwicklungsberatung verbinden wir die drei genannten Ansätze konsequent in ihren Gemeinsamkeiten und nutzen die komplementären Unterschiede zugunsten einer möglichst ganzheitlichen und systemischeren Betrachtungsweise, die Entwicklung als Potenzialentfaltungsprozess versteht und unterstützt.

Um dies für die Praxis der Organisationsentwicklung nutzbar zu machen, haben wir eine mehrschichtige Landkarte5der Transformation entwickelt, die

das ganzheitliche Organisationsbild und seine prototypischen Entwicklungsphasen sowie das Modell der ganzheitlichen Gestaltung von Entwicklungsprozessen von Trigon kombiniert mit

dem grammatischen Verständnis, den syntaktischen Formaten und Schemata sowie der kurativen Verwendung von Modellen aus der Schule von SySt und

der hypnosystemischen Betrachtung von Problemen als Lösungsversuchen, der konsequenten Orientierung an Kompetenzen und der Utilisation unwillkürlicher Prozesse für willentlich erwünschte Lösungen.

Die daraus entstandene Landkarte der Transformation von Organisationen hat drei Schichten (Abb. 1):

Die

Basisschicht

enthält die Grundanschauungen, die der Landkarte zugrunde liegen und lässt sich mit den Prinzipien

ganzheitlich, systemischer, evolutionär und potenzialentfaltend

zusammenfassen.

Die

Legende

bringt zum Ausdruck, wie wir die Landkarte mit ihren zentralen Modellen verwenden, nämlich

syntaktisch, hypnosystemisch und kurativ

.

Die eigentliche

Karte

enthält vier zentrale Modelle – das ganzheitliche Systemkonzept der sieben Wesenselemente, die Entwicklungsphasen von Organisationen, die Systemprinzipien und die Basisprozesse der Organisationsentwicklung –, mit deren Hilfe wir Orientierung in jeglicher Organisationslandschaft erhalten.

Dieses Buch stellt die einzelnen Schichten dieser Landkarte mit den daraus abgeleiteten Beratungsprinzipien6 vor und zeigt anhand vieler Praxisbeispiele auf, wie wir im Sinne der syntaktisch-hypnosystemischen Entwicklungsberatung mit ihnen arbeiten.

Abb. 1:

Mehrdimensionale Landkarte der Transformation für syntaktisch-hypnosystemische Entwicklungsberatung

Wie dieses Buch genutzt werden kann und an wen es sich richtet

Unser Buch richtet sich an Berater:innen, Coachs, Mediator:innen, Supervisor:innen und Trainer:innen, die im Kontext von Organisationen und deren Entwicklung tätig sind, sowie an Führungskräfte, die sich mit der ganzheitlichen Gestaltung und Weiterentwicklung ihrer Organisation auseinandersetzen wollen. Es dürfte zusätzlich für alle Menschen interessant sein, die sich für Organisationsentwicklung aus anderen Perspektiven interessieren, weil sie als Mitarbeitende ihren Kontext besser verstehen oder als Therapeut:innen die Situation von Klient:innen systemischer betrachten und deren organisationalen Kontext stärker fokussieren wollen.

Wir beschreiben im ersten Kapitel, was wir mit Landkarten meinen und wie sie sich in ihren Dimensionen und Schichten aufbauen.

Im zweiten Kapitel stellen wir konkreter die drei Schichten der Landkarte der Transformation von Organisationen dar und erläutern die daraus abgeleiteten Beratungsprinzipien.

An Theorie und Modellbildung interessierte Lesende werden darin Hinweise finden, auf welchen erkenntnistheoretischen Überlegungen unser Ansatz basiert.

Im dritten Kapitel beschreiben wir die vier zentralen Modelle der Landkarte der Transformation von Organisationen zuerst im Einzelnen und zeigen auf, wie sie in der Praxis angewandt werden können, bevor wir im vierten Kapitel die ganze Landkarte im Zusammenspiel der Modelle erläutern und praktisch illustrieren.

Lesende, die die einzelnen Modelle und deren Zusammenwirken kennenlernen oder neue Aspekte entdecken wollen, können sich darin vertiefen. Auch für Lesende, die die Modelle schon länger in der Anwendung kennen, ergeben sich durch die ausführliche Darstellung der archetypischen Qualitäten vermutlich neue Anregungen für die Praxis.

