Lebensretter gesucht! - Sporrer Michael - E-Book

Lebensretter gesucht! E-Book

Michael Sporrer

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Beschreibung

Samstag für Samstag, egal auf welchem Fußballplatz der 1. FC Nürnberg auch spielte, zogen Michael Sporrer und seine Freunde los, um ihren FCN zu unterstützen. Irgendwann trat in das Leben der Fans ein kleines Mädchen namens Anja. Sie schaffte es, den Stellenwert des Fußballs an die zweite Stelle zu drängen.   Aus der Aktion »Clubfans helfen Anja« wird der Verein »Hilfe für Anja e. V.«, der fortan sehr erfolgreich an der Gewinnung neuer Stammzellspender für die weltweite Datenbank arbeitet.   Neben der Organisation von Typisierungsaktionen lernte man auch die Kehrseite des Lebens kennen. Plötzlich wurde man mit dem Tod konfrontiert. Hier stand der Verein vor einer starken Bewährungsprobe.   Einen Höhepunkt erlebte »Hilfe für Anja« mit der erfolgreichen Spendersuche für Anja im Jahr 2011. Für große Aufregung sorgte dann am Tag der Transplantation eine mysteriöse E-Mail.   Auch Anjas Mama berichtet vom langen Leidensweg ihrer Tochter, der in all den Jahren sehr nervenaufreibend und kräftezehrend war.   Außerdem zeigen zwei junge Mütter ihre unterschiedlichen Sichtweisen einer Knochenmark- bzw. Stammzelltransplantation auf.   Zu guter Letzt erzählen Melanie und ihre Mama, wie aus einer Routine - Untersuchung eine schockierende Diagnose wird.

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Seitenzahl: 232

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von Michael Sporrer

www.hilfe-fuer-anja.de

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

800 DM – was nun?

Der Start in eine neue Epoche

523-mal »Vielen Dank und ein schönes Spiel«

Wir erobern unsere Heimat

Unser erstes Heimspiel

Wir setzten ein weiteres Ausrufezeichen!

Keine Gegend war mehr sicher vor uns!

Die ersten Rückschläge machten schwer zu schaffen

Die große Zerreißprobe

Bessere Jahre standen bevor

Rock for life - 5 Jahre »Hilfe für Anja«

Wechselhafte Zeiten

Mediales Interesse nimmt zu

Freude und Leid so nahe beisammen

Eine Entscheidung für neue Wege

Anja wird fündig in der weltweiten Datenbank

Anja am Ziel angekommen – Die Transplantation

Mysteriöse E-Mails

Der Kampf um Leben und Tod

Das Leben mit zwei Gesichtern

Auch 2012 wieder mal Höhen und Tiefen

Es ist Zeit, sich zu outen

Die Nervosität wuchs von Tag zu Tag

Wer rastet, der rostet!

2015 – das Jubiläumsjahr

Anja – wie alles begann!

Die erschütternde Diagnose

Eine riesige Welle der Hilfsbereitschaft beginnt

Fußballfans des 1. FC Nürnberg traten in unser Leben

Höhen und Tiefen – ein Leben in Angst

Nach 13 Jahren Warten der Anruf!

Abschied in eine ungewisse Zukunft

Die Wochen der Entscheidung über Leben und Tod

Das große Drama nahm seinen Lauf

Das Schlimmste hat Anja überstanden

Die Achterbahnfahrt ging aber weiter

Endlich nach Hause

Es ging wieder nach Hamburg

Ein Besuch, der uns sprachlos machte

Wir treffen Anjas Lebensretter

Trotz Transplantation, es ist jeden Tag ein Kampf

Lebensspende – Christiane hilft dem kleinen Parker

Ohne Christiane wäre mein Sohn tot.

»Als ich noch ein ganz kleines Mädchen war, da nahm mich mein Vater mit zum Glubb!«

Am Ende bleibt mir nur noch, DANKE zu sagen!

Folgende Möglichkeiten haben Sie, »Hilfe für Anja« zu unterstützen:

Typisierungsaktionen des Vereins »Hilfe für Anja e. V.«

Vorwort

Auf den folgenden Seiten werden Sie in einer imposanten Art und Weise erleben, wie aus einer Gruppe von begeisterten Fußballfans ein gemeinnützig anerkannter Verein wird. Fußball wird weiterhin ein Bestandteil im Leben sein, nur die Reihenfolge wird sich entscheidend ändern.

