Lasst uns die Welt auf den Kopf stellen! - Michael B. Curry - E-Book

Lasst uns die Welt auf den Kopf stellen! E-Book

Michael B. Curry

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Beschreibung

Was passiert, wenn die Liebe regiert: Royal-Wedding-Prediger Michael B. Curry – der mit seiner Rede auf der Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle Millionen begeisterte – zeigt, wie verrückt und lebensverändernd die Botschaft der Christen ist, mit der die Welt auf den Kopf gestellt werden kann. Woran denken Sie, wenn Sie das Wort »Christen« hören? An zurückhaltende Menschen, die sonntags andächtig in den Bankreihen einer Kirche sitzen? Bischof Michael B. Curry ist davon überzeugt: Ein braves Christentum bringt uns alle nicht weiter. Was diese Welt braucht, sind Christen, die genauso verrückt sind, wie Jesus. Die anders handeln, als es weithin üblich ist. Menschen, die ihren Besitz und ihre Zeit großzügig mit anderen teilen, die nicht nach dem Lohn für ihr Handeln fragen, die auf ihr Recht verzichten. Und die sogar denen vergeben, die sie schlecht behandeln. Und die dadurch dazu beitragen, Gottes Traum für diese Welt wahr zu machen. In seinem Buch entfaltet Bischof Curry die verrückte und lebensverändernde Vision Jesu. Eine Botschaft der Hoffnung auf eine neue, verwandelte Welt, in der die Liebe regiert. Eine Liebe, die stärker ist als alle Gewalt. Für Bischof Curry ist der Weg der Liebe der einzige, um den Herausforderungen der Zukunft begegnen zu können. Ein leidenschaftliches Plädoyer, verrückt zu leben wie Jesus – und so die Welt zu verändern … »Jesus war verrückt. Er betete sogar noch, als die Leute ihn umbrachten. ›Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.‹ (Lukas 23,34). Und alle, die ihm nachfolgen wollen, die mit ihm gehen und leben wollen, muss man wohl ebenfalls so bezeichnen – verrückt. Wir brauchen verrückte Christen!« Michael B. Curry Aus dem Inhalt: •Zu wissen: Wir sind Teil von etwas Größerem, das gibt uns Kraft •Wir brauchen verrückte Christen •Lasst uns den Traum Gottes leben •Wir können die Welt verändern …

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Michael B. Curry

Lasst uns die Welt auf den Kopf stellen

Die verrückte und lebensverändernde Botschaft Jesu

Ulrike Strerath-Bolz

Knaur e-books

Über dieses Buch

»Liebe ist der einzige Weg. Sie kann helfen und heilen, wenn nichts anderes dies vermag.« Mit solchen Sätzen hat Bischof Michael B. Curry bei der Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle die Herzen vieler Menschen erreicht. Seine leidenschaftliche Predigt sorgte nicht nur im königlichen Haus und bei den Hochzeitsgästen, sondern weltweit für Aufmerksamkeit.

 

Das Christentum ist für Bischof Curry eine Bewegung, die sich auf der bedingungslosen Liebe Gottes für die Welt gründet und dazu auffordert, diese Liebe auch selbst zu leben – um die Welt besser zu machen.

In seinem Buch lädt er dazu ein, den Spuren von Jesus zu folgen. Denn er ist davon überzeugt: Wir brauchen Christen, die genauso verrückt sind wie Jesus. Verrückt genug, um wie er zu lieben, zu vergeben, Gerechtigkeit zu üben und barmherzig zu sein.

