Lassiter Sonder-Edition 8 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sonder-Edition 8 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Lassiter war in Lordsburg, als das Telegramm von Cassie McCord kam. Nachdem er es gelesen hatte, ritt er zur nächsten Bahnstation in Curzon City und verkaufte sein Pferd. Er schulterte Sattel und Gewehr und kaufte sich eine Fahrkarte nach Abilene in Kansas.
Er brauchte vier Tage, um dorthin zu gelangen. In Volper Junction und Fort Marston musste er umsteigen. Unterwegs spielte er Poker mit einem Händler, mit einem pensionierten Kavallerie-Captain, der von bösem Husten geplagt wurde, und mit einem Waffenhändler. Letzterer stieg an einem Ort namens Mineville aus. Sein Platz wurde von einem gesprächigen Zeitungsreporter eingenommen, der angeblich nach dem Westen gekommen war, um hier Lokalkolorit zu sammeln.


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EPUB

Seitenzahl: 184

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

ZAHLTAG FÜR LASSITER

Vorschau

Impressum

ZAHLTAG FÜR LASSITER

von Jack Slade

Lassiter war in Lordsburg, als das Telegramm von Cassie McCord kam. Nachdem er es gelesen hatte, ritt er zur nächsten Bahnstation in Curzon City und verkaufte sein Pferd. Er schulterte Sattel und Gewehr und kaufte sich eine Fahrkarte nach Abilene in Kansas.

Er brauchte vier Tage, um dorthin zu gelangen. In Volper Junction und Fort Marston musste er umsteigen. Unterwegs spielte er Poker mit einem Händler, mit einem pensionierten Kavallerie-Captain, der von bösem Husten geplagt wurde, und mit einem Waffenhändler. Letzterer stieg an einem Ort namens Mineville aus. Sein Platz wurde von einem gesprächigen Zeitungsreporter eingenommen, der angeblich nach dem Westen gekommen war, um hier Lokalkolorit zu sammeln.

   

Dieser Roman erschien erstmals im Jahr 1970 als Lassiter-Taschenbuch Nr. 8 als Übersetzung aus dem Amerikanischen. Originaltitel: The Man From Lordsburg

Der Zeitungsschreiber wollte Lassiters Lebensgeschichte, die doch gewiss recht interessant und farbig gewesen sein dürfte, zu Papier bringen. Lassiter erklärte ihm, dass er ein Mormonen-Missionar sei und dass es deshalb nicht viel über ihn zu berichten gäbe. Der Captain grinste verständnisvoll, und der Journalist zog es vor, lieber keine weiteren Fragen zu stellen, sondern sich ausschließlich auf das Pokerspiel zu konzentrieren.

Es war schon dunkel, als der Zug im Depot von Abilene einlief.

Lassiter hatte mehr als genug vom Pokern und auch vom abgestandenen Zigarrenrauch. Er war froh, endlich aussteigen und seine lange Gestalt recken zu können.

Abilene hatte sich wahrhaftig höllisch verändert. Zum letzten Mal war Lassiter vor fünfzehn Jahren hier durchgekommen. Damals hatte er eine Verfolger-Posse auf dem Halse gehabt. Die Stadt war nichts weiter als eine größere Ortschaft an der Straße gewesen. Jetzt aber blitzten und schimmerten überall Lichter, und der Lärm war meilenweit zu hören. Lange bevor der Zug die Station erreicht hatte, war Lassiter schon auf das Brüllen vieler tausend Texas-Longhorns aufmerksam geworden. Mehrere größere Herden mussten also in den Verladepferchen zusammengetrieben worden sein.

Die ganze Stadt stank nach Rindern.

Lassiter ging über die Texas Street und suchte das Brazos-Hotel.

Abilene lag zwar in Kansas, aber die Anwesenheit von Hunderten von Cowboys ließ die Stadt eher wie Fort Worth am Samstagabend erscheinen.

Vor dem Hotel schimpfte ein junger Texaner mit spärlichem, blondem Schnurrbart und gekreuzten Waffengurten einen großen Kavallerie-Sergeanten einen nichtsnutzigen Yankee-Blaurock und Hundesohn.

