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Lassiter schaffte es noch, seinen Revolver hochzureißen und zwei Schüsse abzugeben. Doch dann fielen sie mit fünf Männern über ihn her.
Seine Arme wurden gepackt und hochgerissen. Das brutale Geschäft begann. Die Bestrafung, die McDade angeordnet hatte.
"Aber tötet ihn nicht!", schrie der Aufseher. "Ich will ihn noch in das Loch stecken. Er soll die Hölle von Yuma am eigenen Leib kennenlernen..."
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Seitenzahl: 166
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
LASSITER IN DER HÖLLE VON YUMA
Vorschau
Impressum
LASSITER IN DER HÖLLE VON YUMA
von Jack Slade
Selbst in der Dunkelheit der Nacht war noch die Gluthitze zu spüren, die am Tag über Yuma gebrütet hatte. Und Lassiter kämpfte um sein Leben.
Sie kamen von der Böschung oberhalb des Colorado River. Zu dritt. Haargenau in dem Moment, als Lassiter die Frau entdeckte.
Erbarmungslos hieben die Kerle auf ihn ein. Sie wollten ihn rasch zur Hilflosigkeit zerschlagen, und sie glaubten, ein leichtes Spiel mit ihm zu haben. Es war ein Rätsel, das ihn schon seit Tagen beschäftigte: Wer, zum Teufel, zahlte für die Versuche, ihn aus dem Weg zu räumen? Und warum?
Die Frau wurde zu Boden geschleudert. Lassiter bekam die Fäuste, die Knie und die Stiefelspitzen der Strolche zu spüren. Er steckte es ein, machte sich aber gleichzeitig bereit, zurückzuschlagen.
Dieser Roman erschien erstmals im Jahr 1974 als Lassiter-Taschenbuch Nr. 54 in der Übersetzung aus dem Amerikanischen. Originaltitel: Hell At Yuma
Es gab eine eiserne Regel, um Augenblicke wie diese zu überleben. Er musste es den Angreifern mit gleicher Münze zurückzahlen.
Seine Rippen brannten höllisch, waren vielleicht gebrochen. Sein Schädel dröhnte von einem Hieb, den der Hut nur zum Teil gedämpft hatte. Und die Nachwirkungen eines Nierenhakens waren wie ein Messer, das man ihm in den Leib gerammt hatte.
Lassiter hatte nur einen Pluspunkt: Sie waren noch nicht darauf gekommen, es mit Messern oder Revolvern zu probieren.
Er ließ seine Muskeln explodieren. Mit beiden Fäusten packte er den, der ihm am nächsten war, an den Schultern. Doch nur, um den Burschen in der Dunkelheit zu lokalisieren.
Blitzschnell zog Lassiter sein rechtes Knie hoch. Mit aller Kraft, die in seinem hageren Körper steckte, rammte er dem anderen das Knie in den Magen.
Jäh zerriss der Schmerzensschrei des Mannes die nächtliche Stille. Weit hallte der Schrei über das Land. Irgendwo südlich, wo Lichtpunkte die Stadt Yuma markierten, begannen Hunde zu bellen.
Sofort stieß Lassiter den Mann von sich. Heulend vor wahnsinnigem Schmerz, schlug der Bursche der Länge nach in den Ufersand und krümmte sich. Sein Geschrei riss nicht ab.
Rechtzeitig genug wirbelte Lassiter herum, stürmte mit gnadenloser Gewalt auf den zweiten Gegner zu. Durch den Anprall wurde der Mann gegen seinen Komplizen geschleudert. Wieder zuckten Lassiters Arme gleichzeitig vor. Doch dieses Mal schmetterte er dem anderen die Handflächen von beiden Seiten ins Gesicht. Hart genug, um den Mann in jähem Schmerz aufbrüllen zu lassen.
Aber dabei ließ es Lassiter nicht bewenden. Er packte beide Ohren des Kerls, riss ihn mit einem Ruck von den Füßen.