Trotz des nicht immer einfachen Weges gelingt es »Hilfe für Anja e. V.«, sich über die Grenzen des Freistaats Bayern einen Namen zu machen und zahlreiche Menschen zu begeistern, um sich für die weltweite Datenbank registrieren zu lassen.

Wir versuchen die Geschichte der letzten 15 Jahre von »Hilfe für Anja« an unsere Leser zu vermitteln, mit all den vielen positiven Momenten sowie freudigen, aber auch traurigen und emotionalen Augenblicken. Es gab zwar immer wieder auch holprige Wege, aber Aufgeben kam niemals in Frage. Die Geschichte rund um den Verein »Hilfe für Anja« wird am Ende von Gastautoren untermauert, die Teile der Vereinsgeschichte sind und ihre Geschichte aus ihrer Perspektive erzählen. Zum einen werden wir von Anjas Mama hören, die uns die Sichtweise einer besorgten Mutter schildert. Zum anderen wird Christiane berichten, wie sie den ersten Kontakt zu ihrem Patienten gefunden hat.

Wir erfahren auch, was es mit einer mysteriösen Mail auf sich hat und was diese ausgelöst hat.

Und zum Schluss berichtet Melanie, wie es ist, wenn man mit 25 Jahren erfährt, dass man schwer krank ist, und wie froh sie war, dass es Leute und Organisationen wie »Hilfe für Anja« gibt.

Begonnen hat alles mit 800 DM …

800 DM – was nun?

Wir schreiben den 2. Advent 1999. In Kirchenthumbach trafen sich circa 60 Fußballfans des 1. FC Nürnberg zur alljährlichen Weihnachtsfeier. Trotz wiederholten Abstiegs aus der 1. Fußballbundesliga hielt die Gemeinschaft der Fußballfans. 60 junge Frauen, Männer und Kinder feierten in gemütlicher Atmosphäre die Adventszeit. Nach dem Besuch des Nikolauses und einem guten Essen kam es zur traditionellen Tombola. Der Einsatz war hoch, aber jedes Los gewann. 5 DM kostete ein Los, dies hatte schon Tradition. Am Ende des Abends waren 800 DM in der Spendenkasse. Alle Jahre wurde das Geld an eine andere Organisation gespendet. Über den Verwendungszweck in diesem Jahr waren wir uns noch nicht ganz schlüssig.

Über Weihnachten stöberte ich im Internet, um zu schauen, wo wir das Geld sinnvoll einsetzen könnten. Ich traf auf viele interessante und wichtige Projekte – die Entscheidung fiel schwer. Bei den Clubfans Wien sah ich einen Link auf eine Seite mit einem kleinen Mädchen namens Anja. Ich klickte auf den Link und las mir das durch. »Auch ein schreckliches Schicksal«, dachte ich mir und surfte weiter.

Es vergingen wieder ein paar Tage. Eines frühen Morgens entdeckte ich in der Tageszeitung einen Bericht über eine Anja, die dringend einen Knochenmarkspender sucht. Ich las die Geschichte und ging dann zur Arbeit. Den ganzen Tag kreiste diese Geschichte, das Schicksal des kleinen Mädchens, in meinem Kopf. Abends erinnerte ich mich wieder an den Link auf der Homepage der Clubfans Wien. Ich fuhr den Rechner hoch und siehe da, die Anja aus dem Internet und die Anja aus der Zeitung war 1 : 1 dieselbe Person. Man suchte Geld für Typisierungsaktionen …

Typisierungsaktionen … da war doch schon mal was. Ja richtig, im Jahr 1996 waren wir mit unserem Nürnberger Fußballclub in München zum Hallenturnier eingeladen. In der Liga spielten wir ja nicht zusammen, denn wir dümpelten mal wieder in den Niederungen der 2. Liga herum. Ich erinnerte mich, dass damals der Bayernspieler Christian Nerlinger einen Aufruf zu einer Typisierungsaktion gemacht hatte, da die Tochter seines Freundes an Leukämie erkrankt war. Sportlich lief es auch nicht so toll, daher beschlossen wir, uns etwas Sinnvollem zu widmen. Wir suchten den Ort der Typisierung auf und ließen uns aufklären. Gesagt, getan, 10 Minuten später, eine Unterschrift, ein Piks und schon waren wir in der weltweiten Datenbank registriert … das Thema war uns also nicht ganz fremd.

