Langeoog Haie - Kim Lorenz - E-Book

Langeoog Haie E-Book

Kim Lorenz

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Beschreibung

Eine junge Frau, auf grausame Weise ermordet, ist nicht gerade das, was Kathrin Hansen sich auf Langeoog gewünscht hätte. Ihr Lebensgefährte liegt in der Notfall Klinik, weil er zuvor diese Frau schützen wollte. Eine Fremde, ohne Identität. Ihr Aufenthalt auf der Insel wirft Fragen auf. So richtig verwirrend wird es, als alles auf einen Ritualmord hinweist. Auf eine Bestrafung, die in Ländern des Islam praktiziert wird. Glaubte Kathrin Hansen, schlimmer könnte es nicht kommen, bringt sie der Mord an einer alten Insulanerin völlig aus dem Tritt. Das Opfer ist eine Freundin von ihr, die sie seit ihrer Kindheit kennt. Eine Frau, die überall beliebt ist. Doch nach dem Motto: Alle guten Dinge sind drei, gibt es einen weiteren Toten obendrauf.

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Zum Buch

Eine junge Frau, auf grausame Weise ermordet, ist nicht gerade das, was Kathrin Hansen sich auf Langeoog gewünscht hätte. Ihr Lebensgefährte liegt in der Notfall Klinik, weil er zuvor diese Frau schützen wollte. Eine Fremde, ohne Identität. Ihr Aufenthalt auf der Insel wirft Fragen auf. So richtig verwirrend wird es, als alles auf einen Ritualmord hinweist. Auf eine Bestrafung, die in Ländern des Islam praktiziert wird. Glaubte Kathrin Hansen, schlimmer könnte es nicht kommen, bringt sie der Mord an einer alten Insulanerin völlig aus dem Tritt. Das Opfer ist eine Freundin von ihr, die sie seit ihrer Kindheit kennt. Eine Frau, die überall beliebt ist. Doch nach dem Motto: Alle guten Dinge sind drei, gibt es einen weiteren Toten obendrauf.

Inhaltsverzeichnis

KAPITEL

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1. KAPITEL

In Vorfreude auf einen schönen Abend mit Hindrik verließ Kathrin Hansen am Bahnhof Langeoog die Inselbahn und staunte mal wieder über das Gedränge bei der Gepäckausgabe. Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete sie einen älteren Mann, der hektisch seinen Trolley aus einem der Bahncontainer zerrte und dem es nichts auszumachen schien, dass zwei fremde Gepäckstücke zu Boden polterten. Ohne

< sich weiter darum zu kümmern, drängte er sich durch die Leute und zog davon. Ein Verhalten, das Kathrin Hansen in Rage versetzte. Doch sie wollte sich ihre gute Laune durch eine Konfrontation nicht verderben lassen. Mit den Gedanken bereits bei den Vorbereitungen für den Abend ging sie zu ihrem am Bahnhof geparkten Bike. Und wie konnte es auch anders sein, auf der Fahrt zur Dienststelle setzten leckere Angebote einiger Restaurants, und zu guter letzt auch noch die Ankündigung ihres Weinhändlers über einen jüngst eingetroffenen Chardonnay, ihrem knurrenden Magen gewaltig zu. Dadurch, dass sie einen Kleinkriminellen nach Wittmund zur Polizeiinspektion überstellt hatte, war sie zum Essen nicht gekommen. Sie erreichte die Dienststelle und nahm sich vor, den Rest des Tages dienstfrei zu machen. Während sie ihr Büro ansteuerte, überlegte sie bereits, was sie am Abend kochen könnte. Ihr kam das Angebot des Weinhändlers in den Sinn. Zu einem Chardonnay würde Fisch passen. Seelachs wäre nicht schlecht.

Gerade hatte sie ihre Umhängetasche abgelegt, als das Handy sich meldete. Erstaunt registrierte Kathrin Hansen im Display die Nummer der neuen Notfall Klinik. Hoffentlich nichts Ernstes, dachte sie, und nahm das Gespräch an.

Schlagartig war der Gedanke an ein leckeres Abendessen gestorben. Sie spürte, wie ihr Magen sich verkrampfte und das Herz anfing zu rasen. Aus den Augenwinkeln nahm sie wahr, das Kollegen ins Büro kamen und sich an den Besprechungstisch setzten. Fassungslos hörte sie, was eine gedämpfte Stimme ihr mitteilte.

»Ruhig gestellt?«, sagte sie ungläubig.

»Nein!«

Ihr glitt das Handy aus der Hand. Benommen setzte sie sich und starrte auf die Tischplatte. Beunruhigt bemerkten ihre Kollegen, wie die Schultern ihrer Chefin bebten. Ava Sari, die gute Seele der Dienststelle, ging zu ihr hin und umarmte sie.

