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Dieses Lehrbuch zeigt, wie Körperbau, Ausdruckszonen im Gesicht, Kopfform, Mimik und Gestik des Patienten als Information erkannt und interpretiert werden können. Mit der Beherrschung der Psycho-Physiognomik verfügen Sie über ein effektives Hilfsmittel für den unmittelbaren Zugang zum Patienten. Jetzt neu: > Zweifarbiges Layout: mehr Informationen "auf einen Blick" > Einführung in jedes Kapitel: Wichtige Inhalte werden noch stärker fokussiert > Fragen und Antworten: schnelle Wissensüberprüfung nach jedem Kapitel > Darstellung: viele neue und überarbeitete Abbildungen > Mit vielen Merksätzen und Tipps für die Praxis.
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Seitenzahl: 462
Wilma Castrian
Lehrbuch Psycho-Physiognomik
Antlitzdiagnostik für die Praxis
4., vollständig überarbeitete Auflage
130 Abbildungen 34 Tabellen
Wilma Castrian
In Hamburg am 28.11.1932 geboren, überlebte Wilma Castrians Familie den Krieg in der Lüneburger Heide. Bereits mit 16 Jahren lernte sie die Psycho-Physignomik kennen: 1948 kam Otto Heydorn, ein in der Lüneburger Heide ansässiger Naturarzt, aus der Kriegsgefangenschaft heim und führte einen Kurs in Psycho-Physiognomik durch. Fasziniert von dem Thema hat die Autorin seit dieser Zeit die Psycho-Physiognomik immer weiter verfolgt und vertieft.
Nach dem Studium der Kunstgeschichte und der Philosophie heiratete Frau Castrian im Jahr 1962, bekam 3 Kinder und zog diese auf. Schließlich begann sie 1978, Psycho-Physiognomik selber zu unterrichten.
Seit über 30 Jahren ist sie – begeistert von der und durch die Psycho-Physiognomik – für dieses Thema aktiv, gründete ein Seminarhaus, an dem ständig Ausbildungen zur Psycho-Physiognomik stattfinden und übernahm die Schirmherrschaft über das Institut für Psycho-Physiognomik nach Carl Huter in Ingerleben.
Dank der technologischen Entwicklungen im vergangenen Jahrhundert hat die Medizin dem Menschen bei vielen Krankheitsbildern Erleichterung und auch Heilung bringen können. Der genetische Bauplan der etwa 100 000 menschlichen Gene ist entschlüsselt, und mit den modernen bildgebenden Verfahren in der Medizin können Vorgänge im Körper bis auf Millimetergröße (oder noch geringer) abgebildet werden. Die Zusammenschau und das ganzheitliche Erfassen des Menschen gingen dabei jedoch fast verloren.
Als wesentlicher Bestandteil einer ganzheitlichen Medizin sind die Naturheilverfahren ein Gegenpol zu der gegenwärtigen konventionellen Medizin, da sie diagnostisch wie auch therapeutisch den Menschen in seiner körperlich-seelisch-geistigen Einheit zu erfassen suchen.
Kommunikation und Heilen gehören seit alters her eng zusammen. Der Arzt, der seinem Patienten begegnet, hat es nie nur mit körperlichen Symptomen zu tun, sondern immer auch mit einer verletzten Seele. Die objektiven Befunde, die ihm durch Apparate aufgezeigt werden, sind immer dem Individuum entsprechend zu interpretieren.
Die Psycho-Physiognomik ist ein Weg, sich über das schauende und fühlende Wahrnehmen auf sein Gegenüber einzulassen. Damit ist sie ein Gegenpol zu dem verrückten Aktionismus der modernen Zeit, in der mehr Achtsamkeit gegenüber sich selbst und mehr Achtung im Umgang mit anderen Menschen notwendig geworden sind. Trotz Wohlstand und scheinbar perfekter Technik werden die Menschen unter immer stärkeren Druck gesetzt, so dass sie sich in Folge von sich selbst wie auch voneinander entfernen.
Wie Frau Castrian in ihrem Buch treffend ausführt, ist Naturwissenschaft der Versuch, bei der Erklärung der Welt ohne Wunder auszukommen. Weil sich die gegenwärtige Medizin auf die Naturwissenschaft fixiert, tritt sie auf der Stelle. Die Medizin muss sich mehr dem Leben und seinen Wundern öffnen – nur so ist eine Weiterentwicklung möglich. Eine sinnvolle Möglichkeit, sich diesem Wunder zu öffnen und es besser zu verstehen, ist die Psycho-Physiognomik.
Interessant ist, dass die von Carl Huter gegen Ende des 19. Jahrhunderts begründete Lehre der Psycho-Physiognomik z. B. ihre Entsprechungen im Ayurveda findet. Die Ayurveda-Medizin ist durch eine kontinuierliche Entwicklung über mehr als zwei Jahrtausende im indischen Kulturkreis gekennzeichnet. Die von Carl Huter beschriebenen Grundnaturelle des Empfindungs-, Bewegungs- und Ernährungs-Naturells entsprechen den unterschiedlichen Grundqualitäten der sog. drei Doshas Vata, Pitta und Kapha.
Wir alle „physiogniomieren“, wenn wir einem unbekannten Menschen begegnen, indem wir Mutmaßungen über seinen Charakter anstellen und unsere Gefühlseindrücke mit der inneren Erfahrungswelt verknüpfen. In der Psycho-Physiognomik geht es darum, diese mehr unbewussten Eindrücke bewusst zu ordnen und zu interpretieren.
Jede äußere Erscheinung des Menschen birgt eine Information in sich. Diese Informationen erlauben durch die Übung in sensibler Betrachtung und bereitwilliger Wahrnehmung Rückschlüsse von den äußeren Zusammenhängen auf die inneren.
Das vorliegende Buch ist aber kein Nachschlagewerk im Sinne eines Physiognomie-Lexikons, in dem lediglich einzelne Merkmale erklärt oder interpretiert werden. Ein wirkliches Verständnis für die Thematik gibt nur die Zusammenschau aller Merkmale bzw. eine Beschäftigung mit allen Kapiteln dieses Buches. Alle Merkmale sind wichtig und wollen nicht nur mathematisch betrachtet werden. Die Formen sind nie alleine maßgebend – nur das sensible Wahrnehmen der energetischen Ausstrahlung des Menschen, der verschiedenen Farbqualitäten der Haut bis hin zur Mimik und Gestik der betrachteten Person kann uns ein augenblickliches Gesamtbild vermitteln.
Wilma Castrian ist eine wunderbare Lehrerin, und ich bin sehr glücklich, dass sie ihre Erkenntnisse von der „Universität des Lebens“ mit diesem Buch einem großen Leserkreis zugänglich macht. Die Lehre der Psycho-Physiognomik ist bei ihr durchsetzt von vielen Einsichten und Denkanstößen der Philosophie und Erkenntnisforschung. Da die Formen, wie sie sich darstellen, mit der Entwicklung unserer gegenwärtigen Existenz unmittelbar verknüpft sind, beleuchtet die Autorin in umfassender Weise auch Grundfragen unseres Seins. Dabei sind ihre wohldurchdachten Sätze von einfühlsamer Weisheit geprägt.
Im Sinne der Autorin möchte ich die Leserinnen und Leser darauf aufmerksam machen, dass eine gute Interpretation nie ein Werturteil sein sollte, sondern lediglich einen Spiegel vorhält, wobei gute Spiegel nicht verzerren! „Es ist, wie es ist“, ist ein Satz, der in den Seminaren von Wilma Castrian nicht selten fällt. Allen, die in die Psycho-Physiognomik einsteigen wollen, sei daher ans Herz gelegt, nicht ihr Weltbild bei der Betrachtung anderen aufzudrängen, sondern durch ein wohlwollendes Einlassen auf einen anderen Menschen die Aufmerksamkeit bei sich und dem Gegenüber gleichermaßen zu erhöhen.
Viel Freude und Erkenntnis beim Lesen dieses Buches wünscht Ihnen
Im Frühjahr 2002
György Irmey
„Geschieht es nicht durch das Schweigen, dass die Ausstrahlungen der Seele die andere Seele erreichen und das Flüstern des Herzens einem anderen Herzen vermittelt wird?“ (Khalil Gibran)
„Wann verstehst du einen Menschen? Du mußt ihn mitmachen. […] Du mußt sein wie er: aber nicht du in ihn hinein, sondern er in dich hinaus!“ (Robert Musil)
Intuitive Wahrnehmungsschulung und das Wissen aus der Psycho-Physiognomik sind der Schlüssel zum Denken, Empfinden und Erleben unseres Gegenübers, dessen Körpergestalt, Gesicht und Ausstrahlung uns seine inneren seelischen Anlagen und Bedürfnisse vor Augen führen.
Die Psycho-Physiognomik ist eine aufmerksame Registratur, sensible Beobachtung und Interpretation der Erscheinung eines Menschen. Sie bietet eine bewährte Orientierungshilfe der vielschichtig informierenden Merkmale und Zeichen, die uns einen unmittelbaren Zugang zu unseren Mitmenschen verschafft und uns den Weg zu Verständnis, Nähe und Toleranz ebnet.
