Legacy of a Silver Night (Legacy-Dilogie 1) - Emily Bold - E-Book

Legacy of a Silver Night (Legacy-Dilogie 1) E-Book

Emily Bold

0,0
9,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Seven Carter wurde ihr magisches Schicksal bereits in die Wiege gelegt, doch davon ahnt sie nichts, als sie während des Besuchs eines New Yorker Clubs Zeuge unerklärlicher Geschehnisse wird. Unvermittelt und ganz bestimmt nicht freiwillig, wird sie von Trank-Hexer Tyler Davenport in den ewigen Kampf zwischen Magie-Jägern und Hexen-Gilden hineingezogen, und während sie noch mit der Erkenntnis ringt, dass es so etwas wie Magie überhaupt gibt, erweckt Tyler ihre eigenen, ganz besonderen Kräfte in ihr. Doch ist sie Teil des drohenden Unheils und damit eine Gefahr für alle, die sie liebt – oder der Schlüssel zur Rettung der Magie?

Magisch, romantisch und geheimnisvoll! Die neue Urban-Fantasy-Dilogie von Emily Bold entführt uns nach New York und bietet eine mitreißende „Forbidden Love“- und „Enemies-to-Lovers“-Story. Die moderne Hexe Seven muss ihren eigenen, steinigen Weg finden – und dabei knistert es gewaltig.  

Die „Legacy of a Silver Night“-Dilogie:

Band 1: Legacy of a Silver Night

Band 2: Fate of a Golden Dawn – erscheint im Frühjahr 2025

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Das Buch

Eine uralte Fehde auf Leben und Tod lässt New York erbeben

Seven Carter wurde ihr magisches Schicksal bereits in die Wiege gelegt, doch davon ahnt sie nichts, als sie während eines New Yorker Club-Besuchs Zeugin unerklärlicher Geschehnisse wird. Unvermittelt und ganz bestimmt nicht freiwillig wird sie von Trank-Hexer Tyler Davenport in den ewigen Kampf zwischen Magie-Jägern und Hexen-Gilden hineingezogen, und während sie noch mit der Erkenntnis ringt, dass es so etwas wie Magie überhaupt gibt, erweckt Tyler ihre eigenen, ganz besonderen Kräfte. Doch ist sie Teil des drohenden Unheils und damit eine Gefahr für alle, die sie liebt – oder der Schlüssel zur Rettung der Magie?

Band 1 der Legacy-Dilogie

Die Autorin

© Privat

Emily Bold, Jahrgang 1980, schreibt Romane für Jugendliche und Erwachsene. Ob historisch, zeitgenössisch oder fantastisch: In den Büchern der fränkischen Autorin ist Liebe das bestimmende Thema. Nach diversen englischen Übersetzungen sind Emily Bolds Romane mittlerweile auch ins Türkische, Ungarische und Tschechische übersetzt worden, etliche ihrer Bücher gibt es außerdem als Hörbuch. Wenn sie mal nicht am Schreibtisch an neuen Buchideen feilt, reist sie am liebsten mit ihrer Familie in der Welt umher, um neue Sehnsuchtsorte zu entdecken.

Mehr über Emily Bold: www.emilybold.de

Emily Bold auf Twitter: @emily_bold

Emily Bold auf Facebook: www.facebook.com/emilybold

Emily Bold auf Instagram: www.instagram.com/emily.bold/

Der Verlag

Du liebst Geschichten? Wir bei Planet! auch!Wir wählen unsere Geschichten sorgfältig aus, überarbeiten sie gründlich mit Autor:innen und Übersetzer:innen, gestalten sie gemeinsam mit Illustrator:innen und produzieren sie als Bücher in bester Qualität für euch.

Deshalb sind alle Inhalte dieses E-Books urheberrechtlich geschützt. Du als Käufer erwirbst eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf deinen Lesegeräten. Unsere E-Books haben eine nicht direkt sichtbare technische Markierung, die die Bestellnummer enthält (digitales Wasserzeichen). Im Falle einer illegalen Verwendung kann diese zurückverfolgt werden.

Mehr über unsere Bücher und Autor:innen auf:www.thienemann.de

Planet! auf Instagram:https://www.instagram.com/thienemannesslinger_booklove

Viel Spaß beim Lesen!

Emily Bold

Legacy of a Silver Night

Planet!

Auszug aus den siebenhundertsiebenundsiebzig Büchern der irdischen Magie:

Gebote der irdischen Magie

Weiße Magie verwendet die Essenzen des Universums, um die Welt im Gleichgewicht zu halten.

Dunkle Magie stört das Gleichgewicht und fordert einen Preis aus Schmerz und Vergessen.

Witness-Male zeichnen jene, die die Grenze zwischen weißer und dunkler Magie überschreiten.

Der schwarze Almanach darf niemals geöffnet werden. Die stärksten Łauber sind darin verborgen.

Prolog

New York

»Nein!« Das Wort kam gepresst über meine Lippen und ich sackte vor dem reglos daliegenden jungen Mann auf die Knie. Mit zitternden Fingern berührte ich sein wächsernes Gesicht. »Nathan!«, wisperte ich und wischte ihm das klebrige Blut von den Wangen, ehe ich meine Hände über sein Kinn zu seinem Hals gleiten ließ, auf der Suche nach einem Puls. Es pochte unter meinen Fingerspitzen, doch ob das sein oder mein Herzschlag war, konnte ich nicht sagen. Panisch blickte ich mich um. Der Central Park lag dunkel und verlassen vor mir. Dennoch hatte ich das Gefühl, beobachtet zu werden.

»Alles wird gut«, flüsterte ich in die Stille. Schuldgefühle schnürten meine Kehle zusammen und ich nahm unsicher die Hände von seinem Körper. Ein blassblauer Schimmer überzog meine Haut, wie ein zuckendes Magnetfeld. Ich schluckte. Was hier eben geschehen war, war purer Wahnsinn! Verrückt – und unverzeihlich! Es hätte nicht passieren dürfen! Meine Hände zitterten und bittere Galle sammelte sich in meinem Mund, während ich mit zusammengekniffenen Augen versuchte, die Bilder aus meinem Kopf zu verbannen. Doch es war unmöglich. Selbst jetzt raubte mir die Angst vor dem, was hier geschah, den Atem, und das azurblaue Flirren an meinen Handflächen wuchs an.

»Nein«, flehte ich tonlos, wischte mir die Hände in dem vergeblichen Versuch, das Flirren loszuwerden, an der Hose ab und wich dabei vor Nathan zurück. Die Energie wand sich erneut meine Arme hinauf und ich kroch panisch rückwärts. Ich durfte nicht wieder …

Eine Bewegung hinter mir ließ mich zusammenzucken, und die Energie, die mich umgab, entlud sich wie ein greller Blitz über den Boden. Mein Schrei hallte gellend durch den nächtlichen Park, als sich der dunkle Schatten über mich beugte und mich mit eisigem Blick aus grünen Augen vorwurfsvoll durchbohrte. Eine Hand, schwer und entschlossen, packte meine Schulter.

»Zum Teufel, Seven – was hast du getan?«

Kapitel 1 Somnium – und niemand bleibt wach

Seven

Drei Tage zuvor

»Warum hast du das gemacht, Seven?« Ein leichter Vorwurf schwang in Robyns Stimme mit und ich runzelte die Stirn.

»Was meinst du?« Ich beugte mich näher zu ihrem Ohr, da die laute Musik im Club jede normale Unterhaltung unmöglich machte. Das Never war gut gefüllt und der Geruch von verschwitzten Körpern und süßem Parfüm vermischte sich mit den Alkoholschwaden von der Bar hinter uns. Mir war heiß vom Tanzen und ich fächelte mir mit den Händen Luft zu. Der Beat ließ den Boden erzittern, und mein Herzschlag donnerte im harten Takt der Musik.