Wir besprachen uns in der Vorstandschaft, ob wir unsere 800 DM für diese Typisierung spenden sollten. Der Beschluss war einstimmig. Wir spenden!!!! Jetzt hätten wir das Geld einfach aufs Konto überweisen können, aber wir riefen erst einmal unter der angegebenen Telefonnummer an. Warum? Keine Ahnung. Am anderen Ende der Leitung meldete sich eine männliche Stimme und ich erzählte gleich mal von unserem Fanclub, von dem Geld und dass wir spenden wollen. Eigentlich wartete ich darauf, dass die Person sagt: »Vielen Dank, freut mich, überweisen Sie das Geld auf das Konto!«

Nein, er hörte mir zu und fragte nur, wie engagiert wir denn in der Fanszene sind. Gute Frage. Wie aktiv sind wir denn? Na ja, schon ein wenig. »Wir fahren dorthin, wo der Mannschaftsbus auch hinfährt; wir fahren los, wenn im Nürnberger Stadion das Licht eingeschaltet wird.« Stürmer Christian Möckel und seine Freundin, die FCN-Pressesprecherin Kerstin Dankowski, waren erst vor kurzem bei mir zu Hause gewesen und durch unsere Fanzine »RED ARMY NEWS« und die jährliche Fanolympiade hatten wir uns durchaus einen Namen in der Fanszene gemacht. Deshalb schlug er uns vor, ob wir nicht eine Typisierungsaktion mit einigen Fanclubs machen wollten.

Es ratterte in unserem Gehirn, 800 DM sind viel Geld, aber für eine Typisierungsaktion dann doch wieder nicht. Man muss wissen, dass die Auswertung einer Blutprobe 100 DM kostet.

Wir vertagten das Ganze und schliefen erst mal ein paar Nächte darüber und entschieden, bis nach der Fanolympiade zu warten.

Es kam der Tag der Fanolympiade, alle namhaften Fanclubs aus der Fanszene waren anwesend, Goalgetter, Supporters Club, Vogel-Max Auerbach, Oberes Pegnitztal, Weissachtal, Crazy Girls … um hier nur einige zu nennen. So wie alle Jahre erzählten wir, wofür wir die jährliche Spende einsetzen werden. Es kamen Fragen aus der Menge und ich konnte schon viele Antworten geben, da ich in den letzten Tagen und Wochen schon viel gelesen und gehört hatte. Ich merkte, die hartgesottenen Fußballfans fingen an, sich für das Schicksal des kleinen Mädchens zu interessieren. Die Olympiade ging weiter; Maßkrugstemmen, Seilziehen etc. standen auf dem Plan. Am Schluss stand der Sieger fest und wurde geehrt und die Veranstaltung neigte sich dem Ende entgegen. Ganz zum Schluss ergriff der Fanbeauftragte des FCN nochmals das Mikrofon, drückte mir 700 DM in die Hand und meinte, dass dies gerade eine spontane Sammlung ergeben hätte. Außerdem würde uns die Fanbetreuung des FCN bei jedem Vorhaben unterstützen. Ups, jetzt hatten wir schon 1.500 DM, 15 Typisierungen wären schon finanziert. Außerdem erhoben sich alle im Saal und stimmten den Stadionsong »Steht auf, wenn ihr für Anja seid« an. Eigentlich erhielten wir so indirekt den Auftrag der Fanszene, die Aktion zu starten.

Am nächsten Tag, als wir den Saal aufräumten, entschieden wir, dass wir hier mal weitermachen sollten. Wenigstens einfach mal schauen, wie sich das Ganze entwickeln würde. Ich rief wieder in München an und schnell war ich mir sicher, dass wir diese Typisierungsaktion wagen sollten. Die Frage war nur, wo, im Fanclub, im Ort oder gar vor dem ehrwürdigen Nürnberger Frankenstadion?

Wir hatten so viel Zuspruch bei der Olympiade erhalten, warum sollten wir nicht gleich das Stadion wagen! Wir vereinbarten einen Termin mit dem Fanbeauftragten des FCN, mit der Stammzelldatenbank und mit Bernd aus München, der zum damaligen Zeitpunkt Anja und ihre Familie ein wenig unterstützte. Mit großer Euphorie fuhren wir nach Nürnberg an den Valznerweiher, das Vereinsgelände des 1. FC Nürnberg.

Der Start in eine neue Epoche

Treffpunkt Valznerweiher – heute galt es, einen anderen Kampf zu gewinnen. Der Chef der Datenbank war extra aus NRW angereist sowie Bernd aus München. Außerdem unser Fanbeauftragter, Gerald vom Supportersclub, sowie wir vom örtlichen Fanclub aus Kirchenthumbach. Anfangs war es ein sehr harmonisches Gespräch, es wurde diskutiert, wie die Aktion aussehen könnte, wo sie stattfinden könnte und bei welchem Spiel.