Erneutes Schmerzensgeheul gellte durch die Nacht.
Lassiters Fäuste waren wie Schraubstöcke. Seine Halsmuskeln traten wie dicke Stränge hervor, als er den Kerl durchschüttelte und ihn dann auf den dritten Angreifer zuschleuderte.
Die beiden prallten zusammen. Der eine stürzte zu Boden, die Hände an den Kopf gepresst, immer noch schreiend.
Der andere stieß einen Fluch aus, stolperte zurück. Er zerrte den Sechsschüsser aus dem Holster und riss im nächsten Moment den Abzugsbügel durch.
Grell flammte der Mündungsblitz auf, begleitet vom Krachen des Schusses.
Doch die Kugel lag viel zu hoch.
»McDade! Hilfe!«, schrie der Mann verzweifelt.
Dieser Schrei sagte Lassiter genug.
Er zog jetzt ebenfalls, befreite seinen 44er aus dem Innenholster, das er hier in Yuma unter dem Gürtel trug.
Bevor der andere den Revolver erneut hochreißen konnte, war Lassiter bei ihm.
Er drosch dem Kerl den Lauf über den Kopf. Der Mann schrie mit sich überschlagender Stimme. Er ließ die Waffe fallen, stolperte beiseite und presste die Hände gegen seinen Schädel.
Lassiter sah es deutlich, denn ein Güterzug der Southern Pacific Railroad näherte sich von der anderen Seite des Flusses. Der Zug hatte eine mehr als hundert Meilen lange Strecke durch die Mojave-Wüste von Kalifornien hinter sich. Sein Frontscheinwerfer erhellte die Kampfszene.
Mit dem Gesicht nach unten, krümmte sich Lassiters erster Gegner im Ufersand. Stöhnend presste er beide Hände gegen den schmerzenden Unterleib.
Der zweite lag ebenfalls flach, die Hände an den Ohren. Panikartig versuchte er, aus Lassiters Reichweite fortzukriechen.
Der dritte sank auf die Knie. Seine Augen flackerten vor Angst.
»McDade!«, winselte er.
Und noch etwas enthüllte der sich nähernde Lichtkegel. In dem Moment, als die Lokomotive die Brücke über den Colorado erreichte, sah er die Frau.
Eher noch ein Mädchen, wie er feststellte. Er war nicht sicher, zu wem sie gehörte und welche Rolle sie in den Ereignissen spielte, die sich allmählich zu einem tödlichen Spiel entwickelten.
Er wusste praktisch nichts über sie. Er hatte sie an diesem Abend im Empfangsraum eines Hotels getroffen. Und jetzt war sie plötzlich hier aufgetaucht, kurz bevor sich die drei Halunken auf ihn gestürzt hatten. Die brutale Art, wie sie das Mädchen behandelt hatten, machte deutlich, dass sie mehr über sie wussten als Lassiter.
Mühsam rappelte sie sich auf. Das Oberteil ihres Kleides war völlig zerfetzt. Lassiter sah ihre Brüste, sanft gerundet wie Elfenbeinkugeln. Das Mädchen schien noch sehr jung zu sein.
Doch Lassiter hatte im Moment wenig Interesse an ihr. Er spähte nach rechts in die Dunkelheit, wo Steinmauern und die dahinterliegenden düsteren Umrisse von Gebäuden zu erkennen waren. Vereinzelt brannten Lichter.
Plötzlich war von dort ein Ruf zu hören. Ein heiserer Befehl, der dem Klang eines Nebelhorns in der Bucht von San Francisco ähnelte. Es war die Stimme von Eli McDade, Captain der Wachmannschaft im Territorial-Gefängnis von Arizona.