Im fünften Kapitel stellen wir mehrere Kundenanliegen aus Organisationen dar und geben Hinweise, wie mit der zuvor vorgestellten Landkarte Prozessziele formuliert und konkrete Vorgehensweisen entworfen werden können.

Dieses Kapitel gibt den Lesenden die Gelegenheit, die im Buch enthaltenen Konzepte anzuwenden, eigene Lösungsideen zu generieren und mit unseren Vorschlägen zu vergleichen.

Im sechsten Kapitel verweisen wir darauf, welche weiteren auf logischen oder archetypischen Strukturen basierenden Formate und Vorgehensmodelle in der Praxis in Verbindung mit der Landkarte für die Transformation von Organisationen hilfreich eingesetzt werden können. Und wir stellen ein für uns grundlegendes Modell für die Moderation von Transformationsprozessen und Workshops theoretisch und mit einem praktischen Anwendungsbeispiel vor.

Alle Lesenden, die sich dafür interessieren, wie selbst spannungsgeladene Workshops und Entwicklungsprozesse kooperativ und die Bedürfnisse aller Beteiligten einbeziehend moderiert werden können, dürften dieses Kapitel als hilfreich empfinden.

Eine Übersicht über alle Praxisbeispiele mit Angaben zur Themenstellung, Branche und Verortung auf der Landkarte der Transformation findet sich schließlich im Anhang des Buchs.

Landkarten für das Erkunden vieler und auch entfernter Landschaften

Wir haben dieses Buch auf Lanzarote zu schreiben begonnen und beenden unsere Prozessarbeit an diesem Buch wieder hier auf Lanzarote. Dazwischen haben zahlreiche Sequenzen in Luzern, Abano Terme, München, Kreta und am Hallwilersee stattgefunden. Die unterschiedlichen Kontexte dieser Orte senden jeweils verschiedene Einladungen aus, sich mit ihnen zu verbinden. So ist Lanzarote z. B. ein Ort, an dem die vier Elemente sinnlich überall erfahrbar sind. Ein sich Bewegen zwischen Feuer, Luft bzw. Licht, Wasser und Erde. Diese qualitativen Phasen des Wandels spielen auch für uns und unser Herzensanliegen – die Entwicklung und Transformation von Menschen, Teams, Organisationen und Gesellschaft – eine große Rolle (vgl. unseren Hinweis auf die qualitativen Phasen des Wandels in Kap. 6.1.2).

An allen Orten ist es möglich, mit einer Landkarte zu navigieren. So gibt uns die Grundstruktur von Landkarten durch das Abbilden von Gebieten, unabhängig von Sprache und Kultur an unterschiedlichen Orten eine Möglichkeit, die jeweilige spezifische Landschaft zu erkunden. Wir müssen nicht malaysisch lesen können, um die Abbildung eines Parks in der Stadt Kuala Lumpur zu entdecken. Damit wir uns aber überhaupt auf den Weg machen können, hilft uns eine Landkarte beispielsweise zu erfahren, wo wir einen Fußweg finden, was in einer Millionenstadt wie Dubai nicht unbedingt selbstverständlich ist.

Landkarten können uns Orientierung und Ausrichtung geben, damit wir ein Ziel erreichen können, auch wenn wir noch nie vorher am jeweiligen Ort waren. Gleichzeitig können wir beim Reisen alle Details der jeweiligen Landschaft erfahren und in sie eintauchen, weil uns die Struktur der Landkarte immer wieder hilft, unseren Standort und das Reiseziel neu zu bestimmen.

Die Wärmezelle7 für unser Buch sind Landkarten der Transformation für Organisationen, um Räume zu schaffen und Entwicklungswege anzubieten, etwas in Bewegung zu bringen oder dort zu stabilisieren, wo bereits Neues entstanden ist.

Wir freuen uns auf alle Erfahrungen, die mit unseren Landkarten der Transformation gemacht werden und danken an dieser Stelle allen Riesen, auf deren Schultern wir stehen dürfen. Dazu gehören sowohl alle unsere Lehrer und Lehrerinnen als auch unsere Kolleginnen und Kollegen von Trigon sowie aus anderen Kontexten, die Teilnehmenden unserer Lehrgänge und Seminare und unsere Kundinnen und Kunden, mit denen wir gemeinsam an ihren Anliegen wachsen durften.

