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Dieses Semester ist alles anders! Während die Lehrenden auf ruhige Wochen gehofft haben, bahnt sich ein Krieg in der magischen Welt an, der auch die nichtmagische für immer zu verändern droht. Allerdings bleibt den Lernenden keine Zeit sich darum zu kümmern, denn wie sollen sie ihre magische und nichtmagische Ausbildungen stemmen, wenn sie die Welt retten sollen? Dafür hat doch niemand Zeit – außer vielleicht der Zeitmagische oder die ewig lebende Magische, die merkwürdigerweise immer die Finger im Spiel zu haben scheint, wenn sich sogar für die Zauberwelt seltsame Dinge ereignen. Als eine Prophezeiung ans Licht kommt und die Psychometrie-Magischen verschwinden, sind sich alle Magischen einig: Hier stimmt was nicht. Aber was?
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Seitenzahl: 936
1. Auflage, 2022
© Alea Libris Verlag, Wengenäckerstr. 11, 72827 Wannweil
Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Melanie LübkerKorrektorat: Lisa Heinrich
ISBN: 9783988270016
Druck: CPI Ebner & Spiegel GmbH
© Covergestaltung: Viktoria Lubomski | Grafikdesign – https://www.lubomski.de/ Unter Verwendung folgender Stockdaten: adobestock. com | voisine574 | photoworld | LeitnerR
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung. Die Personen und die Handlung des Buches sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig oder abgesprochen.
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Katharina, Vulpi, Marcel, Jana, Christoph, Dennis, Christoph, Sue, Asteria, Melanie, Esther, Raudka, Jay, Uwe, Lemanie, Bernd, Svenja, Nicole, Holger, Maite, Veronika, Julius, Ute, Irina, Olvier, Stephanie, Angelos, Katja, Frauke, Christopher, Mandy, Dominik, Isabella, Annika, Gianluca, Jessica, Thomas, Ralf, Colin, Bea, Vanlau, Felix, Isabelle, Tuskumo, Olli, Doris, Lumen, Vicky, Vanessa, Marion, Marve, Alina, Volker, Artur, Teresa, Norman, Antoine, Bettina, Bella, Peter, Ann-Kathrin, Sarah, Andreas, Sarah-Marie, Stefanie, Bernhard, Franziska, Inna, Marc, Patricia, Jacqueline, Jackie, Juliana, Juliane, Jasmin, lena, Marina, Jelto, Tabea, Mike, Sebastian, Julia, Carina, Lars, Jasmin, Marco, Anja, Marco, Florian, Andreas, Henrik, Steffen, Kathrin, Aljoscha-Nikolaj, Florian, Andrea, Juna, Nina, Peter, Julia, Philipp, Peter, Berit, Birgit, Tirza, Teresa, Andrea, Rene, Jürgen, Aileana, Gertraud, Aline, Janika, Victoria, Jannis, Kita, Nadine, Lena, Celeste, Anke, Ariane, Zefiiel, Jae, Marco, Sophie, Lioba, Tanja, Yvonne, Kuddel
Vorwort.
Leute, ich hab mir das immer super episch vorgestellt und mit viel Tamtam – und sitz jetzt hier und weiß nicht, was ich tun soll. Oder schreiben, das trifft es eher.
Hier ist es also. Das Legendarium. Die schwäbische Zauberschule. Das Mammutprojekt. Der Auftakt einer langen Buchreihe voller Intrigen, Sarkasmus, großartigen Künstler:innen, Herzenmenschen und Easter Eggs.
Die Figuren sind an real existierende Menschen angelehnt; eine Hommage an die bewundernswerten Menschen in meinem Umfeld. Die Literaturabbilder sind exakt das: Abbilder. Was sie sagen, wie sie sich benehmen und wie sie handeln, sind nicht von den Vorbildern abgeguckt und entspringen rein meiner Fantasie. Daher bitte ich euch darum, hier zu differenzieren.
Es gibt auf YouTube Bonusmaterial zum Anhören, auch um einige Hintergründe besser zu verstehen, und ich sollte euch warnen: Hier sind mehrere Handlungsstränge, die zeitgleich laufen und miteinander verknüpft. Deshalb gibt es eine Figurenübersicht und einen Zeitstrahl, den ihr über den QR-Code abrufen könnt.
Bevor ich mich in wenig klugen Worten verliere oder im Kreis drehe, wünsche ich euch nun viel Spaß beim Lesen und hoffentlich sehen wir uns in Band 2 wieder.
Liebe und so GedönsMischu
Intermission 1
Der Konferenzraum roch noch neu, was ein wenig störte, aber wohl nur ihn. Dass Oliver ausnahmsweise mal dabei sein durfte, wunderte ihn, doch er hatte nicht vor, sich zu beschweren. Sein Vater hatte ihn dazu geholt, damit er endlich auch mal ein wenig von ihm lernte, doch irgendwie glaubte er nicht, dass das der Fall sein würde. Es war wahrscheinlicher, dass sein Vater ihn dazu benutzen würde, vor den anderen im Aufsichtsrat besser dazustehen und etwas von Familienunternehmen faseln – denn das schien diese ehemaligen Magischen immer zu beeindrucken. Neben seinem Vater, auf der anderen Seite, saß sie. Sie, die nicht Teil der Familie war und seinem Vater näherstand, als ihm lieb war.
»Wir brauchen neue Wege, neue Möglichkeiten. Die Runen und kleinen Glücksbringer, die in den Läden zu kaufen sind, sind ja ganz nett«, der abschätzige Ton eines der ältesten Mitglieder des Rates war so eindringlich, dass er keinen Platz für seine eigenen Gedanken ließ. Notgedrungen riss er sich am Riemen und konzentrierte sich. »Wir brauchen etwas, das uns einen besseren Zugang zur Magie verschafft und auch bessere Verdienstmöglichkeiten. Welchen Nutzen soll dieses Unternehmen denn sonst haben?«
Die Provokation war unüberhörbar. Er spitzte die Ohren. Niemals hatte er mitbekommen, dass es jemanden gab, der seinen Vater infrage stellte. Und doch gab es diesen einen alten Mann, der wohl auch einer der Ausgestoßenen war und seinen Vater offen ins Visier nahm.
»Was soll das heißen? Der Nutzen dieses Unternehmen ist klar und deutlich!«, fuhr die junge Frau an der Seite seines Vaters auf. Ihre Stimme hatte einen keifenden Klang angenommen, wie jedes Mal, wenn sie glaubte, sich selbst verteidigen zu müssen – oder jemand anderen. »Wir sorgen dafür, dass jeder Zugang zu magischen Fähigkeiten hat – nicht nur die Elite, die sich dem König unterwirft!«
Am liebsten hätte er sich eingemischt und gesagt, dass es nicht so war, dass es nicht nur der Elite erlaubt war, sondern allen jenen, die sich an die Regeln hielten, doch das war nichts, was man hier gerne hörte. Alle an diesem Tisch waren Ausgestoßene aus der magischen Welt, aus allen Legendarien verbannt. Keiner der Anwesenden durfte mehr Magie anwenden und sollten dazu auch nicht mehr in der Lage sein, dennoch gelang es einigen von ihnen immer wieder, Zauber zu wirken. Ob das an den Mitteln lag, die sein Vater verkaufte? Er konnte es nicht sagen, dafür hatte er zu wenig Einblick in die Geschäfte.
»Pfeif deine Hündin zurück, Fridolin. Das ist peinlich, dass du dich von so jemandem verteidigen lassen musst.« Der alte Mann, dessen Namen er nicht kannte, schien nicht bereit, klein beizugeben. Etwas Gefährliches glitzerte in seinen Augen, doch er konnte es nicht zuordnen. »Dieser Edelmut, dass wir jedem Magie zuteilwerden lassen wollen, ist sicher großartig für die Medien und öffentlichkeitswirksam, aber hier brauchen wir uns doch nichts vormachen.«
»Was soll das heißen?«
»Das soll heißen«, antwortete der alte Mann süffisant auf die Frage seines Vaters, »dass wir neue Artefakte brauchen, um uns mit neuer Magieessenz zu versorgen, damit wir mehr als nur kleine Runensteine benutzen können. Wenn wir es schaffen, einen neuen Markt zu erschließen – mit Tränken, Smoothies oder einer Art magischem Ingwer-Shot. Dann werden wir nicht nur dafür sorgen, dass mehr Menschen Magie anwenden können und sich die Regeln ändern müssen – der Kaiser hat uns zu lange beherrscht und unsere Talente brach liegen lassen –, womit auch dem ach so wohltätigem Ziel alle Ehre gemacht wurde, sondern auch Geld machen. Mit dem Geld können wir unsere Forschung weiter vorantreiben, sodass wir möglicherweise auch ohne Artefakte auskommen können.«
In seinen Ohren klang das durchaus vernünftig, wenn auch ein wenig utopisch und nicht ganz angebracht. Auch der Tonfall war genauso ungewöhnlich wie die Ausdrucksweise – vielleicht war das aber ein Nebeneffekt, wenn man aus der magischen Welt verstoßen wurde? Man alterte oder wurde eine Anomalie, weil man sich nicht im Griff hatte? Verbotene Magie war etwas, wozu man auch Zugang bekam, wenn man einen dieser Tränke nahm. Jedes Kind lernte früh, dass diese Art der Zauber das Gleichgewicht dermaßen störten, dass es zu wahren Katastrophen kommen konnte. Oliver wusste nicht, ob er sich das für die Welt wünschte.