»Kathrin, was ist passiert?«

Mit feuchten Augen blickte Kathrin Hansen hoch.

»Hindrik.

Er liegt in der Notfall Klinik.«

Im Raum wurde es mucksmäuschenstill. Die Kollegen blickten auf die Frau, die ihnen allen schon mal in einer beschissenen Lage geholfen hatte, die sich vor sie stellte, auch wenn es mal nicht populär war. Und sie alle mochten Hindrik, ihren Lebensgefährten. Ein ruhiger, ausgeglichener Mann, wenn auch kein Polizist, war er doch einer von ihnen.

Durch Kathrin Hansen ging ein Ruck, sie musste sich zusammenreißen. Fahrig griff sie nach dem Handy, entschuldigte sich bei dem diensthabenden Arzt der Intensivstation für den Aussetzer und informierte ihn, dass sie sofort kommen würde. Sie beendete das Gespräch, wischte sich über das Gesicht und sah ihre Leute an.

»Hindrik ist gegen Mittag in die Klinik eingeliefert worden. Urlauber haben ihn bewusstlos am Strand gefunden. Es bestand der Verdacht auf innere Verletzungen.«

»Kathrin, weiß man schon, was genau passiert ist?«, fragte Maike Jansen gedämpft.

»Nur soviel, dass der Rettungsdienst ihn an den Flinthörndünen aufgenommen hat. Mehr konnte der Arzt mir nicht sagen.«

»Aber«, Maike Jansen blickte auf ihre Uhr. »Wenn Hindrik bereits gegen Mittag in die Notfall Klinik eingeliefert wurde, und jetzt ist es gleich sechzehn Uhr, wieso erfährst du erst jetzt davon?«

Verzweifelt zog Kathrin Hansen die Stirn in Falten.

»Hindrik war joggen. Mit Shorts und T-Shirt bekleidet, hatte er keine Papiere und kein Handy dabei. Von den Rettungsleuten kannte ihn keiner und erst im OP hat ihn die Anästhesistin erkannt. Ihr Sohn arbeitet bei Hindrik im Erholungsheim als Therapeut.«

Ruckartig stand Kathrin Hansen auf.

»Ich muss sofort zu ihm, ich muss sehen, wie es ihm geht.«

Maike Jansen nickte heftig.

»Okay. Olli und ich sehen uns in der Zeit am Strand um. Vielleicht gibt es Hinweise auf die Täter, oder wir finden Leute, die was bemerkt haben.« Maike Jansen blickte zu Friedrichs hin und meinte, sie dürften keine Zeit verlieren.

Mit einem mulmigen Gefühl sah Ava Sari zu Kathrin Hansen hin. Ihre Chefin kam ihr instabil vor, etwas, das sie an ihr nicht kannte.

»Kathrin, ich kann dich zur Klinik begleiten, hier ist sowieso gleich Schluss«, meinte sie besorgt.

»Danke Ava, aber das geht schon. Sobald ich Näheres weiß, schicke ich euch eine App.«

2. KAPITEL

Da Friedrichs auf die Schnelle noch etwas zu erledigen hatte, traf Maike Jansen ihn kurze Zeit später an der Mutter-Kind-Klinik. Im Eiltempo fuhren sie bis zum Strandzugang Flinthörndeich. Mit den Gedanken bei Hindrik, stellten sie die Räder ab und blickten hinunter zum Strand. Irgendwie kam Maike Jansen mit der Vorstellung, das Hindrik dort überfallen sein sollte, nicht klar. Nachdenklich blickte sie zu den Menschen hin, die sich entlang der Wasserlinie tummelten, beobachtete Kinder, die im Sand buddelten, während andere sich kreischend in die heranbrausenden Wellen warfen.

Zweifelnd schüttelte sie den Kopf.

»Olli, ich kann mir einfach nicht vorstellen, das Hindrik dort unten am Strand zusammengeschlagen wurde, in Gegenwart all der Menschen, das wäre doch bemerkt worden.«

Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete sie die Dünenlandschaft, ihre Blicke folgten den Einbrüchen, die teilweise weit in die Dünen hinein reichten. Von oben waren Vertiefungen zu sehen und ihr Blick blieb an etwas Rotes in einer dieser Senkungen hängen.

»Olli, hast du dein Fernglas dabei?«, fragte sie und nahm damit die Stelle näher in Augenschein.

