Z'21 - Jennie - Michaela Harich - E-Book
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Z'21 - Jennie E-Book

Michaela Harich

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Beschreibung

Stuttgart 2021 – Jennie, Barkeeperin in einem Irish Pub in Tübingen, ist eine der wenigen Überlebenden aus dem Lokal und will mit Sonja, Isabelle und Alex aus der Stadt fliehen. Allerdings trennt sie sich von der Gruppe in der Hoffnung, ihre Familie zu finden. Im Gegensatz zu Isabelle wird sie aber nicht infiziert, sondern fällt einem Forscher in die Hände, der sie aufnimmt und ihr scheinbar helfen will. Doch ist er der Mensch, der er zu sein vorgibt?

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Seitenzahl: 126

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Z‘21 - Jennie

Stuttgart

Eine Novelle von Michaela Harich

1. Auflage, 2020

© Alea Libris Verlag, Wengenäckerstr. 11, 72827 Wannweil

Alle Rechte vorbehalten

Neuveröffentlichung von „Stuttgart‘21 - Jennie“

ISBN: 9783945814338

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Die Personen und die Handlung des Buches sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

Unser spezieller Dank geht an unseren Patreon:

Yannick Allgaier

Simon Rottler

Nicole Panzer

Der Nettoerlös dieses Buches geht ausnahmslos an Plants-for-Planet.de – denn ohne Bäume können wir irgendwann keine Bücher mehr machen.

Jennie sah aus dem Fenster. Isabelle schien nervös, abgelenkt. Ihr Fuß zitterte, die Freundin war angespannt. Alex, der am Steuer saß, wirkte ruhig, doch seine verkrampften Hände ums Lenkrad straften seine Haltung Lügen. Jennies Gehirn arbeitete. Ihre Gedanken rasten, arbeiteten unermüdlich. Ihre innere Stimme riet ihr, zuzuhören, nichts zu verpassen. Sie kniff die Augen zusammen. Das war schon immer so gewesen - seit sie denken konnte, hatte sie eine Stimme im Kopf gehabt, die ihr Anweisungen gab, wenn sie nicht mehr weiterwusste oder sich überfordert fühlte. Wie jemand, der sie an die Hand nahm und aus der Dunkelheit führte - oder zumindest immer einen Ausweg parat hatte. Eine imaginäre Freundin nur in ihrem Kopf, so hatte ihre Mutter das genannt und ihr geraten, es als Geschenk anzunehmen.

»Du hast gesagt, in Stuttgart hat’s angefangen?«, wollte Isa wissen. Jennie wandte den Kopf, sah, wie Sonja nickte. »Dann sollten wir nach Stuttgart gehen. Irgendwie. Und die Wahrheit ans Licht bringen.«

»Du meinst, wir brechen in das Labor ein und besorgen uns die Forschungsunterlagen?« Sonja schien es für keine gute Idee zu halten, was Jennie ihr nicht verübeln konnte. Ihre innere Stimme allerdings war anderer Meinung und jubelte in ihrem Kopf. »Eigentlich keine schlechte Idee. Aber wie sollen wir da reinkommen? Das Labor überhaupt finden?«

»Das sollte kein Problem sein«, rutschte es ihr heraus, ihr Handy in der Hand. »Wenn du den Namen hast, dann wird man das sicher finden. Das Internet vergisst nichts, und wenn der da irgendwie auf diese Pflanze stolz ist, wird man da sicher was finden.« Jennies Finger zitterten leicht. Ihre innere Stimme redete ihr gut zu, bekräftigte sie, in ihrem Vorhaben, den Namen zu suchen.

»Ich bin mir sicher, dass das nicht so einfach ist«, sprach Isa ihre Bedenken aus, doch Jennie zuckte mit den Achseln.