Lassiter machte um beide einen Bogen und ging hinein.

Der Zimmer-Clerk hatte eine Glatze und einen gewichsten Schnurrbart. Nachdem er die Enden gezwirbelt und zu Spitzen gedreht hatte, warf er einen Blick ins Gästebuch und bestätigte, dass für eine Miss Smith ein Zimmer im Voraus bestellt sei. Er lächelte Lassiter wissend an, und Lassiter lächelte ebenso wissend zurück. Danach hielt der Clerk die Situation offensichtlich gar nicht mehr für so komisch. Die Lust zum Witzemachen war ihm vergangen. Aber er behauptete, dass Lassiter von Glück sagen könnte, in Abilene überhaupt noch ein freies Zimmer zu finden. Der Clerk schien ordentlich stolz zu sein auf Abilene. Lassiter wusste natürlich, dass der kleine Bastard nur auf ein Trinkgeld spekulierte. Von Lassiter bekam er es jedoch nicht.

Oben schloss Lassiter die Tür hinter sich ab und holte eine Whiskyflasche aus einer Satteltasche, dann legte er sich damit aufs Bett. Das Kissen war dünn und schmutzig. Lassiter schob den Sattel als Kopfstütze darunter. Jetzt ging es schon besser. Nachdem er sich eine Zigarette gedreht hatte, legte er sich zurück und nahm einen Schluck aus der Flasche. Während er trank, studierte er ein schief an der Wand hängendes Bild. Der billige Farbdruck trug den Titel »Hirsch an der Bucht«. Bilder dieser Art hatte Lassiter in allen schmutzigen oder sauberen Hotelzimmern von Butte in Montana bis Benson in Arizona hängen sehen. In einigen Hotels hatte es etwas Abwechslung gegeben. Da war der »Hirsch an der Bucht« mit »Custers letzter Kampf« vertauscht worden. Aber dieses Bild hier an der Wand war das erste, das mehrere Kugellöcher aufweisen konnte.

Lassiter trank ab und zu einen kleinen Schluck aus der Flasche und wartete auf Cassie. Sie hatte nicht gesagt, wann sie auftauchen würde. Doch deswegen machte sich Lassiter keine Sorgen. Auch alles andere kümmerte ihn nicht. Cassie hatte ihn aufgefordert, herzukommen... und da war er nun. Sie hatte von »großem Geld« gesprochen, und das genügte vollauf. Lassiter wäre nicht nur aus Lordsburg, sondern sogar aus dem heißesten Winkel der Hölle hierhergekommen. Er fragte sich auch nicht, was Cassie vorhaben könnte. Darüber nachzudenken würde noch Zeit genug sein, wenn es so weit war.

Kurz darauf wurde an die Tür geklopft.

Lassiter stand vom Bett auf und zog den Colt aus dem Holster.

Es klopfte noch einmal. Bis dahin hatte Lassiter sich schon so postiert, dass er von der Tür aus nicht mehr gesehen werden konnte.

»Miss Smith?«, rief er leise.

Cassie hatte nicht viel Phantasie.

»Du siehst älter aus«, sagte Cassie, als sie hereinkam. »Vielleicht siehst du aber auch noch aus wie immer. Ich weiß es nicht.«

»Darüber brauchen wir uns nicht zu streiten«, sagte Lassiter. »Du siehst jedenfalls prächtig aus, Cassie.«

Das war zwar ein bisschen gelogen, aber nicht viel.

Cassie sah durchaus okay aus, wenn auch bei weitem nicht prächtig. Jedenfalls längst nicht mehr so, wie Lassiter sie von früher her in Erinnerung hatte. Sie musste jetzt etwa Anfang dreißig sein und war immer noch schön, nur auf eine etwas müde Art, als hätte sie einiges von ihrer früheren Wildheit eingebüßt. Aber unter dem schwarzen Kleid steckte immer noch allerhand von einer Frau. Das verrieten auch die ein wenig müde dreinsehenden blaugrünen Augen. Das Kleid wirkte sehr schlicht und einfach, aber es schien trotzdem einen Haufen Geld gekostet zu haben, jedenfalls viel mehr als der Flitterkram, in dem er sie damals in El Paso gesehen hatte... zu jener Zeit also, als er so scharf auf sie gewesen war, dass er ihretwegen sogar Jimmy Voss getötet hatte.