»Ich glaube, ich habe hier was«, meinte sie nach einer Weile. »Könnte ein Stück Stoff, Kunststoff oder Ähnliches sein, auf jeden Fall etwas, das nicht in die Dünen gehört. Wir sehen uns das mal an.«

Während sie den Strandzugang hinunter stapfte, ließ sie die angepeilte Stelle nicht aus den Augen. Nach einigen Minuten erreichten sie einen Düneneinschnitt und Maike Jansen war sich sicher, genau in dieser Falte das rote Etwas gesehen zu haben. Langsam, den Boden stetig im Blick, ging sie in die Dünen hinein und glaubte schon sich geirrt zu haben, als eine langgestreckte Mulde sich vor ihr auftat. Ringsum abgeschirmt durch hohes Dünengras, war es ein geradezu idyllisches Plätzchen. Wenn es da nicht das Verbot gäbe, die Dünen nicht betreten zu dürfen. Beim näheren Herangehen erkannte Maike Jansen ein Stoffende, das im Wind flatterte. Kaum erkennbar, wurde der Rest des Textils von Sand bedeckt. Ein nicht ungewöhnlicher Fund, in den Dünen sammelten sich gerne vom Sturm angewehte Utensilien. Schon wollte Maike Jansen sich die Fundstelle näher ansehen, als Friedrichs sie zurückhielt.

»Warte«, sagte er und betrachtete aufmerksam die sandige, mit Bodenflechten durchzogene Erde. Er bemerkte niedergedrücktes Kriechgewächs und abgeknickte Zweige an einigen Wildrosensträuchern. Eindeutig menschliche Missachtung gegenüber der geschützten Natur.

»Maike, hier müssen vor kurzem Leute gewesen sein«, meinte Friedrichs. »Die Frage ist, was sie hier gemacht haben.«

Jetzt bemerkte auch Maike Jansen, was er meinte und musste an Hindrik denken. An dieser Stelle könnte es passiert sein, schoss es ihr durch den Kopf. Hier könnte man über ihn hergefallen sein, ohne dass es jemand mitbekommen hätte.

»Olli, kannst du dir vorstellen, das Hindrik hier in Schwierigkeiten geraten ist?«

Mit gerunzelter Stirn blickte Friedrichs sie an.

»Was sollte er hier gemacht haben?

Hindrik würde nie so weit in die Dünen hineingehen. Du kennst ihn doch, er hält sich streng an die Vorschriften.«

»Es sei denn, etwas Gravierendes hätte ihn dazu veranlasst«, sinnierte Maike Jansen und ihr Blick blieb an dem roten Stoffende hängen. Sie schüttelte den Sand von dem Gewebe und hielt ein leuchtend rotes Halstuch in der Hand. Zweifellos das Tuch einer Frau. Kritisch betrachtete sie es von allen Seiten und schätzte, dass es relativ neu sein müsste. Kaum getragen, vielleicht gerade mal zu einem Spaziergang am Strand. Jedenfalls sah es nicht danach aus, als wenn es vom Sturm gebeutelt worden wäre. Ehe sie gedanklich tiefer eintauchen konnte hörte sie, wie Friedrichs überrascht »was ist das denn?«, von sich gab. Sie blickte zu ihm hin und sah, wie er mit gespreizten Fingern etwas von der Erde aufhob.

»Was hast du da Spannendes?«, meinte sie, trat näher an ihn heran und starrte auf die Spritze, in der sich Reste einer glasklaren Flüssigkeit befanden. Auf dem Spritzen Konus steckte eine verbogene Kanüle.

»Verdammt, das sieht danach aus, als ob sich hier Junkies herumgetrieben haben«, knurrte Friedrichs. »Und einige Meter weiter spielen Kinder, das darf doch nicht wahr sein.«

Maike Jansen nahm ein Papiertaschentuch, legte vorsichtig die Spritze hinein und betrachtete sie aufmerksam. Während ihrer Studienzeit hatte sie bei den Johannitern als Pflegehelferin gejobbt und oft genug zugesehen, wie ihre Kollegen den Patienten Spritzen setzten. Das Ding in ihrer Hand war von der gleichen Herstellerfirma und die Kanüle ebenfalls ein medizinisches Markenprodukt. Doch dann war da die Restflüssigkeit in der Spritze.

»Olli, ich weiß nicht«, meinte sie, »kannst du dir vorstellen, dass ein Junkie freiwillig auf den Rest seines Stoffs verzichtet? Stoff, der für ihn der Himmel auf Erden bedeutet und dazu noch richtig Kohle kostet? Ich tue mich da schwer.«

»Stimmt, aber was könnte es sonst für eine Erklärung geben? Vielleicht ein Urlauber mit Diabetes, der sein Insulin brauchte?«

»Nein, eine Insulinspritze sieht anders aus, die ist dünner und länger«, stellte Maike Jansen klar. »Hier hat sich was anderes abgespielt und ich werde das Gefühl nicht los, dass es mit dem Überfall auf Hindrik zu tun hat. Wir müssen dringend mit ihm reden.«

Beklommen zog sie ihr Handy aus der Tasche und wählte die Nummer von Kathrin Hansen.