Verrückt genug, um es zu wagen, die Welt verändern zu wollen. »Stellen Sie sich Regierungen und Nationen vor, in denen der Weg der Liebe beschritten wird.«

Inhaltsübersicht

EinleitungWir brauchen verrückte ChristenAuf dem Weg der LiebeWir sind Teil von etwas, das größer ist als wir»Hinaus auf das wilde, unruhige Meer!«Den Traum Gottes lebenEine Bergbesteigung, die die Welt verändertNieder mit den trennenden MauernJesus mit den Füßen nachfolgenDrunter und drüber und doch ganz richtigDas Ziel in den Blick nehmen – und weitermachenDer ausgestreckte Arm Jesu und die unendliche Reichweite der LiebeGottes Traum und unsere HoffnungDie gute Botschaft wird die Welt neu ordnenLasst uns nach Galiläa gehen – dem vielleicht letzten Ort, wo wir sein wollenNachwortDanksagungAnhang
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Einleitung

Ich habe festgestellt, dass es Dinge gibt, die uns unser ganzes Leben lang begleiten, wenn sie uns erst einmal begegnet sind. Sie werden mit der Zeit zu einem Teil von uns. Vor allem, wenn wir noch jung sind.

Als ich während meiner Schulzeit für den damaligen Senator Robert F. Kennedy Wahlkampf machte, zitierte dieser gerne George Bernard Shaw: »Manche Menschen sehen die Dinge, wie sie sind, und fragen: Warum? Ich träume Dinge, die nie waren, und frage: Warum nicht?« Diese Worte haben mich nicht mehr losgelassen. Heute, Jahrzehnte später, habe ich den starken Verdacht, dass der Heilige Geist da seine Hand im Spiel hatte.

Als ich in den Achtzigerjahren Pfarrer in einer Gemeinde in Ohio war, kam die inzwischen verstorbene Verna J. Dozier einen ganzen Tag lang zu Besuch. In Zeiten der Rassentrennung hatte sie an Schulen in Washington, D.C., Englisch unterrichtet und stand stark unter dem Einfluss von Rev. Gordon Cosby und seiner Idee einer Jüngerschaft, die radikal in den Fußstapfen Jesu unterwegs ist. Als Verna das Unterrichten aufgab, kam sie zur Episkopalkirche, wo sie von nun an ihre großartigen literarischen Fähigkeiten und ihr breites Wissen einbrachte. Dort half sie uns und vielen anderen Mainstream-Christen, die wir manchmal von der Radikalität der Bibel etwas eingeschüchtert sind, uns wieder ganz neu der Heiligen Schrift zuzuwenden. Sie tat dies, indem sie uns beibrachte, die Bibel wirklich zu lesen und die Worte Gottes an uns ganz neu zu hören. Sie machte uns Mut, von einer Welt zu träumen, die vollkommen auf Gottes liebevoller Vision für seine Schöpfung und die gesamte Menschenfamilie beruht.

Ich lernte Verna an jenem Tag, als sie uns in Lincoln Heights besuchte, kennen. Damals brachte sie gerade ein Buch über die Geschichte und Bedeutung der Bibel heraus. Es trug den Titel The Dream of God: A Call to Return (Der Traum Gottes: Ein Ruf zur Umkehr).

Dieses Buch half mir zu erkennen, dass die Bibel – der christliche Glaube und all seine Traditionen – auf etwas Größeres verweist: auf den Willen, die Vision, die großartigen Absichten und die leidenschaftliche Sehnsucht Gottes für die gesamte Schöpfung. Verna schrieb, dass das Reich Gottes, von dem Jesus mehr als von allem anderen sprach, nichts anderes ist als Gottes wahr gewordener Traum: seine Idee vom menschlichen Leben, unserer Gesellschaft und der gesamten Schöpfung.

Dieser Traum ist der wichtigste Grund für Gottes Engagement im Geschehen der Welt, von den Tagen der Bibel bis heute. Dieser Traum hat die jüdischen Propheten inspiriert, die den Menschen ein »So spricht der Herr« entgegendonnerten, um Ungerechtigkeit und Misshandlung der Armen anzuprangern. Dieser Traum ist der Grund, warum Gott in der Gestalt des Jesus von Nazareth zu uns kam. In der Gestalt eines Menschen, der uns gezeigt hat, wie wir die Albträume unserer sündhaften Existenz überwinden können, um seinen Traum Wirklichkeit werden zu lassen.

Beim Christsein geht es nicht darum, einer Kirche anzugehören oder ein netter Mensch zu sein, sondern einzig und allein darum, Jesus nachzufolgen. Es geht darum, seine Lehre ernst zu nehmen, seiner Liebe die Herrschaft in unserem Leben zu überlassen und die Welt auf den Kopf zu stellen. Damit aus dem Albtraum dieser Welt der Traum Gottes wird.