Schnell war klar, dass wir das Spiel gegen den Nachbarn aus Fürth wählen, da dies in der 2. Liga die meiste Anziehungskraft hat und das Stadion gut besucht sein wird. Die Eckdaten waren schnell geklärt und der Ort der Typisierung auf dem Max-Morlock-Platz war ebenfalls von allen als gut befunden worden. »Tja«, dachte ich mir, »läuft ja alles prächtig.« Bis der Herr von der Datenbank plötzlich begann, über Geld zu reden, und uns mitteilte, dass der Termin für die Aktion noch nicht bestätigt werden kann, solange kein Geld auf einem eigens dafür eingerichteten Spendenkonto ist. »Wie? Geld? Also, wir haben doch schon 1.500 DM.« Der Herr von der Datenbank belächelte mich und begann, eine Rechnung aufzustellen.

»Gehen wir mal von 1.000 Leuten aus. Die Auswertung einer Blutprobe kostet 100 DM, dann wären wir bei 100.000 DM.« »Na toll, wo soll ich 100.000 DM hernehmen? Blöde Rechnung«, dachte ich mir. Bernd aus München fragte nach, wie viel denn die Datenbank beisteuern würde. »15.000–20.000 DM«, war die Antwort. Aber genau so viel sollte vorhanden sein, sonst wird abgebrochen. »Oh nee, das kann jetzt aber nicht euer Ernst sein, Freunde.« Die Fronten waren verhärtet. Ich drehte die Rechnung um, wer sagt, dass wir 1.000 Leute typisieren würden? Die Leute gehen zum Fußball, deren Interesse liegt erst mal ganz woanders. Es ist nicht zu vergleichen mit einer Aktion, bei der nur diese im Mittelpunkt steht. Mir gelang es, indem ich das Ganze herunterspielte, dass man zwar ohne Ergebnis auseinanderging, die Aktion aber vorerst nicht absagte, sondern nochmals ein paar Nächte darüber schlafen wollte.

Ein neuer Tag, aber dieselben Sorgen und Probleme, das liebe Geld. Bernd riet mir, es mit einer anderen Datenbank zu versuchen. Dann rief der Mann von der Datenbank wieder an und fragte, wie es denn jetzt aussehe, er denke auch, dass nicht so viele Menschen zur Typisierung kommen würden und dass es jetzt an der Zeit sei, die ganze Sache unter Dach und Fach zu bringen. Außerdem meinte er, dass ich mit Bernd darüber nicht mehr sprechen sollte. Daher weht also der Wind. Ich erkannte immer mehr, wo das Problem lag: Der eine konnte mit dem anderen nicht. Das ist wie im richtigen Leben, Kriege entstehen, weil die Leute immer mehr Macht fordern oder nicht mehr miteinander sprechen. Schade eigentlich. Hatten denn alle vergessen, dass ein kleines Mädchen einen Knochenmarkspender brauchte und man daher auf Empfindlichkeiten verzichten sollte? Die Hintergründe dieses Streites verstand ich anfangs nicht ganz, aber da musste es wohl um Geld gehen. Fairerweise muss ich auch sagen, dass ich auch nicht wusste, was im Vorfeld vorgefallen war. Ganz ehrlich, ich wollte es auch nicht wissen. Plötzlich verlangte Bernd eine finanzielle Absicherung von 3.000 Spendern durch die Datenbank, »Oh nee, Leute, nun ist es aber gut.« Da willst du was Gutes tun und irgendwie scheint die ganze Welt um dich verrückt zu spielen. Bernd und die Datenbank lagen jetzt komplett im Clinch.

Bernd erklärte mir per E-Mail, dass er mich zwar weiterhin unterstützen möchte, aber mit der Datenbank nichts zu tun haben will. Was mich auf die Idee brachte, meinen eigenen Weg zu gehen. Ich rief bei der Datenbank an und sagte, dass sie mir bitte eine andere Person zuteilen sollten, ansonsten würde ich es mit einer anderen Datei machen. Aus, Schluss, Ende der Ansage. Dann war erst einmal Funkstille!