Sie fühlte sich elendig, kaputt, konnte alles noch nicht fassen. Nach einer zermürbenden Stunde in der Notfall Klinik war sie wie betäubt nach Hause gefahren. Die Ärzte hatten sie informiert, dass es Hindrik den Umständen entsprechend gut ginge. Diagnose: Zwei angeknackste Rippen, Bruch des rechten Arms, Prellungen im Gesicht. Innere Verletzungen konnten keine festgestellt werden. Wenigstens eine gute Nachricht. Kathrin Hansen stöhnte auf, ging auf die Terrasse und blickte auf das Meer. Ein Anblick, der sie sonst in eine entspannte Stimmung versetzte. Heute konnte sie ihm nichts abgewinnen. Ihre Gefühle waren wie abgestorben. Schließlich gab sie sich einen Ruck. So ging das nicht, sie musste sich zusammenreißen. Hindrik brauchte sie, jetzt musste er sich mal an sie anlehnen können.

Doch da baute sich etwas in ihr auf.

Wut.

Wut auf die Täter, die über ihn hergefallen waren. Und wie Maike Jansen ihr vor wenigen Minuten mitgeteilt hatte, glaubte sie die Stelle des Überfalls gefunden zu haben. Nach ihrer Meinung könnte es dort einen Vorfall gegeben haben, der Hindrik zum Eingreifen veranlasst hatte. In dieser Richtung konnte sich Kathrin Hansen überhaupt nichts vorstellen. Was konnte geschehen sein, wodurch ihr Lebensgefährte in eine gefährliche Situation geraten war. Eine Situation, aus der er nicht mehr herauskam und zusammen geschlagen wurde. Blitzartig wurde ihr bewusst, dass es ihren Lebensgefährten hätte schlimmer treffen können, dass er jetzt schon nicht mehr am Leben sein könnte. Sie merkte, dass dieser Gedanke sie etwas beruhigte und beschloss ausgiebig zu duschen und dann früh ins Bett zu gehen.

3. KAPITEL

Ruhelos schritt Bahira Amana durch das kleine Zimmer. Es musste etwas passiert sein, Ceylin hätte längst zurück sein müssen. Anna, ihre Betreuerin, hatte Ceylin mitgenommen, um sie für den Strand einzukleiden. Badesachen. Dinge, die sie in ihrem bisherigen Leben nicht kennengelernt hatte.

Danach käme sie, Bahira, an die Reihe.

Zuerst war sie enttäuscht gewesen, dass sie nicht mitgehen konnte, verstand dann aber das Argument von Anna, dass sie nicht mit zwei auffallenden Schönheiten durch Langeoog promenieren wollte. Sie müssten sich weiterhin in Zurückhaltung üben. Ihre Zeit, sich unbeschwert in der Öffentlichkeit zeigen zu können, würde noch kommen, so Anna. Dazu gehörte, dass sie die beantragten Aufenthaltspässe in ihren Taschen hatten.

Nein, zum Shoppen eine nach der anderen, hatte Anna bestimmt und Bahira hatte es dann auch verstanden. Sie und Ceylin hatten Vertrauen zu Anna und Lorenz gefasst. Ihre ständigen Begleiter, die sie in dem Auffanglager an der österreichischen Grenze angesprochen und ihnen einen Job angeboten hatten. Einen Traumjob in einer seriösen Agentur in Deutschland. Seitdem hatten die beiden sich um alles gekümmert.

Anfangs waren Bahira und ihre Freundin extrem misstrauisch gewesen, allzu oft hatten sie gehört, dass die Not der Flüchtlinge ausgenutzt wurde. Erst gab es verlockende Versprechungen und am Ende wurden sie zur Prostitution gezwungen oder landeten auf der Straße im Drogenmilieu.

Ceylin hatte die meiste Angst gehabt.

Ihre ältere Schwester Aga war ein Jahr vorher aus Syrien geflüchtet. Nach monatelanger Flucht hatte sie gemailt, dass sie es über die deutsche Grenze geschafft hätte und alles sei gut. Ceylin sollte sofort nachkommen. Doch dann hatte Ceylin nichts mehr von ihrer Schwester gehört. Alle Nachforschungen liefen ins Leere. Auch ein Grund, warum sie nach Deutschland wollte. Sie musste Aga finden.

Auf der Flucht wurden ihnen dann die Ausweise und Handys gestohlen, für Bahira und Ceylin eine Katastrophe. Sie konnten sich nicht mehr ausweisen, ein nicht absehbares Warten und die Abschiebung standen ihnen bevor. Dass sie aus einem Kriegsland geflüchtet waren, hätte man ihnen glauben können oder auch nicht.

Das Jobangebot war die Chance, in das gelobte Deutschland zu kommen, und das Angebot war überzeugend. Anna und Lorenz hatten klipp und klar erklärt, dass sie für eine Kölner Escort Agentur Mitarbeiterinnen suchten. Ausgesuchte Damen, die bereit waren, reiche Geschäftsleute zu Meetings, Messen oder gesellschaftlichen Verpflichtungen zu begleiten. Damit sie mit einer jungen Schönheit glänzen konnten, waren diese Leute bereit, horrende Honorare zu zahlen. Für Bahira und Ceylin hieße das pro Tag bis zu eintausend Euro.