Somit bietet die Psycho-Physiognomik die Möglichkeit, sich intensiv auf die Persönlichkeit unseres Gegenübers mit ihrer individuellen Einzigartigkeit einzulassen, und findet mittlerweile in vielen verschiedenen Bereichen Anwendung, so in der Therapie, Beratung und Lehre. Auch die homöopathische Anamnese kann durch psycho-physiognomische Kenntnisse erleichtert werden.
Die patho-physiognomische Betrachtung anhand von Korrespondenzzonen der Organe erlaubt Rückschlüsse auf gesundheitliche Störungen der Patienten und stellt eine maßgebliche Bereicherung für Ärzte, Therapeuten und Heilpraktiker dar.
Dieses Lehrbuch ist aus dem Wunsch entstanden, die Psycho-Physiognomik nach Carl Huter (1861–1912) zu erhalten und zu einer Renaissance zu führen. Mittlerweile liegt es in der 4. erweiterten und vollständig überarbeiteten Auflage vor, in der – neben einer neuen Layoutgestaltung – der Praxisbezug durch Merksätze, Praxistipps, Fragen zur Selbstüberprüfung und weitere Kopiervorlagen ausgeweitet, aber auch die philosophischen, psychologischen und tradierten Hintergründe zum besseren Verständnis ergänzt und weiter kommentiert wurden.
Ein zentrales Anliegen aber bleibt: Möge Ihnen dieses Buch dabei helfen, die Kenntnis des Menschen so zu lernen und zu erweitern, dass sie das Wunder des Menschseins mehr erfasst und durch ein tieferes Verständnis zu Toleranz und Integration führt. Schon Johann Caspar Lavater (1741–1801) wollte eine Menschenkenntnis aus Menschenliebe fördern.
Den vielen wunderbaren Menschen, die mir geholfen haben, insbesondere meinen Kindern, danke ich aus vollem Herzen.