»Warum hast du den Drink abgelehnt, den dir der süße Typ an der Bar ausgeben wollte?« Robyn nickte in Richtung des jungen Mannes. Dabei schimmerte ihre blonde Kurzhaarfrisur im zuckenden Licht der Stroboskope, und ihr Augenbrauenpiercing blitzte auf. »Der sah doch ganz brauchbar aus.«

»Ist mir gar nicht aufgefallen«, tat ich überrascht, dabei hatte ich das sehr wohl bemerkt. »Aber egal, ob süß oder nicht: Ich behalte lieber einen klaren Kopf.« Zur Verdeutlichung tippte ich mir an die Stirn und wischte mir eine meiner dunklen, schulterlangen Strähnen aus dem Gesicht.

Robyn rollte mit den Augen. »Es ist Freitagabend und du denkst, dir würde hier eine Titelstory über den Weg laufen?« Skeptisch pustete sie Luft aus. »Und selbst wenn. Du bist ganz neu bei einer vollkommen bedeutungslosen Zeitung. Dein Redakteur gibt dir vor dem Collegeabschluss noch nicht mal die Witze-Seite. Du kannst also ruhig mal Party machen.«

»Und dafür brauche ich was? Den Drink oder den Typen, der ihn mir ausgeben wollte?«, hakte ich sarkastisch nach, denn in dieser Sache ging meine Meinung mit der meiner besten Freundin Robyn weit auseinander. »Und zu deiner Info: Der Manhattan Telegraph ist nicht bedeutungslos. Wir haben eine starke Online-Reichweite.«

Robyn rollte mit den Augen. »Oh, Verzeihung, das hab ich ganz vergessen. Aber mal im Ernst: Ich habe nicht vor, später allein nach Hause zu gehen. Ich will Spaß haben. Aber seit das mit dir und Nathan in die Brüche gegangen ist, tust du so, als wären dir alle Jungs egal und du stürzt dich nur noch in die Arbeit«, beschwerte sie sich. Und da war er wieder, der Vorwurf in ihrer Stimme. Klar, sie war besorgt, aber mir ging es gut. Ich war über ihren Mitbewohner Nathan hinweg. Das Thema war durch. Gott sei Dank.

»Was ist denn schlimm daran?«, fragte ich und drängte mich durch eine Gruppe Feierwütiger zurück auf die Tanzfläche. Ich war viel zu gut drauf, um mich von der deprimierenden Erinnerung an meine gescheiterte Beziehung runterziehen zu lassen. Ich wollte einfach nur tanzen. Das würde Robyn hoffentlich auch beweisen, dass ich durchaus wusste, wie man Party machte. Auf meine Art. »Ich überlass die Kerle einfach dir«, rief ich ihr neckend über die Schulter zu, denn im Gegensatz zu mir ließ Robyn keinen Flirt aus.

Auch an diesem Abend drehte sich bei ihr alles um Jungs. Um einen speziellen. Sie hatte nur Augen für den DJ. Seit wir in den Club gekommen waren, schmachtete Robyn ihn ununterbrochen an und ich würde wetten, dass sie einen Weg fand, ihm seine Handynummer zu entlocken. Zugegeben: Er war süß, mit seinem kurzen hellblonden Haar, dem Undercut an den Seiten und den etwas längeren Strähnen, die ihm halb über die Augen hingen. Die Augenfarbe war auf die Entfernung nicht zu erkennen, aber der Kerl hatte in jedem Fall einen intensiven Blick. Zumindest dann, wenn er mal von seinem Mischpult aufsah – was er die meiste Zeit über nicht tat. Er wirkte vollkommen in die Musik vertieft und die kochende Menge, die er damit unterhielt, schien zweitrangig.

»Wie großzügig, aber ich verzichte auf den Typ von der Bar. Ich hab da jemand Besseren im Blick«, lachte Robyn und schielte erneut zum Mischpult hinauf. Im zuckenden Licht der Stroboskope wirkte der DJ verlockend geheimnisvoll und dabei unnahbar. Eine durchaus reizvolle Mischung.

»Er ist ganz süß«, stimmte ich Robyn zu.

»Süß? Sagen wir lieber …« Sie hob grinsend die Augenbrauen. »Er hat etwas an sich, das mein Interesse weckt.«

Als hätte der DJ unser Gespräch gehört, drehte er den Kopf und sah in unsere Richtung. Sein beinah gelangweilt arroganter Blick glitt über unsere Köpfe hinweg, schärfte sich aber, als er uns erfasste. Mehrere Atemzüge lang starrte er uns regelrecht an, und ich stieß Robyn den Ellbogen in die Seite.

»Das scheint auf Gegenseitigkeit zu beruhen«, rief ich, ohne den DJ aus den Augen zu lassen. Er schob sich den Kopfhörer in den verschwitzten Nacken und fuhr sich durchs blonde Haar. Mit einem Mal wirkte er nervös und ich fragte mich, ob er vielleicht doch nicht uns angesehen hatte. Ich drehte mich um und erst jetzt fiel mir auf, dass Robyn nicht mehr neben mir tanzte. »Robyn?« Wohin war sie denn bloß verschwunden? Irritiert kam ich aus dem Takt, ließ die Arme sinken und reckte stattdessen den Hals. Sie war doch eben noch …

Tyler

Die Menge im Club kochte und die fiebrige Hitze der tanzenden Körper schwappte wie in Wellen zu Tyler Davenport ans Mischpult hoch. Sie kroch unter seine Kleidung und erhitzte sein Blut. Der Schweiß, der ihm den Rücken hinunterlief, ließ ihn sich lebendig fühlen, und wie von selbst glitten seine Finger über die Regler der Musikanlage. Der Beat aus den Kopfhörern bestimmte seinen Herzschlag und er wippte im Takt der flackernden Stroboskope mit dem Kopf. Ohne die Augen zu öffnen, schob er zwei Regler nach oben und das Lied verlangsamte sich, während er einen anderen Hit daruntermischte. Beide Stücke verschmolzen zu einer hypnotischen Melodie und er nahm sich einen Moment, die Reaktionen der Menschen einzufangen. Gespannt hob er den Kopf, brachte die Regler in die richtige Position und sah auf die tanzende Menge hinunter. Erhitzte Körper, laszive Bewegungen und eine Fülle verführerischer Energie erfüllten den Club. Tyler spürte die Blicke einiger Mädchen auf sich ruhen, die unverhohlen Interesse zeigten, doch er war nicht im Never, um Mädchen kennenzulernen. Er war nur wegen der Musik hier. Alles andere war …

»Verdammt«, murrte er und schärfte seinen Blick. Die verführerische Energie, die er gerade noch wahrgenommen hatte, löste sich auf, als hätte er sie sich nur eingebildet. Die zuckenden Lichtblitze schienen nicht länger zum Takt seines Herzschlags zu passen. Zögernd nahm er die Hände vom Mischpult, kniff die Augen zusammen und scannte die Tanzfläche. Das, was er eben zu sehen geglaubt hatte … Die Frau, die er erkannt zu haben glaubte, war in der Menge untergetaucht – doch er wusste, dass untergetaucht nicht bedeutete, dass sie auch verschwunden war.

Wütend ballte er die Fäuste. Der Abend hatte doch so gut angefangen.

Seven

»Robyn?« Natürlich war es unwahrscheinlich, dass sie mich über die laute Musik hinweg rufen hörte. Aber wo zum Teufel war sie denn so plötzlich hin? Ich ging auf Zehenspitzen, doch die Leute tanzten so dicht an mich heran, dass ich kaum etwas erkennen konnte. »Wenn sie mich für irgendeinen Typen einfach stehen gelassen hat, dann …«, murrte ich und quetschte mich durch die Tanzenden hindurch in Richtung Bar. Dabei hielt ich es für unwahrscheinlich, dass sie sich schon wieder einen Drink holte. Vielleicht war sie zur Toilette? Unsicher blieb ich stehen und sah mich noch einmal um. Der DJ schien mich zu beobachten. Warum starrte er so? Sein Blick war nicht gerade flirtend, sondern eher misstrauisch, was echt merkwürdig war. Ich drehte mich einmal um mich selbst, um nach Robyn Ausschau zu halten, während mir der Schweiß den Rücken hinabrann.