»Sei kein Spielverderber, Isa. Sonja, wie hieß der Kerl?« Jennie war über sich selbst erstaunt. So ruhig sollte sie eigentlich nicht sein, doch wie immer in solchen Situationen hatte sie die Kontrolle über ihren Geist abgegeben und ließ sich führen. Ein leichter, rötlicher Schleier lag auf ihren Augen, und mit dem Schleier schienen ihre Gefühle in den Hintergrund und ihr Verstand in den Vordergrund gerückt zu sein. Sie bemerkte die verwunderten Blicke ihrer Kolleginnen und Freundinnen, ignorierte sie aber geflissentlich.

»Baumann.« Sonja drehte sich im Sitz noch etwas weiter, um auf Jennies Display zu starren. Jennies Finger tippten wild auf das Smartphone ein. Nach einer gefühlten Ewigkeit erschienen die Ergebnisse.

»Na also. Also, er befindet sich im Laboratorium für Lebensmittelforschung und Nahrungstechnologie. Das sollte wohl nicht schwer zu finden sein. Das Gebäude ist direkt am Schloss. Vor ein paar Jahren frisch gebaut.« Jennies Mund verzog sich zu einem leichten Lächeln. »Selbst wenn er die Unterlagen zu der Bacon-Pflanze nicht dort hat, werden wir sicher Hinweise finden, wo sich das eigentliche Labor befindet.« Die Zuversicht, die sie durchflutete, überraschte sie selbst, doch Jennie kannte diesen Zustand. Jedes Mal, wenn sie ihrer inneren Stimme die Oberhand ließ, gewann sie einen Abstand, eine Rationalität, die ihr Überleben sicherte und sie nicht durchdrehen ließ. Auch wenn dieser rote Schleier echt störend war, doch sie hatte gelernt, damit zu leben. Auch weil ihre Mutter ihr die Angst genommen hatte, deswegen verrückt zu sein. Und selbst wenn sie das war, hatte sie diesen Umstand durchaus akzeptiert.

»Alex, du musst hier gleich abbiegen«, stieß Isa hervor und riss Jennie aus ihrer Konzentration. »Ich wohn da vorne. Wir müssen meinen Mann und meine Tochter holen.«

»Dafür haben wir keine Zeit. Schreib ihnen. Schreib ihnen und sag ihnen, dass sie aus der Stadt fliehen sollen.«

»Aber zu mir können wir kurz, oder? Ich muss ... will einige Dinge holen, bevor ich so weit wie möglich von hier weggeh.« Jennie hatte die Kontrolle über ihre innere Stimme verloren, diese rationale Seite. Sie wollte nach Hause, sich an ihre Mutter kuscheln, wie damals als kleines Mädchen, und einfach vergessen, was geschehen war. Du kannst nicht so tun, als wäre nichts geschehen. Jennie, ich bin bei dir. Zusammen schaffen wir das! Sie kniff die Augen zusammen. So deutlich hatte sie schon sehr lange nicht mehr mit ihr gesprochen.