 

Beim Lesen von Vernas Buchs begann ich, die Worte von Robert F. Kennedy in einem ganz neuen Licht zu sehen.

»Manche Menschen sehen die Dinge so, wie sie sind, und fragen: Warum? Ich träume Dinge, die nie waren, und frage: Warum nicht?«

 

Warum nicht?

Warum leben wir nicht in einer Welt, in der kein Kind mehr hungrig schlafen gehen muss?

Warum leben wir nicht in einer Welt, in der keine Armut mehr existiert?

Warum leben wir nicht in einer Welt, in der jeder Mensch als ein Kind Gottes behandelt wird?

Warum leben wir nicht in einer Welt, in der wir unsere Schwerter und Schilde am Flussufer niederlegen und nie mehr Krieg führen, so wie es der Prophet Jesaja beschrieb?

Warum leben wir nicht in einer Welt, in der wir mit unserem Gott und miteinander versöhnt sind – als Kinder Gottes, als Brüder und Schwestern?

Warum leben wir nicht in einer Welt, die weniger wie ein Albtraum wirkt und mehr wie Gottes Traum von seiner Schöpfung?

Warum nicht?

 

Wir, die wir Jünger Jesu sein wollen, haben uns verpflichtet, seiner Lehre, seiner Lebensweise und seiner liebenden, befreienden Wirklichkeit zu folgen. Auf Gottes großes Warum nicht? zuzugehen, seinen Traum im Blick zu behalten.

Natürlich hielten die Menschen seiner Zeit Jesus für verrückt. Und Menschen, die es wagen, heute wie Jesus zu leben, werden ebenfalls gerne für verrückt erklärt. Ich fürchte, das hat Jesus gemeint, als er sagte: »Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten.« (Markus 8,34 f.)

 

Beim Schreiben und Redigieren dieses Buches entfaltete sich wie von selbst eine Botschaft: die vom Ruf Gottes, ein anderes Leben zu führen. Ein Leben in echter Jüngerschaft. Eine Botschaft der Hoffnung auf eine neue, verwandelte Schöpfung.

Ich würde gern behaupten, dass ich mir dieser Botschaft schon immer voll bewusst gewesen wäre und sie nur noch niederschreiben musste. In manchen Fällen war das tatsächlich so. Aber viel häufiger tauchten die Wörter und Ideen während der Arbeit am Manuskript einfach wie aus dem Nichts auf. Ich vertraue darauf, dass dies das Werk des Heiligen Geistes war. Desselben Geistes, der vor langer Zeit einem jungen Präsidentschaftskandidaten Worte in den Mund legte, die ich nie vergessen habe:

»Manche Menschen sehen die Dinge, wie sie sind, und fragen: Warum? Ich träume Dinge, die nie waren, und frage: Warum nicht?«

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Kapitel 1

Wir brauchen verrückte Christen

Jesus ging in ein Haus, und wieder kamen so viele Menschen zusammen, dass sie nicht einmal mehr essen konnten. Als seine Angehörigen das hörten, machten sie sich auf den Weg, um ihn mit Gewalt zurückzuholen; denn sie sagten: »Er ist von Sinnen.«

 

Markus 3,20 und 21

 

 

Er ist von Sinnen.« So formuliert es die Einheitsübersetzung. Andere Übersetzungen der Bibel werden deutlicher. Etwa die Hoffnung für alle, in der es heißt: »Er hat den Verstand verloren!«

In meiner Lieblingsversion, der Übertragung der American Bible Society, steht: »Als seine Familienmitglieder hörten, was er tat, hielten sie ihn für verrückt und wollten ihn wieder unter Kontrolle bringen.«

Allerdings scheint es schwierig zu sein, Jesus »unter Kontrolle« zu bekommen. Das musste nicht nur seine Familie erfahren. Fjodor Dostojewski kritisiert in seinem Roman Die Brüder Karamasow, dass die Kirche und die Christen dies auch schon allzu oft versucht hätten. Wir wollen den Messias managen. Aber das funktioniert nicht. Ein Theologe hat es einmal so beschrieben: »Jesus bricht aus allen Gräbern aus, in die wir ihn eingesperrt haben.«[1]