Zwei Tage später meldete sich eine junge Dame und erklärte mir, dass sie jetzt unsere Aktion betreue. Gut, ich wusste, dass der andere im Hintergrund die Fäden zog, aber ich stand nicht mehr zwischen den Fronten in diesem Kleinkrieg. Sachlich analysierten wir die Eckpunkte und ich versprach, so viel Geld wie möglich zu sammeln, auch über die Aktion hinaus. Der FCN sicherte uns noch ein Benefizspiel zu und so gab sich die Datenbank zufrieden, aber immer noch mit dem Zusatz: Sollte die Kluft zwischen Spendern und Spendengeldern zu groß werden, würde die Aktion abgebrochen. Ich stimmte widerwillig ein und hoffte, dass mich die Clubfans nicht im Stich lassen würden.

So begannen wir endlich, die Aktion zu planen. Wir kümmerten uns um Zelte, Bestuhlung, Helfer und natürlich um Geld. Die Datenbank ließ ihre Kontakte in der Nürnberger Nordklinik spielen und beschaffte uns acht Blutabnehmer.

Die Zeit verging wie im Flug, es waren nur noch zwei Wochen bis zur Aktion. Zu Anja und ihren Eltern hatten wir immer noch keinen Kontakt. Trotz des ganzen Ärgers waren wir immer noch fest entschlossen, die Aktion durchzuführen. Es lag wohl auch daran, dass unser Umfeld immer mehr Hilfe anbot. Die Fanclubs aus Auerbach, Neuhaus, der Supportersclub, sie alle waren da, um mitzuhelfen. Zwei Wochen vor der Typisierung machten wir eine große Werbeaktion im Stadion. Wir verteilten beim Spiel gegen den 1. FC Köln 20.000 Flyer und sammelten auch schon mal Geld. Wir blickten in viele ungläubige Gesichter; die wenigsten konnten mit einer Typisierung etwas anfangen, aber so manch einer machte seinen Geldbeutel auf, gab uns ein paar Mark und nahm den Zettel mit.

Ein alter Mann kam auf meine Frau Christine zu, drückte ihr 3 DM in die Hand und sagte, dass er nun noch 2 Mark hätte, und die brauche er für die S-Bahn, damit er heimfahren kann. Das Bier, das er sich noch kaufen wollte, könnte er auch trinken, wenn er wieder Geld bekäme. Manche Begebenheiten vergisst man auch nach all den Jahren nicht und erinnert sich auch wieder gerne daran. All der Ärger ist vergessen. 25 Leute waren an diesem Spieltag im Einsatz, ein Zusammenhalt, so wie wir es uns immer gewünscht hatten. 1.300 DM haben wir gesammelt und 20.000 Flyer haben wir an den Mann / die Frau gebracht. Wir waren gerüstet, nun konnte endlich der große Tag kommen.

Unser Motto des Tages: »Steht auf, wenn Ihr für ANJA seid!«

523-mal »Vielen Dank und ein schönes Spiel«

Sonntag, 7. Mai 2000, der Tag des Frankenderbys. Aber wen interessierte an diesem Tag Fußball! Ok, 37.000 Zuschauer im Stadion wohl schon, aber für uns gab es Wichtigeres an diesem Tag. Wir hatten unsere erste Typisierungsaktion. Früh gegen 7 Uhr ging es los Richtung Nürnberg. Im Gepäck hatten wir zwei Zelte in einer Größe von 9 x 6 m plus Tische und Stühle. Wir mussten alles von uns zu Hause mitnehmen, da es in Nürnberg wohl keine Tische und Stühle gab. Kleiner Scherz! Große Unterstützung erhielten wir von Kaiser Bräu in Neuhaus.

Gut 20 Mann waren unterwegs, um dann fix beide Zelte aufzustellen. Alle Leute, die ihre Unterstützung zugesagt hatten, waren anwesend, das gibt es auch nicht immer. Nach zwei Stunden standen die Zelte und waren eingeräumt. Zelt 1 war für die Datenerfassung gedacht, Zelt 2 für die Blutentnahme. Gegen 11 Uhr kamen die zwei Damen der Datenbank mit dem ganzen Material. Nette Damen, die Chemie passte und nach zwei Minuten waren wir schon beim »Du« und kurz darauf kamen auch die Blutabnehmer von der Nordklinik. Es schien alles »wie am Schnürchen« zu laufen.