Irgendwo nahe der Eingangstür kam Unruhe auf, aber ich konnte nicht erkennen, was los war. Es interessierte mich auch nicht besonders. Vermutlich hatten sich irgendwelche Typen, die zu tief ins Glas geschaut hatten, in die Haare bekommen. Die Bewegung am DJ-Pult fand ich da schon spannender, immerhin war Robyn zuzutrauen, dass sie sich auf den Weg zu ihrem Auserkorenen gemacht hatte. Sie hätte keine Skrupel, den DJ anzubaggern. Oder jeden anderen, der ihr gefiel. Im Grunde war das sogar die einzige Erklärung für ihr plötzliches Verschwinden.

Täuschte ich mich, oder stand sie da drüben am Eingang und redete mit einem Fremden? Hatte sie womöglich den Glücklichen gefunden, den sie heute mit nach Hause nahm? Ich blickte von der Tür zurück zum DJ, der erneut meine Aufmerksamkeit erregte. Er verließ seinen Platz am Mischpult, schaltete die Nebelmaschine neben sich an und stickiger Dunst strömte über die Tanzfläche.

»Echt jetzt?«, raunte ich genervt, als sich der dichte Nebel über die davon begeisterte Menge verteilte. Offenbar hatten alle ihren Spaß, außer mir. Der Dunst umhüllte mich, und obwohl ich die Menschen um mich herum dennoch wahrnahm, hatte ich kurz das Gefühl, vollkommen allein zu sein. Natürlich gönnte ich Robyn ihren Flirt, aber es nervte mich, dass sie mich ohne ein Wort stehen gelassen hatte.

»Hey, Süße«, wurde ich plump von der Seite angequatscht. »Hast du Lust zu tanzen? Ich finde dich toll!«

»Nein danke, denn ich finde Männer toll, die bessere Sprüche bringen!« Genervt wich ich in den undurchdringlichen Nebel zurück, schob mich an einigen Gästen vorbei und hoffte so, den Kerl loszuwerden.

Ich hätte zu Hause bleiben sollen!, dachte ich und meine Laune war auf dem Tiefpunkt. Ich hatte auf einen netten Mädelsabend mit Robyn gehofft und nun stand ich hier und langweilte mich. Am Rand der Tanzfläche waren die Dunstschwaden weniger dicht und die Sicht deutlich besser, und wie von selbst glitt mein Blick erneut zum DJ-Pult.

»Was treibt der denn?«, entfuhr es mir und ich trat neugierig näher. Der DJ kletterte aufs Mischpult, als würde er eine Klippe erklimmen. Ein lautes Pfeifen ertönte – vielleicht hatte er einen Regler der Anlage verschoben, denn die Leute schrien irritiert auf. Die Unruhe wurde größer, der Nebel durch die Bewegung aufgewirbelt. Trotzdem konnte ich erkennen, dass der DJ in seine Tasche griff und etwas herausnahm, das aussah wie einer der runden Automaten-Kaugummis, die es früher immer gegeben hatte. Er warf die bunte kleine Kugel mit ganzer Kraft in die Luft und ich fragte mich, was das sollte. Was ging denn heute ab? Ich zuckte zusammen, als der Kaugummi an die Decke prallte und entgegen meiner Erwartung nicht einfach irgendwem auf den Kopf fiel, sondern in tausend winzige Scherben zerbrach und grellpinken Dampf freisetzte. Der regnete von oben auf die Menge herab und kaum, dass er eine Person berührte, ging diese zu Boden.

»Was …?« Ich schlug mir die Hand vor den Mund, als alle um mich herum in sich zusammensackten.

Es war ein Reflex, in die Knie zu gehen. Vielleicht, weil alle anderen auch am Boden lagen. Ich schnappte nach Luft, obwohl ich Angst hatte, genau das einzuatmen, was immer die übrigen Clubbesucher zu Fall gebracht hatte. Irgendein Gift? Eine Droge? Der Nebel waberte über die reglosen Körper, und außer mir schien niemand mehr bei Bewusstsein zu sein. Der DJ sprang vom Mischpult und erst jetzt fiel mir eine Gruppe am Eingang auf, die beinahe militärisch anmutete. War das die Polizei? Eine Spezialeinheit? Ein SWAT-Team? Meine Gedanken überschlugen sich und ich rang den Impuls nieder, um Hilfe zu rufen. Noch hatte mich offenbar niemand bemerkt. Ich musste hier weg, solange …

»Robyn!« Ich schlug mir die Hand vor den Mund, als ich meine Freundin am anderen Eingang des Nevers entdeckte. Offenbar unbeeindruckt von dem, was hier vorging, verließ sie den Club. Bekam sie denn gar nicht mit, was los war?!

»Echt jetzt?« Ich unterdrückte den Impuls, ihr hinterherzurufen. Ich wollte weder die Aufmerksamkeit dieser Militärtypen erregen noch die des mysteriösen DJs.

Der griff in diesem Moment an seinen Gürtel und riss eine metallene Niete davon ab. Dann brachte er das Metall zwischen seinen Fingern zum Platzen und ein greller Lichtblitz blendete mich.

»Au!«, entfuhr es mir, als ich, blind vom Licht, die Augen zusammenkniff. Schmerz durchzuckte meinen Kopf und ein instinktiver Fluchtreflex brachte mich auf die Beine. Ächzend stolperte ich über jemanden, der am Boden lag.

»Brillen auf und weiter!«, hallte ein schroffer Befehl durch den Club und ich verfluchte Robyn, dass sie mich für irgendeinen Flirt hier allein zurückgelassen hatte. Die konnte was erleben, wenn ich sie in die Finger bekäme. Doch erst mal musste ich hier raus.

Obwohl ich mir die Augen rieb, nahm ich meine Umgebung noch immer nur verschwommen wahr. Irgendwo stöhnten Menschen, die Gäste auf dem Boden kamen offenbar so langsam wieder zu sich und ich versuchte niemanden anzurempeln, während ich mich Richtung Ausgang tastete. Ich riss die Augen weit auf, um besser zu sehen, als plötzlich ein dunkler Schatten vor mir aufragte.

Erschrocken schnappte ich nach Luft. »Robyn?«

»Wer bist du?« Der Schatten hatte eine tiefe Stimme und er packte mein Handgelenk. Grob drehte er mir die Hand auf den Rücken und zwang mich in die Knie.

»Fuck!«, schrie ich, überrascht von dem heiß stechenden Schmerz. In panischer Angst schlug ich um mich, doch davon ließ sich mein Angreifer nicht beeindrucken. Er wischte mir achtlos die Haare aus dem Nacken und zog den Halsausschnitt meines Shirts am Rücken nach unten. Der Saum schnitt mir in die Kehle und ich bekam keine Luft. Ich wollte mich wehren, doch der Schmerz in meinem Ellbogen war zu stark. Er trieb mir die Tränen in die langsam wieder funktionierenden Augen und ich krallte hilflos die Hände in den Boden, während ich hoffte, das möge enden. Einen Moment verharrte der Fremde reglos über mir, ehe er mich losließ und ohne ein weiteres Wort verschwand. Ich wollte heulen, aber ich tat es nicht. Entschlossen zwang ich mich durchzuatmen. Dann wischte ich mir die Tränen fort und rieb mir kräftig die Augen, um endlich klar zu sehen, während um mich herum die Menschen wieder zu sich kamen.