»Leute, so sehr ich euch auch versteh, dafür bleibt keine Zeit. Das geht nicht. Wenn die Lage so bleibt, können wir ja wieder zurückkehren und alles holen. Aber Jennies Plan ist gut. Wir müssen nach Stuttgart. Wir müssen die Welt über alles informieren. Und ich weiß auch schon, wer uns dabei hilft.« Sonja lehnte sich wieder zurück, Jennie warf Isa noch einen Blick aus dem Augenwinkel zu und sah, dass diese genauso enttäuscht war wie sie. Als sie langsamer wurden und an einer Ampel hielten, folgte Jennie einem Impuls. Sie öffnete die Tür und sprang hinaus, ohne die drei Kollegen noch einmal anzusehen oder sich zu verabschieden. Etwas sagte ihr, dass sie die drei sowieso nicht wiedersehen würde. Du gehst jetzt nach Hause, nimmst alles mit, was du zum Überleben brauchst und verschwindest! Warn noch unsre Familie und dann sieh zu, dass du verschwindest! Jennie nickte, als sie blindlings über die Straße rannte. Das Hupen der Autos verwirrte sie, kopflos blieb sie stehen. Lauf weiter! Wage es nicht, dich jetzt überfahren zu lassen! Für einen Moment fühlte sie sich hilflos, drehte sich um die eigene Achse. Ihr Blick wanderte über die Autos, die Gesichter der Fahrer, die wütend hupten. Sie stand noch immer mitten auf der Straße. Geh da jetzt endlich runter! Willst du dich umbringen? Die Wut hinter den Worten war wie ein Schwall eiskalten Wassers. Jennie schüttelte den Kopf, sprang schnell auf den Gehweg, bevor einer der mittlerweile rasenden Fahrer aussteigen und sie zur Schnecke machen würde. Ihre innere Stimme, ihr Beschützer schwieg. Stockend atmete Jennie ein und aus, fühlte sich noch immer hilflos und orientierungslos. Reiß dich zusammen! Geh endlich nach Hause! Mechanisch, wie ferngesteuert lief sie los. Konnte sich dem Druck der Stimme nicht entziehen. Schon vor langer Zeit hatte sie gelernt, dass es besser war, darauf zu hören. Ihre Lippen verzogen sich zu einem leisen Lächeln. Absurd, wenn man genau darüber nachdachte. Es drohte eine Zombieapokalypse und sie hatte nichts Besseres zu tun, als sich über ihre Schizophrenie zu freuen! Konzentrier dich. Lass dich nicht immer ablenken. Du musst schnell nach Hause gehen. Du hast schon genug Zeit verloren. Lauf!

Und Jennie lief.

Das Atmen fiel ihr schwer. Als sie vor ihrer Haustür zum Stehen kam, ließ sie ihren Blick erst einmal über die Fassade gleiten. Es war so ruhig, so friedlich. Niemand im Haus schien zu ahnen, was geschehen war, was geschehen würde. Völlig außer Atem war sie die Einzige, die mit ihrem Schnaufen die friedliche Atmosphäre störte. Sie legte den Kopf schief, während ihr Puls sich wieder beruhigte und das Atmen ihr leichter fiel. Es war eigentlich zu ruhig für ein so großes Mehrfamilienhaus. Kein Kinderlachen, keine tratschenden Nachbarn - beinahe so, als hätte die Welt beschlossen, still zu stehen. Bildete sie sich das nur ein oder waren sogar die Vögel verstummt? Jennie schüttelte den Kopf. Die Ereignisse im Pub hatten sie wohl näher an den Rand des Wahnsinns gebracht, als sie gedacht hatte. Energisch schüttelte sie den Kopf, vertrieb die düsteren Gedanken. Nicht das Ziel aus den Augen verlieren!, ermahnte sie sich und hatte gleichzeitig das Gefühl, dass ihre innere Stimme ihr zustimmte. Ein letztes Mal atmete sie tief durch, straffte die Schultern - dann stieß sie die Tür des Mehrfamilienhauses auf und trat in den Hausflur.

Die kalte Luft war ernüchternd. Der stets modrige Geruch nach Feuchtigkeit und abgestandener Luft ließ sie unwillkürlich die Nase rümpfen. Mit großen, schnellen Schritten stieg sie die Stufen hinauf. Ihre Wohnung befand sich im vierten Stock, und ohne Aufzug gestaltete sich der Weg dorthin gerne mal als Ausdauertraining. Oder kostete einfach nur unnötig Zeit - so wie jetzt. Jennies Herz schlug schon wieder schneller. Angst und Aufregung ergriffen von ihr erneut Besitz. Ein leichter, rötlicher Schleier legte sich wieder über ihre Sicht.