1 Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd haben die Systemischen Strukturaufstellungen – abgekürzt SySt – begründet und auch ihr Institut in München so benannt.

2 Weil uns eine gendergerechte Sprache wichtig ist, verwenden wir bei Begriffen wie »Mitarbeiterinnen«, »Teilnehmer«, »Beraterin« die Partizipialform »Mitarbeitende«, »Teilnehmende« bzw. »Beratende«. Wenn es sich vom Lesefluss her anbietet, schreiben wir von Kundinnen und Kunden; ansonsten verwenden wir den Genderdoppelpunkt: »Kund:innen«. Bei zusammengesetzten Begriffen, wie z. B. Klientensystem, verzichten wir auf den Genderdoppelpunkt.

3 Später umbenannt in »NPI: Institut für Organisationsentwicklung«.

4 Der Begriff »sozialkünstlerisch« steht für Methoden bzw. Vorgehensweisen, die sich künstlerischer Ausdrucksformen bedienen, um soziale und psychische Prozesse bewusst und für die Beratungsarbeit nutzbar zu machen (Andersch u. Martin 2022).

5 Die Idee der Landkarte als Metapher verdanken wir F. Glasl, T. Kalcher u. H. Piber von Trigon Entwicklungsberatung, die im Zusammenhang ihres Buches Professionelle Prozessberatung (Glasl, Kalcher u. Piber 2020a) erstmals von der »Trigon-OE-Landkarte« gesprochen hatten. Diese Metapher haben wir aufgegriffen, in unserer Praxis der Organisationsentwicklung erweitert und nun mit diesem Buch als eine mehrschichtige Landkarte der Transformation für syntaktisch-hypnosystemische Entwicklungsberatung entwickelt.

6 Die Idee für diese Beratungsprinzipien und deren erste Formulierungen stammen von uns beiden. Wir haben dann gemeinsam mit den Trigon-Kolleg:innen E. Bergner, I. Bieringer, E. Ghidelli, F. Glasl, T. Kalcher, A. Moldenhauer, J. Narbeshuber, H. Piber, H. Salzmann, A. Spieth angefangen, sie als grundlegende Prinzipien unserer Arbeit auszuformulieren.

Seither haben wir diese Beratungsprinzipien weiter geschärft, im Kontext der Landkarte systematisiert und für die Darstellung unseres Ansatzes der syntaktisch-hypnosystemischen Entwicklungsberatung in diesem Buch weiterentwickelt und teilweise anders formuliert und benannt.

7 Diesen Begriff verwenden wir in Anlehnung an Überlegungen von Friedrich Glasl (2020d, S. 463–468 zu qualitativen Phasen des Wandels. Seine Forschungsrichtung hierfür basiert auf der Schöpfungsgeschichte der Genesis. Die vier Qualitäten Feuer, Licht/Luft, Wasser, Erde sind die urchristlichen Elemente (Genesis) des Lebens und der Erde. Auch für jeden Organisationsentwicklungsprozess ist die Versorgung dieser Qualitäten elementar. So sollte z. B. zu Beginn eines jedes (Veränderungs-)Vorhabens die Qualität des Feuers stehen. In Analogie zur Schöpfungsgeschichte sollte ein Wärmeprozess stattfinden bzw. eine Wärmezelle entstehen, die dem Vorhaben oder dem Veränderungsprozess geistige Wärme gibt, sodass Menschen sich begeistern oder für Sinn und Ausrichtung erwärmen können.

1 Wofür Landkarten in der Organisationsentwicklung?

Was haben ein weltweit tätiger Konzern mit 50.000 Mitarbeitenden mit einer regional tätigen NGO mit nur 30 Mitarbeitenden zu tun?

Worin sind sich eine Steuerbehörde und ein mittelständisches Produktionsunternehmen ähnlich?

Was verbindet ein Krankenhaus mit einem IT-Start-up?

Klar – es handelt sich immer um Organisationen, um lebendige und selbst-bewusste8 Systeme, das liegt auf der Hand.

Im Rahmen unserer Arbeit haben wir aus den Organisationsentwicklungs-Konzepten von Trigon, den Ansätzen nach SySt und der Hypnosystemik eine Landkarte entwickelt, die z. B. sowohl auf ein Krankenhaus als auch auf ein IT-Start-up angewendet werden kann.