»Sag's nicht, Lassiter«, sagte Cassie, öffnete ihren Handbeutel und nahm eine Flasche und zwei Gläser heraus.

»Wenn ich auch nicht weiß, was du meinst«, sagte Lassiter, »so will ich dir den Gefallen gern tun und gar nichts sagen.«

Sie stellte die Gläser auf den Tisch und füllte sie.

»Das ist Brandy«, sagte sie. »Direkt aus Chicago. Das haben wir in alten Zeiten nie zu trinken bekommen, Lassiter.«

»Deswegen waren die alten Zeiten aber nicht schlechter«, antwortete Lassiter. »Aber das sollte ich denn eben nicht sagen?«

Cassie leerte ihr Glas und schenkte sofort nach.

»Nein, so schlecht waren die alten Zeiten vielleicht wirklich nicht«, meinte sie nachdenklich. »Damals schien alles durchaus in Ordnung zu sein... als es passierte. In der Erinnerung jedoch... da stinkt alles!«

»Aber nicht schlimmer als Abilene«, stellte Lassiter trocken fest.

Cassie lächelte. Sie fühlte sich nach den Drinks offensichtlich schon viel wohler.

»Das ist kein Rinderdreck, den du da riechst, Lassiter«, sagte sie. »Das ist Geld.«

»Mein Lieblingsgeruch«, sagte Lassiter.

Beide mussten lachen.

»Wir hatten schon 'ne höllische Zeit, was, Lassiter? Es war, als könnten wir ewig leben... uns alles nehmen, was wir haben wollten... weiterziehen, wenn wir von einer Stadt genug hatten.«

»Das tue ich immer noch, kleine Schwester«, sagte Lassiter.

Cassie sagte: »Für eine Frau ist das anders, Lassiter. Jedenfalls für eine Frau wie mich. Für mich wird's allmählich Zeit, die Finger von der Kanone zu lassen... fortzukommen von Waffen, Schießereien, Töten, Whisky und Rinderscheiße!«

Sie sah ihn an.

»Lass mich etwas fragen, Lassiter«, sagte sie. »Warum bist du so davongeritten?«

»Muss sich wohl um was Wichtiges gehandelt haben«, sagte Lassiter und griff nach ihr.

»Du Bastard!«, rief sie, aber sie wehrte sich nicht, als er sie zu sich aufs Bett herabzog. »Ich bin hergekommen, um mit dir übers Geschäft zu sprechen.«

»Na, dann rede doch, meine Süße!«, forderte Lassiter sie auf.

»Später«, sagte Cassie.

Es wurde sehr viel später, denn was sie vorher unbedingt erledigen mussten, nahm viel Zeit in Anspruch. Beide hatten nämlich das Gefühl, sich für viele Jahre entschädigen zu müssen.

Schweißglitzernd setzte sich Cassie schließlich im Bett auf und brachte ihr Haar wieder in Ordnung, dann streckte sie eine Hand nach unten aus und berührte Lassiter.

»Du magst zwar älter geworden sein«, sagte sie, »aber die Jahre haben dich kein bisschen weicher gemacht.«

Da Lassiter nun einmal die Hose ausgezogen hatte, hielt er es für das Beste, einfach im Bett zu bleiben.

Cassie dagegen stand auf und zog sich wieder an. Mit den rosig angehauchten Wangen sah sie schon eher wieder wie die alte Cassie McCord aus, an deren Tür in El Paso damals alle Hartgesottenen Einlass verlangt hatten.

Aber noch hatte sie kein Wort darüber verlauten lassen, weshalb sie Lassiter nach Abilene bestellt hatte.

Nun ja, dachte Lassiter, das ist Cassies Show, und ich denke gar nicht daran, ihr den Spaß zu verderben.