Für jeden.

Ohne Sex. Sollten sie mit den Kunden ins Bett steigen, wäre das ihre Sache. Aber auch ihr Risiko. Gäbe es Schwierigkeiten, flögen sie aus der Agency raus. Auf ihre Frage, wieso Anna und ihr Kollege ausgerechnet in dem Auffanglager nach Mitarbeiterinnen suchten, hatten diese erklärt, es ginge um Sprache, Bildung und Aussehen. Gerade die sagenhaft Reichen aus Arabien und den Anrainerstaaten legten Wert auf Frauen aus ihrer Welt. Frauen, die ihre Sprache und Sitten beherrschten und dazu außergewöhnlich gut aussahen.

Für Bahira und Ceylin klang das plausibel und zu verlockend, um nein sagen zu können. Bahira war in ihrer Heimatstadt Hama Fremdenführerin gewesen, hatte Erfahrung mit Europäern gesammelt und zu Anna und Lorenz schließlich Vertrauen gefasst.

Es war dann auch alles glatt gelaufen.

Mit den Deutschen waren sie in einer schicken Limousine bis in den Norden ans Meer gefahren und dann auf dieser Insel gelandet. Immer hatte eine gute Stimmung zwischen ihnen geherrscht, ohne Anzeichen, dass etwas nicht stimmte. Auf der Insel bezogen sie ein am Rande des Ortes gelegenes altes Kapitänshaus, das als Schulungs-Center diente, so hatte Anna ihnen erklärt. Hier wurden sie auf alles vorbereitet, was sie für ihre zukünftigen Verpflichtungen als Begleiterinnen anspruchsvoller Kunden wissen mussten. Wie sie sich zu verhalten hatten, Umgang mit der Gesellschaft, Auftreten in der Öffentlichkeit, Pflege ihres schönen und eleganten Aussehens bis hin zu Tipps, wie sie sich die Herren vom Leibe halten konnten, ohne sie zu vergraulen. Nach der Schulung würden sie in Köln, in der Messestadt, gemeinsam ein Appartement beziehen. Bedingung: Herrenbesuche, auch private, waren dort strikt verboten. Ihnen kam das vor wie in einem Märchen, sie waren mit allem einverstanden.

Doch nun kam Ceylin nicht zurück.

Besorgt blickte Bahira zwischen den Scheibengardinen nach draußen. Die Sonne näherte sich dem Horizont und sie sah im Ort vereinzelt Lichter angehen. Um sie herum war alles totenstill. Gerade wollte sie sich aufs Bett legen, als sie hörte, dass die Eingangstür aufgeschlossen wurde. Erleichtert atmete sie auf, verließ das Zimmer und ging die Treppe hinunter in die Diele. Als sie verinnerlichte, das Anna sie kreidebleich anblickte, Lorenz mit gesenktem Kopf den Boden anstarrte, wurde ihr mit Entsetzen klar, das Ceylin nicht zurückgekommen war.

Anna Wiesental bemerkte die Panik in den Augen von Bahira und packte sie sanft am Arm.

»Wir müssen reden«, sagte sie und dirigierte Bahira zu einer kleinen Sitzecke. Fieberhaft überlegte sie, wie sie das Fehlen von Ceylin erklären sollte. Sie war verantwortlich für Ceylin, sie hätte nicht von ihrer Seite weichen dürfen.

Durchdringend sah Bahira ihre Betreuerin an.

»Wo ist Ceylin?«

»Wir wissen es nicht.

Ceylin ist nicht zurückgekommen.«

Bahira sprang auf, fasste Anna Wiesental an den Schultern und schüttelte sie heftig.

»Was redest du da, nicht zurückgekommen, Ceylin käme immer zurück, sie würde nie alleine weggehen.«

Behutsam nahm Anna Wiesental die Hände von ihren Schultern und drückte die junge Frau in das Leder der Couch.

»Und doch ist es so.

Nachdem wir für Ceylin die Strandsachen gekauft hatten, wollte sie diese unbedingt anprobieren.

Am Strand.

Alleine.

Sie wollte testen, ob der Bikini nicht zu viel von ihr preisgeben würde. Ich habe ihr gesagt, dass das keine gute Idee sei. Besser wäre es, sie würde warten, bis auch du deine Sachen hättest und ihr dann gemeinsam euer Stranddebüt geben könntet. Doch sie wollte nichts davon wissen. Sie müsste erst damit klarkommen, sich halbnackt in der Öffentlichkeit zu zeigen, meinte sie. Und das könnte sie nur, wenn sie alleine wäre. Schließlich haben wir uns darauf geeinigt, dass sie sich am Strand in der Nähe der Mutter-Kind-Klinik eine ruhige Ecke suchen sollte. Dort würde sie kaum auffallen. Lorenz und ich wollten in der Zeit ein paar Kleinigkeiten einkaufen und sie dann am Strand wieder abholen.«

Verzweifelt sah Anna Wiesental der Schönheit ihr gegenüber in die Augen.