»Nicht jetzt! Nicht. Jetzt.« Sie biss sich auf die Lippe, schmeckte Blut. Mit aller Macht drängte sie ihr zweites Ich, diese manchmal nahezu übermächtige Präsenz in ihrem Geist zurück. »Ich kann das alleine. Ich weiß, was ich zu tun hab!« Jennie schnaubte. Gut, dass keiner ihrer Nachbarn mitanhören konnte, wie sie wieder einmal mit sich selbst sprach. Die hielten sie ja so oder so schon für völlig verrückt, schizophren. Da musste sie diesen Eindruck nicht auch noch verstärken. Ihre Beine fühlten sich nach zwei Stockwerken schon wie mit Blei gefüllt an. Schweiß lief ihr in Strömen über das Gesicht. Das Atmen fiel ihr wieder schwer - mit ihrer Kondition stand es einfach nicht zum Besten, das musste sie sich eingestehen. Und auch wenn sie sich am liebsten auf den Boden gesetzt und ein Päuschen gemacht hätte, zwang sie sich, weiterzulaufen. Sie konnte es sich nicht erlauben, Zeit zu verlieren. Nicht, nach allem, was passiert war. Jetzt galt es zu handeln, rasch, überlegt. Sie würde tun, was ihr geraten wurde. Wenige, nützliche Dinge einpacken, vielleicht das ein oder andere Andenken. Ihrer Mutter Bescheid geben und dann zusehen, dass sie hier wegkam. Weit weg. Wirklich weit weg. In die Schweiz, vielleicht. Das Bergvolk, wie ihre Mutter die Schweizer immer liebevoll spöttisch nannte, würden sich einfach in den Bunkern unter und in den Bergen verstecken und jede Katastrophe aussitzen. Da würden doch sicher ein, zwei geflohene Tübinger nicht auffallen. Jennie verzog das Gesicht - noch ein Stockwerk, dann hatte sie es geschafft. Treppen waren wirklich nicht ihr Ding.

An der obersten Stufe blieb sie kurz stehen. Stieß heftiger als gewollt den Atem aus. Ihr Puls raste.

»Wenn das vorbei ist, muss ich echt mehr Sport machen. Das ist ja so was von traurig«, murmelte sie. Ein plötzlicher Luftzug ließ ihre Alarmglocken schrillen. Das war nicht normal. Sie hatte neben ihren eigenen, schweren Schritten niemanden gehört - woher also dieser Durchzug? Sie beugte sich über das Geländer, doch die Haustür, die sie nur schlecht sehen konnte, war noch immer geschlossen. Beunruhigt lehnte sie sich wieder zurück, angespannt wanderte ihr Blick den Flur entlang. Das große Fenster am Ende, direkt neben der Feuerleiter, stand sperrangelweit offen. Aber das reichte nicht für einen Luftstrom. Es musste also noch ein Fenster, eine Tür geben, die offen stand. Jennie schluckte schwer. Das ungute Gefühl, das sie verdrängt hatte, meldete sich wieder. Schien wie ein spöttischer, schadenfroher Geselle auf ihrer Schulter zu sitzen und nur zu warten, dass sich bestätigte, was sie vermutete. Dass etwas furchtbar Grausames geschehen sein musste. So grausam, dass die Welt für einen Moment stillzustehen schien.

»Bitte, lass es nicht in meiner Wohnung sein! Egal, was es ist, lass es nicht in meiner Wohnung geschehen sein!« Jennie spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Ein lautes Krachen ertönte - mit einem leisen Schrei fuhr sie zusammen. Schnell schlug sie sich eine Hand vor den Mund. Was immer geschehen sein mochte, sie wollte nicht auffallen. Wollte keine Aufmerksamkeit auf sich lenken. Ihr Herz schlug schnell und schmerzhaft in ihrer Brust. Zögernd, langsam näherte sie sich ihrer Wohnung. Die Tür schlug immer wieder gegen die Wand - bestätigte ihre schlimmste Befürchtung. Jennie schwankte, Punkte tanzten vor ihren Augen und für einen kurzen Moment wurde die Welt um sie herum schwarz.