Im Frühjahr 2010
Wilma Castrian
Teil 1 Eine Einführung in die Psycho-Physiognomik nach dem System von Carl Huter
1 Begriffe und Grundlagen der Psycho-Physiognomik
1.1 Etymologie
1.2 Die Basis der Psycho-Physiognomik
1.3 Ziele der Psycho-Physiognomik
1.4 Wege der Psycho-Physiognomik
1.5 Persönliche Voraussetzungen
1.6 Mögliche Gefahren
1.7 Psycho-Physiognomik und Psychosomatik
1.8 Fragen zur Selbstüberprüfung
2 Zur Geschichte der Psycho-Physiognomik
2.1 Fragen zur Selbstüberprüfung
3 Carl Huter – der Begründer der Psycho-Physiognomik
3.1 Zeitgenössischer Hintergrund
3.2 Das Leben Carl Huters
3.3 Bedeutung der Psycho-Pysiognomik nach Carl Huter heute
4 Die Entstehung der Naturelle
4.1 Der Körperbau – die Grundtypen
4.2 Typen als Zellinformationen
4.3 Keimblattentwicklung
4.4 Die biologischen Voraussetzungen der Naturelle
4.5 Fragen zur Selbstüberprüfung
5 Die primären Naturelle
5.1 Die seelisch-geistige Veranlagung der 3 primären Naturelle
5.1.1 Ernährungs-Naturell
5.1.2 Bewegungs-Naturell
5.1.3 Empfindungs-Naturell
5.2 Merkmalsprotokolle der 3 primären Naturelle
5.2.1 Idealtypische Merkmale der primären Naturelle
5.2.2 Seelische Bedürfnisse der primären Naturelle
5.3 Fragen zur Selbstüberprüfung
6 Modifizierungen der 3 primären Naturelle
6.1 Die 3 sekundären Naturelle
6.1.1 Idealtypische Merkmale der sekundären Naturelle
6.1.2 Die sekundären Naturelle und ihre seelischen Bedürfnisse
6.2 Weitere Modifikationen
6.2.1 Tertiäre und neutrale Naturelle
6.2.2 Vom Idealtyp abweichende Entwicklungen
6.3 Fragen zur Selbstüberprüfung
7 Harmonie-Lehre oder: Typen ziehen sich an – Typen stoßen sich ab
7.1 Farben
8 Polare Naturelle – Harmonie und Disharmonie
8.1 Harmonie
8.2 Disharmonie
8.3 Merkmalsprotokoll der beiden polaren Typen
8.4 Harmonieberechnung
8.4.1 Seelisches Bedürfnis und Resonanz
8.4.2 Harmonische und disharmonische Konstellationen
8.5 Fragen zur Selbstüberprüfung
9 Typen und Temperamente
9.1 Die klassischen Temperamente
9.2 Die Temperamente in der Physiognomik
9.3 Zur Typenlehre Ernst Kretschmers
9.4 Die Typenlehre Carl Gustav Jungs
9.5 Fragen zur Selbstüberprüfung
Teil 2 Die psycho-physiognomische Betrachtung
10 Die Schulung der Wahrnehmung
10.1 Die Schule des Sehens
10.1.1 Das geübte Sehen
10.1.2 Das Gefühl für Proportionen
10.2 Die Schule des Einfühlens
10.3 Die Praxis der Schule der Wahrnehmung: Psycho-Physiognomik und homöopathische Anamnese
10.4 Fragen zur Selbstüberprüfung
11 Kraft-Richtungs-Ordnung: Formbildende Energien und ihre Ausstrahlung
11.1 Grundenergien des Lebens
11.2 Ermittlung des gegenwärtigen Energiestatus
11.3 Definitionen und Charakteristiken der 10 energetischen Qualitäten
11.3.1 Positive und negative Helioda
11.3.2 Konzentrationsenergie
11.3.3 Attraktionsenergie
11.3.4 Magnetismus
11.3.5 Elektrizität
11.3.6 Od (Weichmedioma) und Medioma (Hartmedioma)
11.3.7 Gebundene und fliehende Wärme
11.3.8 Zum Ursprung der Energien
11.3.9 Wirkung der Energien – schwächende und verstärkende Faktoren
11.4 Zur Materie
11.5 Die idealtypischen Energien der Naturelle
11.6 Welche Energie macht welche Form?
11.7 Die energetische Ausrichtung: Körper- und Kopfachsen
11.7.1 Einheitsachse
11.7.2 Elektrische Achse
11.7.3 Kopfachsen
11.8 Fragen zur Selbstüberprüfung
12 Systemorientierte Betrachtung
12.1 Erfassung bestimmter Merkmale
12.2 Übersicht zur systemorientierten Betrachtung
13 Meine Methode, die Psycho-Physiognomik systematisch anzuwenden
Teil 3 Die patho-physiognomische Betrachtung
14 Patho-Physiognomik
14.1 Die Haut
14.1.1 Der Aufbau der Haut
14.1.2 Die Aufgaben der Haut
14.1.3 Haut und Sinne
14.1.4 Haut und Ausstrahlung
14.1.5 Pathologische Veränderungen
14.2 Patho- und psycho-physiognomische Betrachtung der Haut
14.2.1 Psychosomatik der Haut
14.2.2 Ausdrucksareale der Haut
14.2.3 Die einzelnen Ausdrucksareale
14.3 Die Gesichtsknochen
14.3.1 Die Gestalt der Naturelle
14.4 Fragen zur Selbstüberprüfung
Teil 4 Die einzelnen Formelemente
15 Ohren
15.1 Ohrfunktion und -anatomie
15.1.1 Entwicklung und Anatomie
15.1.2 Das Ohr und die Seele
15.1.3 Das Ohr im sprachlichen Ausdruck
15.2 Das Ohr als Empfangsorgan
15.2.1 Wahrnehmung und Wirkungen
15.2.2 Das seelische Bedürfnis und die Ohrformen
15.3 Die Dreiteilung des Ohres
15.3.1 Oberes Ohr
15.3.2 Mittleres Ohr
15.3.3 Unteres Ohr
15.3.4 Merkmalsprotokoll der Ohren
15.4 Ansatz des Ohres
15.5 Der Ohrrand – Helix
15.6 Patho-Physiognomie des Ohres
15.7 Kopfareale unter der Ohrmuschel und um das Ohr herum
15.8 Fragen zur Selbstüberprüfung
16 Nase
16.1 Die Anatomie der Nase
16.2 Die Nase als Riechorgan
16.3 Die Nase und der Selbstverwirklichungswille
16.3.1 Die Richtung der Selbstverwirklichung
16.4 Die Dreiteilung der Nase und die Psychodynamik und Psychosomatik
16.4.1 Die formbildenden Kräfte
16.5 Organkorrespondenzen – Patho-Physiognomik
16.5.1 Untere Nase
16.5.2 Mittlere Nase
16.5.3 Obere Nase
16.6 Nasenformen und Mentalität
16.6.1 Merkmalsprotokoll der Nase
16.6.2 Nasenformen
16.7 Fragen zur Selbstüberprüfung
17 Mund und Kinn
17.1 Der Mund
17.2 Mund und Gefühle
17.2.1 Übersetzungs- und Bewertungsmuster
17.3 Artikulation von Gefühlen
17.4 Mundmimik und Gemütsausdruck
17.5 Mundformen als Gefühlsausdruck
17.5.1 Merkmalsprotokoll des Mundes
17.6 Mimik und Geschmacksqualitäten
17.7 Ausdruckszonen am und um den Mund
17.8 Das Kinn
17.9 Unterkiefer, Jochbogen, Jochbein
17.10 Fragen zur Selbstüberprüfung
18 Augen
18.1 Wie funktioniert das Auge?
18.1.1 Aufbau des Auges
18.1.2 Sehvorgang
18.1.3 Zum Sehen geboren – zum Schauen bestellt
18.1.4 Lage der Augen
18.2 Das Auge als „Spiegel der Seele“
18.3 Die 12 Blickrichtungen
18.3.1 1.–4. Blickrichtung: Beobachtung und reale Denkabläufe
18.3.2 5.–8. Blickrichtung: Transformation zur Erkenntnisbildung
18.3.3 9.–12. Blickrichtung: Gefühls- und instinktbetontes Denken und Handeln
18.3.4 Weitere „Augenblicke“
18.4 Sehen und Denken
18.5 Ausdruckszonen des Auges
18.5.1 Augen- und Gesichtsausdruck
18.5.2 Korrespondenzzonen des Auges
18.5.3 Areale um die Augen
18.6 Die augenblickliche Kommunikation – Grenzen der Interpretation
18.7 Fragen zur Selbstüberprüfung
19 Stirn und Denkvermögen
19.1 Das Denkvermögen
19.1.2 Reizverarbeitungsmuster
19.2.1 Stirn und Mimik
19.3 Die Dreiteilung der Stirn
19.3.1 Untere Stirnzone
19.3.2 Mittleres Stirndrittel
19.3.3 Oberes Stirndrittel
19.4 Die 7 Stirnregionen
19.4.1 Zur Entstehung der 7 Stirnregionen
19.4.2 1. Stirnregion: Auffassungs- und Beobachtungsgabe
19.4.3 2. Stirnregion: Vorstellungsgabe
19.4.4 3. Stirnregion: Praktisches Denken
19.4.5 4. Stirnregion: Spekulatives und philosophisches Denken
19.4.6 5. Stirnregion: Qualitatives Denken, Weisheit
19.4.7 6. Stirnregion: Ethisches Denken, Ehrfurcht vor dem Leben, dem Sein, der höchsten Gesetzmäßigkeit
19.4.8 7. Stirnregion: Religiöses Denken und Fühlen
19.5 Die Sinne des Menschen
19.5.1 Der Formensinn
19.5.3 Der Gewichtssinn
19.5.5 Der Ordnungssinn
19.5.7 Der Mathematiksinn
19.5.8 Der Fantasiesinn
19.5.9 Kombinierte Betrachtung
19.6 Die Stirnformen
19.6.1 Die Form der Unterstirn
19.6.2 Die Form der Oberstirn
19.6.3 Stirnformen und die Naturelle
19.7 Sammlung der geistigen Energie und Nasenwurzel
19.7.1 Nasenwurzel
19.7.2 Die subjektive Erfahrung mit Sensibilität und Bewusstsein
19.8 Fragen zur Selbstüberprüfung
20 Hinterhaupt
20.1 Der Antrieb zur Entwicklung
20.2 Die Kopfachsen und Pole
20.2.1 Festigkeitsachse
20.2.2 Tätigkeitsachse
20.2.3 Liebesachse
20.2.4 Konzentrationsachse
20.2.5 Willensachse
20.3 Die Dreiteilung des Hinterhauptes
20.3.1 Unteres Hinterhaupt
20.3.2 Mittleres Hinterhaupt
20.3.3 Oberes Hinterhaupt
20.4 Die 10 Zonen des Hinterhauptes
20.4.1 Zone 1: Fingerspitzengefühl, Tasten zur Ich-Erfahrung
20.4.2 Zone 2: Gebundenheitsgefühle
20.4.3 Zone 3: Kindesliebe, Freundschaft und Heimatliebe
20.4.4 Zone 4: Nestbautrieb
20.4.5 Zone 5: Sesshaftigkeit
20.4.6 Zone 6: Anspannung für die eigene Dynamik
20.4.7 Zone 7: Motorische Antriebskraft von Oberschenkel und Becken
20.4.8 Zone 8: Motorische Antriebskraft der Knie
20.4.9 Zone 9: Motorische Antriebskraft der Füße
20.4.10 Zone 10: Motorische Antriebskraft der Zehen
20.5 Asymmetrien des Hinterhauptes
20.6 Fragen zur Selbstüberprüfung
21 Seitenhaupt
21.1 Dreiteilung des Seitenhauptes
21.2 Ökonomische Beziehung zu den Stirnregionen
21.3 Die Schläfe
21.4 Die 7 Ausdruckszonen des Seitenhauptes
21.5 Fragen zur Selbstüberprüfung
22 Oberkopf
22.1 Der Oberkopf und die Transzendenz
22.2 Oberhauptformen
22.3 Fragen zur Selbstüberprüfung
23 Das Haupthaar
24 Der Hals
25 Ausdrucksbewegungen
25.1 Mimik, Gestik und Körpersprache
25.2 Hände
25.3 Schrift
Anhang
26 Antworten
26.1 Kapitel 1 Begriffe und Grundlagen der Psycho-Physiognomik
26.2 Kapitel 2 Zur Geschichte der Psycho-Physiognomik
26.3 Kapitel 4 Die Entstehung der Naturelle
26.4 Kapitel 5 Die primären Naturelle
26.5 Kapitel 6 Modifizierungen der 3 primären Naturelle
26.6 Kapitel 8 Polare Naturelle – Harmonie und Disharmonie
26.7 Kapitel 9 Typen und Temperamente
26.8 Kapitel 10 Die Schulung der Wahrnehmung
26.9 Kapitel 11 Kraft-Richtungs-Ordnung: Formbildende Energien und ihre Ausstrahlung
26.10 Kapitel 14 Die Haut
26.11 Kapitel 15 Ohren
26.12 Kapitel 16 Nase
26.13 Kapitel 17 Mund und Kinn
26.14 Kapitel 18 Augen
26.15 Kapitel 19 Stirn und Denkvermögen
26.16 Kapitel 20 Hinterhaupt
26.17 Kapitel 21 Seitenhaupt
26.18 Kapitel 22 Oberkopf
27 Fallbeispiele
27.1 Beispiel 1
27.2 Beispiel 2
28 Arbeitsblätter
29 Kopiervorlagen zur Erfassung psycho- und patho-physiognomischer Merkmale
30 Biografie Carl Huters
31 Abbildungsnachweis
32 Literatur
33 Sachverzeichnis
1 Begriffe und Grundlagen der Psycho-Physiognomik
2 Zur Geschichte der Psycho-Physiognomik
3 Carl Huter – der Begründer der Psycho-Physiognomik
4 Die Entstehung der Naturelle
6 Modifizierungen der 3 primären Naturelle
7 Harmonie-Lehre oder: Typen ziehen sich an-Typen stoß sich ab
8 Polare Naturelle – Harmonie und Disharmonie
9 Typen und Temperamente
Die Psycho-Physiognomik ist ein von Carl Huter (1861–1912) entwickeltes System, welches die Biologie und Psychologie mit den jeweiligen Körperformen und der dazu gehörenden Ausstrahlung verbindet. Erfahren Sie mehr über ihr Ziel, die Sprache des menschlichen Gesichts als Ausdruck der Seele verständlich zu machen, und ihren Nutzen als Lebenshilfe und Diagnosemöglichkeit. Denn mithilfe des menschenkundlichen Systems von Carl Huter ist es uns möglich, aus den genetisch geprägten und stets weiterentwickelten Formen und Ausdrucksarealen eines Menschen seine Persönlichkeit in ihrer Ganzheit zu erfassen.
Der Begriff „Psycho-Physiognomik“ setzt sich aus 3 verschiedenen Wortbestandteilen zusammen:
In der Philosophie verstehen wir diese Wortkomponenten als das Zusammenspiel von Körper und Seele. Der Wahrnehmende dieses Geschehens ist der Kenner, Beurteilende, der mit seinem Erkenntnisvermögen erklärt und lehrt.
Die Physiognomik schließlich ist die Lehre von der äußeren Erscheinung und Einordnung des Menschen und jeder lebendigen Gestalt.
Merke: Die Psycho-Physiognomik ist die Lehre von der Beurteilung der äußeren Gestalt eines Menschen, der Projektion der Psyche durch die lebendige Gestalt, die besonders aus den Gesichtsformen und der Mimik abzulesen ist.
Sie ist die Kenntnis der Seelenausdrucksleistung, die sich im Wechselspiel von Reizaufnahme, Reizverarbeitung und Reizerkenntnis ereignet. Eine Ausdrucksleistung, die sich nachempfinden, ablesen, erkennen und einordnen lässt.
Die Psycho-Physiognomik ermittelt über die Ausdruckszonen der Haut Verbindungen zu den Organen, die sich entsprechend über Veränderungen der Zonen orten lassen.
Merke: Die Patho-Physiognomik (▶S. 92 ff.) wiederum interpretiert veränderte Zeichen als Hinweis auf mögliche organische Störungen oder Erkrankungen. Sie diagnostiziert an den Hautausdruckszonen den Zustand der Organe, ob sie gesund oder unstimmig sind. Dabei geben Verfärbungen, Spannungen, Modellierungen und Strukturen Hinweise.