Verzeihen Sie mir, wenn ich es so deutlich sage, aber Jesus war und ist tatsächlich verrückt. Und alle, die ihm nachfolgen wollen, die seine Jünger sein wollen, die mit ihm gehen und leben wollen, muss man wohl ebenfalls so bezeichnen – verrückt. Wenn Sie mich fragen, was die Kirche heute benötigt, dann sage ich: Wir brauchen verrückte Christen.

Ich will die Mutter Jesu und seine Familie für ihre Einschätzung, dass man es offensichtlich mit jemandem zu tun hat, der nicht normal ist, nicht vorschnell verurteilen. Sie hatten guten Grund zu dieser Annahme. Jesus hat tatsächlich völlig verrückte Dinge gesagt: »Vergeltet Böses nicht mit Bösem oder Schmähung mit Schmähung! Im Gegenteil: Segnet, denn dazu seid ihr berufen worden, dass ihr Segen erbt.« (1. Petrusbrief 3,9) Das ist verrückt! Ein anderes Mal sagte er: »Der Größte von euch soll euer Diener sein.« (Matthäus 23,11) Das ist verrückt!

Bei anderer Gelegenheit sagte Jesus: »Liebt eure Feinde und betet für diejenigen, die euch hassen.« (Matthäus 5,44)

Jesus war verrückt. Er betete sogar noch, als die Leute ihn umbrachten: »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.« (Lukas 23,34) Also wenn das nicht verrückt ist …

Was die Welt ein Elend nennt, das nennt Jesus gesegnet. Gesegnet sind die Armen und die geistlich Armen. Gesegnet sind die Barmherzigen, die Mitfühlenden. Gesegnet sind die, die hungern und dürsten nach Gottes Gerechtigkeit. Gesegnet sind, die für den Frieden arbeiten. Gesegnet seid ihr, wenn ihr verfolgt werdet, nur weil ihr versucht, zu lieben und Gutes zu tun. (Matthäus 5,3–11)

All das sagte Jesus. Und er tat es nicht heimlich, sondern sprach zu einer großen Menschenmenge. Das war verrückt!

Was die Kirche braucht, was diese Welt braucht, sind Christen, die genauso verrückt sind wie ihr Herr. Verrückt genug, um zu lieben, wie Jesus geliebt hat. Um zu geben wie er, zu vergeben wie er, Gerechtigkeit auszuüben, die Barmherzigkeit zu lieben, demütig auf den Wegen Gottes zu gehen. So wie Jesus.

Verrückt genug, etwas zu wagen, was sonst keiner wagt: Die Welt wirklich auf den Kopf zu stellen, damit sie kein Albtraum mehr ist, sondern sich immer mehr Gottes Traum, seiner Idee annähert. Und diejenigen unter uns, die Jesus gerne nachfolgen wollen, diejenigen, die seine Jünger sein wollen … sind auch dazu aufgerufen, verrückt zu sein.

Im Neuen Testament wird die Geschichte von Maria aus Magdala, auch bekannt als Maria Magdalena, erzählt. Sie wird stets sehr negativ dargestellt. Ob als sündhafte Prostituierte im Neuen Testament oder auch in dem Roman Sakrileg – jedes Mal bekommt sie ihr Fett weg. Und das, obwohl sie eigentlich das beste Beispiel für eine Nachfolgerin Jesu ist. Wieso? Ganz einfach: Maria Magdalena war verrückt. Sie taucht auf, wo sie nicht auftauchen soll. Sie redet, wo andere schweigen. Sie steht auf, wenn sich alle anderen hinsetzen. Sie tanzte ganz offensichtlich ständig aus der Reihe. Und solche Leute nennt die Welt nun mal verrückt.