Und wenn man sich so über etwas freut, dann kommt meistens ein Problem aus heiterem Himmel, 30 Minuten vor der Aktion. Die Polizei, dein Freund und Helfer, stand da und fragte, was wir hier machten. Na ja, das zu erklären war nicht wirklich schwer, aber die schriftliche Genehmigung dafür vorzuzeigen war dann schon eher ein Problem, da es diese nicht gab. An alles hatten wir gedacht, sogar an das Bier für den Oberarzt, der vor der ersten Blutentnahme ein Schlückchen wollte, aber eine Genehmigung einzuholen – kein Gedanke. Ich konnte ihn überzeugen, dass das schon in Ordnung war, was wir hier machten, und das Ganze mit dem Verein abgesprochen war. Er erklärte mir, dass wir hier auf städtischem Boden seien und der Verein gar nichts zu sagen habe, aber er nochmals ein Auge zudrücken würde.

Nächste Hürde gemeistert. Nun tauchte eine ältere Frau von der Krebsselbsthilfegruppe Nürnberg auf, die das Ganze mit unterstützen wollte. Anfangs waren wir ja sehr glücklich darüber, aber je länger der Tag ging, umso mehr Probleme bereitete die Frau. Aber dazu später mehr.

Kurz vor 12 Uhr fingen wir mit der Typisierung an. Da ja von uns nur wenige typisiert waren, waren als Erstes alle Helfer dran und dann kamen auch schon die ersten Fußballfans, sowohl aus Nürnberg als auch aus Fürth. Plötzlich kam der Helmut, grünes T-Shirt, grüner Schal und ein paar blaue Scheine in der Hand. Da der Helmut schon typisiert war und auch schon mal Knochenmark gespendet hatte, dachte er, dass er was Gutes tun könnte. Es war zwar eine Aktion der FCN-Fans, zu denen er als Fürther in einer großen Rivalität stand, aber getreu dem Motto »In den Farben getrennt – in der Sache vereint« drückte er mir 1.000 DM in die Hand. Was mich sehr überraschte, aber auch sehr freudig stimmte.

Unsere Helfer hatten gut zu tun und es entstanden immer wieder Schlangen, aber keinem war die Wartezeit zu lang. Jeder stellte sich in die Reihe, einige hatten auch ein paar Scheine übrig. Nur die Dame von der Krebshilfe, die hatte ein paar Probleme. Einige der Fans hatten ein paar Bierchen intus, damit konnte sie gar nicht umgehen. Und dass trotz des ernsten Themas unter den Helfern Spaß herrschte, konnte sie gar nicht verstehen. Wir versuchten immer wieder, mit ihr im Guten zu reden, aber es war nicht so einfach. Als sie sich dann zum Zelteingang stellte und die Leute aussuchte, die ins Zelt durften, war Handeln angesagt. Die Damen von der Datenbank haben ihr dann erklärt, dass sie jetzt gehen darf. Tage später erfuhren wir, dass sie sich über uns bei der Chefetage der Datenbank beschwert hat. Gut – es ist eigentlich gar keine Erwähnung wert. Der Rest hatte Spaß an diesem erfolgreichen Tag.

Punkt 15.30 Uhr ging das Spiel los und wir konnten erstmals durchschnaufen. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir knapp 480 Leute typisiert. Von Geld und den ganzen Aufregungen redete keiner mehr. Jetzt waren die richtigen Leute zusammen; Leute, die nicht redeten, sondern einfach nur handelten. So gefällt es mir. 90 Minuten waren schnell vorbei, 2 : 2 endete das Spiel und wir bereiteten uns auf den nächsten Ansturm vor. Dieser blieb allerdings aus. 43 Fans ließen sich nach dem Schlusspfiff noch typisieren. Am Ende waren es 523 Leute, die sich für die weltweite Datenbank registrieren ließen. Wir waren alle richtig stolz auf das, was wir erreicht hatten. Erst jetzt kümmerten wir uns um Geld und machten einen Kassensturz. Gut, da sah es jetzt noch nicht so toll aus. 8.000 DM waren da, 52.300 DM brauchten wir. Da fehlte wohl einiges; aber gut, heute standen erst mal die 523 Spender im Vordergrund.

Innerhalb einer Stunde war alles wieder abgebaut, verstaut und wurde abtransportiert. Die Blutproben waren unterwegs nach Stuttgart zum Flughafen und wurden dann in ein Labor nach Amerika zur Auswertung geschickt.