»Alarm! Sofort ausrücken! Ein Gefangener ist geflohen! Holt die Hunde!«
Im nächsten Atemzug war das Gebrüll von Männerstimmen aus allen Teilen des Gefängnisses zu hören – aus dem Hof, wo sich der Gebäudeblock mit den Isolierzellen für die besonders gefährlichen Sträflinge befand. Dort war es, wo vermutlich ein Gefangener namens Tom Red Wolf festgehalten wurde. Und die Stimmen kamen aus den Wachbaracken an der gegenüberliegenden Seite des Gefängnis-Areals. Im Dampfwerk begann eine Pfeife zu blubbern, um kurz darauf ihr ohrenbetäubendes Geheul in die Nacht hinauszuschicken. Das Scheinwerferlicht der Lokomotive war verschwunden. Wieder lastete undurchdringliche Dunkelheit über dem Gelände. Noch immer waren die Schmerzenslaute der drei Strolche zu hören.
Lassiter schwenkte den 44er unentschlossen in der Rechten. Das Geschrei der Kerle fiel ihm auf die Nerven. Aber so war es immer. Wenn es gegen einen Mann ging, waren sie stark. Aber wehe, die Sache änderte sich. Da wurden sie zu jammernden Memmen.
Das wütende Gebell der Gefängnishunde setzte ein. Bluthunde, die eine Fährte mit untrüglicher Sicherheit verfolgten. Mastiffs, die darauf abgerichtet waren, alles in Stücke zu reißen, was sich am Ende dieser Fährte bewegte.
Innerhalb von einer Minute würden die Hunde das Tor zum Fluss verlassen. Lassiter wusste, dass er nur zwei oder höchstens drei von ihnen erwischen konnte. Dann würden ihm die anderen an die Kehle springen.
Er verschwendete keine einzige Sekunde mehr. Er wollte sich in Bewegung setzen, stieß im nächsten Moment einen Fluch aus, machte kehrt und packte das Mädchen. Sie schnappte erschrocken nach Luft, als seine Hand ihre nackte Haut berührte.
Mit langen Sätzen hastete Lassiter los, zog das Girl hinter sich her. Das Bellen der Gefängnishunde ließ sein Blut in den Adern gefrieren.
Das Mädchen stolperte.
»Mein Rock!«, keuchte sie.
Lassiter packte sie ungeduldig, warf sie über seine Schulter. Und nun rannte er, am Ufer des Colorado entlang in südlicher Richtung. Der Uferstreifen wurde schmaler. Zur Linken ragten Anhöhen empor, zu steil, um mit dem Mädchen auf der Schulter schnell genug hinaufzuklettern.
Wenn die Hunde herankamen, blieb als einziger Ausweg nur der Fluss. Lassiter mochte nicht daran denken, in der Dunkelheit mit der tückischen Strömung kämpfen zu müssen.
Doch unerwartet wendete sich das Blatt zu seinen Gunsten.
Das markerschütternde Geheul der Hunde wehte plötzlich herüber. Sie hatten die drei Kerle entdeckt und stürzten sich in wilder Blutgier auf sie. Schreiend flohen die Männer in den Fluss. Lassiter hörte es, ebenso das wütende Gebrüll Eli McDades.
»Haltet die Hunde zurück!«, schrie McDade. »Hinter diesen Männern sind wir nicht her!«
Also hatte McDade den Burschen erkannt, der ihn zu Hilfe rief. Vielleicht war es einer, der für McDade arbeitete. Allerdings war es fraglich, ob er die Kerle auf Lassiter gehetzt hatte. Doch bislang war ohnehin noch alles rätselhaft, was sich hier in der höllischen Hitze von Yuma abspielte.
»Lass mich herunter!«, bat das Mädchen.