Cassie war in gewissem Sinne das, was man allgemein als dramatisch bezeichnete; etwa wie Lily Langtry, nur vielleicht noch etwas ausgeprägter.

Nachdem sie eine ganze Weile auf und ab gegangen war, blieb sie endlich stehen und fragte lächelnd: »Was kostet in Texas ein Rind?«

»Zwischen fünf bis zehn Dollar, Miss Lehrerin«, antwortete Lassiter grinsend. »Kommt ganz aufs Rind, auf den Jahrgang und auch auf die Jahreszeit an.«

Cassie fragte weiter: »Und was bringt ein gutes Texas-Rind in Abilene?«

Lassiter begann allmählich zu begreifen.

»Fünfundzwanzig bis dreißig Dollar«, sagte er. »Kommt ebenfalls ganz drauf an.«

»Dreißig!«, erklärte Cassie sehr entschieden. »Und wenn du dreißig mit sechstausend multiplizierst, was kommt dann raus, he?«

»Ein Haufen Geld«, erwiderte Lassiter, der die genaue Summe natürlich längst ausgerechnet hatte.

Cassie verhalf sich wieder zu einem Drink.

»Ich spreche von hundertachtzigtausend, vielleicht auch mehr«, sagte sie. »Hört sich das für dich groß genug an?«

Lassiter verlangte die Flasche zurück.

»Die Summe, die ich eben genannt habe, ist das mindeste«, sagte Cassie. »Es könnten aber auch höchstens zweihunderttausend dabei herauskommen.« Sie leerte ihr Glas. »Na, was hältst du davon?«

Lassiter setzte sich im Bett auf.

»Sehr viel«, sagte er. »Hört sich gut an. Sechstausend Rinder... das müsste die größte Herde sein, die je von Texas heraufgetrieben wurde. Wenn ich mich recht erinnere, hatten King und Kenedy im Jahr 1876 fünfeinhalbtausend geholt.«

»Das ist die größte Herde!«, behauptete Cassie energisch. Es hörte sich sehr selbstsicher an. »Die größte Herde und das meiste Geld, das Abilene in nächster Zukunft je zu sehen bekommen wird. Jack Chandlers Männer aus Texas treiben sie gerade hierher und müssten in etwa einer Woche oder so eintreffen. Dreitausend Rinder gehören Jack, die übrigen zwei kleineren Ranchers, die sich mit ihm zusammengetan haben. Na, du weißt ja selbst am besten, wie Texas-Jack arbeitet.«

»Yeah, aber ich weiß auch, dass es gar nicht so einfach sein wird, ihn zu berauben«, sagte Lassiter. Er glaubte nun doch, sich in seiner Annahme, dass Cassie keine Phantasie hätte, geirrt zu haben, denn Jack Chandler aus Texas war wohl so ziemlich der einzige Mann im ganzen Territorium, der sich nicht ausplündern lassen würde. Dick King und Mifflu Kenedy waren die größten Rinderleute von Texas. Jack Chandler rangierte also erst auf dem dritten Platz, aber niemand würde auch nur auf die Idee kommen, bestreiten zu wollen, dass Texas-Jack der größte und gemeinste Hundesohn war, der je über den Chisholm-Trail gezogen war. Nach außen hin gab er sich jovial wie ein Politiker vor der Wahl, aber unter dieser trügerischen Fassade war er gefährlich wie eine gereizte Klapperschlange. Seine erste Herde hatte er weit unten im Süden von Texas im Busch zusammengetrieben... wilde, ungebrändete Rinder. Jetzt, fünfzehn Jahre später, arbeitete er bereits an seiner zweiten Million... und er war noch immer ein großmäuliger, hinterhältiger, verschlagener Bastard von Rinderdieb.

»Na, was meinst du?«, drängte Cassie ungeduldig.

»Das kann ich dir sagen«, erwiderte Lassiter. »Um Texas-Jacks Geldkiste zu sprengen, meine Liebe, braucht man nicht nur allerhand Leute, sondern auch verdammt viel Geld! Aber wie wär's, wenn du mich erst ein bisschen näher informierst? Vielleicht fällt uns dabei ja was ein.«

Und Cassie informierte ihn.