»Als wir zurückkamen, war Ceylin nicht da. Ich war wütend, weil ich sie gebeten hatte, unbedingt auf uns zu warten. Nun, wir dachten, dass sie zum Schulungs-Center zurückgelaufen ist und haben Mia unsere Köchin angerufen. Sie hätte Ceylin ins Haus lassen müssen.

War aber nicht so.

Lorenz und ich bekamen Panik. Kilometerweit haben wir nach beiden Richtungen den Strand nach Ceylin abgesucht, doch keine Spur.«

»Das glaube ich nicht.«

Bahira sprang auf.

»Nie wäre Ceylin, ohne mir etwas zu sagen, weggegangen. Und wo sollte sie hier auf der Insel auch hin? Wir müssen sofort die Polizei verständigen.«

»Nein!«

Energisch stellte sich Anna Wiesental vor Bahira.

»Ihr habt noch keine Aufenthaltspässe, für die Polizei seid ihr Illegale, du würdest in irgendein Lager abgeschoben.

Willst du das?«

In Bahira arbeitete es, ihre Vergangenheit schlich sich in ihre Gedanken, sie hatte geglaubt, sie hätte es geschafft. Furcht überfiel sie. Schließlich schüttelte sie den Kopf.

»Natürlich will ich nicht abgeschoben werden, aber was können wir tun?«

»Wir können nur abwarten. Ich rufe meine Chefin an, sie wird uns sagen, was wir machen sollen.«

Schwer atmete Anna Wiesental durch.

»Hoffentlich schmeißt sie mich nicht raus. Ich hätte Ceylin nicht erlauben dürfen, alleine an den Strand zu gehen.«

»Wenn sie dich rausschmeißt, gehe ich mit dir«, murmelte Bahira und ging wie in Trance zu ihrem Zimmer.

4. KAPITEL

Noch bevor die Melodie des Handys sie weckte, wurde Kathrin Hansen wach. Nicht ganz in der Wirklichkeit angekommen, tastete sie wie gewohnt mit der Hand nach ihrem Lebensgefährten. Anstatt Hindriks Körper spürte sie an diesem Morgen kaltes, unbenutztes Laken. Mit einem Ruck fuhr sie hoch und ihr schlug die Erkenntnis wie ein eisiger Ostwind entgegen.

Hindrik!

Sofort standen ihr die letzten Momente, die sie auf der Intensivstation verbrachte hatte, vor Augen. Hindrik, wie er regungslos im gesicherten Krankenbett lag. Ich muss sofort anrufen, fuhr es ihr durch den Kopf und sie langte zum Handy.

»Rufen Sie bitte in einer Stunde wieder an«, hörte Kathrin Hansen die Schwester sagen. »Dann ist der Oberarzt da. Doch soviel vorweg: Ihr Lebensgefährte hatte eine ruhige Nacht und die Werte sehen alle gut aus.« Erleichtert bedankte sich Kathrin Hansen, beendete das Gespräch und blickte auf die Uhr. Nochmals würde sie nicht anrufen, sondern direkt in die Klinik fahren. Um in die Pötte zu kommen, brauchte sie vorher einen starken Kaffee. Großzügig gab sie mehr als gewöhnlich Kaffeepulver in die Filtertüte und während die Kaffeemaschine lief, ging sie ins Bad. Ausgiebig duschte sie und erst der Anrufsong des Handys beendete das wohltuende Gefühl der rieselnden Wärme auf ihrem Körper.

»Kathrin«, Ava Sari hörte sich besorgt an, »ich habe hier eine Meldung von einem Feriengast. Wolf Fischer, so heißt der Mann, war heute früh in der Nähe der Flinthörndünen am Strand und ist dort an dem neuen Strandhaus vorbeigekommen. Er meldet, dass aus dem Gebäude ein ekelhafter Gestank austritt.«

»Aber das Strandhaus ist doch noch gar nicht offen«, meinte Kathrin Hansen überrascht. »Soviel ich weiß, sind die Handwerker noch bei der Installation der Sanitäranlagen.«

»Laut diesem Herrn Fischer waren da keine Handwerker, zumindest hat er keine gesehen«, erwiderte Ava Sari.

»Hat der Mann denn mal nachgesehen, was den Gestank verursacht haben könnte?«

»Nein, er wollte sich nicht den Tag verderben und hat uns angerufen.«

»Okay.