Verfärbungen und Schwellungen, die über das Proportionsmaß des Gesichtsareals hinausgehen, sind im Vergleich zu den übrigen Zonen pathogen.
Dabei ist es interessant, die psychosomatischen Zusammenhänge zu entdecken und mit der „Organsprache“ in Kombination zu sehen.
Im Gesicht eines jeden Menschen kann sowohl anhand von Augen, Mund, Ohren, Stirn, Kinn und Kiefer, Nase, Jochbeinen und Kopf als auch durch die Mimik deutlich werden, welchen Einflüssen er unterliegt, welchen Einfluss er aufnehmen will, oder worauf er seinerseits Einfluss nehmen möchte.
Die grundlegende Überlegung Huters war, dass alle Energien, kosmische wie irdische, den Menschen formen, indem sie die Haut durchdringen, vom Körper absorbiert werden und in jede Zelle gelangen. Die Energien hinterlassen dort eine Prägung, werden erneut im Bewusstwerdungsprozess reflektiert, treffen ein zweites Mal auf die Haut (diesmal von innen) und werden so ein zweites Mal formbildend wirksam (▶Abb. 1.1).
Als Beispiel für den Prozess der inneren Reizverarbeitung kann die Biologie herangezogen werden: Wenn wir uns anschauen, welche Teile des Gehirns für unsere Gefühlsverarbeitung zuständig sind, kommen wir zum limbischen System. Dies stellt eine Ansammlung von unterschiedlichen Nervenzellen in unterschiedlichen Arealen des Gehirns dar, die ein Netzwerk bildet, das alle Anteile des Gehirns durchzieht und miteinander verknüpft. Informationen und Reize werden hier nach Wichtigkeit gewertet, behandelt, eingespeichert und verknüpft. Das sensorisch Wahrgenommene wird mit einer Affektlage (Bilder, Gedanken, körperliche Reaktionen) verbunden. Aus der Hirnforschung ist z. B. bekannt, dass der Hippocampus als „Schaltzentrale“ des limbischen Systems dafür verantwortlich ist, dass wir Gefühle identifizieren und korrekt benennen können.
▶Abb. 1.1 Grundgesetz des physiognomischen Geschehens.I Etwas, das einen Reiz bekommt (B), verändert sich undII verarbeitet die Reize im Innenraum. Der Prozess der Verarbeitung geht weiter, bleibt nicht im Innenraum, sondern entäußert sich nach außen.III Durch die Äußerung nach außen bzw. in die Peripherie zeigt sich, was innen passiert ist. Das Universum (A) und das Individuum (B) beeinflussen sich gegenseitig.
Im verlängerten Rückenmark, dem Stammhirn liegen hingegen die Nervenzentren, die die vegetativen Vorgänge im Körper steuern (Puls, Temperatur, vegetative Reaktionen etc.). Die Verbindung dieser Strukturen bildet ebenfalls ein Netzwerk, die Formatio reticularis.
Das limbische System steht mit der Formatio reticularis in Verbindung und reagiert auf die elektrischen Ereignisse im Nervensystem. Von dort breiten sich die Reaktionen auf die Wahrnehmungen, die sich im Gehirn aufgebaut haben, als elektrische Potenziale über den gesamten Körper aus. Dies ist der Grund, warum der gesamte Körper bei z. B. Wut, Freude oder Sorge reagiert. Gefühle somatisieren sich. Das, was wir fühlen, erreicht über die beschriebenen Verschaltungszentren letztlich jede Zelle unseres Körpers und hinterlässt sie verändert.
In der Reflexion dieser Reize, im Prozess des Stoffwechsels, entstehen aus den im inneren auftauchenden Bedürfnissen aus der Versorgungslage des Organlebens (Durchblutung, Mangelerscheinungen etc.) Wunschvorstellungen und daraus Vorstellungen zur Befriedigung derselben. Dabei spielt nicht nur die Stoffwechsellage, sondern auch die Schmerzempfindung und Reizung eine Rolle, die ihrerseits Impulse an die vegetativen Zentren melden. Dies löst über die Physis ein unbestimmtes Drängen, aber auch auf der seelisch-geistigen Ebene Bedürfnisse aus, die nach Veränderung streben. Bedürfnisse werden uns als Gefühle bewusst.
Merke: Der beschriebene Prozess der inneren Reizverarbeitung zeigt nur eine Möglichkeit von vielen auf, da jede Energie auf die ihr eigene Weise einwirkt und umgewandelt wird (▶S. 62 ff.). Auch Organismen, denen kein Nervensystem eigen ist, nehmen die energetischen Qualitäten auf und transformieren sie.
Wie bei einem Samenkorn wird durch diese formenden Energien oder Formelemente ein genetisches Programm aktiviert, das über verschiedene Energien, die die Vitalität ausmachen, eine bestimmte Gestalt wachsen lässt. Diese sichtbaren Projektionen sind durch die Psycho-Physiognomik interpretierbar.
Solch prägende Formelemente sind überall in der Natur zu beobachten, so auch beim Wachstum von Pflanzen wie z. B. Getreide, dessen Gestalt je nach der Einwirkung von äußeren Faktoren wie Wetter, Wind und Boden völlig verschieden erscheinen kann. Bezogen auf den Menschen insgesamt wirken sich z. B. Elternhaus, Heimat, Schule, enge Freundschaften und Beziehungen oder auch Klimazonen als Formelemente aus. Das Gesicht entfaltet sich ebenfalls nach den Prägungen, die in der genetischen Information, der Familie, der Umwelt, der Konstitution und dem Charakter aufgehoben sind.
So wie Wut oder Freude als seelisch-geistige Momentaufnahme in der Mimik zu erkennen sind, so können wir auch langfristige Spuren sehen, die sich z. B. durch Anstrengung in den unterschiedlichen Anlagen zeigen können. Alle Erfahrungen, Erlebnisse, Krankheiten, Berufe, Sprachen, Wohnorte, der gesamte Kulturkreis hinterlassen Spuren, die uns helfen, aus der chaotischen Flut der Erlebnisbilder unsere eigene Struktur zu erkennen und unser Bewusstsein zu differenzieren. Unbewusst gelingt das meistens. Als Mitmenschen wollen wir uns aber bewusst werden, bewusst Auswahl treffen oder uns die Gründe der unbewussten Auswahl bewusst machen. Wir wollen lernen, das zu erkennen, was wir sehen und – unter Berücksichtigung der Dominanten – das Individuum in seiner Ganzheit verstehen; die Mimik als Ausdrucksbewegung des Gesichts ebenso wie die Prägung durch Familie, Umwelt und die genetische Information.
Wenn wir uns mit Menschen beschäftigen wollen, wenn wir sie verstehen wollen, wenn sich alles innere Erleben im Menschen auch im Äußeren äußert, ist es naheliegend, ein System zu suchen, welches diese Äußerungen „entschlüsseln“ kann. Die Psycho-Physiognomik bietet dies.
Wir versuchen, mithilfe der Psycho-Physiognomik zu verstehen, was uns die verschiedenen Ausdrucksformen, durch die sich alles Lebendige gestaltet, sagen wollen und welche seelischen Bedürfnisse sich dahinter verbergen.
Die Psycho-Physiognomik hilft uns z. B., Kommunikationsprobleme zu vermeiden. Wenn uns jemand eine Information verbal übermittelt, müssen wir häufig im Nachhinein feststellen, dass wir ihn missverstanden haben. Das Tun eines Menschen ist eine sichtbare Reaktion auf einen inneren Entschluss, und wir interpretieren ihn, ohne zu wissen, ob unsere Annahme seiner Motivation entspricht.
Wenn ein Mensch etwas denkt oder fühlt, haben wir als Außenstehender wenig Informationen darüber, wie sich sein innerer Dialog vollzieht. Wir nehmen unzählige unterschiedliche Signale entgegen, reagieren auf sie, senden selbst Signale aus und wissen nichts um die Wirkung auf unser Gegenüber.
Neben diesen Verständigungshilfen für bewusste wie unbewusste Äußerungen bietet die Psycho-Physiognomik aber auch Hilfen zur Selbsterkenntnis, zur Partner- und Berufswahl, zur allgemeinen Menschenkenntnis usw. und ist damit hilfreich in der Beratung sowie ein effizientes Diagnosemittel für die Therapie. Sie hilft, Fragen zu beantworten, wie z. B.:
Warum ist mir ein Mensch sympathisch oder unsympathisch?
Wie kann ich meine Schwächen / Stärken akzeptieren? Wo liegen meine Blockaden? Wo meine Begabungen und Talente?
Welche Eigenschaften bringt mein Gegenüber mit sich?
Mit den Antworten auf diese Fragen werden wir klarer und toleranter in der Erkenntnis unseres eigenen Wesens und dem unserer Mitmenschen.
Fjodor M. Dostojewski, dem das Psychologische ein tiefes menschliches und künstlerisches Anliegen war, sagte dazu:
„Ich halte es nicht für das größte Glück, einen Menschen enträtselt zu haben. Ein größeres Glück ist es noch, bei dem, den wir lieben, immer neue Tiefen zu entdecken, die uns immer mehr die Unergründlichkeit seiner Natur in ihrer ewigen Tiefe offenbart.“
Grundsätzlich gibt es in der Vorgehensweise verschiedene Ansätze, die sehr individuell sein können, aber in der Zusammenfassung möglichst keine Lücken haben sollten (meine Methode ▶S. 87 ff.).