Texas-Jack befand sich nicht bei der Herde, die vom Süden heraufgetrieben wurde. Chandler war bereits in der Stadt eingetroffen. Dann war er in seinem neuen Salonwagen nach Kansas City gefahren, um einen Mann namens Woodruff abzuholen, der Hauptaufkäufer für eine dieser großen Fleischkonservenfabriken im Osten war.

»Woodruff hat das Geld«, erklärte Cassie. »Und Jack will natürlich nicht, dass irgendwas damit passiert. Außerdem will er seinen Privatzug zur Schau stellen und den Geldmann mit großem Hurra empfangen. Die beiden sollen etwa gleichzeitig mit der Herde wieder hier eintreffen. Texas-Jack tauscht die Rinder gegen das Geld... und dann schnappen wir uns die Moneten.«

Der Nerv dieser Frau gefiel Lassiter.

»Wenn man dich so reden hört, könnte man meinen, alles sei nur ein Kinderspiel«, sagte er. »Aber nun hör mir mal gut zu, Süße. Wenn sich das Geld im Zug befindet... warum schnappen wir uns dann nicht lieber den Zug?«

»Nicht diesen Zug, Lassiter. Glaube mir, ich weiß, was ich sage. Texas-Jack mag zwar nur ein armer Rinder-Millionär sein, aber er wird besser bewacht als Präsident Hayes! Die Fenster seines Salonwagens bestehen aus ungewöhnlich dickem Glas. Man kann nicht hindurchschießen. Die Türen sind aus massivem Eichenholz und mit Panzerplatten versehen. Drei Leibwächter fahren im Salonwagen selbst mit, ein paar andere im Anhänger... und auf diesem ist eine Revolverkanone auf einem Drehgestell montiert!«

»Hm...«, machte Lassiter und dachte eine Weile nach. »Wahrscheinlich hast du recht, was den Zug betrifft. Aber sag mal... wo bleibt der Zug eigentlich, wenn Texas-Jack in der Stadt ist?«

»Auf einem Abstellgleis bei den Verladepferchen«, sagte Cassie. »Dort stinkt's zwar mächtig, aber Jack behauptet, den Gestank von Rinderscheiße zu mögen. Seiner Meinung nach stinkt sie nicht, sondern riecht nach Geld.«

»Aha! Daher hast du also diesen Ausdruck!«, stellte Lassiter nun grinsend fest. »Ich überlege nur, wie Texas-Jack selbst riechen mag.«

Da wurde Cassie wild.

»Was soll das denn heißen, he?«, fragte sie temperamentvoll.

Lassiter machte ihr ein Friedensangebot, indem er mit der halbvollen Flasche winkte.

»Oh, nichts, Schwesterherz, gar nichts«, sagte er. »War nur so dahergeredet.«

Cassie hörte auf, sich noch länger mit ihrem Haar zu beschäftigen. Seufzend setzte sie sich auf die Bettkante.

»Ich nehme an, dass du's sowieso schon weißt«, sagte sie. »Jack und ich waren drei Jahre zusammen. Dies ist das dritte Jahr.« Sie korrigierte sich: »Es war das dritte Jahr. Für Jack war ich wohl nur gut genug, solange er noch ein schmutziger Trail-Boss war. Aber jetzt hat er allerhand große Rosinen im Kopf und will sein Geld im Osten investieren. Und da bin ich für ihn eben nichts weiter als eine abgetakelte Hure.«

Dazu gab es nichts zu sagen, und Lassiter sagte auch nichts. Frauen waren doch immer gleich... alle durchweg lausige Verliererinnen. Vielleicht taugten sie deswegen auch nichts beim Kartenspiel... oder jedem anderen Spiel. Sie spazierten mit offenen Augen und gespreizten Beinen ins Spiel hinein, und wenn das Spiel dann nicht ihren Erwartungen gemäß verlief, waren sie eingeschnappt. Cassie tat ihm keineswegs leid. Drei Jahre lang hatte sie sich von Jacks mittlerem Bein schaukeln lassen... und jetzt wollte sie ihm ein Messer in den Rücken jagen.