»Noch nicht. Die Hunde sind uns zu dicht auf den Fersen, aber ich werde trotzdem versuchen, dich zum Hotel zurückzutragen.«
»Aber... ich... möchte nicht, dass du mich so über die Mainstreet trägst«, entgegnete sie mit zitternder Stimme, »ich würde vor Scham sterben, so, wie ich bin.«
»Wir nehmen die Seitenstraßen«, entschied Lassiter, »aber ich hätte nicht gedacht, dass es dir etwas ausmacht, so herumzulaufen. Schließlich hast du gesagt, dass du alles tun würdest, um Tom Red Wolf zur Flucht zu verhelfen.«
»Das habe ich gesagt... und ich halte mein Wort! Aber die Leute sollen mich nicht so sehen... so nackt!«
Lassiter rannte weiter. Er hörte die Schreie in der Nacht. Panische Schreie der Männer, die sich in den Fluss gestürzt hatten und gegen die wilde Strömung ankämpften.
Er fragte sich, ob sie lebend herauskommen würden. Doch es interessierte ihn nicht sonderlich. Zum Teufel mit ihnen, dachte er. Und zum Teufel mit dem ganzen verdammten Geschäft, einen Halbindianer aus jener Hölle von Hitze und Tod zu befreien, die sich das Gefängnis von Yuma nannte.
Nur eines hielt ihn aufrecht. Sein Stolz. Er hatte den Auftrag übernommen, er würde weitermachen und es zu Ende bringen.
Jerome Durand hatte ihm zwanzigtausend Dollar für den Job versprochen. Die Hälfte davon hatte Lassiter bereits erhalten. Die zweite Hälfte solle er bekommen, wenn er den Auftrag zur Zufriedenheit erledigt hatte. Lassiter dachte an die drei, die wahrscheinlich von den Killerfluten des Colorado in die Ewigkeit gespült wurden. Er fragte sich, wie viele andere noch bei seinem Versuch sterben würden, Tom Red Wolf aus dem Jail zu befreien.
Lassiter blickte aus dem Fenster eines engen Hotelzimmers im zweiten Stock. Unten auf der Straße wurde einer von Eli McDades Schergen von drei Gefängnishunden vorangezogen, die knurrend und hechelnd an ihren Leinen zerrten.
Ein zweiter Aufseher folgte. Er hielt sein Gewehr schussbereit.
Das Hotelzimmer gehörte dem Mädchen. Sie hatte sich im Gästebuch als Rose Gorman eingetragen. Vielleicht war es ihr richtiger Name. Bislang hatte sie nichts über sich selbst geoffenbart, nicht einmal den Grund, weshalb sie in Yuma war und krampfhaft bemüht war, bei der Flucht von Tom Red Wolf zu helfen.
Lassiter wusste nicht, weshalb sie das tat. Vielleicht einfach deshalb, weil sie Red Wolfs Geliebte war. Lassiter hatte auch keine Ahnung, wie sie von seinem Vorhaben erfahren hatte. Aber er wollte es bald herausfinden.
Rose Gorman zog ihren zerfetzten Rock aus und untersuchte ihn im schwachen Lampenlicht. Ihre einzige Kleidung bestand aus einem spitzenbesetzten Höschen, das fast durchsichtig war. Einen Moment lang hielt sie den Rock vor ihren Körper, wie beschämt durch seinen forschenden Blick.
Lassiter war im Moment nicht an ihren weiblichen Reizen interessiert. Er ging zur Tür und presste sein Ohr gegen das Holz.
»Es gab nur einen Grund, weshalb du heute Nacht dort draußen warst, so nahe bei dem Tor«, flüsterte Rose, »du wolltest versuchen, Tom herauszuholen... heute Nacht!«
»Nein.« Das war nicht sein Grund gewesen. Red Wolf aus dem Gefängnis zu befreien, war die eine Sache. Ihn aus Yuma wegzubringen, außer Reichweite für jede Verfolgung, war die andere Sache. Und Lassiter hatte noch keinen Plan, wie er das bewerkstelligen sollte.
»Ich musste dir folgen«, fuhr Rose fort, »denn ich musste zur Stelle sein, wenn er herauskommen würde...«
»Sei still!«, zischte Lassiter.