Denken Sie an die Kreuzigung Jesu. Eine Hinrichtungsmethode, die vom Römischen Reich bei Verbrechen gegen den Staat angewandt wurde. Eine öffentliche Form der Folter, extrem brutal – um allen deutlich zu machen, dass Revolution und Revolutionäre nicht toleriert werden. Unterstützer und Anhänger eines Gekreuzigten waren ebenfalls in Gefahr und taten gut daran, sich dem Hinrichtungsort nicht zu nähern. Vernünftig wäre es gewesen, unterzutauchen oder ins Exil zu gehen.

Was taten die Jünger Jesu, als ihr Herr gekreuzigt wurde?

Simon Petrus? War nicht da. Jakobus? Abwesend. Andreas? Abwesend. Bartholomäus? Abwesend. Judas? Ebenfalls abwesend. Maria Magdalena? Sie war da. Und sie hatte sich nicht in der Menge versteckt. Sie stand ganz vorne bei Jesus am Kreuz.

Früher sangen die Sklaven ein Lied: »Were you there when they crucified my Lord?«

Wo warst du, als sie den Herrn kreuzigten?

Maria war einer der wenigen Menschen, die sagen konnten: »Ja, ich war da.« Und das trotz aller Gefahr! Wenn das nicht verrückt ist!

Und es ist noch nicht alles.

Wer steht am Ostermorgen auf und geht zum Grab?

Nicht Petrus, nicht Andreas, nicht Jakobus, nicht einmal Johannes, der Lieblingsjünger Jesu. Nein, es ist Maria Magdalena, begleitet von ihren Schwestern! Sie gehen zum Grab, obwohl es gefährlich ist, deutlich zu machen, dass man mit einem Menschen in Verbindung steht, der vom Römischen Reich hingerichtet worden ist. In den Evangelien heißt es weiter, dass ein großer Stein vor den Eingang gewälzt worden war. Vermutlich wusste Maria das schon vorher. Und sie hätte überhaupt keine Möglichkeit gehabt, den Stein wegzuwälzen. Und trotzdem ging sie hin. Vollkommen verrückt!

Und das ist immer noch nicht alles. Im Matthäusevangelium heißt es, die Römer hätten Wachen beim Grab aufgestellt. Maria hätte keine Chance gehabt, sie zu vertreiben. Aber sie ging trotzdem hin. All das ist total verrückt.

Und diese Verrücktheit ließ sie zur ersten Zeugin der Auferstehung Jesu von den Toten werden. Sie konnte die Tatsache bezeugen, dass die Liebe Gottes größer ist als aller Hass. Weil Maria so verrückt war wie Jesus, wurde sie seine Zeugin.

Maria Magdalena zeigt uns, wie es geht. Und sie zeigt uns, dass wir verrückte Christen brauchen.

Den meisten ist es gar nicht bewusst, aber wir haben sogar einen Gedenktag für verrückte Christen. Allerheiligen. Allerheiligen, weil die Heiligen – obwohl sie fehlbare, sterbliche, sündhafte Menschen waren wie wir – alle aus der Reihe tanzten, wenn es darauf ankam. Sie haben in ihrem Leben etwas Entscheidendes getan, um diese Welt auf den Kopf zu stellen. Bis heute gibt es zahlreiche Bücher, in denen ihre Geschichte erzählt und an sie erinnert wird. Harriet Beecher Stowe ist für mich solch eine Heilige. Sie setzte sich dafür ein, Sklaven zu befreien, und half als Christin mit, die Welt zu verändern. Bekannt geworden ist sie durch ihren Roman Onkel Toms Hütte. Darin erzählt sie, wie sich Sklaverei anfühlt. Von der Brutalität, der Ungerechtigkeit und der Unmenschlichkeit.