Cassies blaugrüne Augen funkelten.

»Weißt du, was der Hurenkerl gemacht hat? Er hat mir fünfhundert Piepen in die Hand gedrückt! Für drei verdammt gute Jahre! Aber was, zum Teufel, soll ich nun mit schäbigen fünfhundert Dollar anfangen, he?«

»Du wirst sie mir geben, damit wir dieses neue Geschäft anfangen können«, antwortete Lassiter trocken.

II

Die Menge im Telegraphen-Office hielt zwei Telegraphisten beschäftigt. Es sah ganz so aus, als wollte jeder hier in Abilene ein Telegramm abschicken. Und alle sprachen von Texas-Jacks Herde und machten einen Haufen Lärm.

Nachdem Lassiter fünf Telegrammformulare ausgefüllt hatte, ging er mit den gelben Blättern zu dem alten Mann, der hier die Oberaufsicht hatte. Lassiter forderte ihn auf, diese fünf Telegramme sofort durchzugeben.

Der Alte hatte eine Glatze, die nur noch von spärlichem Haarwuchs an den Seiten begrenzt wurde. Es sah aus wie eine Mönchstonsur. Sein grüner Augenschirm rutschte dauernd nach unten.

»Tempo! Tempo!«, grollte der alte Mann missgelaunt. »Alle haben's heutzutage so gottverdammt eilig! Und warum, Mister? Das frage ich Sie! Das möchte ich zu gern mal wissen!«

Er hörte jedoch sofort mit dem Jammern auf, als Lassiter ihm eine zusammengefaltete Banknote in die Westentasche stopfte.

Der Alte hatte falsche, aus Knochen geschnitzte Zähne, die man allenfalls noch im Munde von hinterwäldlerischen Stations-Agenten sehen konnte, sonst nirgendwo. Der alte Geier grinste und fuhr fort: »Aber weil wir gerade vom Telegraph sprechen, Mister... wissen Sie, was dieser Zeitungsschmierer namens Truro in Concord, Massachusetts, mal geschrieben hat? Der Kerl hat doch glattweg behauptet, es könnte durchaus sein, dass Maine und Texas sich nichts Wichtigeres mitzuteilen hätten!« Er grinste noch breiter. »Das ist gut, was?«

»Sofort heißt jetzt!«, warnte Lassiter den Alten. »Also los, Opa, mach schon!«

»Immer sachte mit den jungen Pferden, Mister«, brummte der Alte. »Na, dann wollen wir doch mal sehen, was wir mit diesen Telegrammen hier anfangen können. Da kommen doch immer wieder Burschen wie Sie hierher und wollen ein Telegramm abschicken, und dann kommen sie zurück und behaupten, gar nicht gesagt zu haben, was sie zuerst gesagt haben.«

Lassiter wartete, während der Alte die fünf Adressen las.

T. J. Murphy. Murphy's Saloon. Fort Smith. Arkansas.

Juno Flowers. Schmied. Denver. Colorado.

Calvin Moseley. Moseley Leather Company. Amarillo. Texas.

Oren Kingsley. Bella Union Hotel. Omaha. Nebraska.

Howey Winters. c/o Midway Theatre. St. Louis. Missouri.

Die Nachricht lautete auf allen fünf Telegrammen gleich:

Große Geschäftsgelegenheit. Abilene. Kansas. Lassiter. Brazos Hotel.

Lassiter sagte dem alten Bastard, dass mit den Telegrammen alles in bester Ordnung sei. Dann sagte er ihm noch, dass er wiederkommen würde, um sich die Antworten – falls es welche geben sollte – abzuholen.

Wie Lassiter bereits gestern Abend Cassie McCord erklärt hatte, war die Zeit reichlich knapp. Falls sie den Job richtig durchführen wollten, brauchten sie verdammt schnell ein paar gute Männer. Wenn man Texas-Jack diese hundertachtzigtausend Dollar abnehmen wollte, würde man schon etwas mehr als nur eine Bande schneller Eisen brauchen. Schnelle Eisen waren in Abilene für einen Nickel im Dutzend zu haben. Aber das Dumme bei schnellen Eisen war eben, dass sie nur Kanonen im Holster, aber keinen Grips im Kopf hatten.