Er ging auf sie zu, aber nur deshalb, weil sie zwischen ihm und der Lampe war. Er berührte die warme Haut des Mädchens mit der Hand, schob es beiseite und blies die Lampe aus.
Sie standen in völliger Dunkelheit. Rose Gorman ließ einen erregten Laut hören.
»Gib... mir etwas Zeit... nur eine Minute! Dann werde ich auf dich warten... im Bett!«
»Hölle und Teufel«, brummte er und kämpfte gegen die Versuchung, das Angebot anzunehmen.
Doch er bezwang sich, zog Geldscheine aus der Jackentasche und drückte sie ihr in die Hand.
»Kauf dir ein neues Kleid morgen früh und eine Eisenbahnfahrkarte. Verschwinde aus Yuma und komme nicht zurück!«
»Ich denke nicht daran! Ich habe lange genug gewartet!«
Er war versucht, ihr eine Ohrfeige zu verpassen. Stattdessen ging er.
Als er an der Tür horchte, hatte er zwei Geräusche gehört: Einen dumpfen Laut, als ob jemand einen Stiefel zu unvorsichtig aufsetzte. Dann das Klicken eines Revolverhahns, der gespannt wurde.
Es war keiner der Gefängnisaufseher. McDade oder seine Männer wären die Treppe heraufgestürmt, ohne den Lärm zu unterdrücken.
Lassiter schlich auf den Korridor hinaus, duckte sich, den Revolver schussbereit in der Rechten.
Ein schwaches Licht brannte an der Hintertreppe, etwa zehn Yard entfernt. Wie es schien, waren alle Türen im Korridor geschlossen.
Den Rücken an die Wand gepresst, arbeitete er sich geräuschlos auf die Hintertreppe zu. Auf diesem Weg war er mit Rose Gorman ins Hotel gekommen. Vielleicht hatte ihn jemand dabei beobachtet und wartete jetzt darauf, dass er wieder die Treppe hinunterkam.
Kurz davor verharrte er minutenlang. Seine Vermutung wurde bestätigt, als er von unten den scharf eingezogenen Atem eines Menschen hörte.
Mit einem Satz schnellte Lassiter zum Treppenabsatz vor.
Der Mann, der ihn erwartete, stand vier Stufen tiefer. Ein hagerer, schmalgesichtiger Bursche mit einem rattenschwanzähnlichen Schnurrbart. Sein Sechsschüsser schwenkte herum.
Lassiter feuerte mit jener Geschwindigkeit, die manche für unglaublich hielten.
Die Kugel fuhr dem anderen in die Rippen. Die Wucht des Einschusses riss seinen Körper herum, die Treppenstufen hinunter. Im Fallen löste sich ein Schuss aus seinem Revolver. Die Kugel fuhr wirkungslos in die Decke.
Zur Sicherheit feuerte Lassiter noch einmal. Seine zweite Kugel traf den Mann, bevor dieser hart auf den Boden am Fuß der Treppe schlug, dicht vor der offenen Hintertür des Hotels.
Der Nachhall der Schüsse dröhnte noch durch den Korridor, als Lassiter schon die Stufen hinuntereilte. Er sprang über den leblosen Körper hinweg, durch die Tür hinaus in die Nacht. Eine Sekunde später verschluckte ihn die Dunkelheit.
Hinter ihm setzte der Aufruhr ein. Aus allen Richtungen strömten die Leute herbei, um die Ursache der Schüsse zu ergründen.
Irgendwo in der Ferne ertönte ein scharfer Befehl. Eine Schrotflinte donnerte. Hunde knurrten. McDades Aufseher rochen den Braten.