Unser Anspruch war es, eine mehrschichtige Entwicklungslandkarte zu entwickeln, die in der Praxis einerseits Klarheit, Orientierung und Präzision ermöglicht, während sie andererseits schöpferische Prozesse einlädt, um die Transformation lebendiger, selbst-bewusster Systeme zu unterstützen.

Landkarten, mit denen wir komplexe Transformationsprozesse begleiten können, und die so grundsätzlich sind, dass sie unabhängig von Branchen oder der Größe von Organisationen ermöglichen, tiefer zu tauchen und Potenziale zu heben.

Das heißt, dass eine solche Landkarte die Anforderung von Organisationen erfüllen muss, unabhängig von sich verändernden Kontexten die von Kundensystemen eingebrachten Fragestellungen und Themen aufzunehmen und dafür Orientierung zu bieten.

Im Folgenden werden wir zunächst unser Verständnis »tauglicher Landkarten« für diese Ansprüche ausführen, um dann aufzuzeigen, wie solche Landkarten der Transformation grundsätzlich einen Unterschied machen und welchen Mehrwert sie in der Praxis bringen.

1.1Eine Landkarte für viele Organisationslandschaften

Blickt man ohne Landkarte auf die beschriebenen »Organisationslandschaften« und versucht sie inhaltlich detailliert zu beschreiben, so könnte man zu dem Schluss kommen, dass sich diese Organisationen in etwa so ähnlich sind wie eine Landschaft im brasilianischen Regenwald mit einem Alpendorf in Bayern oder einer Metropole wie London.

Gleichzeitig wäre von uns gefordert, eine Menge an spezifischen Details im jeweiligen Kontext der Organisation einzusammeln mit dem Ergebnis, dass es sowohl herausfordernd wäre, Gemeinsamkeiten zu finden als auch hilfreiche Unterschiede zu benennen.

Eher strukturell und weniger inhaltlich betrachtet, könnte man hingegen feststellen, dass über bestimmte Kriterien oder Kategorien sehr wohl eine Vergleich- und Unterscheidbarkeit hergestellt werden kann.

So bildet beispielsweise eine Straßenkarte oder Google Maps ab, wie ein Gebiet erschlossen ist: Es sind verschiedene Straßen mit verschiedenen Kategorien dargestellt (für Autos, Fußgänger, Bus oder Fahrrad) die es ermöglichen, einen Weg durch ein Gebiet zu finden. Die Unterscheidung verschiedener Straßen ist unabhängig vom jeweiligen Gebiet. Die Kategorie »Straße« ermöglicht, die Erschließung unterschiedlicher Landschaften über alle Landkarten hinweg abzubilden.

So kann ich mit einer Landkarte von Lanzarote neben einer Landkarte von Hongkong auf einen Blick erkennen, dass sich Hongkong von Lanzarote unter anderem darin unterscheidet, dass es in Lanzarote wesentlich weniger Straßen gibt.

Landkarten ermöglichen demnach, einen strukturellen und weniger inhaltlichen Blick in der Arbeit mit Organisationen zu fokussieren, der – je nach den definierten Kriterien – Übersicht, Vergleichbarkeit und Unterschiedsbildung bietet.

In diesem Zusammenhang stellt sich nun die Frage: Welche strukturellen Ebenen ermöglichen eine Betrachtung aller Organisationen, unabhängig von den jeweiligen Ausprägungen und spezifischen Eigenschaften und dennoch ihrem individuellen Kontext Raum gebend?

Unseren Ausgangspunkt für die Entwicklung solcher Landkarten bildet die Überlegung von Alfred Korzybski, der auf Folgendes hinweist:

»Eine Landkarte ist nicht das Gebiet, das sie repräsentiert, aber wenn sie korrekt ist, ist sie in ihrer Struktur der Struktur des Gebietes gleich (oder ähnlich), worin ihre Brauchbarkeit begründet ist« (Korzybski 1994, S. 58; Übers. d. Verf.).

Wenn wir als Organisationsentwicklungsberater:innen, Coachs oder Mediator:innen tätig sind, haben wir es mit verschiedenen selbst-bewussten Systemen zu tun. Dafür ist es aus unserer Sicht enorm wertvoll, wenn uns Landkarten im von Korzybski formulierten Sinne zur Verfügung stehen, die völlig unabhängig davon, ob wir mit einem kleinen Team in einer NGO oder mit einem Großkonzern arbeiten, Übersicht, Orientierung und Ausrichtung ermöglichen.