Der Tag war Geschichte, nun mussten wir Geld auftreiben. Eine Woche nach der Typisierung spielte der 1. FC Nürnberg im Degerloch Stadion gegen die Stuttgarter Kickers, und da die Nürnberger sowieso immer sehr reisefreudig sind, wurde die Mannschaft von ca. 4.000 Fans begleitet. Unser Fanbeauftragter hat die Bitte an alle Busfahrer ausgegeben, doch eine Sammlung für die Aktion durchzuführen. Überraschenderweise erhielten wir am Ende eine Spendensumme von weiteren 12.000 DM. Es gab noch eine Sponsorenveranstaltung und eben das besagte Benefizspiel gegen den ESV Ansbach-Eyb.

Nun versuchten wir auch, die Thematik »Knochenmarkspende« in unserer Region zu verbreiten. Auch das gelang. Wir sammelten hier Geld und sammelten dort Geld und auf einmal hatten wir keine 52.300 DM, sondern weit über 60.000 DM. Die Datenbank sagte natürlich »Danke« und wollte sich den Überschuss unter den Nagel reißen. Aber nicht mit uns. Das Geld wurde geparkt und wir grübelten, was wir damit anstellen könnten.

Reger Betrieb herrschte auf dem Max-Morlock-Platz.

Wir erobern unsere Heimat

Zu viel Geld, dieses Luxusproblem kannten wir in den nächsten Jahren nicht wieder. Aber im Juli 2000 hatten wir wirklich dieses »Problem«. Und wir waren immer noch unterwegs zum Geldsammeln und zwar in Auerbach beim dortigen FCN-Fanclub Vogl-Max. Da ja auch ein Teil der Auerbacher Fanclubmitglieder bei der Aktion in Nürnberg mitgewirkt hatte, wussten sie natürlich, was es bedeutet, eine Typisierung durchzuführen. Im Rahmen einer Fanclubfeier wurde für die Aktion »Clubfans helfen Anja« eine größere Spende übergeben und der Vorstand des Fanclubs merkte an, dass man das Geld auch gerne bei einer Typisierungsaktion in der Region einsetzen könnte. »Mit eurer Hilfe kein Problem«, entgegnete ich ihm.

Wir saßen noch etwas zusammen und da wurde die Idee einer Typisierungsaktion geboren. Auerbach erklärte sich bereit, mit uns eine Aktion durchzuführen. Da alle entscheidenden Personen bei der Feier anwesend waren, bedurfte es auch keiner Bedenkzeit mehr. Die Sache war fix. So liebte ich das; eine Idee, eine Diskussion und dann eine Entscheidung und schon läuft alles. Für diese Aktion muss man Ilse und Peter Grillenbeck, Detlev Walkowski, Gisela Kormann und Günther Himmelhuber besonders hervorheben.

Auerbachs Bürgermeister Helmut Ott übernahm die Schirmherrschaft. Er sicherte uns sämtliche Unterstützung zu, die wir von der Stadt Auerbach benötigten. Damit wir nicht nur die Auerbacher Bürger ansprechen, sondern auch die komplette Region, baten wir auch den Kirchenthumbacher Bürgermeister Johann Kleber, als zweiter Schirmherr zu agieren.

Als Ort der Typisierung wählten wir die Hauptschule Auerbach. Blutabnehmer kamen aus den Arztpraxen und dem Krankenhaus und die weiteren Helfer waren wieder die FCN-Fanclubs und erstmals auch der Schwimmverein bzw. der örtliche Frauenbund. Die Pressearbeit gestaltete sich doch schwerer als erwartet, da die Leute immer dachten, dass Knochenmark aus dem Rückenmark entnommen wird. Ein Irrtum, der teilweise heute noch anhält. Viele Leute sagten auch, dass dieser Aufwand für einen einzigen Menschen doch gar nicht gerechtfertigt ist. Dass allerdings jeder, der sich typisieren lässt, in einer weltweiten Datenbank gespeichert wird, diese Kleinigkeit wurde sehr oft überlesen.

Es war sehr schwierig für uns, auf jede aufkeimende Irritation zu reagieren. Aber wir versuchten, mit viel Pressearbeit Aufklärung zu betreiben. Teilweise gelang es sehr gut.

Wir kämpften jeden Tag mit neuen Problemen. Ein örtlicher Verein machte ein großes Dart-Turnier und spendete den Überschuss von 3.500 DM an eine andere Datenbank. Als wir sie darauf ansprachen, meinten sie nur, dass doch alles gleich sei. Na ja, eben nicht ganz.