Während er weiterhastete, wurde sich Lassiter der Tatsache bewusst, dass ihn jemand zu töten versuchte – nur mit dem einen Ziel, Tom Red Wolf auch weiterhin hinter den Gittern des Territorial-Gefängnisses von Yuma zu wissen. Dreimal hatten sie es bis jetzt versucht. Und Lassiter war sicher, dass weitere Versuche folgen würden – wenn er nicht vorher herausfand, wer es auf ihn abgesehen hatte.
II
Mit langen Sätzen ließ Lassiter den Trubel hinter sich.
Nach allem, was in dieser Nacht geschehen war, sah es verdammt danach aus, dass ihm die Sache aus der Hand zu gleiten drohte. Die halbe Stadt schien bereits zu wissen, was er vorhatte.
Nur einer konnte das verbreitet haben.
Eli McDade.
Während er weiter in die Dunkelheit hastete, beschloss Lassiter, sich darüber so schnell wie möglich Gewissheit zu verschaffen. Denn immerhin hatte er McDade gekauft. Gleich am Nachmittag nach seiner Ankunft in Yuma. Tausend Dollar hatte Lassiter dem Boss der Gefängnisaufseher versprochen, wenn er ihm Tom Red Wolf auslieferte. Die Hälfte dieser Summe hatte McDade bereits in der Tasche – als Anzahlung.
Lassiter schwor sich, McDade die Seele aus dem Leib zu prügeln, sobald er ihn erwischte.
Doch zuvor gab es etwas Wichtigeres zu tun. Das, weshalb er sich schon einmal in dieser Nacht an das Gefängnis herangepirscht hatte.
Es war fast Mitternacht.
Der Lärm hinter ihm versiegte allmählich. Diesmal näherte sich Lassiter dem Haupttor von Osten her. Übermäßige Vorsicht endete meistens in Schwierigkeiten, wie es der Angriff der drei Strolche gezeigt hatte. Lassiter hielt ein direktes Vorgehen jetzt für angebracht.
Deshalb hatte er vor, das Gefängnis durch den Vordereingang zu betreten. Nicht, wie ursprünglich geplant, über die rückwärtige Umfassungsmauer.
Die hohe Ostmauer des Gefängnisses tauchte vor ihm auf. Er tauchte im Schatten unter und dämpfte seine Schritte zur Geräuschlosigkeit.
Das Haupttor, aus schweren Holzbalken zusammengefügt, befand sich im Norden, am äußersten Ende der Mauer. Lassiter schlich darauf zu.
Oben befanden sich in regelmäßigen Abständen die Wachtürme. Die Posten gähnten vermutlich vor Langeweile und Müdigkeit und zählten die Minuten bis zu ihrer Ablösung. Es schien unwahrscheinlich, dass auch nur einer von ihnen das Gelände außerhalb der Gefängnismauern beobachtete, denn es war absurd für sie, dass jemand den Versuch unternehmen könnte, in diesen Ort einzudringen. Dennoch verursachte Lassiter nicht mehr Geräusche als ein vorbeitreibender Schatten. Er erreichte das Haupttor und schlich daran vorbei.
Unmittelbar dahinter befand sich ein Wachhäuschen, das in die Mauer eingefügt war. Warenlieferungen und Besucher wurden hier abgefertigt. Das Häuschen hatte mehrere schmutzige Fenster. Drinnen hockte ein einsamer Wachposten. Er hatte die Füße auf den Schreibtisch gelegt und studierte ein Wochenmagazin, das sich auf Abbildungen von drallen Halbweltköniginnen spezialisiert hatte.
Blitzschnell schlüpfte Lassiter in das Häuschen.
Der Posten versuchte noch, herumzuwirbeln, die Füße vom Schreibtisch zu schwenken.
Er schaffte es nicht mehr.
Er sah nicht einmal, wer ihm einen Hieb auf den Schädel verpasste. Ohne noch einen Laut von sich zu geben, sackte er in sich zusammen und landete mit einem dumpfen Laut auf dem Fußboden.
Es lag einige Jahre zurück, dass Lassiter das Gefängnis von Yuma zum letzten Mal gesehen hatte.