Hilferufe drangen an mein Ohr. Irgendwo befahl jemand »Abbruch! Einsatz abbrechen!«. Nichts davon ergab einen Sinn. Ich dachte an einen Anschlag, an ein Attentat. Und als ich in der Ferne Polizeisirenen ausmachte, schien das die einzig logische Erklärung. In meinen Ärger über Robyns Abgang mischte sich Erleichterung. Zumindest war sie in Sicherheit. Und vielleicht war das, was hier eben geschehen war, die Story, die mir den Einstieg beim Manhattan Telegraph erleichtern würde.

Vom Adrenalin getrieben bückte ich mich zu der heulenden Frau vor mir am Boden und half ihr, sich aufzusetzen. Ich zückte mein Handy und startete eine Sprach-Memo-App.

»Können Sie mir sagen, was hier passiert ist?«, fragte ich. »Was haben Sie gesehen, ehe …«

Kapitel 2 Temperatus Magna – weil kalter Kaffee nicht schmeckt

Tyler

Was er gesehen hatte, ergab keinen Sinn. Tyler überquerte schnellen Schrittes die siebenundfünfzigste Straße in Manhattan. Der Blick über die Schulter zeigte, dass ihm niemand folgte, denn auch wenn New York die Stadt war, die niemals schlief, hier, zwischen Rockefeller Center und Queens River, war um vier Uhr morgens nicht viel los. Trotzdem verlangsamte er seine Schritte erst, als er sein Ziel erreicht hatte, und die Klingel für die Wohnung im dritten Stock gedrückt hielt.

Über Tylers Kopf wurde ein Fenster aufgestoßen. »Elende Pisser, wisst ihr, wie spät es ist? Wenn ich runterkomme, dann reiß ich euch den –«

»Milo, ich bin es. Mach auf«, unterbrach er die lautstarke Schimpftirade und trat an den Fahrbahnrand zurück, damit Milo ihn vom Fenster aus sehen konnte. Dem standen vom Schlaf die braunen Locken zu Berge und er schien nicht begeistert.

»Ernsthaft? Weißt du eigentlich, wie spät es ist?«, hakte er ungläubig nach, aber sein Blick wurde milder. »Komm rauf, ehe ich es mir anders überlege«, grummelte er und gähnte.

Tyler nickte. Dann griff er in die Brusttasche seiner Lederjacke. Mit silbernem Staub an den Fingern berührte er die Haustür, die wie grafitfarbener Gummi um seine Hand zu schmelzen schien. Ohne Probleme trat er durch den so geschaffenen Durchgang, der sich seinem Körper anpasste und erst wieder zu starrem Holz wurde, als Tyler hindurchgetreten war. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, ging er nach oben. An der Wohnungstür griff er erneut in seine Tasche, doch noch ehe er sich mit dem Silberstaub selbst Zugang verschaffen konnte, öffnete sein Freund ihm die Tür.

»Spar dir die Aperta«, meinte Milo und deutete auf das Pulver an Tylers Fingern. Dann wandte er sich ab und kratzte sich den Kopf, was seine vom Schlaf zerzausten Locken nur noch weiter in Unordnung brachte. »Und sag mir lieber, was du um diese Zeit hier willst.« Die Boxershorts saß Milo schief auf den Hüften und das blaue Superman-Shirt, das er zum Schlafen trug, war ihm ein ganzes Stück zu groß.

Tyler ließ das Pulver zurück in seine Tasche rieseln, ehe er Milo in die Wohnung folgte. Er steuerte direkt auf die durchgesessene camelfarbene Couch zu und ließ sich matt darauf nieder.

»Ich hab heute im Never aufgelegt«, setzte er an und strich sich die blonden Strähnen aus der Stirn, während sich Milo auf die Armlehne des Sessels gegenüber hockte. Es war offensichtlich, dass er zurück ins Bett wollte, denn er gähnte schon wieder.

»Wenn du dich beschweren willst, weil ich nicht gekommen bin, dann –«

»Darum geht es nicht.« Tyler beugte sich nach vorne und stützte die Unterarme auf den Knien ab. »Ich hatte Ärger mit den Doom Huntern.«

Milo setzte sich aufrecht hin. »Fuck, Ty!«, flüsterte er und hob vielsagend die Augenbrauen. »Was meinst du mit Ärger? Die Hunter halten sich doch seit Jahren zurück.«

»Also zurückgehalten haben sie sich heute Abend definitiv nicht, das kann ich dir sagen. Ich hab zuerst nur diese Kleine gesehen. War mir auch gar nicht sicher, ob sie wirklich eine ist. Ich weiß nicht, ob sie schon länger dort war und mich beobachtet hat, aber als ich sie bemerkt habe, ist sie verschwunden. Ich denke, sie hat Verstärkung gerufen, denn im nächsten Moment kam ’ne ganze Truppe von denen rein und auf mich zu.«

Mit einem langen lautstarken Atemzug blies Milo die Luft aus. »Dann wussten die, wer du bist?«

Tyler nickte. »Scheint so. Aber viel wichtiger ist doch: Warum gehen die plötzlich wieder auf Konfrontation? Warum so ein Auftritt in aller Öffentlichkeit?« Unruhig stand Tyler von der Couch auf und ging hin und her, während er sich die kurz geschorenen Seiten seines Kopfes rieb. »Ich meine … hätten die mich etwa einfach vor all den Leuten vom Mischpult gezogen und … und was dann? Was hatten sie vor? Warum dieser Aufmarsch? Und warum jetzt?«

Nachdenklich kaute Milo auf seiner Unterlippe. »Ist ja noch mal gut gegangen«, versuchte der ihn zu beruhigen, auch wenn er selbst eine Sorgenfalte auf der Stirn hatte.

»Gut gegangen?« Tyler schüttelte den Kopf. »Würde ich so nicht sagen. Ich musste Somnium anwenden, um überhaupt erkennen zu können, wie viele der Leute auf der Tanzfläche es auf mich abgesehen haben.«

Milo sprang auf. »Du hast den ganzen Club ins Land der Träume geschickt? Hast du den Verstand verloren?!«

»Was hätte ich denn deiner Meinung nach tun sollen? Ich musste doch herausfinden, wer gegen unsere Magie gewappnet ist. Ich hatte keine Ahnung, wie viele Doom Hunter sich dort aufhalten. Und dass ich das getan habe, war gut, denn bei meiner Flucht bin ich beinahe in eine junge Frau gerannt, die trotz des Somniums noch stand – und die auch kein Mitglied der Hunter war.« Verwirrt schüttelte Tyler den Kopf. »Es war merkwürdig. Sie hatte keinen Protektor im Nacken«, überlegte er laut und setzte seine unruhige Wanderung durch die kleine Wohnung fort. »Und sie machte nicht den Eindruck, als wüsste sie, was vorgeht. Selbst mein Lux-Zauber hat sie nicht komplett geblendet. Ich hätte schwören können, dass sie mich zumindest schwach hat erkennen können.« Er sah Milo fragend an. »Wie kann das sein?«

Milo winkte ab. »Vielleicht war sie auf dem Klo, als du das Somnium angewandt hast und hatte im Moment, als der Blitz gezündet hat, die Augen geschlossen. Das kann auch Zufall sein.«

»Ein komischer Zufall«, murrte Tyler skeptisch und setzte sich wieder.

»Klar – aber wäre doch möglich.«

»Vermutlich. Und trotzdem … was wollten die Hunter von mir? Woher wussten die, dass ich da bin? Und warum ändern die nach all der Zeit plötzlich ihre Strategie und gehen wieder auf Konfrontation?«

Milo hob den Zeigefinger. »Das ist die eigentliche Frage.« Er griff nach seinem Handy und scrollte durch seine Kontakte. »Ich frag mal rum, ob die anderen was gehört haben«, schlug er vor und nickte dabei in Richtung Küche. »Wenn du Kaffee willst, bedien dich.«

»Da sag ich nicht Nein«, meinte Tyler, schlenderte in die Küche und rümpfte die Nase über die Unordnung. In der Kanne der Kaffeemaschine befand sich ein kalter Rest dunklen Kaffees und er verbot sich die Frage, wie lange der da schon stand. Stattdessen nahm er eine Tasse von der Spüle, drehte sie zwischen den Fingern, um zu prüfen, ob sie sauber war, und goss sich dann schulterzuckend den abgestandenen Rest ein.