So könnten wir beispielsweise feststellen, dass das mittelständische Produktionsunternehmen und die regional tätige NGO ein bestimmtes Werteverständnis verbindet, von dem sich das Werteverständnis des Konzerns deutlich unterscheidet.

Oder wir könnten unseren Blick auf die Ausrichtung der Organisationen wenden und feststellen, dass das Krankenhaus und das IT-Start-up ein nachhaltiges Wirtschaften als strategische Ausrichtung verbindet.

Ein anderer Aspekt, der betrachtet werden könnte, wäre die Art und Weise der Kooperation der Mitarbeitenden intern und nach außen? Was wird hier beim Betrachten der einzelnen Unternehmen sichtbar?

Die skizzierten Beispiele sollen verdeutlichen: Wenn es im Sinne von Korzybski (1994, S. 58) gelingt, mit Landkarten zu navigieren, deren Struktur der Struktur von unterschiedlichen Organisationslandschaften (Gebieten) gleicht, dann ist es möglich, Orientierung und Übersicht über die spezifische Organisationslandschaft auf struktureller Ebene zu erhalten, ohne jedes Detail der Organisation erfassen zu müssen.

Dies ist besonders aus dem Blickwinkel der Komplexität der Fragestellungen, die uns in Organisation begegnen, sehr relevant. Bei der Arbeit mit Landkarten ist es unser Anliegen, dieser Komplexität Raum zu geben und zieldienliche Fokussierungen anzubieten. Gelingt dies, können wir der komplexen Vielzahl an Inhalten, Konstruktionen und Bedeutungsgebungen des Klientensystems mit Freude begegnen und dessen Fragestellungen mit ihm gemeinsam erfassen und zieldienlich sortieren, wodurch diese Fragestellungen bearbeitbar werden.

Landkarten ermöglichen das Erfassen und Erkunden vieler unterschiedlicher Organisationslandschaften, bieten Fokussierung und Orientierung, sodass der Komplexität mit Freude begegnet werden kann und individuelle Konstruktionen und Bedeutungsgebungen eingeladen werden können.

1.2 Landkarten ermöglichen uns, Muster zu ergründen, zu verflüssigen und zieldienliche Muster zu festigen

Jede Organisation hat ihre systemeigene Art, die Wirklichkeit zu beschreiben, zu erklären und zu bewerten. Das zeigt sich z. B. im Erleben der Organisationskultur:

So kann es sein, dass wir in ein Restaurant, Hotel oder Geschäft gehen und uns von Anfang an wohl oder unwohl fühlen – als Resonanz auf die der Organisation ganz eigenen Kultur, die aus Kundensicht erlebbar ist.

Je häufiger in der Organisation nach systemeigenen Wirklichkeitsbeschreibungen gehandelt wird, umso mehr verfestigen sich systemspezifische Muster.

Die Arbeit mit Landkarten, so wie wir sie verstehen, und der damit verbundene Blick auf den Wald anstatt auf ein paar gerade im Sichtfeld stehende Bäume, ermöglicht es uns gemeinsam mit dem Klientensystem, den Dingen systematisch auf den Grund zu gehen und die Erkenntnis zu fördern, was im Gesamtsystem in der Tiefe wirksam ist.

Mit den Landkarten kann es uns gelingen, die Organisationen darin zu unterstützen, dass sie für sich das Wesentliche erfassen und Organisationsmuster, die sich gebildet haben, nachzuvollziehen, sodass sie eventuell respektvoll verändert werden können, um Transformation zu ermöglichen.

So ist es über die Struktur der Landkarte möglich, sich mehr im »Dazwischen« und in Wechselwirkungen zu bewegen und immer wieder dazu einzuladen, eine Metaposition einzunehmen.

Entstandene Muster, die nicht mehr zieldienlich sind, können erkannt, aufgegriffen und »verflüssigt« werden. Genauso wie neue Gewohnheiten gebildet werden können.