Merke: Auf jeden Fall ist es wesentlich, dass der Analysierende sich selbst aus der Betrachtung herausnimmt und nur von dem ausgeht, was er sieht (▶S. 56 ff.).
Generell konzentriert sich die Psycho-Physiognomik zunächst auf die Einzelheiten einer ganzen Gestalt und analysiert sie auf ihren Ausdrucksgehalt hin. Dann richtet sich die Aufmerksamkeit auf die einzelnen Ausdrucksareale, z. B. Hände, Augen, Stirn oder Ohren. Diese konzentrierte Betrachtung der Formen wird wiederum mit dem seelisch-geistigen Impuls, der Energie, verbunden, die diese geformt hat, um so zu einer ganzheitlichen Betrachtungsweise zu kommen.
Die einzelnen Formelemente haben für sich genommen eine spezifische Bedeutung, die in Teil 4 (▶S. 107 ff.) erläutert werden. Im Kontext gesehen ist es aber auch wichtig zu beurteilen, ob sie mit dem Naturell unseres Gegenübers stimmig sind (▶S. 18 ff.). Die idealtypischen Grundnaturelle (Ernährung – Empfindung – Bewegung) sind selten anzutreffen, meistens finden wir Mischnaturelle. Aber auch dabei können einzelne Formelemente abweichen und Hinweise geben. Den Selbstverwirklichungswillen können wir unserem Gegenüber „an der Nase“ ablesen. Hat ein Empfindungs-Naturell dabei z. B. die Nase des Bewegungs-Naturells, geht sein Selbstverwirklichungswille in die Richtung des Bewegungs-Naturells.
Auch die patho-physiognomischen Aussagen, d. h. Rückschlüsse auf eventuelle körperliche Störungen, werden in die Betrachtung einbezogen (▶S. 92 ff.).
Merke: Letztlich fließen alle genannten Beobachtungsergebnisse immer zusammen. Bei der Zusammenfassung können die einzelnen Körperformen und Aussagen zwar verschieden bewertet werden, das Ergebnis sollte jedoch immer dasselbe sein – und uns so helfen, unser Gegenüber zu verstehen.
Die Psycho-Physiognomik fordert Eigenleistung und Engagement von den Betrachtern. Das „Berieseln“ oder möglicherweise ungeprüfte „Schlucken“, wie es oberflächlich aufgenommene Reize zulassen – wir denken dabei z. B. an die Konsumhaltung beim Fernsehen – erlaubt die Psycho-Physiognomik nicht. Sie verlangt ein intensives Vertiefen, sensibles Betrachten und bewusstes Wahrnehmen der Erscheinungen und somit ein hohes Maß an Kreativität.
Gerade weil die Psycho-Physiognomik ein in sich schlüssiges System darstellt, birgt sie die Gefahr in sich, dass sie als „Universalschlüssel“ missverstanden und angewendet wird, und man sich selbst oder sein Gegenüber schon allein aufgrund einiger Körperformen automatisch in eine bestimmte „Schublade“ einordnet. Doch genau dies soll mit der Psycho-Physiognomik nicht erreicht werden, sondern genau das Gegenteil.
Merke: Die Psycho-Physiognomik wirkt der Vereinfachung entgegen, denn jeder Mensch ist etwas Unteilbares, Einzigartiges und der Mensch ist mehr als die Summe seiner Ausdruckszonen.
Vor allem am Anfang besteht für viele Anwender die Gefahr, von einigen deutlichen Merkmalen auszugehen und andere Merkmale, die diesen eventuell widersprechen oder die womöglich noch nicht gelernt wurden, unberücksichtigt zu lassen. Das Ergebnis ist dann ein Vorurteil über diesen Menschen. Spätestens hier besteht die Notwendigkeit zur Korrektur.
Für eine erfolgreiche psycho-physiognomische Betrachtung ist außerdem stetige Sebstreflexion und -kontrolle nötig, da auch die Eitelkeit, sich selbst „zum Maß der Dinge“ erheben zu können, eine mögliche Gefahr der Psycho-Physiognomik darstellt. Dadurch kann sich im ungünstigsten Fall ein übersteigertes Geltungsbedürfnis entwickeln, das der offenen und vorurteilsfreien Bewertung grundsätzlich zuwiderläuft. In den Mittelpunkt der Betrachtung rückt dann die eigene Persönlichkeit und nicht mehr die des Patienten.
Die beim Patienten beobachteten Ausdrucksdaten werden in der Psycho-Physiognomik in sog. Merkmalsprotokollen erfasst, mit denen wir uns noch eingehend beschäftigen werden (▶S. 21 ff.). Solche Daten lassen sich verhältnismäßig leicht einprägen. Leider oder vielleicht zum Glück ergibt jedoch nur die Vernetzung in ihren vielseitigen Kombinationsmöglichkeiten eine ganzheitliche Aussage, die uns den Menschen näher bringt, wenn wir uns darauf einlassen.
Merke: Ein essenzielles Bedürfnis der Menschen ist es, „erkannt zu werden“. Damit sind aber auch gleichzeitig Ängste verbunden, wie das Gegenüber mit diesen Erkenntnissen umgehen wird. Die große Verantwortung mit dieser tiefen Unsicherheit fordert eine ebenso große Behutsamkeit.
Viele suchen nach einem System, einem Buch, welches ihnen die Lösung für alle Ängste, Schutzmechanismen, Hemmungen, Süchte, Verletzungen, unbewussten Antriebe und Innenspannungen bringt. Es gibt kein solches Buch! Dieses Buch schreibt das Leben mit allen Reizen, Angeboten und Möglichkeiten zur Persönlichkeitsbildung in das Wesen des Menschen – der als Sozialpädagoge, als Lehrer, Arzt, Therapeut, Psychologe, Chef, Angestellter, Mitmensch in allen Orientierungsstufen die Fragen nach dem Menschen behutsam und tastend zu vertiefen sucht.
„Im Einklang sein mit sich und seinem Ideal ist Gesundheit.“ (Samuel Hahnemann)
Der Mensch ist eine Einheit aus Körper, Geist und Seele. Jede Krankheit ist ein Signal, ein Ausdruck für eine Unstimmigkeit auf einer dieser Ebenen. Derjenige, der es versteht, diese Signale richtig zu deuten, hat die Möglichkeit, den Menschen in seiner Ganzheit zu erfassen. Ein Weg, sich für solche Signale zu sensibilisieren, ist es, mithilfe der Psycho-Physiognomik genau und umfassend zu prüfen, was die Ausdruckszonen im Gesicht – die wir noch eingehend kennenlernen werden – und das bereits genannte „Merkmalsprotokoll“ in Kombination ergeben.
Merke: Die Ausdruckszonen des Gesichts und das Merkmalsprotokoll zeigen zumeist deutlich die Zeichen eines Nicht-im-Einklang-mitsichselbst-Seins, die wir mithilfe der Psycho-Physiognomik entsprechend erkennen und deuten können.
Definieren Sie die Begriffe „Psyche“, „Physis“ und „Gnomik“.
Was drückt das Grundgesetz des physiognomischen Geschehens aus? Welche Bedeutung hat dieses für die psycho-physiognomische Betrachtung?
Beschreiben Sie die Ziele der Psycho-Physiognomik.
Nennen Sie mögliche Gefahren der Psycho-Physiognomik.
Antworten ▶S. 228 f.
Die Geschichte der Physiognomik bis zur Psycho-Physiognomik, wie wir sie heute kennen, hat weit zurück reichende Wurzeln sowohl in der Medizin als auch in der Anthropologie. Eines der ältesten Bücher über menschliche Wesenskunde überhaupt ist das Puggala Paññatti aus dem sehr umfangreichen buddhistischen Schrifttum. Es stammt aus der Zeit um ca. 300 v. Chr. und wurde 1910 ins Deutsche übersetzt, zur Zeit, als das Interesse an diesen Themen „modern“ wurde. Darin enthalten ist u. a. eine Charakterisierung und Klassifizierung von Menschentypen im Hinblick auf ihre Gott-(Brahma-) nähe bzw. -ferne.
Seien Sie eingeladen zu einer Reise in die Vergangenheit, die Ihnen die wesentlichen Ideen und Vorstellungen besonders herausragender und maßgebender Wegbereiter der Psycho-Physiognomik nahebringt.
Aus der griechischen Früh- und Hochkultur sind zahlreiche physiognomische Betrachtungen überliefert. Die Griechen gaben ihren Göttern Eigenschaften. Sie charakterisierten sie durch unterschiedliches Aussehen. Die Künstler hatten eine starke Imagination.