Automatisch wanderte seine Hand an den Gürtel, wo er blind das richtige, als Niete getarnte Gefäß fand. Eine knappe Drehung – und der Metallstift des winzigen Behältnisses sprang auf. Rauch entwich der Niete und Tyler bewegte die Finger, wodurch sich dieser zu einer schwerelosen Rauchkugel formte. Diese Kugel lenkte er mit einem lässigen Fingerschnippen in die Tasse und im nächsten Moment stieg heißer Kaffeedampf empor. Zufrieden nippte er an der nun heißen Flüssigkeit und kehrte zu Milo zurück, wo er mit einem Blick auf den über und über mit Comics bedeckten Couchtisch beschloss, die Tasse einfach in der Hand zu behalten.

»Und? Hat jemand was gehört?«

Milo schüttelte den Kopf und gähnte. »Könnte daran liegen, dass du dir eine absolute Unzeit ausgesucht hast, um mit Problemen anzukommen. Ich schätze, wir müssen warten, bis normale Menschen wach werden.«

»Wenn wir normale Menschen wären, Milo, dann hätten wir diese Probleme nicht«, murrte Tyler schlecht gelaunt und legte die Füße auf den Tisch. »Allerdings wäre dann auch dieser ungenießbare Kaffee kalt.«

Milo grinste. »Sicher, dass das wirklich Kaffee ist?«, scherzte er und hob dabei eine Augenbraue.

»Absolut nicht«, gab Tyler lachend zurück. »Dieses Gebräu schmeckt wie der Sud der Teufelswurzel, gemischt mit der Essenz von gestocktem Hühnerblut.«

»Ich will echt nicht wissen, woher du das weißt«, gluckste Milo und machte es sich in seinem Sessel bequem. Ohne Tyler weiter zu beachten, schloss er die Augen.

Einen Moment überlegte Tyler, ob er noch etwas sagen sollte. Der Abend war aufwühlend gewesen. Die Kleine von den Doom Huntern, dann noch die Dunkelhaarige ohne Protektor, die dennoch seinen Kräften widerstanden hatte – und das veränderte Vorgehen der Hunter. Das alles machte ihn ruhelos. Aber vielleicht hatte Milo recht und die übrigen Elcerans hatten eine Ahnung davon, was hier los war. Er würde es schon noch herausfinden.

Kapitel 3 Ortung – wenn nichts verloren gehen soll

Seven

»Robyn?« Ich rief ihren Namen, noch ehe ich die Tür zu ihrer Wohnung aufgesperrt hatte. »Nathan? Seid ihr da?« Ich war eigentlich nicht scharf darauf, meinem Ex-Freund über den Weg zu laufen, der dummerweise mit Robyn zusammen in dieser WG wohnte. So hatte ich Nathan vor einem Jahr kennengelernt. Als Robyns neuen Mitbewohner. Seit unserer Trennung fand ich es schräg, ihm jedes Mal zu begegnen, wenn ich Robyn besuchte. Doch jetzt gerade war das komplett unwichtig. Denn was da im Never geschehen war, war so verrückt, dass ich es irgendjemandem erzählen musste.

Seine Zimmertür schwang auf und er trat nur in Boxershorts in den Flur. Sein Haar war verstrubbelt und er hatte eine Falte vom Kopfkissen auf der Wange.

»Seven?« Stirnrunzelnd zog er leise die Tür hinter sich zu. »Was ist denn los?«, fragte er und führte mich am Ellbogen in die angrenzende Küche mit den bunt zusammengewürfelten Möbeln. »Bist du allein? Wo ist Robyn?«, fragte er und warf einen prüfenden Blick über die Schulter in Richtung seines Zimmers. »Was machst du hier?« Seine Miene war verkniffen, was nicht an der Uhrzeit zu liegen schien. Er wirkte ungewohnt verlegen und verstellte mir sehr deutlich den Weg aus der Küche. Sein Verhalten war merkwürdig.

»Freundliche Begrüßung«, sagte ich ironisch und wollte an ihm vorbei zu Robyns Zimmer, doch er hielt mich auf.

»Seven, du solltest nicht …«, stammelte er und wurde rot.

»Nathan, was ist denn los mit dir?! Gott, du hast eine Frau hier, richtig?«, schlussfolgerte ich überrascht und stützte die Hände auf eine Stuhllehne. Ich musste mich festhalten, denn auch wenn unsere Trennung nun schon acht Wochen her war, hatte ich doch immer das Gefühl gehabt, Nathan hätte versucht, um uns zu kämpfen. Dass er jetzt offenbar nicht allein war, traf mich wie ein Schlag. Beinahe war das härter als alles, was ich heute Abend sonst erlebt hatte. Meine Kehle war mit einem Mal wie zugeschnürt.

»Seven, hör zu«, setzte er mit gesenkter Stimme an und schon wieder wanderte sein Blick zu seiner Zimmertür. »Es ist nicht so, wie –«

»Nicht so, wie ich denke?«, beendete ich seinen Satz. »Hast du ja das letzte Mal auch behauptet.«

Nathan rieb sich hart übers Gesicht. »Du hast Schluss gemacht!«

»Ja, weil du mich betrogen hast!« Selbst die Worte brannten schmerzhaft in meiner Kehle.

»Fang nicht wieder damit an. Ich hab einen Fehler gemacht. Wir hatten uns … voneinander entfernt. Und ich –«

»Wir hatten uns nicht voneinander entfernt! Meinst du, ich wollte jeden freien Tag bei meinem Dad im Krankenhaus verbringen? Meinst du, ich wäre nicht lieber mit dir ins Kino oder ins Café gegangen?«

»Seit dem Schlaganfall deines Dads haben wir kaum noch Zeit miteinander verbracht, Seven«, verteidigte er sich noch einmal matt. »Du warst nur noch in der Redaktion oder im Krankenhaus. Aber das ist ja auch egal. Wir … sind kein Paar mehr, richtig?«

Ich nickte. Wollte er sich verteidigen, rechtfertigen oder mich einfach nur erinnern? Ich wusste es nicht. Und im Grunde war es egal. Denn er hatte ja recht. Wir waren nicht mehr zusammen. Mit wem er seine Nächte verbrachte, ging mich nicht länger etwas an. Trotzdem tat es weh.

»Warum bist du hier?«, fragte er besorgt und der vertraute Klang seiner Stimme brach mir das Herz. »Willst du nicht sagen, was eigentlich los ist?«

Da ich keinen Ton herausbrachte, nickte ich. Ich zog den Stuhl heraus und setzte mich, ehe ich ihn wieder ansah. Ein dunkler Knutschfleck an seinem Hals sprang mir ins Auge und ich ballte die Fäuste, um zu verbergen, dass meine Hände zitterten.

»Hast du Robyn gesehen?«, fragte ich und vermied den Blick auf seinen nackten Oberkörper. »Ich hab sie im Club aus den Augen verloren. Ich glaube, sie hat jemanden aufgerissen. Aber dann brach Chaos aus, also weiß ich nicht, wo sie hin ist. Sie hat die Find-my-Friend-App deaktiviert, mit der wir uns eigentlich orten können. Weißt du, ob sie hier ist?«

Nathans Augenbrauen zogen sich zusammen. »Hab nicht gehört, dass sie heimgekommen wäre«, antwortete er und rieb sich verlegen den Nacken. »Hab aber auch nicht wirklich drauf geachtet.«

»Klar. Warst beschäftigt, verstehe schon«, schlussfolgerte ich und sein Schweigen sagte mehr als tausend Worte. Um mich nicht noch weiter zu quälen, redete ich schnell weiter. »Es ist nur … Sie hat sich nicht mal verabschiedet. Ist einfach aus dem Club verschwunden. Und dann kamen auch schon diese uniformierten Kerle.«

»Wo wart ihr noch mal?«, versuchte Nathan mir zu folgen. »Männer in Uniform? Wart ihr in ’nem Stripclub, oder was? Und du weißt, dass sie die Ortung gelegentlich abschaltet, wenn sie mit jemandem zusammen ist und ungestört sein will. Vielleicht ist sie mit einem der Stripper durchgebrannt?«

»Blödmann! Wir waren im Never. Da hat ein DJ aufgelegt, für den Robyn sich interessiert.«

»Und dann kamen Uniformierte und …?« Nathan sah mich an, als würde er meine Geschichte anzweifeln. Um ehrlich zu sein, klang das ja auch schräg. »Nur zur Erinnerung, Seven, du bist achtzehn, du darfst dich nicht betrinken, das ist dir klar, oder?«, witzelte er nun grinsend.