»Du klingst, als hättest du einen Plan, Matthias. Hast du denn schon Artefakte im Blick, die uns dieses Wunder ermöglichen? Magieessenzen, die so stark sind, dass wir davon eine Weile zehren können?« Sein Vater war wieder ganz der Geschäftsmann, wie man ihn kannte. Nicht bereit, sich eine Blöße zu geben, nicht bereit, sich eine Schwäche anmerken zu lassen. »Welche Artefakte sollten denn eine solche Macht haben, dass sie sogar in unseren Händen Wirkungen erzielen?«
»Die goldenen Glücksschuhe des Sepps und die eisigen Herzen der Empathen.« Matthias beugte sich vor, ein gemeines Lächeln auf den Lippen. »Wenn wir die Empathen auf unsere Seite bringen und sie mit uns zusammenarbeiten, können wir sogar noch wesentlich mehr machen, als ein wenig Magie in Flaschen zu verkaufen.« Ein hinterlistiges Funkeln trat in seine Augen. »Fridolin, ich weiß, dass es Aufzeichnungen gibt, die besagen -« Sein Blick wanderte unstet umher, und eine bleierne Müdigkeit legte sich über ihn, über sie alle. »- dass wir das nicht hier besprechen sollten. Nicht, solange alle wach sind.«
Kapitel 1Zephia
Zephia? Wie Sepia, nur völlig falsch geschrieben?« Das Lachen, das auf diesen Spruch folgte, erstarb bei ihrem Gesichtsausdruck. Zephia verschränkte die Arme und beobachtete, wie das amüsierte Funkeln in den Augen des jungen Mannes vor ihr erlosch und durch Unsicherheit ersetzt wurde.
»Wenn du dann fertig bist mit deinen unlustigen Witzen, wäre es überaus gütig, wenn du mein Gepäck in mein Zimmer bringen würdest.« Sie hob eine Augenbraue und sah sich um. Acht lange Wochen war sie ohne dieses Schloss ausgekommen – zu Hause, in Holzwickede, war die Schule nicht ansatzweise so prächtig und eindrucksvoll. Allerdings gab es dort auch keine magische Familie, die an das Gebäude gebunden war, da waren die Hohenzollern im Vorteil. Zephia seufzte. Zwei Monate war sie nicht mehr hier gewesen. Zwei Monate, in der Schloss Hohenzollern nicht ihr Zuhause gewesen war, hatten sich sehr lang angefühlt, aber auch gleichzeitig erholsam. Hauptsächlich, weil sie sich nicht mit diesem Dialekt herumschlagen musste, aber auch, weil es guttat, wieder unter ihresgleichen zu sein. Doch immer nur die Gesellschaft von Giftmischern und Alchemisten zu haben, ließ einen wunderlich werden – da schätzte sie die bunte Vielfalt an Magiebegabten auf Hohenzollern. Vor allem ihre beiden Freundinnen, die Empathinnen Julia und Manuela.
»Was ist?«, blaffte sie den Pagen an, der keine Anstalten machte, sich zu bewegen. Zu seinem Glück gab es diese Regel, dass man seine Magie verlor, wenn man jemand anderes angriff und verletzte. Andernfalls hätte sie ihn längst büßen lassen. »Kannst du mich nicht verstehen? Muss ich dir ein Bild malen, wie man Koffer trägt?«
»Mei, hasch du eine Laune.« Der Duft von Kaffee hüllte Zephia ein, und auch ohne diesen hätte sie gewusst, wer da auf sie zukam. Schlurfende Schritte und ein leichtes Schwäbeln – Manuela war schon erstaunlich früh auf den Beinen. Die Empathin war dafür bekannt, sich in ihrem Büro zu verkriechen, wenn sie früh aufstehen musste, und so lange dort zu bleiben, bis sie entweder gerufen wurde oder es draußen dunkel war. Dass sie jetzt auftauchte, bedeutete wohl, dass die garstige Schwäbin sie vermisst hatte. Zephia reckte etwas den Hals, um nach Julia zu sehen, doch die Freundin war nirgends zu sehen.
»Aw, du hast mir auch gefehlt«, erklärte Zephia und wollte Manuela umarmen – deren Blick sie eindringlich davor warnte, dies zu tun. »Schon gut, schon gut.«
Manuela nahm einen Schluck aus ihrer Tasse. »Mit dem mussch schwäbisch schwätzen.« Wie um sich zu sammeln, schloss die Freundin die Augen und sagte dann an den Pagen gewandt: »Würdeschd du die Sacha vo Zephia in ihr Zäwwl bringa? Auschbagga brauchschd’s ned.1«
Der Page nickte, griff nach den Koffern und marschierte davon.
»S isch vielleicht bissle ungewöhnlich, aber es isch auch bissle lustig, dass die Angestellten nur auf Schwäbisch reagieren.« Das Lächeln auf dem Gesicht Manuelas hatte etwas Böses. »Komm, ich hab dir was besorgt. Und du willst doch sicher nicht sofort auspacken, oder?« Ohne eine Antwort abzuwarten drehte Manuela auf dem Absatz um. Zephia verdrehte die Augen und folgte der Freundin, die ohne sich umzusehen den Flur entlangging.
»Ist Julia auch da? Oder ist sie wieder auf einer Mission?«, rief Zephia Manuela zu, als sie sich beeilte, aufzuschließen.
»Wieso? Reiche ich dir als Gesellschaft nicht oder was?«, kam es undeutlich zurück. Die Kaffeetasse war quasi an Manuelas Mund angewachsen, weshalb ihre Worte oft sehr genuschelt waren. Manchmal machte es den Anschein, als würde sie sich von der dunklen Flüssigkeit ernähren.
»Für ne Empathin bist du ne ziemliche Zicke, weißt du das?«
»Das eine schließt das andere nicht aus«, kam es trocken von Manuela. Sie führte Zephia durch einen langen Gang, hinüber zum Südflügel des Schlosses. Dort lagen das Büro der Empathin und ihre Räumlichkeiten. Zephia schmunzelte, wenn sie daran dachte, wie jedes Jahr aufs Neue ein Gastdozent meckerte, dass die beiden Empathinnen mitunter die größten Zimmer bewohnten. Dass sowohl Julia wie auch Manuela aber im Auftrag der Magierfamilien durch die Länder reisten, um den Frieden zwischen Magischen und Nichtmagischen zu bewahren, wurde dabei gern übersehen. Dass sie sich dann den Luxus gönnten, ihre eigenen Wohnungen im Schloss zu haben, war da nur fair – zumal die Zimmer so verzaubert waren, dass sie überall gleich waren. Julia hatte mal versucht, es ihr zu erklären, war aber an Zephias Unverständnis für Dimensionslehre gescheitert. Manuela hatte es mit weniger Geduld und einfachen Beispielen versucht, doch es blieb ihr noch immer ein Rätsel. Zephia wusste, dass die Zimmer der beiden Empathinnen in jeder Schule weltweit an der gleichen Stelle waren, was sie zur idealen Anlaufstelle machte, wenn man Hilfe benötigte. Die große Konstante – und die Schüler aller Schulen konnten sie jederzeit aufsuchen. Zephia grinste. Das war etwas, worum sie die Zwei nicht beneidete. Jederzeit für jede Zauberschule als Vertrauenslehrer bereitzustehen, wäre für sie nichts – kein Wunder, dass sie sich meistens verkrochen. Und wenn sie mal unterwegs waren, gaben ihnen ihre Seelentiere Bescheid, sobald sie gebraucht wurden. Nein, mit den beiden Empathinnen würde sie nicht tauschen wollen. Vor Manuelas Büro blieben sie schließlich stehen, die große, schwarze Eule, die auf einer Stange über der Tür saß, flatterte zu Zephia und setzte sich auf ihre Schulter. Mit einem Laut, den man auch als Gurren deuten konnte, schmiegte sie ihren Kopf an Zephias Hals.
»Sie hat dich vermisst.« Manuelas Gesichtsausdruck verriet nicht, ob sie sich darüber freute oder genervt war. Auch ihre Stimme ließ keine Schlüsse darüber zu. Typisch Empathin! Ohne etwas zu sagen, öffnete Manu die Tür, nickte mit dem Kopf nach drinnen. Zephia folgte der Freundin, während die Eule an ihrem Ohr knabberte.
»Ich dachte, ich bring dir was mit. Oder besorg dir was – du weißt, was ich mein. Von den vielen, vielen Reisen der letzten Wochen wollt ich dir mehr geben als kitschige Postkarten, die eh irgendwann im Müll landen.« Manuela ließ sich in ihren Ledersessel fallen, der doppelt so breit war wie sie, und stellte ihre Tasse auf den Schreibtisch. Die Freundin wirkte müde und genervt – mehr als sonst. Zephia runzelte die Stirn und setzte sich ebenfalls, auf einen nicht halb so bequemen Stuhl.
»Willst du da nicht mal was Bequemes für deine Gäste hinstellen?«
»Nö. Nachher ist es zu gemütlich, und dann gehen die gar nicht mehr und hocken am Ende dauerhaft hier! Wer will denn das?!« Manuela nahm einen großen Schluck aus ihrer Tasse und verzog das Gesicht. »Hier. Bissle wärmer darfsch scho sein, gell?« Mit dem linken Zeigefinger tippte sie gegen die Tasse.
»Ehrlich, so eine -«
»Hast du sie ihr schon gegeben?«, platzte Julia in diesem Moment ins Büro. Ihre vor Aufregung mehrere Oktaven nach oben gekletterte Stimme schreckte die Eule auf, die empört schreiend und Zephia eine Strähne ausreißend auf die Stange über dem Fenster flog. Manuela schnalzte missbilligend. »Nein.«
»Warum nicht? Sie ist doch schon ne halbe Stunde da! Ich hab sie diskutieren hören, wollte mich schon einmischen, doch dann hab ich dich … Wie lang kann man denn brauchen, um anzukommen?!« Julia stemmte die Fäuste in die Hüfte. »Was habt ihr gemacht? Schafe bewundert und Ziegen gemolken?«
»Was?« Zephia blinzelte, doch Manuela zuckte nur mit den Achseln. »Was stimmt nicht mit euch?«
»Das weißt du!« Lachend schwang sich Julia auf den freien Stuhl neben Zephia. »Losloslos.«
Manuela verdrehte die Augen und trank noch einen Schluck Kaffee.