Ihr Buch bewirkte im 19. Jahrhundert, was heute vielleicht YouTube-Filme über Ungerechtigkeit und Brutalität bewirken: Es rief die Gegner der Sklaverei auf den Plan und erregte großen Ärger bei all denen, die von ihr profitierten. Es hatte einen so großen Einfluss, dass Abraham Lincoln, der während des Bürgerkrieges das Amt des amerikanischen Präsidenten innehatte, bei ihrer ersten Begegnung gesagt haben soll: »Das ist also die kleine Dame, die diesen großen Krieg angezettelt hat.«[2] Beecher Stowe selbst hat über ihren Roman gegen die Sklaverei gesagt: »Ich habe ihn so geschrieben, weil ich als Frau und Mutter niedergedrückt und verzweifelt war von dem Kummer und der Ungerechtigkeit, die ich sah. Weil ich als Christin das Gefühl hatte, dass hier dem Christentum Schande gemacht wurde. Weil ich, die ich mein Land liebe, vor dem Tag des Gerichts zitterte.«[3]

Kein Zweifel: Harriet Beecher Stowe war verrückt. Zu dieser Zeit erwartete man von einer Frau, dass sie höchstens nette Geschichten schrieb – keine Romane, die das Gewissen einer ganzen Nation aufrütteln. Eine Frau aus ihrer Gesellschaftsschicht sollte heiraten, wohlerzogene Kinder haben, ein bisschen Wohltätigkeitsarbeit leisten und bei ihrer Beerdigung von allen, die sie kannten, liebevoll bedacht werden. So hätte ihr Leben aussehen sollen. Aber Beecher Stowe war in einer Familie aufgewachsen, die daran glaubte, dass Nachfolge Jesu bedeutet, die Welt zu verwandeln. Und manchmal bedeutet das eben, aus der Reihe zu tanzen. Sich gerade dort einzumischen, wo wir in Versuchung sind, einfach wegzuschauen. Den Mund aufzumachen, wenn alle anderen schweigen. Anders zu sein. Manchmal bedeutet Nachfolge Jesu, verrückt zu sein.

Nach dem Tod von Steve Jobs, dem Gründer der Firma Apple, wurde ein alter Werbefilm aus den Neunzigerjahren auf YouTube verbreitet. Die Botschaft: Think different – denke anders. Der Film zeigt eine Collage von Leuten, die andere Menschen inspiriert, etwas Besonderes erfunden, erschaffen oder geopfert haben, um die Welt ein Stück besser zu machen. Menschen, die etwas Entscheidendes bewirkt haben. Mutter Teresa, Albert Einstein, Mahatma Gandhi, Albert Schweitzer und viele andere. Eine Stimme aus dem Off liest währenddessen folgenden Text:

 

Ein Hoch auf die Verrückten,

auf die, die sich nicht anpassen, die Rebellen.

Die Aufrührer. Die runden Dübel in eckigen Löchern.

Diejenigen, die Dinge anders sehen.

Sie mögen keine Regeln und haben keinen Respekt vor dem Status quo.

Wir können sie zitieren, ihnen widersprechen, sie verherrlichen oder verdammen.

Aber ignorieren können wir sie nicht.

Denn sie verändern etwas.

Sie erfinden, erdenken, heilen, erforschen.

Sie erschaffen, inspirieren, bringen die Menschheit voran.

Vielleicht müssen sie verrückt sein.

Wie sonst könnte man auf eine leere Leinwand blicken und ein Kunstwerk sehen?

In der Stille sitzen und ein Lied hören, das noch nie gesungen wurde?

Oder einen roten Planeten anschauen und währenddessen ein Labor auf Rädern sehen?

Manch einer hält sie für verrückt. Wir nicht. Wir denken, dass sie Genies sind. Denn nur Menschen, die so verrückt sind zu glauben,

sie könnten die Welt verändern, tun es auch wirklich.[4]

 

Diese Botschaft können wir gut auf uns übertragen und sagen:

Christen, die so verrückt sind zu glauben, dass sie die Welt verändern können, tun es auch wirklich.

Wir brauchen verrückte Christen! Ein vernünftiges, braves Christentum bringt uns alle um. Bequemes, angepasstes Christentum hat vielleicht früher funktioniert, aber heute ist es nicht mehr in der Lage, die Botschaft des Evangeliums weiterzutragen. Wir brauchen verrückte Christinnen und Christen wie Maria Magdalena und Harriet Beecher Stowe. Männer und Frauen, die so verrückt sind zu glauben, dass Gott real ist und dass Jesus lebt. Die so verrückt sind, dass sie dem radikalen Weg des Evangeliums folgen. Die so verrückt sind zu glauben, dass die Liebe Gottes größer ist als alle Mächte des Bösen und des Todes.