»Ach, vergiss es!« Es machte mich wütend, dass Nathan mich nicht ernst nahm. »Irgendwas Merkwürdiges ist da heute Abend passiert. Da waren diese Typen und dieser DJ, der … irgendwas mit den Leuten im Club gemacht hat.« Ich sah Nathan eindringlich an. »Du kannst dir das nicht vorstellen, aber da sind schlagartig alle umgefallen. Einfach aus dem Stand – zack – und alle lagen am Boden.«

»Alle sind gleichzeitig umgefallen?« Nun verbarg er seine Skepsis nicht einmal mehr. »Sicher, dass das nicht so was wie ein Flashmob war? Irgendwas Einstudiertes?« Er kratzte sich am Bauch und mein Blick glitt über seine Brust nach oben. Wieder stach mir der Knutschfleck ins Auge und ich kniff die Lippen zusammen.

»Das war ganz sicher nichts Geplantes«, widersprach ich, denn ich hatte ja einige der Gäste befragt, die ohnmächtig geworden waren. »Die Leute haben sich wehgetan, waren in Panik und als sie wieder zu sich kamen, hat irgendwer die Polizei gerufen. Die meisten haben sich dann verdrückt und ich bin hierhergekommen, um Robyn den Kopf abzureißen, weil sie mich da drin einfach allein gelassen hat. Aber wenn sie nicht hier ist, dann …« Ich schob den Stuhl zurück und stand auf. »Vielleicht gehe ich dann noch mal zum Club und finde heraus, was da los war. Könnte eine gute Story werden.«

Nathan hielt mich fest und drehte mich zu sich um. Sein Duft stieg mir in die Nase und ich musste schlucken. »Du gehst jetzt nirgendwo hin. Es ist fünf Uhr morgens und wenn da tatsächlich irgendwas Schräges abgegangen ist, dann will ich keinesfalls, dass du da noch mal hingehst.« Sein Blick hielt mich gefangen und ich bedauerte für einen Moment, wie es zwischen uns stand. Nicht, weil ich ihn zurückwollte, aber eine tröstliche Umarmung wäre gerade ganz schön.

»Bleib einfach hier und warte auf Robyn. Bestimmt kommt sie her, sobald sie den DJ flachgelegt hat. Du kennst sie doch.«

Ich raufte mir die Haare und stieß ein müdes Seufzen aus. Vielleicht hatte Nathan recht. Ich war müde und musste meine Gedanken sortieren.

»Dann ist es für dich … okay, wenn ich heute Nacht hierbleibe?«, fragte ich und benetzte meine Lippen. »Was ist mit deinem … Gast?«

Nathan schmunzelte. »Hätte ich geahnt, dass du vorbeikommst, hätte ich niemanden eingeladen, das schwöre ich.«

»Tja, wenn man das immer wüsste«, gab ich zurück und wandte mich Robyns Zimmertür zu, als Nathan meine Hand erneut fasste und mir in den Weg trat.

»Ich hätte lieber die ganze Nacht mit dir geredet, als …« Er nickte in Richtung seines Zimmers. »Das musst du mir glauben.«

»Ich glaube, was ich sehe«, entgegnete ich kühl, denn im Moment trennten mich nur eine schmale Wand und ein paar Meter von der Frau in seinem Bett. Entschlossen schob ich mich an ihm vorbei. »Gute Nacht, Nathan.« Matt ließ ich mich gegen die Tür sinken und lauschte in den Flur. Ein Seufzen erklang, dann zwei Schritte, ehe auch Nathans Tür leise geschlossen wurde.

»Ich glaube, was ich sehe«, wiederholte ich leise und schüttelte den Kopf, um jeden Gedanken an Nathan und seinen Gast loszuwerden. Immerhin hatte ich heute Nacht etwas viel Unfassbareres gesehen und erlebt. Nachdenklich schlüpfte ich aus meiner Jacke und warf sie aufs Bett, ehe ich mir grübelnd mit den Fingern die dunklen Haare auskämmte. Was hatte ich denn gesehen? Einen Flashmob, wie Nathan glaubte? Ein Attentat? Ich sank auf Robyns Bett und ließ mich nach hinten fallen. Eher ein Attentat als ein TikTok-Trend, da war ich mir sicher. Die Frau, die ich befragt hatte, nachdem sie aufgewacht war, vermutete irgendeine Droge im Dampf der Nebelmaschine. Ich schloss die Augen und versuchte, mir die Bilder des Abends in Erinnerung zu rufen. Es war verrückt, dass all die Menschen wie durch Zauberhand einfach zusammengeklappt waren. Wie sie verängstigt und erschrocken wieder zu sich kamen – das passte nicht zu einem geplanten Event. Sie alle waren genauso überrascht darüber, was mit ihnen geschehen war, wie ich.

Und diese Uniformierten? Der Wachdienst, wie Nathan vermutete? Was hatten die damit zu tun? Warum waren sie nicht in Ohnmacht gefallen? Ich blinzelte, denn die Erinnerung an den Lichtblitz sandte noch jetzt einen pochenden Schmerz in meinen Kopf. Das Licht hatte diese Wachleute geblendet, und doch … »Brillen auf und weiter!«, erinnerte ich mich an den gebrüllten Befehl. Hatten diese Kerle mit der stechenden Helligkeit gerechnet? Waren sie auf das gefasst gewesen, was geschehen war? Wie war das möglich?

»Vielleicht ein missglücktes militärisches Experiment?«, murmelte ich und rollte mich auf die Seite, um die Tür im Auge zu haben. Robyn würde nicht glauben, was sie verpasst hatte.

Ein Klopfen an der Tür riss mich aus dem Schlaf.

»Verdammt!« Ich war eingenickt. Hektisch setzte ich mich auf, als Nathan schon den Kopf zur Tür reinstreckte.

»Sorry, hab ich dich geweckt?« Stirnrunzelnd trat er ein. »Dann ist Robyn noch nicht wieder da.« Es war keine Frage, eher eine Feststellung.

»Offensichtlich nicht.« Ich zog mir die Decke bis zum Kinn, denn nach der Nacht im durchschwitzten Shirt roch ich nicht mehr ganz so frisch, wohingegen er so aussah, als hätte er eben geduscht. Sein dunkelblondes Haar war noch feucht und er duftete im Gegensatz zu mir herrlich nach Duschgel.

»Und was jetzt?« Nathan sah mich an und sein Blick wanderte über mein inzwischen sicher grauenvoll verschmiertes Make-up. »Denkst du, ihr ist etwas zugestoßen? Sollten wir die Polizei …?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Robyn verschwindet ja oft mal mit irgendeinem Typen für einige Tage – denk an den Tänzer aus Staten Island, mit dem sie tagelang unterwegs war, ohne sich einmal zu melden.«

Nathan nickte. »Das war doch direkt am Tag nach deinem achtzehnten Geburtstag.«

»So wird es vermutlich wieder sein«, überlegte ich laut und rieb mir die Schläfen.