»Manu!«
»Jaha. Isch ja gut.« Nicht ohne einen letzten, genervten Blick auf ihre Schwester zu werfen, beugte sich Manuela zur Seite und holte etwas aus der Schublade. Mit ausdrucksloser Miene schob sie es Zephia zu.
»Okay?«
»Machaufmachaufmachaufmachauf!« Julia sprach so schnell, dass nur das aufgeregte Klatschen ihrer Hände verriet, dass ein neues Wort gesagt wurde.
»Was ist das?«
»Mach’s einfach auf, dann weischd es.« Manuela lehnte sich zurück und trank noch einen Schluck. »Und mach das schnell, sonst explodiert Julia, und die Sauerei mach ich nicht weg.«
Misstrauisch griff Zephia nach der Box, oder besser gesagt dem Karton. Manuela und Julia schenkten nie etwas, ohne sich dabei etwas zu denken, abgestimmt auf das dominanteste Gefühl, das sie bei der zu beschenkenden Person empfanden. Die Blicke der Empathinnen nur allzu deutlich auf sich spürend, hob sie den Deckel und starrte verwirrt auf eine Tasse und einen Löffel. »Hä?«
»Gern geschehen«, sagten die beiden wie aus einem Mund. »Wir wussten, du wünschst dir so was.«
»Das ist gruselig, das ist euch bewusst, ne? Also, im Chor zu sprechen. Als würdet ihr euch ein Gehirn teilen.« Vorsichtig hob sie eine Tasse aus Holz aus dem Karton. Sofort füllte sie sich mit frischem, dampfendem Kaffee, als wären Zephias Gedanken gelesen worden, und das nur, weil sie kurz den Löffel berührte. »Okay, wow.«
»Der Löffel bestimmt, was drin sein soll. Also, wenn du umrührst, kommt dann auch genau die Flüssigkeit, die du haben willst.« Julia beugte sich vor, stützte die Arme auf der Lehne von Zephias Stuhl ab. »Ist das nicht cool?«
»Ja!« Und da Zephia wusste, dass Julia keine Probleme mit Umarmungen hatte, drückte sie die Freundin. »Aber – wie? Ich meine … Jules hat doch gesagt, er macht so was nicht mehr!« Erstaunt beobachtete sie, wie die beiden erröteten. »Was habt ihr getan?«
Doch bevor sie etwas sagen konnten, leuchteten die Herzen aus ewigem Eis an den Ketten der Empathinnen in allen Farben des Regenbogens.
»Schön. Die Studierenden sind da. Großartig.« Manuela nahm einen Holzlöffel zur Hand und rührte damit in ihrer Tasse. Der schwere Geruch von Baileys erfüllte die Luft. Mit einem genüsslichen Seufzen leerte sie die Tasse in einem Zug und ließ sie locker vom kleinen Finger baumeln. An der Tür zum Büro blieb sie stehen. »Kommt ihr?«
Julia sprang vom Stuhl, weitaus weniger enthusiastisch wie zuvor, und verzog das Gesicht. »Das wird nicht lustig. So viele Emotionen, die ich jetzt schon schmecken kann! Das wird ein hartes Semester.«
Manuela warf ihre Tasse in die Luft, fing sie auf und rührte mit dem Löffel darin. Erneut erfüllte der Duft von Baileys und Kaffee die Luft. »Ihr glaubt doch nicht, dass ich das nüchtern über mich bringe, oder?«
Zephia hob eine Augenbraue. »Dann …«
Julia kicherte, griff nach der Tasse an ihrem Gürtel und schien es ihrer Schwester gleich zu tun. Zephia runzelte die Stirn und betrachtete die Tasse. Kurzerhand rührte auch sie mit dem Löffel darin und folgte dem Beispiel der beiden Freundinnen, bevor sie sich zu ihnen gesellte.
»Dann lasst uns die Wissbegierigen ihren Kurse zuteilen«, murmelte Zephia.
Kapitel 2Manuela
Neues Semester, neue Lehrende und neue Lernende – Manuela hatte absolut keine Lust auf die vielen Menschen, die in Kürze wieder durch das Schloss tingelten, lärmten und unnötig viele Gefühle besaßen und entwickelten. Sprach eigentlich etwas dagegen, den Schlossbewohnenden eine Kleinigkeit ins Essen zu mischen, das ihnen, ihrer Schwester und ihr, dieses ganze Dramentheater ersparte? Eine Art Emotionsregulierer oder Betäubungsmittel? Sodass sie zwar funktionierten, aber mehr wie Roboter, weniger wie hormongesteuerte Pubertierende? Mit einem Seufzen nahm sie einen großen Schluck aus ihrer Tasse und setzte sich an diesen elendig langen Tisch. Dass dieser auf einer Empore stand, sodass die Lernenden automatisch zu ihnen aufsehen mussten, war ihr zuwider, doch Elisabeth von Hohenzollern war der Überzeugung gewesen, sich den Aufbau der großen Halle aus Harry Potter als Inspiration für ihre Einrichtung herzunehmen und danach einzurichten. So sah der große Speisesaal, der öfter zweckentfremdet wurde, damit die Dekanin und Schlossherrin ihrem Ego schmeicheln konnte, aus, als wäre er direkt aus dem Film genommen worden. Gut, nicht ganz. Er war geschmackvoller eingerichtet und nicht so altertümlich, aber auch nur, weil es immer wieder zu magischen Unfällen gekommen war. Dennoch sorgte sein Interieur für Erstaunen, Begeisterung oder wenn sich die Lernenden mit der Autorin der Romane auseinandersetzten, für nicht ganz so erfreute Gefühle. Die sie als Empathin alle spürte.
Manuela nahm noch einen Schluck. Sie hasste diese Schule manchmal mehr, als für ihren Beruf gut war, doch als Empathin war ihr eine freie Berufswahl nur vergönnt, wenn sie sich aus der magischen Gemeinde ausschließen ließ – und das hatte sie nicht vor. Ihr Blick wanderte über die Köpfe und Gesichter der Neuankömmlinge und auch der Rückkehrer. Hier und da entdeckte sie jemanden, dem sie während der vorherigen Semester mehr geholfen hatte als anderen und somit einen besseren Draht hatte. Im Wissen, dass es zu unmissverständlicher sozialer Degradierung beitrug, wenn man offen einen Lehrenden begrüßte, nickte Manuela den Schützlingen zu, die schwach lächelten. Als ob sie besser gewesen wäre! Damals, als sie hier zur Schule gegangen war, hatte sie noch nicht einmal gelächelt, sondern lediglich Blickkontakt gehalten. Manuela nahm noch einen Schluck – und stellte entsetzt fest, dass der Whisky-Winterpunsch einer bekannten, amerikanischen Marke leer war. Möglichst leise rührte sie in ihrer Tasse, um sie wieder aufzufüllen.
»Nun, nachdem unsere Vertrauenslehrerin bewiesen hat, dass sie keinerlei Manieren besitzt und sich nicht von ihrer Tasse trennen will, können wir anfangen.« Elisabeth von Hohenzollern, jeder Zentimeter ihres Seins Schlossherrin durch und durch, stand an einem Pult vor der großen Tafel, an der die Lehrenden saßen, und warf Manuela einen zutiefst missbilligenden Blick zu. Ihr Kostüm war pompös, erinnerte an ein Kleid aus längst vergangenen Tagen und war gleichzeitig ein modernes Business-Outfit, was wohl eine Art Verschmelzung der Moderne mit dem Traditionellen darstellen sollte. Manuela fand es affektiert, aber es lag nicht an ihr, über Modegeschmack ihrer Arbeitgeberin zu urteilen. Auf jeden Fall war deutlich, dass Elisabeth ein Zeichen setzen wollte, auch wenn sie sich selbst ein wenig im Weg stand, indem sie ihre Angestellten – also sie, Manuela – mit wütenden Blicken taxierte. Würde sie darüber hinwegsehen, konnte man glauben, dass Elisabeth über den Dingen stand, aber dafür benötigte man Haltung und Rückgrat. Beides war nicht die Stärke der Schlossherrin.
»Ich heiße euch alle auf Schloss Hohenzollern herzlich willkommen. Mein Name ist Elisabeth von Hohenzollern, ich bin die Schlossherrin und Dekanin der Schule.« Sie machte eine Pause, Manuela verdrehte die Augen. Niemand würde ihr zujubeln, falls sie das erwartete, und keiner der männlichen Wissenssuchenden würde seine Boxershorts hochwerfen, um ihr zu schmeicheln. Was vielleicht auch besser war. Als die bewundernden Reaktionen ausblieben, fuhr Elisabeth fort, nicht ohne eine leicht säuerliche Miene aufzusetzen.