Während Lassiter durch den aufgewühlten Schlamm und Rinderdreck stapfte, hörte er, wie die Kinder sich gegenseitig Artikel aus der Zeitung Abilene-Sentinel vorlasen.

Für Abilene war im Moment Texas-Jacks Herde wichtiger als ein zweites Erscheinen des Heilands auf Erden.

Lassiter erreichte den gegenüberliegenden Gehsteig. Er stampfte sich den knöchelhohen Schmutz von den Stiefeln und dachte dabei: Noch sechstausend Rinder... das hat Abilene gerade noch gefehlt! Aber nichts lag im Moment ferner, als sich etwa darüber beklagen zu wollen.

Lassiter und Cassie hatten ausgemacht, dass sie die Hälfte von den hundertachtzigtausend Dollar für sich behalten wollten, während die restlichen neunzigtausend unter den fünf anderen aufgeteilt werden sollten. Damit würde Lassiters Anteil also fünfundvierzigtausend betragen... und für so viel Geld konnte man von ihm sogar verlangen, den bis zu beiden Ufern mit Rindermist angefüllten Missouri-River mit einer Rose zwischen den Zähnen zu durchschwimmen.

Lassiter ging ins erstbeste Restaurant, das er sah. Bei der Kellnerin bestellte er Eier mit Schinken. Sie lachte ihn aus.

»Sie müssen neu sein in der Stadt«, sagte sie.

Als Lassiter etwas anderes bestellte, bekam er die gleiche Antwort zu hören. Die Kellnerin mit dem üppigen Busen sah beinahe aus wie ein schwedisches Farm-Girl aus Nebraska, das Lassiter einmal gekannt hatte, und sie sprach auch so. In diesem Restaurant wie in allen übrigen gab es entweder Steak oder gar nichts. Aber er konnte wählen zwischen Steak mit Bohnen und Steak ohne Bohnen.

Lassiter überlegte, wie dieses Mädchen wohl im Bett sein mochte, aber er hütete sich, diese Frage laut auszusprechen.

Ein Gast hatte eine Ausgabe des Abilene-Sentinel auf dem Tisch liegenlassen.

Lassiter blätterte darin herum, während er auf sein Steak wartete.

Auf der Titelseite prangte ein Bild von Texas-Jack. Darauf sah der Rinder-Millionär nicht ganz so aus wie ein aufgeputzter Bär, der er in Wirklichkeit war. Der Zeichner hatte Jacks mächtigen Schnurrbart erheblich gestutzt und auch gut zwei Zoll vom massigen Kinn weggelassen, um diesen Gesichtsteil der Stirn hinzuzufügen. Aber es war trotz allem zweifellos Texas-Jack, den berühmten weißen Stetson auf dem Hinterkopf, das gemeine Grinsen um den Mund.

Unter anderen bemerkenswerten Dingen erklärte der Abilene-Sentinel auch noch, dass Jack Chandler einen prächtigen Vize-Präsidenten abgeben würde. Man bezeichnete Texas-Jack als herausragendes Beispiel draufgängerischen Temperaments und zitierte seinen eigenen Ausspruch, dass er im Rindergeschäft mit nichts weiter als mit seinem Pferd angefangen hätte. Ansonsten hätte er nur noch seinen Sattel und zehn Dollar in bar besessen.

Und diese zehn Dollar dürften auch noch geklaut gewesen sein, dachte Lassiter ironisch.

Um die Zeit totzuschlagen, aß Lassiter sehr langsam und bedächtig.

Nach einer Ankündigung im Abilene-Sentinel –die Zeitung brachte täglich ein Bulletin heraus –, sollte Texas-Jacks alle Rekorde brechende Herde in etwa fünf, sechs Tagen in Abilene eintreffen.

Cassie hatte behauptet, in einer Woche.