Von Pythagoras von Samos, der von 495–400 v. Chr. lebte, ist beispielsweise bekannt, dass er seine Schüler bewusst nach physiognomischen Kriterien auswählte. Eine tiefe Kenntnis von der menschlichen Natur und ihrem Zusammenhang mit dem äußeren Abbild des Menschen hatten Sokrates (470–399 v. Chr.) und Platon (427–347 v. Chr.). Sie beschrieben die Ausdrucksformen, die durch Besonnenheit, Klugheit, Edelmut, Dummheit oder Bosheit im Antlitz entstehen, und sie vertraten bereits den Standpunkt, dass „in einem gesunden Körper eine gesunde Seele“ leben müsse, den wir heute kaum noch aus der griechischen als vielmehr aus der römischen Antike kennen: „mens sana in corpore sano“ (Platon).
Hippokrates von Kos (460–375 v. Chr.) gilt als der Begründer der Patho-Physiognomik (▶S. 92 ff.). Er beschrieb die Zusammenhänge von verschiedenen Säftemischungen mit menschlichen Verhaltensweisen, die später in die Lehre von den Körpersäften (Blut, Schleim, Schwarze und Gelbe Galle) eingingen. Besonderes Augenmerk richtete er dabei auf die sog. Erscheinungsveränderungen. Die Patho-Physiognomik funktioniert so, dass sich durch Veränderungen nach Gesundheit und Krankheit die Säfte im Körper verändert haben. Jede Veränderung ist in den Gesichts- und übrigen Erscheinungsformen des Körpers offenbart und daraus abzulesen. Die physiognomische Beschreibung des Gesichts eines Sterbenden wird noch heute als „Facies hippokratika“ bezeichnet.
In seinem Buch Physiognomica fasste Aristoteles (384–322 v. Chr.) – ohne speziell Physiognom zu sein – all das zusammen, was an zeitgenössischem Wissen zu dieser Thematik vorhanden war. Auch hier war er – wie in vielen anderen Gebieten, man denke nur an seine umfangreichen Arbeiten zur Naturkunde insgesamt – derjenige, der als erstes eine systematische Physiognomik erstellte, die sich auch mit dem Ausdruck im Vergleich von Tieren und Menschen befasste. Er wusste um die Wechselbeziehung von Körper und Seele als Grundvoraussetzung für den Ausdruck.
Fast 500 Jahre danach übernahm der römische Arzt Galenus (129–201 n. Chr.) die spezielle Physiognomik des Aristoteles und sicherte ihre Anwendung nach einfachen Regeln. Sein Forschungsschwerpunkt waren die Temperamente. Allerdings belastete er das Thema so stark mit Aberglauben, dass es lange Zeit danach kein Gegenstand der Forschung mehr war.
In der Renaissance stellte sich die Frage nach der Stellung des Menschen neu. Auch Theophrast von Hohenheim, genannt Paracelsus (1453–1541), übernahm die Lehren des Aristoteles, beschäftigte sich aber nur am Rande mit der Physiognomik. Die Konstitutionstypen von Galenus lehnte er genauso ab wie die Temperamente und Kardinalssäfte. Seine „Signaturen-Lehre“ wurzelt in wundersamen Glaubensvorstellungen des „Mysterium magnum“ und nicht in klarer Beobachtung und Naturwissenschaft. Er ließ sich vom „Licht der Natur“ genial unterrichten.
1533 erschien ein Werk Physiognomiae et chiromaniae compendium des Bartholomäus Cocles, welches die Hand und ihre Ausdrucksareale mit denen des Gesichts vergleicht, wie heute auch die Physiognomie der Hand mit der Physiognomie des Gesichts von Kundigen verglichen wird.
Der italienische Physiker Johann Batista della Porta (1535–1615) wurde richtungsweisend. Sein Werk De humana physiognomia geht vom Menschen in seiner Gesamtheit aus. Nichts, was den Ausdruck des Menschen und der Tiere angeht, entging seiner Betrachtung, und er suchte hinter allem eine gewisse psychosomatisch begründete Bedeutung zu erkennen. Gleich ob Kopf und Haupthaar, Teile des Gesichts oder Glieder und Nägel der Finger und Zehen – alles schien ihm als Verbindung und Entsprechung zum Tierreich.
Jacob Böhme (1575–1624), der schlesische Mystiker, fasste in seinem berühmten Werk De signature rerum physiognomisch zusammen:
„Und ist kein Ding in der Natur, das geschaffen oder geboren ist, es offenbart denn seine innere Gestalt auch äußerlich, denn das Innerliche arbeitet stets zur Offenbarung, als wir solches an der Kraft und Gestaltnis dieser Welt erkennen.“
Weitere Persönlichkeiten, die in dieser Zeit zur Entwicklung der Physiognomik auf ihren verschiedenen Ebenen beigetragen haben, können hier nur genannt werden:
Michael Savonarola (1384–1468), Arzt in Padua
Geronimo Cardano (1501–1576), Arzt, Erfinder der Cardan-Welle
Juan Huarte (1539–1592), Arzt und Vorläufer Galls
Rudolf Coclenius (1547–1629), Arzt und Philosoph, Magdeburg
Scipio Claramontius (1561–1625), Mystiker
Honore Fabrit (1606–1688), Jesuitenpater und Mathematiker
Johann Praetorius (1630–1680), Arzt und Philosoph
Alexander Gottlieb Baumgarten (1714–1762) richtete seine Aufmerksamkeit auf die Krankenphysiognomik, die dann von seinem Schüler Georg Friedrich Meier zur Lehre von den Gemütsbewegungen ausgestaltet wurde.
So wie zur Zeit der Renaissance und Reformation die Frage nach dem Menschen und seiner Verantwortlichkeit für seine Seele erinnert wurde und die damaligen Künstler – Albrecht Dürer, Raphael Santi, Michelangelo Buonarotti, Leonardo da Vinci – in ihren Meisterwerken mit ausgiebigen Studien ihre Antworten darauf zum Ausdruck brachten, so wurde mit Alexander Gottlieb Baumgarten, Johann Georg Sulzer und Johann Gottfried Herder die Physiognomik neu belebt. Ihre Gedanken gingen dahin, wie die Symbolik der menschlichen Gestalt mit Funktionen und Charaktereigenschaften zu verbinden sei.
Gottfried Wilhelm Leibniz schuf in jenen Tagen seine Monaden-Lehre, die einen einheitlichen Bauplan des gesamten Körpers annimmt.
Auch Immanuel Kant, Arthur Schopenhauer, Friedrich von Hardenberg und Friedrich Wilhelm Schelling und viele Zeitgenossen der deutschen Aufklärung und Klassik, besonders Johann Wolfgang von Goethe, förderten die Entwicklung der Physiognomik.
Johann Caspar Lavater (1741–1801), ein evangelischer Geistlicher, ist mit seinen Physiognomischen Fragmenten wohl deren größter Anreger. Zwar ist sein Versuch, ein System zu finden, nicht geglückt, aber seine Liebe zu den Menschen war eine wesentliche Triebfeder seiner Bemühungen. Die Zweifel und Abwehr, die er auslöste, waren v. a. an seine Art gebunden, sich darzustellen und nicht ursächlich in der Physiognomik begründet. Kritisiert wurde er z. B. von Georg Christoph Lichtenberg.
Der Anatom Pieter Camper (1722–1789) regte über seine Studien an, typische, physiognomische Merkmale der Menschenrasse und Völker zu erforschen.
Johann Jakob Engel (1741–1802) versuchte zu erklären, worin die Beziehung zwischen Mimik und Affekten besteht.
Der französische Arzt Halle und der schottische Chirurg Charles Bell, Schöpfer der Neurophysiologie, fanden schließlich den wissenschaftlichen Weg, die Typenlehre auf anatomisch-morphologischer Ebene zu begründen.
Als Josef Gall (1758–1828) seine Forschungen begann, betrat er als Gehirnanatom mit der Phrenologie ein neues Feld. Er erkannte, dass das tierische und menschliche Gehirn nach exakt denselben anatomischen und physikalisch-chemikalischen Prinzipien aufgebaut ist. Auch seine Erkenntnis, dass das Zentralorgan sich aus einer Vielfalt verschiedener funktioneller Zentren zusammensetzt, war richtig. Die Schüler Galls setzten seine Forschungen und Dokumentationen fort und fanden neue Entsprechungen.
Auch Carl Gustav Carus (1789–1869), Arzt in Dresden und ein Zeitgenosse Goethes und Huters, leistete mit seiner Symbolik der menschlichen Gestalt einen wesentlichen Beitrag zur Lern- und Lehrbarkeit der Physiognomik.
Theodor Piderit (1850–1912), Arzt in Detmold, studierte besonders die Mimik.
Carl Huter (1861–1912) schließlich fasste in seinem System der Psycho-Physiognomik zusammen, was vor ihm erkannt und erforscht worden ist. Er verband eine sehr sensible Beobachtungsgabe mit naturwissenschaftlichen Grundlagen der Zellforschung und erbrachte den Nachweis dafür, dass die Körperform und die über den Körper hinaus wirkenden Kraftpotenziale im Zusammenhang mit dem seelischen und geistigen Ausdruck stehen.
In der Zeit nach Carl Huter sind von allen Seiten unzählige Anregungen zur näheren Erforschung des Menschen über physiognomische Systeme entstanden. Diese alle zu nennen, würde allerdings den Rahmen dieser historischen Einführung in die Psycho-Physiognomik sprengen. Besonders erwähnt werden soll hier lediglich der große Einfluss, den Huter bis in unsere heutige Zeit in der Psycho-Physiognomik ausübt, weshalb es notwendig erscheint, sich in einem eigenen Kapitel zunächst mit seiner Lehre genauer auseinanderzusetzen.