Ava, ich bin gleich zu Hindrik hin, Olli und Maike sollen sich das mal ansehen. Vielleicht ist ja Schmutzwasser hochgekommen. Wenn nötig, sollen sie die Jungs vom Bauhof benachrichtigen.«

»Geht klar. Kümmere du dich um Hindrik und sag uns bitte nur kurz Bescheid, wie es ihm geht.«

»Klar, ich melde mich.«

Mit Friedrichs an ihrer Seite stapfte Maike Jansen durch den Sand auf das Strandhaus zu. Besorgt blickte sie sich um, ob noch andere Personen in der Nähe waren, es musste ja nicht jeder mitkriegen, dass etwas nicht in Ordnung war. Doch weit und breit war kein Mensch zu sehen. In dieser Ecke trudelten die Feriengäste etwas später ein. Sie selbst hatte sich das neu erbaute Strandhaus noch nicht genauer angesehen, hatte aber gehört, dass es einen Umkleide- und Sanitärbereich für Damen und Herren geben sollte. Direkt nobel. Und eine separate Ecke für das Wechseln von Windeln wäre auch vorgesehen. Wie schon immer auf Langeoog, hatten bei der Planung die Bedürfnisse der Familien im Vordergrund gestanden. Noch vor Beginn der ersten großen Sommerferien sollte das Strandhaus eröffnet werden.

Bereits einige Meter vor dem Gebäude bemerkten sie den durchdringenden Geruch.

»Stinkt ja widerlich«, raunzte Friedrichs und hielt sich die Nase zu. Aufmerksam betrachtete Maike Jansen die Außenanlage. Alles war trocken, Flüssigkeiten waren aus dem Gebäude keine ausgetreten und auch sonst bemerkte sie nichts Auffälliges. Nur ein Entsorgungssack der Handwerker lehnte an der Hauswand neben dem Eingang.

Eigentlich hatte Maike Jansen keinen Bock darauf, etwas zu sehen, das ihr den Tag vermasseln würde, aber es half nichts, sie mussten wissen, was los war.

»Okay, sehen wir uns die Hütte mal an«, meinte sie wenig begeistert. Auf Unangenehmes gefasst, öffnete sie die Außentür und bereute augenblicklich, dass sie keinen Mundschutz dabei hatte. Sie versuchte gegen die aufkommende Übelkeit anzukämpfen und warf einen besorgten Blick zu Friedrichs hin.

»Olli, ich glaube, wir kriegen es gleich dicke«, presste sie heraus und stieß die Tür zum Umkleidebereich der Damen auf.

Wie angeschossen blieb Maike Jansen stehen.

Entsetzt starrte sie auf den blutüberströmten Körper auf einer der Holzbänke. Arme und Beine der Toten waren durch Bänder an die Holzleisten fixiert, die weit aufgerissenen Augen starrten ausdruckslos gegen die Decke. Blutspritzer hatten sich zu bizarren Mustern auf den Wänden gebildet. Wie hypnotisiert erfasste Maike Jansen die Szene. An dem tiefen Schnitt entlang der Halsschlagader des Opfers blieb ihr Blick hängen.

»Olli, halt mich fest.«

Mehr brachte sie nicht heraus.

5. KAPITEL

Besorgt betrachtete sie ihre Chefin. Kathrin Hansen wirkte zerstreut, ruhelos. Etwas, das man an ihr nicht kannte. Maike Jansen konnte es ihr nachfühlen. Hindrik würde in den nächsten Stunden wieder ansprechbar sein, aber damit war es ja noch nicht getan. Noch war ungewiss, ob Hindrik mit der Spritze, die in den Dünen gefunden wurde, gestochen wurde, ob die Kanüle mit dem Blut eines infizierten Junkies kontaminiert war. Schlimmstenfalls mit HIV. Es fehlten die endgültigen Ergebnisse der laufenden Tests, und bis die vorlägen, konnte es noch eine Weile dauern.

Plötzlich empfand Maike Jansen das frisch renovierte Dienstzimmer bedrückend. Am liebsten wäre sie jetzt am Strand und würde sich den Frust von der Seele laufen. Stattdessen sah sie ihre Kollegen an und fuhr ihren Laptop hoch.

»Also Leute«, begann sie.

»Wir haben zwei Fälle.

Einmal den Überfall auf Hindrik, und dann den gewaltsamen Tod der jungen Frau. Möglicherweise hängen beide Geschehnisse zusammen.

Fangen wir mit Hindrik an.

Es kann folgendermaßen gelaufen sein: Hindrik war joggen und während er auf dem Flinthörndeich sein Pensum absolvierte, sah er von dort oben, dass in den Dünen etwas vor sich ging. Etwas, das nicht in Ordnung war. Wenn ich sage in den Dünen, meine ich die Stelle, wo wir das rote Halstuch gefunden haben, wo die Kriminaltechnik Spuren gesichert hat. Auf jeden Fall muss sich etwas so Krasses abgespielt haben, das Hindrik geglaubt hat, er müsste eingreifen, müsste helfen.