»Ihr befindet euch hier an einem der größten und besten Legendarien des deutschsprachigen Raumes. Wir bieten euch eine unglaubliche Zeit, bestens ausgebildete Lehrerinnen, sowie jederzeit Zugang zu magiefreien Aktivitäten in der Stadt und Kontakt mit Nichtmagischen.« Elisabeth sah sich Beifall heischend um, Manuela spürte, dass sie für ihre bewusste Wahl des Femininums gelobt werden wollte, doch erneut blieben die Wissenssuchenden stumm und reglos. »Wir werden euch helfen, dass eure magische Ausbildung nicht mit der nichtmagischen kollidiert. Ihr könnt sowohl euren magischen Studien nachgehen, wie auch euren nichtmagischen – es wird keine Probleme mit Fehlzeiten in diesen unsäglichen Schulen ohne Magie geben.« Sie lächelte, Manuela würgte innerlich. Die Selbstzufriedenheit der Schlossherrin sorgte dafür, dass sich ihr Magen umdrehte. »Ihr habt hier immer eine Ansprechpartnerin – die beiden Empathinnen des eisigen Herzens sind stets für euch da. Ich freue mich sehr, auch die Feen aus Spanien, die Kobolde aus Irland und die Katzenmagischen aus Ägypten zu begrüßen. Es ist viel zu lange her, dass wir so besondere Gäste in unseren bescheidenen Hallen hatten.«
Unweit von sich konnte Manuela Julia würgen hören und grinste in ihre Kaffeetasse. Ja, es war schon ein wenig dick aufgetragen und schwer zu ertragen, doch dass ihre Schwester forsch genug war, ihre Abneigung so offen zu demonstrieren, war auch für Manuela neu.
»Ich bin sehr erfreut darüber, dass wir eine Vielzahl verschiedenster Kulturen und Wesen hier begrüßen dürfen, und bin mir sicher, dass unser Gestaltwandlungslehrer und Bestiarienmeister Michael Krumm sich besonders darüber freuen wird, Gesellschaft zu bekommen. Bisher hatte wir hier nur wenige Gestaltwandler, doch ist freue mich, dass es dieses Semester mehr sind. Auch die Küchenmagischen sind herzlich eingeladen, sich mit den Küchenchefs des Schlosses bekannt zu machen und ihre Magie zu verfeinern – wer weiß, vielleicht wird hier die nächste Sensation der kulinarischen Welt geboren.« Elisabeths Lachen war so falsch wie Manuelas Begeisterung über ihren Job oder Julias Liebe für alles, was schleimig war. »Bedenkt bitte auch, dass vor allem der Frieden innerhalb der Mauern bewahrt werden muss. Wenn ihr euch magisch bekämpfen wollt, dann macht das außerhalb Hohenzollerns.«
Manuela verschluckte sich an ihrem Getränk und warf Elisabeth einen irritierten Blick zu. Hatte sie das gerade wirklich gesagt? Und meinte sie das auch so? Sie konnte sehen, dass auch die anderen schockiert waren. Elisabeth hatte jegliche Verantwortung von sich geschoben, wenn den Studierenden etwas passieren würde. Was für eine großartige Schulleiterin, nicht wahr? »Es gelten für alle die Regeln unseres Königs. Niemals darf Magie angewandt werden, um jemandem zu schaden. Niemals darf die Kraft des einzelnen dazu benutzt werden, sich einen persönlichen Vorteil zu verschaffen. Wir alle sind gleich vor dem Gesetz, und das Gesetz ist unser König.« Elisabeth faltete die Hände auf dem Pult und lächelte. Allerdings wusste keiner, warum sie nicht weitersprach. Das waren nicht alle Regeln der Schule, das waren nicht mal alle Regeln, die ihnen im Umgang mit Magie auferlegt worden waren, und doch schien sie diese übertrieben dramatische Pause in ihrer Rede für sinnvoll zu halten. Manuela grummelte ein wenig in ihre Tasse. Das würde also wieder alles an ihnen, den Lehrenden, hängen bleiben. Sie würden die Verantwortung für alles, was geschehen würde, tragen, und mussten den Erziehungspart übernehmen. Dafür war sie zu nüchtern und zu schlecht bezahlt, und überhaupt sah sie das gar nicht ein!
»Ich brauche das gesamte Regelwerk natürlich nicht zu wiederholen, wir sind ja alle damit aufgewachsen und vernünftige Magische, die wissen, was sie tun, daher -«
Bevor Elisabeth weitersprechen konnte, war ein spöttisches, nicht sonderlich geschickt unterdrücktes Prusten zu hören. Manuela grinste und hielt ihre Tasse so vor das Gesicht, das man es nicht sehen konnte, während die anderen Lehrenden, die schon einige Semester an der Schule verbracht hatten, unverhohlen kicherten. Elisabeth wandte den Kopf und taxierte die Tafel mit den Lehrenden wütend.
Kapitel 3Zephia
Wahrscheinlich gaben sie einen merkwürdigen Anblick ab, wie sie so dastanden und kicherten, grinsten oder prusteten, die beiden Vertrauenslehrerinnen die Tassen voller Baileys Coffee in der Hand und mit den unterschiedlichsten Gesichtsausdrücken. Julia strahlte die neuen Kollegen enthusiastisch an, auch wenn der Spott in ihren Augen tanzte. Nicht einmal Julia konnte Elisabeth ernst nehmen, das wusste Zephia. Manuela blickte wahrscheinlich drein, als würde ihr die Situation körperliche Schmerzen bereiten, und sie selbst, nun, sie selbst hatte mit Sicherheit auch nicht gerade das herzlichste Lächeln aufgesetzt. Sie konnte das Gesicht der Empathin nicht sehen, sie schien versucht zu sein, in ihrer Tasse zu versinken, so tief war sie über diese gebeugt. Zephia runzelte die Stirn und versuchte, zu lächeln, was ihr einen irritierten Blick der beiden Schwestern einbrachte. Ein Räuspern brachte die drei Freundinnen dazu, sich zu konzentrieren. Die Dekanin von Hohenzollern musterte sie streng, bevor sie mit ausgebreiteten Armen nach vorne trat und symbolisch die Neuankömmlinge begrüßte. Dass davor noch kurz die reine Mordlust in ihren Augen aufblitzte, hatte sich Zephia sicher nicht eingebildet. Sie hätte einfach nicht lachen dürfen, doch wie hätte sie sich das bei dieser Show verkneifen sollen? So viel Selbstbeherrschung besaß sie einfach nicht. »Ich hoffe, Sie alle heißen nun nach der Begrüßung unserer Wissbegierigen auch unsere neuen Kolleginnen und natürlich auch Kollegen willkommen.« Das Lächeln auf dem Gesicht der Schlossherrin erreichte, wie so oft, deren Augen nicht.
Elisabeth von Hohenzollern lebte das Klischee einer Schlossherrin, der Haltung, Regeln und Ansehen über alles ging. Dass die von Hohenzollern keine magischen Fähigkeiten hatten wie die meisten anderen an dieser Schule, verstärkte das Bedürfnis, sich zu profilieren. Das Artefakt der Familie von Hohenzollern war das Schloss, und wenn sich Zephia richtig erinnerte, hatte der König von Württemberg den Hohenzollern Magie geschenkt, solange sie die Magischen und Nichtmagischen schützten. Erfüllten sie diese Aufgabe, so würden sie stets Zugang zur Magie haben, die der König in die Steine des Schlosses fließen ließ. Die Tatsache, dass Elisabeths Familie auf die Magie des Schlosses angewiesen war, hatte die Schlossherrin bitter und kalt werden lassen – glaubte Zephia. Wenn sie es genauer wissen wollte, müsste sie Julia oder Manuela fragen, was sie aber nicht wagte, denn aller Wahrscheinlichkeit nach würde sie am Ende mit zu viel Hintergrundwissen jeglichen Respekt vor der Herrin von Hohenzollern verlieren und sie das auch irgendwann spüren lassen. Was absolut nicht gut wäre, immerhin war Elisabeth ihre Vorgesetzte, und sie wollte weder auf das gute Gehalt noch auf das angenehme Schloss verzichten. Abgesehen davon war sie überzeugt, dass das Gemäuer auch ihre Kräfte verstärkte und nicht nur die der royalen Familie.
»Mein Name ist, wie schon erwähnt, Elisabeth von Hohenzollern, ich bin die Dekanin dieser Schule und Schlossherrin. Neben mir stehen die Empathinnen des eisigen Herzens, die Sie natürlich schon kennen, Manuela Haarig und Julia Schlüssel. Sollten Sie Probleme haben, können Sie sich wie gewohnt an sie wenden, oder natürlich an mich.« Elisabeths Mundwinkel hoben sich noch einmal kurz, ihre Augen sprachen eine unmissverständliche Warnung aus, niemals zu ihr zu kommen, außer die Schule brannte. Zephia senkte den Blick, wusste genau, dass sie sich mit der Grimasse, die sie zog, verraten würde. Nach und nach stellte Elisabeth die Unterrichtenden vor: Bestiarienmeister Michael Krumm, den Dozenten für Bestienkunde und Gestaltwandlung, Jules Krumm, den französischen Dozenten für alles, was mit Hölzern zu tun hatte, und sie, Zephia Feder, die Dozentin für Alchemie mit Schwerpunkt auf Gifte. Nicole Franziskus, die Schulheilerin aus Österreich, grüßte ihre Landsleute mit einem stoischen Nicken, und Viktoria Verdez, die Dozentin für Runenkunde, hob lediglich die Hand. Zephia seufzte leise und schaltete ab, als Elisabeth wirklich jeden Einzelnen vorstellte – sie kannte alle schon ein paar Semester – und hörte erst wieder zu, als sie die Dozentin für Zukunftsillustrationen vorstellte.