»Du hast recht«, meinte Nathan schulterzuckend. »Wenn da attraktive Typen waren, dann weißt du, wo sie gerade ist – und was sie tut, oder?«

Attraktive Typen? Ich dachte unweigerlich an den DJ, auch wenn mir die Erinnerung an ihn eine Gänsehaut bereitete. Irgendwas an ihm war unheimlich. Er hatte ganz sicher etwas mit den Vorkommnissen im Club zu tun. Aber was? Wie ließ sich sein merkwürdiges Verhalten erklären? Warum hatte er diesen Kaugummi … Halt, das war doch gar kein Kaugummi gewesen.

»Verdammt!«, flüsterte ich und kämpfte mich aus dem Bett. »Ich brauch ’ne Dusche, ’nen Kaffee und dann … geh ich noch mal rüber zum Never. Irgendwas ist da gestern passiert. Irgendwas, das garantiert eine Story wert ist.«

»Eine Story?« Nathan schaute mich missbilligend an. »Ich verstehe dich nicht. Du sagst, da ist was Merkwürdiges vorgefallen und trotzdem willst du da wegen einer Story noch mal hin?« Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich halte das für keine gute Idee.«

»Was du denkst, ist mir egal, Nathan. Schließlich finde ich auch nicht jede deiner Entscheidungen gut – oder nachvollziehbar«, fügte ich mit einem Nicken in Richtung seines Schlafzimmers hinzu, ehe ich mir das Shirt über den Kopf zog und in Richtung Badezimmer verschwand.

Kapitel 4 Lux – in Licht getaucht

Seven

Vor dem Never stand noch immer ein Polizeiwagen und ein uniformierter Beamter befragte den Eigentümer des Clubs vor dem Eingang. Ich nahm zumindest an, dass der Typ im vornehmen Anzug neben dem BMW-Cabrio der Eigentümer war. Er sah einfach so schmierig aus, wie man sich jemanden vorstellte, der einen Nachtclub besaß. Ich rümpfte die Nase und wechselte die Straßenseite. Schließlich wollte ich kein Aufsehen erregen. Um etwas Zeit zu gewinnen, zog ich mein Handy aus der Jackentasche und tippte eine Nachricht an Robyn, während ich unauffällig die Umgebung ausspähte. Am Morgen sah das Never nicht halb so einladend aus wie am Abend zuvor, als die bunten Lichter und die Musik aus dem Inneren bis auf die Straße gedrungen waren und uns regelrecht in die Hitze der Nacht gelockt hatten. Jetzt war der Gehweg voller Scherben und zertretener Zigarettenschachteln, und die fragwürdige Lache an der Hausecke sah stark nach Erbrochenem aus. Ich machte einen weiten Bogen darum, als ich in die Seitenstraße des Clubs schlenderte. In der Panik heute Nacht hatten die Leute das Never auch durch den Notausgang verlassen, also vielleicht würde ich hier einen Hinweis darauf finden, was …

Ein Stück vor mir fiel die Tür des Notausgangs zu und das Geräusch riss mich aus meinen Überlegungen. War da jemand gewesen? Ich steckte das Handy weg und beschleunigte meine Schritte. Mein Herz hämmerte, als ich mich der Hintertür näherte. Die Stimme in meinem Kopf warnte mich, weiterzugehen, doch falls da womöglich eine Story zu holen war, durfte ich mir das nicht entgehen lassen. Ich hatte ja nichts zu verlieren, auch wenn Nathan meinte, dass die Idee riskant wäre. Was sollte schon passieren? Ich würde da einfach reingehen, mich umsehen – und wenn ich doch jemandem in die Arme lief, würde mir schon was einfallen. Trotzdem zitterte meine Hand, als ich nach dem Türknauf griff. Knarzend schwang die Tür auf und gab einen Schwall stickiger Luft preis. Da ich kein Frühstück im Magen hatte, war das Gemisch an Gerüchen nur schwer zu verkraften. Trotzdem wich ich nicht zurück. Mit einem Blick die Seitenstraße hinunter vergewisserte ich mich, dass mich niemand beobachtete, ehe ich in den Club schlich. Mit einem dumpfen Rumms fiel die Tür hinter mir zu und ich musste schlucken, als die Dunkelheit mich umhüllte. Die Lichtorgel über dem Mischpult war aus. Nur ein schwacher Lichtschein von der Bar ließ mich die Schemen des Mobiliars erkennen, aber es war zu finster, um Details auszumachen. Dennoch zögerte ich, die Handytaschenlampe anzuschalten. Über das laute Klopfen meines Herzens hinweg hörte ich irgendwo Gläser klirren. Vielleicht der Putztrupp oder ein Lieferant? Aber ich war hier definitiv nicht allein. Mit tastend ausgestreckten Händen schlich ich mich an der Wand entlang weiter in den Club. Weg vom schwachen Lichtschein der Bar, hin zu der dunklen Ecke beim Mischpult. Das Bild des DJs, der auf die Soundanlage geklettert war, drängte sich immer wieder vor mein geistiges Auge, und ich war mir sicher, dass der Kerl maßgeblich mit dem ganzen Chaos zu tun hatte. Aber wie? Und was war da überhaupt geschehen?

Eine Gänsehaut überzog meine Arme, als ich den Blick über die dunkle Tanzfläche schweifen ließ. Ohne tanzende Menschen kam sie mir kleiner vor. Aber vielleicht lag es auch daran, dass ich das andere Ende des Clubs von hier aus gar nicht sehen konnte. Mit einem prüfenden Blick zur Bar hinüber, wo nun die Geräusche verstummt waren, schaltete ich die Handytaschenlampe an. Ich lenkte den schwachen Lichtstrahl auf den Boden und hoffte, dass mich niemand erwischen würde. Aber wenn ich hier irgendwas finden wollte, musste ich dieses Wagnis eingehen. Schnell huschte ich aus meiner Deckung weiter zur nächsten Säule. Die Bewegung meines eigenen Spiegelbildes erschreckte mich und ich schnappte nach Luft. Meine Nerven lagen echt blank. Ein merkwürdiges Zittern braute sich unter meiner Haut zusammen und ich fragte mich, ob das Adrenalin, das mir durchs Blut rauschte, dafür verantwortlich war.

Mit zum Zerreißen gespannten Nerven erreichte ich den Bereich hinter dem erhöhten Mischpult und schlich die Stufen hinauf. Ein riesiger Bildschirm und etliche Strahler befanden sich hier und ich machte einen großen Schritt über einen dicken Kabelstrang, der mit Panzertape auf dem Boden festgeklebt war. Geduckt trat ich ans Mischpult und betrachtete einen Moment die Regler und Knöpfe der Musikanlage. Der matte Schimmer eines Schuhabdrucks war zu erkennen und ich berührte ihn leicht mit der Fingerspitze.

Was wolltest du da oben?, fragte ich mich in Gedanken und ließ meinen Blick schweifen. Etwa dort hinten, im Schatten der Tanzfläche, hatte ich gestern mit Robyn gestanden, ehe das alles passiert war. Ein Stück weiter, außerhalb meines aktuellen Sichtfelds, befand sich die Eingangstür, an der es zum Tumult gekommen war. Ich runzelte die Stirn. War der DJ neugierig gewesen, was dort los war? Oder wollte er sich erst einen Überblick verschaffen, als diese Sicherheitsleute …

Ein Geräusch ließ mich hinter dem Mischpult in Deckung gehen und ich wischte hastig übers Handydisplay, um die Taschenlampe auszuschalten. Wie ein Kind beim Versteckspiel wollte ich mir die Augen zuhalten, um nicht gesehen zu werden. Doch meine Neugier war größer als jede Angst und so rückte ich vor an die Nebelmaschine und spähte zaghaft über die Tanzfläche. Die Wand vor mir begann zu verschwimmen …

Tyler

»Und was hoffst du jetzt zu finden?«, fragte Milo und berührte mit seiner pulverbestäubten Handfläche die Wand an der Hinterseite des Never.