Aus hypnosystemischer Sicht könnte man es so zusammenfassen: Die Arbeit mit der Landkarte und den darauf enthaltenen zentralen Modellen führt im Sinne des Grundprinzips der Unterschiedsbildung (Bateson 1981, S. 582) »einen Unterschied ein (…), der einen Unterschied macht« und kann so im Sinne von Gunther Schmidt (2022, S. 76) eine zieldienliche Veränderung im Erleben bewirken, ohne dass man alle relevanten Faktoren verstehen muss, die zu einem bisherigen Muster beitragen.

Landkarten helfen uns, Muster sichtbar, aufgreifbar und veränderbar zu machen.

1.3 Entwicklungslandkarten stärken Selbsterneuerungsfähigkeiten und Potenzialentfaltung

Es ist unser wichtigstes Ziel in der Beratung, die begleiteten selbst-bewussten Systeme bestmöglich darin zu unterstützen, ihr Potenzial zu entfalten und ihre Selbsterneuerungsfähigkeiten zu stärken.

Aus diesem Grund sind wir der Meinung, dass eine hilfreiche Landkarte die Kriterien einer Landkarte der Transformation dann erfüllt, wenn sie nicht nur in geeigneter Weise die Strukturen des betrachteten Gebiets abbildet, sondern auch Hinweise gibt, wie eine stimmige Entwicklungsrichtung aussehen und, damit verbunden, aufzeigen kann, welche Wege für eine zieldienliche Entwicklung eingeschlagen werden könnten. Wenn sie also Orientierungshilfen enthält, die bei der Gestaltung des Entwicklungsprozesses unterstützen.

Somit ist nicht jede Landkarte geeignet, um als mehrdimensionale Landkarte für Transformation genutzt werden. Stephen Gilligan (2011a) weist darauf hin, dass z. B. im Kontext der Psychotherapie viele Klient:innen gerade dadurch in Schwierigkeiten geraten, dass sie unbewusste innere Landkarten benutzen, die für aktuelle Fragestellungen nicht (mehr) geeignet sind. Metaphorisch gesprochen: Mit einem Plan einer Kleinstadt tue ich mich im Dschungel Indonesiens schwer. Oder wenn ich für die Planung einer Expedition von Hamburg ins Rote Meer eine Seekarte verwende, die vor dem Bau des Suezkanals erstellt wurde, werde ich enorme Umwege machen müssen, die mit einer aktuelleren Landkarte unnötig wären.

Eine nützliche Landkarte der Transformation sollte aus unserer Sicht abbilden können:

eine ganzheitliche Landkarte des betrachteten Systems

eine Landkarte, die Orientierung für Entwicklung gibt

eine Landkarte, die dabei unterstützt, ganzheitlich Prozesse zu gestalten

eine Landkarte, die Systeme in ihrer Entwicklung und Innovationsfähigkeit fördert.

Unserer Erfahrung nach gelingt es auf der Basis dieser Überlegungen, Landkarten der Transformation anzubieten, die sowohl im Ist-Zustand Räume anbieten, um komplexe Fragestellungen und Themen zieldienlich zu sortieren und Orientierung zu geben, als auch (neue) Möglichkeitsräume für einen schöpferischen und emergenten Prozess eröffnen können.

Ganzheitliche Entwicklungslandkarten können stimmige Entwicklungspotenziale aufzeigen, eine Ausrichtung geben und den Entwicklungsprozess schöpferisch unterstützen.

1.4 Landkarten der Transformation machen den Unterschied

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass aus unserer Sicht Landkarten dann als nützliche Landkarten der Transformation für die syntaktisch-hypnosystemische Entwicklungsberatung verwendet werden können, wenn sie den oben aufgeführten Kriterien entsprechen und den damit verbundenen Mehrwert bringen.

Mehrwert von Landkarten der Transformation:

Landkarten ermöglichen das Erfassen und Erkunden vieler unterschiedlicher Organisationslandschaften, bieten Fokussierung und geben Orientierung, sodass Komplexität mit Freude begegnet werden kann, und individuelle Konstruktionen und Bedeutungsgebungen eingeladen werden können.Landkarten helfen uns, Muster sichtbar, aufgreifbar und veränderbar zu machen.Ganzheitliche Entwicklungslandkarten können stimmige Entwicklungspotenziale aufzeigen, eine Ausrichtung geben und den Entwicklungsprozess schöpferisch unterstützen.