Versuchen Sie die Frage zu klären, warum gerade die großen Dichter, Denker und Philosophen der Epoche der Aufklärung und Klassik – allen voran Johann Wolfgang von Goethe – einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Psycho-Physiognomik hatten.
Huter konnte zu Beginn des 20. Jahrhunderts sein Hauptwerk (1904–1906) zusammenstellen, dessen Wissensstand dem damaligen Stand der Forschung entsprach. Warum war dies möglich?
Antworten ▶S. 229 f.
Seine Biografien und auch die Autobiografie beschreiben lediglich das Leben von Carl Huter (▶Abb. 3.1), nicht aber die prägenden Hintergründe seiner Zeit. Wie kam es dazu, dass die Psycho-Physiognomik in diesem Jahrhundert entstand? Welche Strömungen flossen in ihr zusammen und trugen sie? Auf diese Fragen finden Sie in dem folgenden Kapitel eine Antwort, daneben Informationen zum persönlichen Wirken von Carl Huter sowie zur heutigen Bedeutung seiner Lehren.
Generell lässt sich sagen, dass Carl Huter in einer Zeit des Aufbruchs und des Umbruchs lebte, in der sich neue Sichtweisen eröffneten und zahlreiche Entdeckungen gemacht wurden. Unter anderem wurden die Wechselwirkungen zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren in den verschiedensten Facetten beleuchtet.
▶Abb. 3.1 Carl Huter – „Der Philosoph“.
Es war das Viktorianische Zeitalter und das Wilhelminische in Deutschland (1837–1901). Die Gründerzeit (1850–1914) war auf allen Ebenen des politischen, sozialen, kulturellen Lebens eine sehr bewegte Epoche. Die Macht der Hierarchien bröckelte, die Kirche sah sich plötzlich einem Proletariat gegenüber, das ohne Gottesglauben leben konnte.
Die Forschung und Wissenschaft eroberte neue Räume, die Technik schritt rasant voran. Die Technik ist Anwendung und Umsetzung der Naturgesetze, Darwins Entwicklungslehre eröffnete eine neue Sicht der Natur. Die „Andersheilenden“, Homöopathie (Samuel Hahnemann, 1755–1843) und Bach-Blütentherapie, wurden anerkannt (Sloterdijk 1996).
In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die großen Physiker und Psychologen geboren.
Sigmund Freud, Alfred Adler, Josef Breuer und andere Ärzte, die in die bisher praktizierten Heilungsbemühungen die Seele unbedingt mit einbeziehen wollten, wurden wegen ihrer Aufmerksamkeit für diese mächtige, unsichtbare Wirksamkeit berühmt.
Carl Gustav Jung (1875–1961) entwickelte sein Konzept. Rainer Maria Rilke (1875–1926) dichtete Bilder der Seele, die Impressionisten malten aus den Regungen der Seele, und die Komponisten dieser Zeit, wie z. B. Claude Debussy, fanden einen neuen Ton.
In dieser Zeit waren vergleichsweise viele geniale, schöpferische Menschen tätig, und das Interesse an den unsichtbaren Welten wuchs, auch von der technischen Seite her.
Max Planck, Madame Curie, Bequerel, Röntgen und die Forscher von Nantes wandten sich der Materie zu und entdeckten ihre Strahlung, die Radioaktivität.
Die Philosophen, die die Sichtweise auf den Menschen und seinen Charakter von den Konfessionen unabhängig sahen, argumentierten ohne Offenbarungsglauben. Immanuel Kant sah die Grenzen menschlicher Erkenntnisfähigkeit. Fichte, Hegel, Schelling philosophierten die Schichten der Seele: Ich und Nicht-Ich etc.
Weil sich diese Sicht eröffnete, wurde gleichzeitig klar, dass es eine unfassbare Grenzenlosigkeit gibt, die die Einflussfaktoren des Universums auf das Individuum und des Individuums auf das Universum erwägt. Die Grenzenlosigkeit ist im Konzentrationsfeld der Erde allein schon dadurch deutlich, dass alle Wesen durch die gemeinsame Atmosphäre atmend kommunizieren.
Das Interesse des jungen Carl Huter schließlich war auf die Ausdruckskunde gerichtet. Seine Forschungen umkreisten die Seele, den Körper und die Ausstrahlungen. Er erkannte die Zusammenhänge, verband die Theorien seiner Vorgänger (▶S. 8 ff.) und Zeitgenossen in einzigartiger Weise und erschuf ein eigenes, in sich geschlossenes System. Somit eröffnete er den „Blick“ auf die Ausdrucksentsprechungen der Psyche in der Physiognomie der Erscheinungsformen und begründete die moderne Psycho-Physiognomik.
Carl Huter wurde 1861 in Heinde bei Hildesheim geboren und starb 1912, im Alter von 51 Jahren, in Dresden (s. auch ▶S. 257). In seiner Jugend galt er bereits vor seiner Ausbildung zum Kunstmaler als sensibler und früh zu genialen Einsichten befähigter, eher melancholischer Jugendlicher. Schon in seiner Kindheit, die er auf dem Dorfe und in Hildesheim verbrachte, soll er sich Gedanken darüber gemacht haben, wie das Aussehen des Menschen mit seinem Handeln in Verbindung stehen könnte.
Seine späteren Kunststudien führten zum vertiefenden Vergleich und schließlich zur Umsetzung seiner Beobachtungen in der Gestaltung. Als Huters Antrieb, die psycho-physiognomischen Studien zu betreiben, stärker wurde, gab er seine Portraitaufträge nach und nach auf. Viele seiner Kenntnisse erwarb er sowohl autodidaktisch sowie von gelehrten Menschen, denen er im Laufe der Zeit begegnet war. Im Jahre 1889 – mithin 28 Jahre alt – begann er, seine eigenen Erkenntnisse aufzuschreiben.
Zur Heilkunde kam er durch eine Kehlkopfkrebserkrankung, bei der ihm kein Arzt helfen konnte. Er wurde selbst heilkundig und dadurch gesund. Als Naturarzt wurde er Leiter des Kurhauses Eilenriede in Hannover. Hier begann er mit der Diagnosestellung „aus dem Gesicht“, d. h. mit der eigentlichen Patho-Physiognomik.
Der zeitgenössischen Medizin, Anthropologie und Philosophie stand er forschend und – da er sich mehr der Ethik verpflichtet fühlte – sehr kritisch gegenüber.
Carl Huter kannte die lange Tradition der Physiognomik und versuchte, daraus ein lehr- und lernfähiges System zu bilden. Dafür prüfte er seine Vorgänger sorgfältig, kritisierte sie, benannte und entfernte ihre Fehler, verknüpfte, korrigierte ihr Wissen und ergänzte es in einzigartiger Weise.
Für mich ist Carl Huter und sein System eine sehr wichtige Orientierungshilfe für mein Leben geworden. Die vorhandenen Systeme der Psychologie werden durch seine Einsichten und Erklärungen sehr gut ergänzt. Daneben bietet die Kenntnis der Kraft-Richtungs-Ordnung (▶S. 62 ff.) den Vorteil, dass man bereits rein äußerlich erkennen kann, ob etwas Förderliches oder Hinderliches in der Lebenssituation abläuft.
Da Spannung, Strahlung, Färbung und Modellierung der Haut, des Gesichts die Signale aus dem Körper, aus der Seele ablesen lassen, kann man auch den Willen oder die Aussagen seines Gegenübers sicherer übersetzen.
Merke: Die Psycho-Physiognomik ist zeitlos und allgemein gültig, denn für alle Menschen gilt: Das Innere offenbart sich im Außen. Wenn man dies zu lesen gelernt hat und weiterhin forschend offen bleibt für alle Reize des Lebens, beschreitet man einen interessanten Weg.
Einige Zitate von Carl Huter mögen eine Einstimmung in sein Denken ermöglichen:
„In dem Kerne wohnt die Kraft, Saugt außen ein den Lebenssaft, Verdaut und wächst, durchdringt und schweißt, Bis in den Formen lebt der Geist.“ (Huter 1906, ▶S. 115)
„Alle Geisteserkenntnis geht durch die innere Gefühls- und äußere Formenerkenntnis. Die Formenerkenntnis gibt uns durch das Gesetz der Kraftrichtungsordnung Aufschluß über alle Dinge und ihr inneres, geistiges Wesen.“ (Huter 1992, ▶S. 23)
„Alles, was lebt, emaniert beim Stoffwechsel, spannt sich bei der Kraftentfaltung, strahlt in der Liebe, duftet in der Sympathie, hebt sich im Glück, riecht übel in der Antipathie, widert sich gegen das Unglück. Es gehen mit allen seelischen Vorgängen mehr oder weniger chemische, mechanische und physiologische Abläufe einher.“ (Huter 1992, ▶S. 24)
„Liebe und Freude bringen die Muskeln in plastische Spannung, erweitern die Gewebe, erhöhen die Strahlkraft und beschleunigen den Stoffwechsel. Kummer und Verdruß lassen die Gesichtszüge welken, das Haar ausfallen oder spröde und trocken werden, die Gewebe der Muskeln, des ganzen Körpers sich ungünstig verändern.“ (Huter 1992, ▶S. 45)
„Das innerste Wesen der Lebenskraft, des Lebensempfindens und der Lebensstrahlung ist Liebe.“ (Huter 1992, ▶S. 26)
Nach Carl Huter gibt es grundsätzlich 3 Menschentypen, die er die 3 „primären Naturelle“ nannte: das Ernährungs-Naturell, das Bewegungs-Naturell und das Empfindungs-Naturell. Dabei wird die Anlage für ihre Ausprägung bereits in der embryonalen Entwicklung – in den 3 Keimblättern – festgelegt und durch sekundäre Prägung, z. B. durch Umwelteinflüsse (Formelemente, ▶S. 3), beeinflusst.