Er ist zu dem Geschehen hin, wurde in eine Konfrontation verwickelt, die in einen Angriff auf seine Person ausartete. Obwohl schwer angeschlagen, hat er es bis zum Strand geschafft, dort hat er das Bewusstsein verloren. Aus Angst, dass sie gesehen werden könnten, haben die Täter sich nicht weiter mit ihm beschäftigt. Ich sage bewusst Täter, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass eine einzelne Person Hindrik so übel mitgespielt hat. Er ist ja nun nicht gerade ein Weichei. Jetzt müssen wir abwarten, ob Hindrik die Täter beschreiben kann.«

Tief atmete die junge Kommissar Anwärterin durch.

»Kommen wir zu dem Mordopfer.

Eine Frau, etwa Anfang dreißig.

Die Tote hat noch keine Identität. Ich würde vorschlagen, wir nennen sie unsere Schöne. Denn sie war eine wirkliche Schönheit. Sonja Klaes, die Pathologin meinte, dass sie noch nie einen so perfekten Körper auf ihrem Tisch gehabt hätte. Sie ist sich sicher, dass die Frau aus dem Nahen Osten stammt. Syrien, Libanon, Iran. Zumindest sprechen ihre physiologisch-biochemischen Merkmale dafür. Vor ihrem Tod wurde unsere Schöne brutal geschlagen und vergewaltigt.«

Aufgewühlt trank Maike Jansen einen Schluck Wasser. Die Vorstellung des Geschehens setzte ihr mächtig zu.

Doch es musste weiter gehen.

»Das Opfer war bis dahin eine Unberührte, so heißt es in der muslimischen Welt«, fuhr sie fort. »Heißt: Sie hatte mit noch keinem Mann geschlafen.«

»Oh, mein Gott.«

Ava Sari, die zierliche Thailänderin, schlug die Hände vor das Gesicht. Die Vorstellung traf sie ins Herz.

»Auf dem rechten Unterarm des Opfers hat sich ein Hämatom gebildet, laut der Pathologin verursacht durch eine grob gesetzte Spritze. Was genau injiziert wurde, wird das Laborergebnis zeigen.«

Laborergebnis!

Maike Jansen musste sich zusammenreißen, um nicht ihre Chefin anzublicken. Sie ahnte, dass in Kathrin Hansen bedrückende Vorstellungen tobten.

»Getötet wurde die Frau durch einen tiefen Schnitt entlang der Halsschlagader. Sie ist ausgeblutet, hatte keine Chance zu überleben.«

Maike Jansen blickte ihre Kollegen an.

»Und jetzt Leute, die ganz großen Fragezeichen:

Wer ist diese Frau?

Woher kommt sie?

Was hat sie auf der Insel gemacht?

Im Strandhaus wurden keine Kleidungsstücke gefunden, die Täter haben sie mitgenommen oder verbuddelt. Selbstredend gibt es auch keine Papiere oder ein Handy. Wir haben nur das rote Halstuch, es wird sich zeigen, ob es der Toten gehörte. Ansonsten müssen wir das endgültige Ergebnis der Obduktion abwarten.«

Kathrin Hansen, die sich im Hintergrund gehalten hatte, nahm einen Farbausdruck vom Tisch und betrachtete ihn eingehend. Sie musste der Pathologin zustimmen, die Tote war eine attraktive Schönheit gewesen und es war schwer vorstellbar, dass eine solche Frau noch keinen Mann gehabt hatte.

»Leute«, sie hielt das Foto hoch, »nehmen wir einmal an, diese Frau war keine klassische Urlauberin, sondern eine Migrantin. Möglicherweise kam sie aus einem Kriegsgebiet, ist geflüchtet, dann müsste sie irgendwo erfasst, registriert worden sein. An einer Grenzkontrollstelle, in einem Auffanglager, bei einer Behörde. Wenn in den nächsten Stunden keine Vermisstenmeldung eingeht, werden wir dort ansetzen.« Bevor sie weiter ins Detail gehen konnte, meldete sich ihr Handy.

»Heidkamp. Ich habe Neuigkeiten.«

Toll, fuhr es Kathrin Hansen durch den Kopf, noch knapper geht es ja nicht. Sie koppelte ihr Handy über Bluetooth mit dem Lautsprecher auf dem Tisch und war gespannt, was ihr Chef loswerden wollte.

»Doch zuerst«, schob Heidkamp besorgt nach, »wie geht es Hindrik?«

Sie informierte ihn über ihren Besuch am Morgen in der Klinik und dass sie jede Stunde damit rechnen würde, das Hindrik wieder ansprechbar wäre.