Doch er wusste noch, dass sich an dieser Stelle vermutlich zwei Wachtposten befinden mussten. Im Handumdrehen hatte er den Bewusstlosen verpackt. Er verwendete den Gürtel des Mannes und Streifen seines Hemdes, um ihn zu fesseln. Mit dem Rest des Hemdstoffes knebelte er ihn. Dann schleifte er ihn hinaus, ließ ihn vor der Mauer zurück.
Anschließend betrat er von neuem das Wachhäuschen. Er brauchte nur wenige Minuten zu warten, bis der zweite Posten zurückkam. Der Mann trug eine kleine Kanne in der Hand.
Dampfender Kaffee ergoss sich über die Bodendielen, als Lassiter ihn mit einem brettharten Hieb ins Traumland beförderte. Nachdem Lassiter auch diesen Mann zur Außenmauer geschleppt hatte, blätterte er die dicken Wälzer durch, die auf dem Schreibtisch lagen. Er fand, was er suchte. Die Gefangenenliste mit den Namen der Sträflinge und den jeweiligen Zellennummern.
Ohne Zeit zu verlieren, schlüpfte er durch die Innentür in den Gefängnishof.
Vereinzelt flackerten Lichter. Zur Rechten, an der gegenüberliegenden Seite des Hofes, war das Gemurmel von Männerstimmen aus einem flachen Gebäude zu hören. Dort stand die Küchenbaracke des Gefängnisses. Südlich davon erstreckte sich im rechten Winkel der Hauptzellenblock, zwei Stockwerke hoch. Weiter vorn, im Zentrum des Hofes, befand sich der andere Zellenblock. Dieser war nur eingeschossig und beherbergte die gefährlichsten, aufsässigsten Gefangenen.
Lassiter schlenderte lässig darauf zu, so, als sei es die selbstverständlichste Sache auf der Welt, dass er hier herumlief. Der Zeitpunkt begünstigte ihn. Ein großer Teil der Aufseher war wahrscheinlich noch unterwegs, um die wilde Jagd fortzusetzen, die nach dem Überfall am Flussufer begonnen hatte.
Lassiter trat durch eine halboffene Tür am vorderen Ende des Gebäudes.
Er fand sich in einem kleinen, unordentlichen Wachraum wieder. Es gab mehrere Tische und Stühle, Gewehre, die in einem Ständer an der Wand festgekettet waren. Der Fettgeruch von Kohl und gebratenem Schweinefleisch lag in der Luft. Vermutlich der Dunst des letzten Abendessens. Der Raum war ansonsten leer.
Unvermittelt hörte Lassiter das Schnarchen. Es kam aus einer Nische. Ein fetter Bursche in zerknitterter Uniform döste dort auf einem Feldbett. Lassiter zog ihm den Revolverlauf über den Schädel. Ein weiterer Posten, der ihm keine Schwierigkeiten mehr machen würde. Es kam ihm fast zu einfach vor. Bis jetzt war das Glück auf seiner Seite. Dennoch blieb er angespannt und wachsam, als er den Knauf der nächsten Tür drehte. Die Angeln quietschten leise beim Öffnen. Er betrat einen langgestreckten Gang, der an den Zellen entlangführte.
Normalerweise hätte hier ein weiterer Aufseher Wache halten müssen. Aber wahrscheinlich war auch er zur Küchenbaracke gegangen, um dort herumzulungern und Kaffee zu schlürfen. Dies machte deutlich, wie gering die Wahrscheinlichkeit war, dass jemals eine Flucht aus dem Gefängnis von Yuma gelingen konnte. Die Endlosigkeit der Wüste, die sich von hier aus in alle Himmelsrichtungen erstreckte, war wirkungsvoller als sämtliche Aufseher, die die Sträflinge in Schach hielten.
Lassiter horchte sekundenlang in die Dunkelheit hinein.