»Zukunftsillustrationen?«, entfuhr es ihr. »Was soll das denn sein?«
»Nun, Frau Feder, Zukunftsillustrationen sind Teil des Hellsehens und eine Möglichkeit, den prophetischen Kräften Ausdruck zu verleihen. Frau Arvelle wird hierbei auch ihren eigenen Studien nachgehen und zusammen mit Frau Zimmermann, die den Kurs der Fortgeschrittenen leiten wird, Weissagungen erstellen. Gemeinsam mit Frau MacKay werden wir die stärksten und genausten Vorhersagen haben, die jemals ein Legendarium hervorgebracht hat.«
Etwas an Zephias Gesichtsausdruck musste Elisabeth dazu verleiten, noch weiterzusprechen. »Möchten Sie Weiteres zu den Weissagungen ergänzen, oder sind Sie damit zufrieden, dass unser Institut sich erneut in dieser Disziplin hervorhebt und den Magischen wie Nichtmagischen den Weg in eine sichere Zukunft ermöglicht?«
Bisschen viel Geschwafel für Ich will einfach nur mehr Macht, dachte Zephia. Julia und Manuela schnaubten – offensichtlich hatten die beiden nur zu deutlich gespürt, was in ihr vorging.
»Wir stehen gemeinsam und gleichsam für das große Wohl beider Welten und sollten uns daran erinnern, stets mit Respekt und Achtung füreinander und untereinander zu handeln.« Elisabeth hob eine Augenbraue und sah in die Runde. »Wir sollten uns immerzu an die großen Worte des württembergischen Königs erinnern, der uns Magie gab, um Großes zu wirken.«
Es fiel Zephia sehr schwer, diese Aussage unkommentiert zu lassen, doch eine friedvolle, warme Zufriedenheit legte sich über sie und zauberte ihr ein dümmliches Grinsen ins Gesicht. Obwohl sie wusste, dass sie wütend sein sollte, spürte sie nur diese tiefe Glückseligkeit und Ruhe, die ihr Lächeln noch vertiefte. Zephia wandte den Kopf und wollte Julia wütend anfunkeln, die ihr zuzwinkerte und mit einer Hand geziert winkte.
»Wenn Sie dann mit den Spielereien fertig sind, meine Damen, können Sie Ihre neuen Kollegen im Schloss herumführen oder die Studierenden auf die Kurse verteilen. Als Empathinnen sollte Ihnen das ja bestens gelingen.« Elisabeth strich sich über die perfekt sitzenden Haare, bevor sie hinausrauschte. Verdattert blieben sie zurück.
»Gud, noh würd i saga, lega mir los. Die Öschderreichr könna sich ja vo unsera Ösis rumführa lassa ond die Nordlichdr vo … Wer schbrichd noh am beschten Hochdeidsch vo uns?2« Julia wandte sich an Manuela und Zephia, die beide mit den Achseln zuckten. »Na ja, Zephia kann des ja übernehma, wenn mir die Kids uf ihre Kurse verdeila3.«
»Kids? Wirklich?«, spottete ihre Schwester. »Da sind sicher wieder welche dabei, die älter sind als wir, weil man ja nie auslernt oder irgendwie so was. Und um Himmels willen hör auf, schwäbisch zu reden. Das ist unhöflich. Dich kann außer ein paar wenigen kaum einer verstehen. Das ist diskriminierend, findest du nicht?«
»Ach, sei still, Ela. Sei einfach still.«
Zephia kicherte leise.
Kapitel 4Zephia
Ihr Lachen und die Tatsache, dass sie Elisabeth von Hohenzollern bei ihrer Ansprache unterbrochen hatte, hatte Zephia eine nicht sonderlich dankbare Aufgabe eingebracht, die sie eher mit mäßiger Begeisterung zu erfüllen gedachte. Den Babysitter für die neuen Kollegen zu spielen war nicht das, was sie sich für den ersten Tag vorgestellt hatte, doch sie war froh, nicht wie Manuela und Julia für die Einteilung der Kurse zuständig zu sein. Das bedeutete meist Ärger, weil immer irgendeiner nicht einverstanden war, lieber Einzelunterricht wollte oder sonstige Sonderwünsche hatte. Zephia hatte das einmal getan und danach nie wieder. Wochenlang waren ihr die Studierenden auf die Nerven gegangen, bis sie sich tatsächlich an Elisabeth von Hohenzollern hatte wenden müssen, damit es aufhörte. Seitdem mussten es die Empathinnen machen, da man ihnen genug Feingefühl zusprach. Dabei wusste Zephia ganz genau, dass die beiden auch einfach nur würfelten, wenn es darum ging, jemanden einem Kurs zuzuteilen.
»Gibt’s hier auch eine Mensa? Oder Cafeteria? Oder einen Bäcker?«, fragte sie plötzlich einer der Neuen. Zephia runzelte die Stirn, versuchte zuzuordnen, wer sie angesprochen hatte, doch sie hatte sich den Namen des Mannes nicht merken können, der die Frage gestellt hat. »Ich brauche Essen und muss wissen, ob ich das hier bekomme.«
Will der mich verarschen? »Natürlich bekommt ihr hier etwas zu essen. Es gibt Weckle, LKWs, also einen Leberkäswecken, und wir haben eine gute Cafeteria für zwischendurch und auch eine Mensa mit einem hervorragenden Koch. Ich glaube, der stammt aus einer Linie, die mit diesem magischen Grießbrei zu tun hatten. Also, es ist durchaus nicht zu verachten. Glaubt mir, die Hohenzollerner würden niemanden für sich kochen lassen, der es nicht kann.«
»Was ist ein Weckle?«, fragte er wieder, dieses Mal mit einem so starken italienischen Akzent, dass sie beinahe losgelacht hätte. Das war nicht wirklich sein Ernst, oder? Da hörte sich diese Jana Ina natürlicher an, mit ihrem brasilianischen Akzent, der eindeutig gespielt war. Dieser Kerl spielte seinen Akzent genauso, er klang wie eine schlechte Karikatur Super-Marios. »Das ist ein Brötchen. Kannste mit Nutella beschmieren oder Wurst drauflegen oder Käse«, erklärte sie, als sich eine der Österreicherinnen einmischte. »Semmel, des isch a Semmel.«
Der fragende Blick des jungen Mannes brachte sie zum Lachen. »Du wirst hier schnell die Gepflogenheiten der Schwaben lernen müssen, sonst wirst du hier verhungern. Wir haben zwar einige, die gern Super Mario spielen, aber nicht so gern, dass sie auf deine Masche reinfallen und dich füttern werden.«
Als die anderen entsetzt nach Luft schnappten, verdrehte Zephia die Augen. Notiz an mich: Erst nachdenken, dann reden. Sonst redet bald keiner mehr mit mir – wobei das sicher auch nicht schlecht ist. Es war nicht so, dass sie dafür bekannt war, sozial verträglich und außerordentlich nett zu sein, das ging ja auch gar nicht, wenn man sich ständig mit Eltern und Vormunden herumärgerte, weil die Dekanin der Schule sich aus der Verantwortung zog, doch ein wenig netter hätte sie sicher sein können, wenn sie denn gewollt hätte. Tat sie aber nicht. War es Taktik gewesen, ausgerechnet sie, Zephia, die neuen Lehrenden herumführen zu lassen? Wollte Elisabeth damit sichergehen, dass die definitiv nicht länger als notwendig blieben, damit sie nicht irgendwann hohe Gehälter zahlen musste, wie sie es bei ihr, Manuela und Julia tun musste? Es gab nicht viele Lehrkräfte, die mehr als ein Semester geblieben waren, was aber wohl hauptsächlich daran lag, dass das schwäbische Legendarium auf der Alb ziemlich ab vom Schuss war. Das in Freiburg war viel majestätischer und »woker«, wie man es heutzutage so nannte. Wobei Zephia sich nicht sicher war, ob sie den Begriff richtig verwendete. Allerdings empfand sie sich auch einfach zu alt für diese Trends, weshalb sie die neueren Social Media-Kanäle mied. Nachdem sie sich einmal dazu hatte hinreißen lassen, eines ihrer alchemistischen Experimente zu posten, hatte alle Welt wissen wollen, mit welchem Filter und welchen Effekten sie den Rauch, das Leuchten und die sich bewegende Steinschlange gemacht hatte. Danach war Zephias Lust, sich in der Welt der TikToks zu etablieren, sehr schnell vergangen. Freilich hatte das nichts mit der Situation hier zu tun. Noch immer wurde sie entsetzt beäugt, was ihr nicht behagte, ihr aber irgendwie auch egal war. Was sollte sie dazu noch sagen? Politische Korrektheit war nicht ihre Stärke, würde es nie werden, und nicht einmal mit einem Elixier würde sie sozial verträglich werden, glaubte sie. Julia hatte ihr zwar einmal angedroht, sie mit einem Empathiezauber zu belegen, aber das war bisher nur eine Drohung geblieben. Da würde nicht viel passieren und sie sich nicht groß ändern. Wozu auch?
»Nun, gibt es sonst noch Fragen? Wünsche? Anmerkungen? Google-Rezensionen, die mir gegeben werden?«
»Sind Sie immer so?«
»Ich?«, antwortete Zephia auf die Gegenfrage der österreichischen Zeichenlehrerin Elena oder Eleanor oder so. »Ja. Wieso?«
»Sie sind kein netter Mensch.« Die Österreicherin verschränkte die Arme, und Zephia hob eine Augenbraue.
»Das stand auch nicht in der Jobbeschreibung. Könnt euch ja bei Elisabeth beschweren.« Was natürlich keiner tun würde, es war mehr als deutlich geworden, dass Elisabeth von Hohenzollern das nicht wünschte. Dennoch befürchtete sie, dass ihr Verhalten nicht unkommentiert bleiben würde – zumindest die beiden Empathinnen hatten sicher was dazu zu sagen. Hatten sie ja immer.