Nach Sparrer (2014, S. 15) wird ein Veränderungsprozess bereits dann in Gang gesetzt, wenn es uns gelingt, eine »doppelte Beschreibung der Welt« als zusätzliche Perspektive einzubeziehen.

Dieses Anbieten einer »doppelten Beschreibung« der bisher erlebten Welt gelingt über das gemeinsame Navigieren durch solche Landkarten besonders gut, da sie das Gegenüber immer wieder einladen, die eigenen Landschaften in einem schöpferischen Prozess zu erkunden und gleichzeitig eigene, neue mögliche Landschaften kennenzulernen oder dafür Raum zu geben, dass etwas Neues emergieren kann.

Wenn wir es also schaffen, in diesem Sinne geeignete Landkarten für selbst-bewusste Systeme zu bauen, sind diese in der Lage, jeglicher Organisation

Strukturen (wir werden diese »Syntax« nennen) zur Verfügung zu stellen

in denen die vorhandenen Fragestellungen (Inhalte) sortiert und

bisher nicht beleuchtete Aspekte erhellt werden können

und gleichzeitig Orientierung für gewünschte Entwicklung zu geben.

Landkarten der Transformation müssen also die Kriterien erfüllen, ganzheitlich und allgemein zu sein, gleichzeitig jedoch spezifisch genug, um für das gewählte Anwendungsgebiet nützlich sein zu können.

8 Eine Idee von Friedrich Glasl (2021, S. 40) aufgreifend, nennen wir in diesem Buch von Menschen gebildete Systeme »selbst-bewusste Systeme«, seien es Familien, Teams, Organisationen oder noch größere Gebilde. Glasl lehnt sich dabei an Kenneth Bouldings (1956) »System of Systems« an. Wir wollen mit dieser Bezeichnung verhindern, von sozialen Systemen zu sprechen, wie sie in der Literatur meist genannt werden. Der Begriff »soziale Systeme« lenkt die Aufmerksamkeit aus unserer Sicht in der Regel zu sehr auf die soziale bzw. psychosoziale Dimension und vernachlässigt, dass von Menschen gebildete Systeme das Potenzial besitzen, sich ihrer selbst bewusst zu sein, was nebst den sozialen weitere Dimensionen einschließt. Dies hat auf eine ganzheitliche Betrachtung und Begleitung solcher Systeme wesentliche Auswirkungen.

2 Aufbau der Landkarte der Transformation für Organisationen als mehrschichtige Entwicklungslandkarte

Wie kann es gelingen, eine praktisch universelle Landkarte für Organisationen zu bauen, die den in Kapitel 1 aufgezeigten Kriterien entsprechen und den beschriebenen Mehrwert für Landkarten der Transformation bringen kann?

Und wie gelingt es, gleichzeitig abzubilden, welche prinzipiellen Annahmen wir für die Arbeit mit Organisationen zugrunde legen, sodass Entwicklung bzw. Transformation bestmöglich gefördert werden kann?

Wie könnte es darüber hinaus gelingen, eine kreativ-kunstfertige Haltung bzw. Art und Weise der Nutzung der konkreten Modelle zu beschreiben?

In Kapitel 1 haben wir uns ausschließlich mit der eigentlichen Karte und den notwendigen Kriterien für eine taugliche Landkarte der Transformation beschäftigt.

Abb. 2:

Beispiel einer mehrschichtigen Landkarte aus der Geografie: Karte der Klimazonen

Im Sinne der Idee Korzybskis (1994, S. 58) beinhalten nützliche Landkarten aber nicht nur die eigentliche Karte des abgebildeten Gebiets, sondern auch eine Legende, wie diese Karte zieldienlich anzuwenden ist (»Karte der Karte«) sowie grundlegende Prämissen der Landkarte, eine Art Basisschicht, die oft gar nicht mehr speziell ausgeführt werden, weil sie als allgemein bekannt gelten (»Karte der Karte der Karte«).

Beispielsweise zeigt Abbildung 2 zwei Schichten einer Klimakarte explizit, die eigentliche Karte der Klimazonen und die Legende (Karte der Karte), während die Basisschicht (Karte der Karte der Karte) nicht benannt, jedoch implizit enthalten ist:

Diese strukturellen Überlegungen haben wir für die Entwicklung einer mehrschichtigen Landkarte der Transformation aufgegriffen.