Es gibt in Deutschland ca. 29 unterschiedliche Datenbanken. Jede arbeitet selbstständig, aber jede muss in das Zentrale Register nach Ulm ihre Spender melden (kurz ZKRD). Für jede Person, die sich typisieren lässt, müssen wir 100 DM an die Datenbank bezahlen. Und darum ist es sehr schade, wenn Kosten von 35 Typisierungen woanders hingehen. Die Jungs waren uneinsichtig.

Abends, wenn man zur Ruhe kommt, fragt man sich schon mal, warum man sich so einen Stress antut. Berechtigte Frage, aber mittlerweile haben wir Anja und ihre Familie kennengelernt. Und wer einmal dieses kleine Wesen gesehen hat, wie sie mit ihren vier Jahren mehr Lebensmut hat als so manch ein Erwachsener, der kann nicht einfach so vor ein paar Problemen davonlaufen. Dies kann Anja auch nicht tun, also sollten wir es ihr nachmachen.

Unser erstes Heimspiel

Dienstag, 3. Oktober 2000 – der Tag der Typisierung. Aufgebaut wurde ja schon einen Tag vorher, damit es am Typi-Tag nicht mehr so stressig wurde. Arbeit sollte es an diesem Tag noch genug geben. Helfer, Blutabnehmer und Leute von der Datenbank, alle waren pünktlich da. Geplant war eine Einweisung des Personals um 9.30 Uhr, die Türen sollten um 10 Uhr aufgehen. Kurz nach 9.30 Uhr standen die ersten Spender bereits vor der Tür und um 9.45 Uhr, da bereits 60 Leute vor der Tür standen, starteten wir mit der Typisierung. Die Leute strömten in die Hauptschule, so etwas waren wir noch nicht gewohnt. Schnell war klar, dass wir mit den Spenderplätzen nicht auskommen würden. Auerbach und Umgebung rannte uns die Bude ein.

500 Leute kommen, wenn es gut läuft; 800, wenn alles perfekt ist an diesem Tag, so war der Plan. Gegen 10.30 Uhr hatten wir unsere erste große Herausforderung und gegen 13.00 Uhr unsere zweite. Da standen die Spender bis zur Eingangstüre. Aber keiner jammerte und keiner motzte. Die Spender stellten sich ohne Murren in die Schlange und die Helfer machten einfach nur ihren Job oder besser, mehr als ihren Job. Hier ein kleines Problem, dort ein kleines Problem, aber für alles hatten wir eine Lösung und alle packten mit an. Auch Leute, die nur zur Typisierung kommen wollten.

Die jungen Damen klopften mir auf die Schulter und meinten nur: »Du brauchst noch Hilfe, wo sollen wir uns hinsetzen?« Und im Nu hatten wir wieder ein paar Plätze für die Datenerfassung geschaffen. Blutabnehmer von der ersten Schicht sind nicht gegangen, neue Abnahmeplätze wurden aufgebaut. Alle rückten zusammen und halfen mit.

Am Ende des Tages wurden 1.314 Spender typisiert und 31.000 DM waren in der Spendenbox. Es war ein überwältigender »Tag der Deutschen Einheit«. Unsere erste »große« Aktion im heimischen Gefilde wurde mit Bravour gemeistert und wir waren in aller Munde.

Wir setzten ein weiteres Ausrufezeichen!

Auf den Lorbeeren kann man sich leider nicht lange ausruhen. Die Freude von 1.314 Spendern weicht schnell der Gewissheit, dass wir natürlich sehr viel Geld brauchen. 1.314 Spender bedeutet leider auch 131.400 DM.

In den nächsten Wochen gab es viel zu tun: Zum einen Geld sammeln, zum anderen kam ein noch größeres Problem auf uns zu. Die Aktion hieß »Clubfans helfen Anja«, immer mehr wurden aber Stimmen lauter, dass man mit Clubfans nichts zu tun haben möchte, oder »man unterstütze nichts vom FCN«. Mit dieser Thematik hatten wir uns bisher noch nicht auseinandergesetzt. Wir sahen ein kleines Mädchen und viele Freunde von uns, die helfen wollten, das war’s.

Mit den neuen Anfeindungen mussten wir erst mal klarkommen. Du willst helfen, bewegst etwas und es gibt immer wieder Leute, die das Haar in der Suppe suchen.

Wir sind auch keine Freunde vom FC Bayern München, aber wir haben uns auch nicht gescheut, uns beim FC Bayern München 1996 typisieren zu lassen. Hier geht es um Menschenleben, aber leider können einige damit nicht umgehen. Diese Leute denken erst um, wenn sie selbst betroffen sind.