Auch Tyler hatte die silbernen Partikel des Aperta-Zaubers an den Fingern und wie bei Milo schmolz auch um ihn herum die Wand zu etwas, das für Menschen aussah wie flüssiger Gummi. Für ihn war es einfach die Substanz der Wand, die sich um ihn formte und bog, um ihn hindurchzulassen.

»Ich hab meine Kopfhörer noch hier. Und außerdem will ich wissen, ob die Doom Hunter irgendwelche Spuren hinterlassen haben.«

Die Dunkelheit im Club umfing die beiden und Tyler griff an seinen Gürtel. Wie am Abend zuvor löste er eines der winzigen Gefäße, die wie Ziernieten an seinem Gürtel aussahen. Doch diesmal ließ er die Niete nicht einfach zerplatzen, sondern kratzte nur ein Stück mit dem Fingernagel ab. Wie eine Schlange aus Licht fraß sich das Strahlen aus dem Inneren der Niete durch die Dunkelheit und löste sie auf.

Milo ging auf die Tanzfläche zu und es sah aus, als würde er sich durch weiße Wellen aus Polarlicht bewegen. Da war nicht einfach nur Helligkeit anstelle der Finsternis getreten, denn keine der Lampen im Club war angegangen. Vielmehr sandte jedes Molekül und Atom nun Lichtenergie aus, sodass selbst die Luft eine Leuchtquelle zu sein schien. Die Wellen aus Helligkeit waberten beinahe lebendig um Milos Körper, als er anfing zu tanzen.

»Leg was auf, dann machen wir Party«, meinte er und wippte übertrieben mit der Hüfte.

»Lass den Quatsch«, brummte Tyler, ging aber ebenfalls in die Mitte des Clubs. Er bückte sich und hob einige der Splitter auf, die seine über der Menge geplatzte Somnium-Kugel hinterlassen hatte. Es war unmöglich, das ganze magische Gefäß zu finden. Das war auch nicht nötig, denn niemand würde wissen, woher die winzigen Scherben stammten, oder dass in ihnen die Ursache für den Traumschlaf der Clubbesucher gelegen hatte. Trotzdem steckte er die gefundenen Splitter ein. Elcerans hinterließen keine Spuren. Gerade bückte er sich nach einer weiteren Scherbe, als ein kräftiges Beben das Never erschütterte.

An der Bar barsten Gläser und ein lautes Knacken hallte durch den Club, als eine der verspiegelten Säulen unter der Erschütterung Risse bekam. Staub rieselte von der Decke und Alkoholflaschen fielen aus dem Regal. Instinktiv ging Tyler in die Hocke, und fasste in die Innentasche seiner Jacke, bis er das Schutzelixier ertastete, während Milo – dem offenbar jeder Selbsterhaltungstrieb fehlte – stocksteif stehen blieb.

»Alter!«, rief Milo entgeistert und strich sich den Staub aus den Haaren. »Schon wieder ein Beben?« Er kam auf Tyler zu und hob fragend die Augenbrauen. »Was geht denn ab? Das ist doch schon das dritte Mal innerhalb einer Woche.« Stirnrunzelnd deutete er auf Tylers in der Jacke steckender Hand. »Was machst du?«

Tyler stand auf und zog die Hand aus der Tasche. »Wenn diese lumpige Balkendecke über uns zusammengekracht wäre, wärst du froh gewesen, wenn ich dir einen Platz unter meinem Schutzschirm frei gehalten hätte.«

Milo lachte und klopfte sich auf eine Tasche seiner tief auf den Hüften sitzenden Cargohose. »Ich nutze unsere Möglichkeiten vielleicht nicht so oft wie du, aber eine kleine Notapotheke hab auch ich immer dabei«, erklärte er und zog mit einer fließenden Bewegung den Reißverschluss der Tasche auf und holte die gleiche Essenz hervor, die auch Tyler stets bei sich trug. Er schnippte die kleine Phiole in die Luft, ehe er sie lässig wieder auffing und genauso schnell zurück in seine Tasche verschwinden ließ. »Am Ende brauchen wir das tatsächlich noch, wenn das mit den merkwürdigen Erschütterungen so weitergeht.«

Nachdenklich betrachtete Tyler die Spiegelscherben auf dem Boden. »Im Internet steht, dass die Seismologen keine Ahnung haben, was die Ursache für diese Beben sein könnte. Es gibt keine geologischen Vorkommnisse.«

Milo zuckte mit den Schultern. »Wenn die ihren Job so zuverlässig machen wie die Meteorologen, dann stürzt uns das Empire State Building auf den Kopf und die sagen, das war nicht vorhersehbar.«

Tyler nickte. »Wenn eines der Hochhäuser über uns zusammenbricht, hilft uns das Scutum-Elixier aber auch nichts«, überlegte er laut. »Hab’s nie ausprobiert, aber ich schätze nicht, dass meine Kräfte ausreichen würden, einen so mächtigen Schutzzauber gegen einen einstürzenden Wolkenkratzer anzuwenden.«

»Erst mal würde ich rennen«, überlegte Milo und rieb sich das Kinn. »Und sollte ich nicht schnell genug davonkommen, würde ich es wohl einfach auf den Versuch ankommen lassen«, meinte er pragmatisch. »Entweder der Wolkenkratzer zerdrückt dich oder du stirbst, weil du einen zu starken Zauber anwendest.« Er rieb sich das Kinn. »Ich würde es riskieren, denn von so ’ner ganzen Etage zerquetscht zu werden, fühlt sich bestimmt nicht so prickelnd an.«

»Wahrscheinlich nicht«, stimmte Tyler zu und wandte sich zum Mischpult um. Da das Beben vorüber schien, sollten sie sich wieder darum kümmern, weshalb sie hergekommen waren. Leider sah es nicht so aus, als hätten die Doom Hunter irgendwelche Hinweise hinterlassen.

Milo entfernte sich in eine der dunklen Ecken des Clubs und Tyler beschloss, wenigstens seine Kopfhörer zu holen, wenn hier sonst schon mit keiner Erkenntnis zu rechnen war.

»He, Tyler!«, rief Milo und kam zurück in den Lichtnebel. »Hast du noch ’ne Portion Lux für mich dabei? Ich will mich mal da drüben umsehen.«

Tyler verkniff sich ein Stöhnen. »Deine Notapotheke ist nicht gut ausgestattet, wenn du kein Lux dabeihast. Oder braucht so ’ne Leuchte wie du keinen Lichtzauber?«

»Witzig«, meinte Milo. »Du solltest als Comedian auftreten, nicht als DJ.«

»Dann müsstest du aber für meine Witze bezahlen«, gab Tyler zurück und schnippte die Niete, aus der noch immer ein helles Leuchten entwuchs, in Milos Richtung. Der fing sie auf und in dem Moment, als er die Hand darumschloss, versank der Club in Dunkelheit.

Seven

Ich wagte es kaum zu atmen, so gebannt war ich von dem, was ich sah. Gebannt von dem, was vollkommen unmöglich war. Da war dieser DJ. Tyler, wenn ich den zweiten jungen Mann richtig verstanden hatte. Tyler, der geradewegs durch eine massive Wand hereingekommen war und der ein Leuchten im Raum aus einem winzigen Ding in seiner Hand erschaffen hatte. Tyler, der gestern hier aufgelegt und mit einer kaugummiähnlichen Kugel eine Gruppenohnmacht ausgelöst hatte. Das war doch verrückt!

Mein ganzer Körper zitterte vor Adrenalin und ich war froh um den Moment der Dunkelheit, auch wenn er nur kurz währte. Was zum Teufel ging hier vor? Träumte ich? Lag womöglich irgendeine Droge in der Luft, die mir Halluzinationen verursachte? Um meine Gedanken zu klären, rieb ich mir übers Gesicht und kroch ein Stück näher an die Nebelmaschine, um besser sehen zu können. Das merkwürdige Licht entfernte sich und ich kniff die Augen zusammen.