»Also, gibt es noch Fragen?«, wollte sie erneut wissen, bevor sie weiter durchs Schloss führen würde. Das ganze hier war einfach nur eine Strafe für alle Beteiligten, und in einigen Jahren wäre es vielleicht sogar eine Art Bewährungsprobe, wenn man Elisabeth möglicherweise von ihrem hohen Ross runterholen konnte. »Möchtet ihr etwas Bestimmtes sehen, oder soll ich euch irgendwohin führen?«
»Wir Lehrenden sind die Einzigen, die im Schloss wohnen?« Wieder die Österreicherin. Zephia verdrehte die Augen. Was war denn mit der los?
»Ja. Die Wissenssuchenden wohnen entweder bei ihren Familien, Gastfamilien oder sind Studierende in der nichtmagischen Welt und leben in entsprechenden Wohnheimen, WGs oder Wohnungen. Wir sind nur für ihre magische Ausbildung zuständig, nicht für ihre andere. Und jeder von uns braucht ja auch ein Mindestmaß an Wissen, nicht wahr?«
»Nun, das stimmt. Ich bin erstaunt, dass es noch keine Stundenpläne gibt. Müssen die Magischen ihr nichtmagisches Leben an uns ausrichten?« Die Strenge in der Stimme der Österreicherin – Elena? Emily? Wie hieß sie denn noch gleich? – zerrte an Zephias Nerven. »Sie sollten es, aber nein, wir gleichen die Stundenpläne ab und sorgen dafür, dass beide Welten nicht beeinträchtigt werden. Wir haben für die höheren Semester, also diejenigen, die eine Universität besuchen oder eine Ausbildung machen, auch keine Anwesenheitspflicht im Unterricht. Das gilt nur für die jüngeren.« Zephia rieb sich die Stirn und streckte sich, eine Hand auf ihrem verlängerten Rücken. »Ich habe eine Ausbildung zur Alchemistin gemacht, weil ich ein Händchen für Gifte habe. Wenn ich das nicht gehabt hätte, wäre ich wahrscheinlich in die IT gegangen oder hätte was anderes gemacht. Wir leben mit den Nichtmagischen zusammen und können nicht erwarten, dass diese auf uns Rücksicht nehmen. Von irgendwas müssen wir ja auch leben.«
»Hm.« Das war wohl nicht das gewesen, was sie hatte hören wollen. Zephia wusste nicht, was sie dazu sagen sollte, entschied aber, einfach gar nichts zu erwidern. Stattdessen führte sie die Gruppe weiter durchs Schloss, in der Hoffnung, schweigen zu können. Ihr ging die Lust aus, mit ihren neuen Kollegen zu sprechen. Etwas Dunkles huschte an den Wänden vorbei, tanzte an der Decke entlang. Zephia war sich nicht sicher, ob sie das wirklich gesehen hatte, oder ob es einfach Wunschdenken gewesen war, um sich abzulenken. Kurz war sie versucht, sich umzusehen, ließ es aber lieber, denn das würde dieses Trauerspiel nur verlängern und das wollte sicher keiner von ihnen.
Ein böses Kichern hallte in ihrem Kopf nach – und Zephia schauderte. Gänsehaut überzog ihren Körper.
Kapitel 5Zephia
Wo iste diese Zimmer mit die … eh … Lehrer?«
Zephia knirschte mit den Zähnen. Dieser gefakte Akzent tat weh. Vielleicht sollte sie ihn bei DSDS anmelden. Dann wäre er für eine Weile weg vom Fenster und Dieter Bohlen würde ihm die Leviten lesen. Oder so sehr loben, dass ein diverses Körperteil einen Wachstumsschub erlitt, der ihn zum Wohl aller in bestimmten Situationen ohnmächtig werden ließ. Das würde dann nämlich bedeuten, er würde die Klappe halten.
Etwas, das sich Zephia momentan sehr, sehr dringend wünschte. »Wo iste nun diese Zimmer mit die Lehrer?«
»Du meinst, für die Lehrer«, verbesserte ihn jemand mit unverkennbar österreichischem Dialekt. »Das nennt sich Lehrerzimmer. Das sollte auch dir ein Begriff sein.«
Zephia seufzte, ließ den Kopf hängen. Nicht nur, dass sie die Neuankömmlinge wie eine Herde Schafe durch das Schloss geführt hatte, nun musste sie auch noch feststellen, dass man ihr offensichtlich nicht zugehört hatte. Die Schlange an ihrem Handgelenk zischte, mit sanften, leichten Berührungen ihrer Fingerspitzen versuchte Zephia, sie wieder zu beruhigen und zu besänftigen. Dass ihr Seelentier auf ihre Gefühle reagierte, war zwar süß, verriet sie aber auch an diesen Möchtegern-Italiener. »Du! Du haste uns gezeigt, wo sein soll die Zimmer! Ich finde aber nixe!«
»Das liegt dort, wo auch deine Sprach- … Ich bring dich hin, kein Problem. Dafür hat man doch gute Kollegen, an die man sich jederzeit wenden kann, gell?« Ihr Lächeln fiel sehr schmallippig aus, doch alles andere würde zu Pennywise-like aussehen. »Kommt.« Mit einem auffordernden Nicken zeigte sie den Lehrenden, die sich um Wannabe-Mario geschart hatten, ihr zu folgen. Als keiner Anstalten machte, dies zu tun, atmete sie hörbar aus und rieb sich den Nasenrücken. Ihr Blick glitt über die Gesichter, versuchte, sich an die Namen zu erinnern – scheiterte aber. Einer Gewohnheit folgend hatte sie ihnen Spitznamen zu ihren nervigsten Eigenschaften und Eigenarten verpasst, hauptsächlich aber auch, weil sie selbst nicht mehr wusste, wer wer war: Möchtegern-Mario, aus sehr offensichtlichen Gründen. Dann Semmel-Susi, weil sie tatsächlich am Anfang der Führung darauf bestanden hatte, den Unterschied zwischen Weckle, Semmel und Brötchen zu erklären – und niemand wollte das hören, nicht einmal die leeren Ritterrüstungen, die überall im Schloss verteilt waren. Dass Michael die Vögel im Schloss so gut erzogen hatte, dass sie nicht auf ein bestimmtes Schlüsselwort reagierten und den Menschen auf den Kopf kackten, war echt ein Jammer. Vielleicht ließ er sich ja bestechen und dazu überreden? Sie musste das auf jeden Fall im Hinterkopf behalten. Dann gab’s da noch Bretzen-Bernd, der die ganze Zeit auf diesen vermaledeiten Mini-Salzbretzeln herumkaute. Wollte er sein Gewicht in Salzgebäck essen? Sie konnte sich nicht erklären, wie man die ganze Zeit essen konnte. Ehrlich nicht. Und zu guter Letzt stand da noch Knödel-Käthe – die einfach übermäßig nach Semmelknödel roch.
Sie hätte essen sollen, bevor sie sich unter Magische begab, doch daran hatte Zephia nicht gedacht. Wahrscheinlich roch Knödel-Käthe gar nicht so schlimm, und sie assoziierte das einfach nur mit einem Mittagessen. Wobei sie die Semmelknödel echt nicht mochte – wenn sie etwas Pampiges essen wollte, konnte sie auch Toastbrot aufweichen und zu Kugeln formen –, mit der schwäbischen Kulinarik stand sie wirklich auf Kriegsfuß. Die machten hier ihren Kartoffelsalat mit Essig und Öl! Barbarisch! Eine ordentliche Currywurst oder eine deftige Biersuppe bekam man ja leider nicht, außer man kochte es selber. Zumindest die bayrischen Lehrenden waren stets auf ihrer Seite, wenn es darum ging, Biersuppe zu kochen – ließen aber meistens nicht genug Bier übrig, damit man sie zubereiten konnte.
»Was ist? Wartet ihr auf eine Extraeinladung?« Warum sollte sie sich Mühe geben, nett zu sein, wenn ihr sowieso keiner zuhörte? »Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit und ihr auch nicht. Wir haben Kurse zu geben und andere Dinge zu erledigen.« Sie verschränkte die Arme. Ausdruckslose Augen aus starren Gesichtern waren auf sie gerichtet. Wären sie in einem Hollywoodfilm, wäre das der Moment, in dem sie sterben würde.
»Was ist denn hier los? Was soll dieser Aufruhr?«, donnerte eine Stimme, unterlegt vom Klackern hoher Absätze. Zephia verdrehte die Augen. Musste das sein? Welches hinterhältige Gemälde hatte sie verpetzt? Ihr Blick wanderte über die Bilder, doch die Porträtierten wichen ihrem Blick aus, allesamt mit betont unschuldiger Miene. »Wie kannst du so mit deinen Kollegen umgehen?« Elisabeth von Hohenzollern baute sich vor ihr auf, die Hände an die Hüften gestemmt. Kurz wirkte sie, als wäre ihr die Kontrolle über sich selbst abhandengekommen, doch dann strich sie sich die Haare zurück, die wie geleckt an ihrem Kopf lagen, und das Kostüm glatt. Wie jedes Mal, wenn sich die Schlossherrin aufregte, vergaß sie die Förmlichkeiten und duzte ihre Lehrkräfte. »Können Sie sich nicht einmal benehmen, Frau Feder? Das sind Ihre Kollegen. Das sind Mitglieder unserer Schlossfamilie. Benehmen Sie sich entsprechend!« Harsch hallten die Worte von den Wänden wider. Zephia zog beschämt den Kopf ein – und fühlte sich mit einem Mal wie ein Schulmädchen, das getadelt wurde. In aller Öffentlichkeit. Aus den Augenwinkeln prüfte sie, ob einer der Neuen über sie lachte, doch die Mienen der vier Lehrenden waren noch immer unbeweglich und starr. Verwundert neigte Zephia den Kopf. Sie spürte und sah, dass hier etwas nicht stimmte, konnte es aber nicht genau benennen. Niemand sah so versteinert drein, wenn vor seinen Augen ein anderer getadelt wurde. Zumindest ein hämisches Lächeln hätte drin sein müssen, vor allem nachdem sie die vier so behandelt hatte.