Wir brauchen Christen, die so verrückt sind zu glauben, dass Kinder nicht hungrig einschlafen müssen. Dass es tatsächlich eine Möglichkeit gibt, unsere Schwerter und Schilde unten am Fluss niederzulegen. Dass jeder Mensch auf dieser Welt ein Abbild Gottes ist. Dass wir alle in gleicher Weise Kinder Gottes sind und auch so behandelt werden sollten.

Was wir brauchen, sind Christen, die so verrückt sind, einen Blick auf die alles verändernde Vision unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus zu werfen. Die so verrückt sind, ihm nachzufolgen und sich an die Arbeit zu machen. Die bereit sind, Gott zu helfen, seinen Traum für die Menschen und die gesamte Schöpfung wahr zu machen.

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Kapitel 2

Auf dem Weg der Liebe

»Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben […] Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht.«

 

Johannes 13,34 und 15,5

 

 

Beim letzten Abendmahl mit seinen Jüngern, kurz vor seinem Tod, sagt Jesus: »Ein neues Gebot gebe ich euch.«

Es geht nicht um eine neue Möglichkeit, sondern ein neues Gebot. Und es lautet: »Liebt einander.« Und Jesus zeigt seinen Jüngern auch gleich, wie diese Liebe aussehen kann. Er wäscht ihnen die Füße und sagt: »Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe!«

Jesus sagt dies zu einem Zeitpunkt, an dem er bereits weiß, dass alles Bisherige zerbrechen wird, dass Unsicherheit und Zweifel seine Jünger bald überwältigen werden. Nicht einmal er selbst weiß genau, was ihm bevorsteht. Dem Vater zu vertrauen ist alles, was er tun kann.

Und er sagt in dieser Situation noch etwas zu ihnen: »Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.«

Hören Sie, wie Jesus auch Ihnen das gerade zuflüstert? »Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Bleibt in mir und ich in euch, denn ohne mich könnt ihr nichts tun. Aber wenn ihr bei mir bleibt, werdet ihr viel Frucht tragen und so zeigen, dass ihr meine Jünger seid.«

In einem weiteren Text macht er deutlich, wie er diese Verbindung sieht: »Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: Wenn ihr einander liebt.«

Es geht nicht darum, ein Glaubensbekenntnis, die Zehn Gebote oder die Abfolge der Bücher in der Bibel auswendig zu können.

Liebe ist der einzige Weg. Diejenigen, die mir folgen, sagt Jesus, sind auf einem Weg der bedingungslosen, selbstlosen, opferbereiten Liebe. Und diese Liebe kann die Welt auf den Kopf stellen. Aber damit ist die Frage nach dem Wie ja noch nicht beantwortet. Einmal war ich bei einer Gruppe Jugendlicher aus unserer Gemeinde eingeladen. Als wir über die Liebe sprachen, sagte jemand: »Wie können wir Jesus auf dem Weg der Liebe folgen, wenn die Welt derart lieblos ist?«

Ja, wie macht man das?

Es gibt ein altes Lied, das uns helfen kann:

 

Ich folge ganz der Botschaft Jesu,

nichts kann mich aufhalten,

meine Augen blicken auf das Ziel,

ich gehe weiter, weiche nicht,

das Ziel ist nahe,

ich weiche nicht.

 

Dieser Text spielt auf eine Geschichte an, die im Matthäusevangelium erzählt wird. Dort sagt Jesus zu seinen Jüngern, dass sie mit dem Boot auf die andere Seite des Sees Genezareth fahren sollen. Als sie mitten auf dem See sind, mitten in der Nacht, bricht plötzlich ein gefährlicher Sturm los, und die Jünger fürchten um ihr Leben. Es ist stockdunkel, und sie haben nur eine Laterne im Boot. Sie fürchten sich, können den Regen nicht sehen, nur spüren. Das Boot schaukelt und schwankt, wird vom Sturm geschüttelt.