Als sie wieder sehen konnte, hatte sie das Gefühl, dass sich etwas verändert hatte. Dass sie sich verändert hatte. Ein leichter, roter Schleier lag über ihren Augen. Erstaunlich ruhig, gefasst betrat sie ihre Wohnung. Das Chaos, das sie erblickte, sollte sie eigentlich beunruhigen, doch stattdessen scannte sie es eher. Die große Ikea-Lampe aus Papier war umgestürzt. Dunkelrote Spritzer und faustgroße Löcher hatten den Schirm zerstört und verunstaltet. Blut? Jennie zuckte mit den Achseln. Lautlos machte sie einen Schritt weiter in die Wohnung. Schubladen waren herausgerissen worden, der Inhalt lag verstreut und verteilt. Irgendjemand hatte etwas gesucht. Doch was? Und wer? Der gläserne Couchtisch war zerbrochen. Die Sofakissen lagen auf dem Boden, Flaschen und Vasen zerbrochen dazwischen. Hatte hier ein Kampf stattgefunden? Oder war das alles nur eine Art Kollateralschaden durch das Durchsuchen ihrer Sachen?

Jennie hob eine Augenbraue. Noch immer blieb sie ruhig, was sie nicht großartig wunderte. Sie wusste genau, was in dem Moment geschehen war, als ihr schwarz vor Augen wurde. Ihre andere Seite hatte übernommen. Normalerweise wäre sie angesichts des Chaos in Panik ausgebrochen, hätte sich versteckt und auf ihre Mutter gewartet. Sie war nicht sonderlich stolz darauf, aber auch mit Mitte 20 fühlte sie sich nur wohl, wenn ihre Mutter sie vor all den schlimmen Dingen beschützte - ihre Mutter oder die andere in ihrem Kopf. Doch dieses Mal würde sie sich nicht an ihre Mutter kuscheln können - noch nicht. Langsam schritt sie weiter, durchquerte das Wohnzimmer, das alle anderen Räume miteinander verband - auch den minimalistisch gehaltenen Eingangsbereich. Ihr Blick wanderte hinüber zur offenen Küche. Der Esstisch, der ein wenig als Abgrenzung diente, war umgeworfen worden. Ein Messer steckte in der Platte. Die schöne Glasschale, die ihr Isabelle aus Ägypten mitgebracht hatte, lag zerbrochen daneben. Mit viel Fantasie könnte man auch glauben, sie sei als Waffe geworfen worden. Ihr komplettes Kücheninventar war über den Boden verteilt. Töpfe und Deckel, Pfannen und Besteck, Tupperdosen und Teller - Jennie wollte lieber nicht sehen, was noch alles zu Bruch gegangen war. Stattdessen wandte sie sich wieder ihrem Wohnzimmer zu - oder besser gesagt dem, was davon noch übrig war. Das Ausmaß der Zerstörung war nur schwer zu fassen, doch sie vermutete, dass nicht wirklich viel noch ganz geblieben war.

Plötzlich glaubte sie, ein Kratzen zu hören, gefolgt von einem Stöhnen. Jennie hielt den Atem an. Reflexartig suchte sie nach etwas, was sich als Waffe einsetzen ließ - ein schwieriges Unterfangen, wenn sie sich so umsah. Ihre Hand zitterte, als sie nach einem Regenschirm griff, der unter eines der zwei Sofas gerollt war. Notfalls musste das einfach genügen. Ihr Herz flatterte wild, der Regenschirm zitterte, drohte ihr, aus der Hand zu rutschen. So ruhig und cool, wie sie sich anfangs gefühlt hatte, war sie nicht mehr. Diese andere Jennie schien die Kontrolle zu verlieren.

Wieder dieses Stöhnen. Jennie neigte den Kopf, lauschte. Sie glaubte, dass es aus dem Badezimmer kam. Ihren Mut sammelnd, schluckte sie schwer, bevor sie langsam auf die Tür zutrat, die nicht geschlossen war. Sie war eindeutig aufgebrochen worden. Sich einer Ohnmacht nahe glaubend, streckte sie die Hand aus, um die Tür aufzustoßen.