Doch nichts dergleichen geschah. Misstrauisch zog sie ihr Handy hervor und schickte Manuela und Julia jeweils die gleiche Sprachnachricht, ohne darauf zu achten, dass Elisabeth noch neben ihr stehen könnte. Nun, die Schlossherrin war nicht dafür bekannt, Probleme zu lösen, wenn man sie mit welchen konfrontierte. Im Gegenteil. Elisabeth zog es vor, das anderen zu überlassen und so zu tun, als wäre nichts vorgefallen. »Leute, bewegt euren Arsch zum Ritterkorridor. Hier stimmt was nicht.«
Bevor Julia und Manuela ihr zu Hilfe eilten – und ihre Sprachnachricht war eindeutig ein Hilferuf gewesen –, hörte sie Schritte. Jemand schlurfte den Korridor entlang, blieb hier und da stehen und sang leise vor sich hin. Elisabeth war verschwunden, ohne dass Zephia es bemerkt hatte.
»Oh, lass es bitte keine Fee sein! Bitte lass es keine Fee sein!«, flehte sie leise. Feen waren anstrengend, sangen die ganze Zeit und furzten Glitzer. Letzteres mochte vielleicht nicht auf jede zutreffen, aber oft genug schwebten kleine, glitzernde Partikel durch die Luft, wenn eine Fee mal wieder eine Showeinlage hingelegt hatte. Leider durfte sie sie nicht vergiften, also musste sie damit zurechtkommen, ob sie wollte oder nicht.
»Zephia, glühender Herbst der Schule, was stehst du hier denn so rum?«
»Glühender was?«
»Glühender Herbst. Du weißt schon, Herbst. Die Jahreszeit nach Sommer und vor Winter. Wenn die Blätter sich von Grün zu Rot färben und mit dem Wind tanzen.« Mit ausgebreiteten Armen tanzte Michael um sie herum. »Sei frei und froh -«
»Halt’s Maul!« Sie wusste, dass sie unhöflich war, doch ihre Nerven lagen blank. Gefühlt seit einer Ewigkeit hatte sich keiner der vier mehr bewegt, und das machte sie nervös. Wirklich nervös. Was, wenn ein Fluch ausgesprochen worden war oder ein Zauber schiefgegangen? Was, wenn einer ihrer Lernenden Gift falsch gemischt und als Stinkbombe geworfen hatte? Allerdings würde das nicht erklären, warum es sie nicht getroffen hatte und wieso es nicht stank. Etwas stimmte hier nicht. Absolut nicht. »Michael, hier stimmt was nicht! Hör auf mit diesem Gesinge und konzentrier dich! Schau dir die Vögel an!«
»Welche Vögel?« Automatisch war Michaels Blick zur Decke gewandert und dann hinüber zu den Fenstern. »Wovon sprichst du?«
»Willst du mich verarschen?!«, brauste Zephia auf. Die Schlange an ihrem Handgelenk wurde unruhig.
»Au contraire!« Michael musterte sie ein wenig streng. »Du solltest dich respektvoller ausdrücken. Oder möchtest du, dass so auch hinter deinem Rücken über dich gesprochen wird?«
»Ich spreche ja nicht hinter deren Rücken so, sie stehen direkt vor mir«, murmelte Zephia und streichelte geistesabwesend ihre Schlange.
»Spar dir das, junges Fräulein! Das gehört sich nicht, und du weißt das!« Sein Blick erinnerte sie an eine Eule, die tadelnd und verurteilend über ihr wachte und darauf wartete, dass sie etwas Dummes tat. Wie Manuelas und Julias Eulen. »Also, was hast du getan, dass sie erstarrt sind?«
»Ich hab gar nichts gemacht!«, verteidigte sich Zephia. Sie spürte, wie ihre Schlange sich um ihr Handgelenk wand und nach Michael schnappen wollte.
»Bist du sicher? Das sieht stark nach Lähmungsgift aus.« Michael streckte die Hand nach ihrer Schlange aus, und ohne zu zögern, glitt sie auf sie hinauf und schmiegte sich an den Bestiarienmeister. »Hast du mal wieder was getan, das deine Magie dazu gebracht hat, ein Gift abzusondern? Hast du gemerkt, dass sich deine Kräfte weiterentwickelt haben?«
»Sach ma, aber sonst geht’s noch? Ich hab kein Level Up bekommen und im Skilltree weiter Punkte verteilt«, grummelte sie. »Und gib mir mein Tierchen wieder!«
»Lass sie doch bei mir sein, ich bin wenigstens ruhig. Sie braucht auch mal einen Ausgleich zu deinem Temperament.«
»ICH BIN RUHIG!« Schnee stob durch den Korridor. Eis überzog die Rüstungen und die neuen Lehrenden. Michael hob eine Augenbraue, während Zephias Schlange in seinen Ärmel schlüpfte und darin verschwand. Seine Eule, Michaels Seelentier, flog währenddessen über ihren Köpfen und zog Kreise. »Ich will nur wissen, was mit diesen Hampelmännern passiert ist! Die haben eben noch das Lehrerzimmer gesucht und jetzt … jetzt stehen die da rum und … ACH KEINE AHNUNG, MAN!«
»Ach, keine Ahnung, man?«, äffte er sie nach und schüttelte missbilligend den Kopf. »Du warst zu lange in Holzwickede. Da scheint man keinen Wert auf Manieren zu legen. Ich nehme an, Frau von Hohenzollern hat schon mit dir darüber gesprochen?«
»Wer bist du, ey? Mein Vater?!«
»Gott sei Dank nicht, sonst würde ich dich übers Knie legen. Wobei du dich grundsätzlich zu benehmen wüsstest.« Michael hob die zweite Augenbraue. »Also gut, wenn du sagst, du hattest kein Level Up«, er betonte den Ausdruck auf so sarkastische Art, dass sie ihm am liebsten etwas Schweres durch den Kopf getrieben hätte, »dann ist das vielleicht wirklich nicht deine Schuld.« Er umkreiste die Gruppe und musterte sie ausgiebig. »Hm.«
»Hm, was?«
»Hm.«
»HM, WAS, ALTER?!«, schrie sie. Eine Flüssigkeit klatschte ihr auf den Kopf. »IST DAS VOGELSCHEISSE?!«
»Sieht danach aus«, kommentierte Michael trocken. »Bäh!«
»Geh dich waschen, ich kümmre mich um die Kollegen«, wies er sie an, ohne den Blick von den Erstarrten zu nehmen. »Bitte?!«
»Zephia, du hast Vogelkacke im Haar. Ich würd mich an deiner Stelle waschen gehen, aber das musst du selbst wissen. Bist ja alt genug.« Er angelte nach seinem Handy in der Hosentasche.
»Was machst du?«, wollte Zephia wissen, ignorierte den starken Geruch, der von ihren Haaren ausging. »Nicole anrufen und sie bitten, herzukommen. Und jetzt geh dich waschen! Du stinkst!«
»Und du bist gemein!«
»Willst du vielleicht noch mit dem Fuß aufstampfen, damit die Reaktion zu deinem Alter passt, oder ist das okay so?« Michael verdrehte die Augen. »Ah, Nicole – schön.« Er drehte sich von ihr weg und bedeutete ihr, dass das Thema für ihn somit beendet war.
»MICHAEL!« Zephia stampfte mit dem Fuß auf.
Kapitel 6 Zephia
Ich hab immer noch Kacke auf meinem Kopf!«, schrie Zephia, doch Michael schenkte ihr keine Aufmerksamkeit. Er diskutierte wild mit Nicole am Telefon, die ihn nicht wirklich zu verstehen schien. Wenn sie darauf wartete, dass er sie mittels Magie säuberte – nun, sie war alt genug und kannte die Zauber auch. Allerdings war sie, was zaubern angeht, nicht sonderlich gut darin. Die richtigen Wörter auszuwählen, selbst auswendig gelernte, bereitete ihr Schwierigkeiten und oft gingen Zauber, Rituale oder Beschwörungen katastrophal schief.
»Ja. Sie sind erstarrt. ERSTARRT. Ja. Nein, sie bewegen sich nicht. SIE SIND ERSTARRT!« Michael knirschte mit den Zähnen. Sprach er in fremden Zungen, oder warum wollte ihn diese österreichische Heilerin nicht verstehen? Das war doch nicht zu fassen! »Nicole, bitte, beweg einfach deinen Wiener Hintern hier her und nimm dein Medi-Kit aus Tinkturen und Heiltränken und, wenn’s sein muss, stinkenden Kräutern mit. Wir haben hier Lehrende, die sich nicht bewegen, und eine Alchemistin, die angeblich nichts damit zu tun hat.« Michael warf Zephia einen skeptischen Blick zu. »Ja, natürlich werde ich Angelos anrufen! Wenn jemand was retten kann, dann er!«
Mit einem frustrierten Seufzen steckte er sein Handy weg und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Lehrenden, die noch immer regungslos im Gang standen. Neugierig und auch ein klein wenig belustigt umkreiste er sie, betrachtete sie von allen Seiten und beglückwünschte sich dazu, nicht mit ihnen mitgegangen zu sein. Bei seinem Glück hätte man ihn in einer entwürdigenden Pose erstarren lassen. »Was machen wir jetzt?«, hörte er Zephia fragen. Er überlegte kurz, ob er sie ignorieren sollte, brachte das aber nicht übers Herz. Nicht, nachdem seine Eule ihr auf den Kopf gekackt hatte.
»Du könntest dich sauber machen. Ich glaube nicht, dass du hiermit etwas zu tun hast, das sollte sogar deine Fähigkeiten übersteigen«, erwiderte er und wählte seine Worte weise. Er hielt von Alchemisten nicht viel, das war bekannt, aber er musste ja jetzt nicht auch noch Salz in die Wunde streuen.
»Hast du mir gerade ein Kompliment gemacht?« Er konnte die Verblüffung in ihrer Stimme nicht nur raushören, sondern auch spüren. Er verdrehte die Augen, stand dankenswerterweise noch abgewandt zu ihr, und murmelte zustimmend, auch wenn es definitiv keine war. Doch wenn es sie glücklich machte und er damit etwas Ruhe bekam, warum nicht. »Krass! Krass!«
»Für deinen Wortschatz bekommst du aber keinen Nudelstern, wenn du so weitermachst«, murmelte er. Michael hatte sich auf ein ruhiges Jahr eingestellt, aber irgendwie schien sich das schon jetzt anders zu entwickeln, als er sich das vorgestellt hatte. Konnte man nicht ein Semester mal das ganze Drama bei den Privatsendern lassen und sich auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben konzentrieren?
»Denk dran, Angelos anzurufen. Ich geh duschen«, verkündete Zephia. Dass sie noch im Gang stehen blieb, wunderte ihn nicht. Er wusste, dass sie immer auf ein Zeichen wartete, dass man sie verstanden hatte, also nickte er ihr zu und schickte sie mit einer ungeduldigen Handbewegung davon. Sie verengte die Augen, bevor sie sich umdrehte und davon stapfte. Michael atmete noch ein paar Mal tief durch, bevor er erneut nach seinem Handy griff und die Nummer des Zeitmagiers wählte.
Kapitel 7Angelos
Ja?« Angelos gab sich keine Mühe, nett zu sein. Wenn einer von den Hohenzollern anrief, hieß das nie etwas Gutes. »Hallo, Michael.« Widerwillig kamen ihm die Worte doch noch über die Lippen. Der Gestaltwandler hatte ihm nie Unrecht getan, also war es nicht fair, unfreundlich zu ihm zu sein. »Du brauchst meine Hilfe? Ja, das hab ich mir ja fast gedacht, als du angerufen hast.«
Neben ihm kicherte Ra-I. Es war bekannt, dass sich die Hohenzollern nur meldeten, wenn sie einen Gefälligkeitsdienst verlangten. Egal, bei wem. »Ich soll ins Schloss kommen? Warum?« Angelos hob eine Augenbraue, als er hörte, was vorgefallen war – oder was Michael vermutete. »Sie sind erstarrt? Einfach so?«
Ra-I wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln und hielt sich eine Hand vor den Mund. Ihr Lachanfall wurde von Sekunde zu Sekunde stärker.
»Die sind also einfach erstarrt. Sie bewegen sich nicht. Ja, ach? Wenn jemand erstarrt, bewegt er sich nicht? Das ist ja was ganz Neues. Vielen Dank für diese bahnbrechende Erklärung. Das wäre mir ja sonst ent- Ja, natürlich verarsche ich dich!« Angelos atmete heftig durch die Nase aus. Diese Hohenzollern waren doch alle gleich! Glaubten, nur weil sie im Dienst des Königshauses standen, waren sie automatisch klüger und etwas Besseres. Er war auch einst ein Hofmagischer gewesen – und was hatte es ihm gebracht? Nichts, nur Ärger. Aber wenn sie mit einem Problem nicht weiterkamen, musste er helfen. Wie er es hasste. Er war es so leid.
»Ich bin nicht … Nein, ich bin … Lass mich doch mal ausreden!«, herrschte er den Gestaltwandler am anderen Ende der Leitung an. »Ich bin nicht euer kleiner Zeitdiener, der springt, sobald ihr pfeift! Seht halt zu, wie ihr damit zurechtkommt!«
Ra-I schluckte geräuschvoll, schien noch immer mit dem Lachanfall zu kämpfen. »Du kannst sie doch nicht hilflos wie die Welpen zurücklassen. Die pinkeln sich nur wieder ein, und dann haben wir ein Drama in fünf Akten.« Die Worte kamen ein wenig undeutlich und abgehackt aus ihrem Mund, weil sie gegen ihr Lachen ankämpfte, doch Angelos verstand sie auch so.
»Ich spring doch nicht jedes Mal, wenn die pfeifen! Das ist nicht mein Problem, wenn die ihre Kräfte nicht im Griff haben! Ich bin weder deren Papa noch für sie verantwortlich. Und ich stehe schon lange nicht mehr in den Diensten der Herrscherhäuser. Ich muss gar nix!«
»Aber du könntest trotzdem mal was Sinnvolles mit deiner Magie machen, so zur Abwechselung, als sie nur für kleine Diebstähle zu benutzen.« Ra-I war ernst geworden. Vorwurfsvoll sah sie ihm in die Augen. Ihre Stimme hatte einen strengen Tonfall angenommen, und Angelos schnitt ihr eine Grimasse. »Ja, dann mach du doch was! Ach, warte, ich vergaß! Katzen beeinflussen ist ja nicht so hilfreich. Blöd für dich, dass meine Magie nützlicher ist.«
»Ist das dein Ernst?«, fuhr die ägyptische Magierin auf, wurde aber von einem kleinen Schwall Wasser zum Schweigen gebracht.
»Leute, ihr wisst schon, dass wir gerade in einer Besprechung sind? Ihr benehmt euch unmöglich. Entweder ihr geht vor die Tür und prügelt euch, wie es sich gehört, oder ihr seid leise und verhaltet euch wie die Wasserflaschen auf dem Tisch: still und unauffällig.« Asteria schüttelte den Kopf, richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Meisterdieb, der sich ein Lachen verkneifen musste. Angelos legte auf, die protestierenden Worte ignorierend, die Michael ihm vorher zurief.
Kapitel 8 Michael
Echt jetzt?!« Michael starrte frustriert auf das Display. Angelos hatte einfach aufgelegt. Nicole stand mittlerweile neben ihm und sah ihn aufmerksam an. »Und? Kommt er?«
»Hat das Gespräch den Eindruck auf dich gemacht, als wäre es gut verlaufen?«, fuhr er die Heilerin an, die ihn daraufhin wütend anfunkelte. »Nein, er kommt nicht.«
»Warst du nicht nett zu ihm?«
»Ich bin immer nett! Zu jedem!«, keifte Michael, was Nicole mit einem vielsagenden Blick quittierte. »Ja, okay, nicht immer. Aber ja, ich war nett zu ihm. Ich hab ihm auch gesagt, was hier los ist, aber … irgendwas von wegen Welpen, die sich einpinkeln und so …« Er errötete.
»Nun, in deinem Fall – Ich meine, du kannst dich in einen verwandeln und das …« Sie kicherte. Michael verdrehte die Augen und verfluchte diese Schule wie schon sehr oft heute. »Egal. Ich bin ja hier, wir finden schon eine Lösung.« Sie öffnete ihren Korb, und ein übler Geruch schlug ihnen entgegen. »Mal sehen … Heiltränke sind hier wohl nicht unbedingt die beste Wahl. Vielleicht ein Mobilitätstrank? Oder ein Flinkheitskraut?«
»Ja, keine Ahnung. Probier doch einfach was aus.« Michael seufzte. »Du bist die Heilerin. Ich hab doch keine Ahnung.«
»Das ist das erste Mal, dass du das freiwillig zugibst«, sagte Nicole, und prompt trat ihr Michael gegen das Schienbein. »Wehe, du sagst das den anderen!«
»Was den anderen sagen?«, rief Viktoria, die schlosseigene Runenmagierin, die um die Ecke gebogen kam. »Zephia hat mir Bescheid gegeben, dass es hier ein kleines Problem gibt und ihr es wohl nicht ohne Hilfe schaffen werdet.«
Michael stöhnte. Die zynische Runenmagierin, die auch als Tintenmagierin bekannt war, hatte ihm gerade noch gefehlt. War heute »lasst uns den Gestaltwandler ärgern«-Tag oder was?
»Wenn ihr auf meine Hilfe verzichten wollt, ist das für mich auch kein Problem. Jeder, der mir nicht auf die Nerven geht, ist mein Freund, und wenn die hier erstarrt bleiben, wird’s ein ruhiges Lehrerzimmer.« Sie nickte mit dem Kopf zu ihren Kollegen. »Aber ich vermute, Elisabeth fände das nicht so gut.«
»Ja, wir wollten etwas ausprobieren«, erklärte Nicole und nahm ein kleines Fläschchen aus dem Korb, den sie kurzerhand Michael in die Arme drückte. »Halten und nicht fallen lassen, ja?«
Viktoria verschränkte die Arme und beobachtete ebenso wie Michael, wie Nicole auf einen der Lehrer zutrat und den Inhalt des Fläschchens über ihm ausleerte.
Ein bestialischer Gestank breitete sich aus.
»Alter!«, riefen Michael und Viktoria gleichzeitig aus.
»Habt euch nicht so«, wies Nicole die beiden zurecht. Gespannt warteten sie, was passierte. Die Schuhe des Lehrers verfärbten sich grün, doch ansonsten passierte nichts.
»Na, hoffentlich waren das keine teuren Schuhe, sonst wird da nachher jemand supersauer sein«, murmelte Viktoria. Michael nickte zustimmend. »Und was jetzt? Mit einem brennenden Kraut um sie herumtanzen? Seid mir nicht böse, aber wenn ihr euch lächerlich machen wollt, lasst mich das wenigstens ins Internet übertragen.« Sie kicherte, während die anderen sie wütend ansahen. »Lasst mich mal ran. Runen helfen immer.«