Die spannenden Zusammenhänge zur Entstehung der Naturelle zeigt Ihnen dieses Kapitel, von der Zelle über die Keimblätter bis zum Gesamtorganismus Mensch.
Eines von Huters Anliegen war es stets, die physiologischen Grundlagen der von ihm beschriebenen Menschentypen aufzuklären. Aus diesem Grund setzte er sich auch mit der Entwicklungsbiologie seiner Zeit auseinander. Mit der Determinantentheorie von Weisman (1892) rückte um die Jahrhundertwende die Keimesentwicklung in das Interesse der Forschung. Die Anlage der 3 Keimblätter war bekannt, auch wenn es noch einige Jahrzehnte bis zu den Schnürexperimenten von Hans Spemann (1869–1941) dauern sollte, der die Determination der 3 Keimblätter anhand der Entwicklung von Molcheiern aufzuklären versuchte (Sander u. Fässler 2001).
Die Basis dieser Forschungen war die Annahme, dass die Entstehung von bestimmten Geweben und Organen während der Keimesentwicklung bereits in den Anlagen der jeweiligen Keimblätter festgelegt wird; diese also folglich in irgendeiner Form „determiniert“ sei. Den einzelnen Arealen des Keimes wurden bestimmte Organe zugeordnet, die bei einer normalen Entwicklung später aus dem einzelnen Keimblatt entstehen.
Huter legte diese Überlegungen seiner Theorie der Entwicklung der verschiedenen Menschentypen zugrunde. Er ging jedoch einen Schritt über die damals gängigen Vorstellungen hinaus, indem er den embryonal bereits angelegten Keimblättern nicht nur die zukünftig daraus entstehenden Organsysteme, sondern auch die sich jeweils daraus entwickelnden Grundtypen direkt zuordnete (Huter 1906).
Die Verbreitung des Lichtmikroskops hatte auch in der Zellbiologie seiner Zeit zu erheblichen Fortschritten geführt. Die meisten Zellorganellen waren bis Ende des 19. Jahrhunderts beschrieben und ihre Funktion zumindest vermutet worden. Auch die Mendel’schen Gesetze waren „wiederentdeckt“, und der Zellkern rückte in das Zentrum der Aufmerksamkeit. Man interessierte sich zunehmend für die Chromosomen und entdeckte, dass sie die Träger der Erbinformationen sind – ein gutes halbes Jahrhundert, bevor Begriffe wie DNA und „genetischer Code“ ab den 1950er-Jahren in unser Bewusstsein rückten.
Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum sich Huter auch in seinen eigenen Studien mit Fragen der Zellbiologie beschäftigte.
In Theorien zur Entstehung des Lebens setzten sich ebenfalls Ansichten durch, die zu erklären versuchten, wie die ersten zellulären Strukturen entstanden sind: Demnach können die Tonerden der Urerde die Schmiede oder Retorte des Lebens gewesen sein, denn sie wirken auf der molekularen Ebene als Katalysatoren beim Zusammenschluss von Aminosäuren zu proteinähnlichen Kettenmolekülen, aus deren Zusammenschluss sich schließlich die ersten Zellen entwickelt haben könnten. Eine einzelne Zelle ist letztlich ein Verbund unterschiedlicher Komponenten, den Zellorganellen, und jede davon hat eine bestimmte Aufgabe im Sinne der gesamten Zelle. So haben z. B. – wie man heute weiß – die Mitochondrien die Aufgabe, Energie zu gewinnen, oder die Ribosomen als „Molekül-Fabriken“ die Aufgabe, aus Aminosäuren Eiweißbausteine zu produzieren. Den Bauplan dazu liefert das Erbmaterial, die DNA.
▶Abb. 4.1 Die 3 grundlegenden Formenprinzipien nach den Dürer’schen Grundformen: a rund, b eckig, lang, c fein.
Sexualität scheint die Evolution vor rund 2 Mrd. Jahren „erfunden“ zu haben, denn die „natürliche Auslese“ begünstigt anscheinend sich geschlechtlich vermehrende Wesen. Die Lust, ganze Absätze, Seiten und Bücher der DNA auszutauschen und neue Spielarten der Spezies hervorzubringen, scheint die Mikroben gleichsam beseelt zu haben, denn diese winzigen Lebensformen haben sich bis hin zum Menschen aufgebaut und differenziert.
Die Zellen haben also in unendlich langer Tradition sämtliche Entwicklungsinformationen gespeichert und offenbaren in ihrer Genese diese Inhalte bis zum individuellen Erscheinungsbild. Folglich ist die Schlussfolgerung Huters nur mehr ein kleiner Schritt: Auch die genetische Information der 3 Grundtypen ist in den Zellen gespeichert, und der jeweilige „Typ“ entsteht als Kombination dieser genetischen Information, die wir heute als Genotyp bezeichnen, mit der individuellen Entwicklung oder Erscheinung, dem Phänotyp.
Merke: Der Genotyp repräsentiert das biologische Programm, ist uns (gen-)biologisch einsichtig und erklärt sich aus der bevorzugten Entwicklung des einen und/oder des anderen Organsystems.
Die energetische Entsprechung, die die Lebensrichtung und -gestaltung vorrangig begleitet, bildet dann den Phänotyp aus. Sie steht mit den Informationen, die in der Kraft-Richtungs-Ordnung (▶S. 62 ff.) von Huter beschrieben ist, in engem Zusammenhang.
Carl Huter begann von 1898 an, seine Biologie- und Medizinstudien zu veröffentlichen, und fand dabei schlussfolgernd heraus, dass die Entwicklung der Organsysteme konstitutionsbestimmend ist.
Er nannte die 3 Grundtypen Naturelle. Auch diese sind als Information im biologischen Hintergrund verankert und werden schon im Stadium der embryonalen Entwicklung, in dem die 3 Keimblätter entstehen, ausgebildet. Aus welchen Arealen sich die Keimblätter entwickeln, steht schon nach der Befruchtung einer Eizelle fest (▶Abb. 4.2), denn auch die befruchtete Eizelle lässt sich bereits in 3 Plasmabezirke differenzieren:
▶Abb. 4.2 Eine befruchtete Eizelle.
animale Zone
grauer Halbmond (dazwischen liegend)
vegetative Zone
Etwa 8–10 Tage nach der Befruchtung differenziert sich der Embryoblast in 2 verschiedene Keimschichten (▶Abb. 4.3). Die sich nun immer weiter teilenden Zellen teilen sich unterschiedlich schnell, sodass die Zellen der animalen Zone die Zellen der anderen Zonen in das Innere der Zellkugel drängen. Die verschiedenen Zellschichten werden nun Keimblätter genannt und gemäß ihrer Lage differenziert.
Aus jedem Keimblatt entwickelt sich ein anderes Organsystem, wobei diese selbstverständlich nicht isoliert voneinander entstehen, sondern auf das Feinste miteinander verbunden sind. In der Reihenfolge der Entfaltung der Organsysteme hat das Geschlechtssystem zwar die allererste Signatur, die Typen bilden sich jedoch geschlechtsunabhängig aus.
Zuerst entsteht das innere Keimblatt, das Endoderm. Aus ihm formt sich das Organsystem der Ernährung mit seinen Schwerpunkten Magen-Darm-System und den Entgiftungsorganen. Das legt die Schlussfolgerung nahe, dass die Natur das individuelle Leben mit Energie zum Leben, Wachsen und Leisten sichern will.
Als zweites entsteht das äußere Keimblatt, das Ektoderm, das die Information zur Entwicklung des Wahrnehmungssystems trägt, dessen Schwerpunkte die Haut, die Sensoren und Sinnesorgane, die Reizleitungsbahnen sowie das Gehirn sind. Die Natur hat dieses Organsystem mit dem Auftrag zur Reizverarbeitung und zur Kommunikation ausgestattet.
▶Abb. 4.3 Schematische Darstellung einer 16 Tage alten menschlichen Keimscheibe. a Aufsicht auf die Keimscheibe, b Transversalschnitt durch die Keimscheibe. Im Bereich des Primitivstreifens wandern Zellen in die Tiefe und bilden zwischen dem Entoderm (inneres Keimblatt) und dem Ektoderm (äußeres Keimblatt) das mittlere Keimblatt, das Mesoderm (Faller u. Schünke 2008, ▶ S. 583).
Dann entsteht das Mesoderm, das mittlere Keimblatt, mit der Information für das Bewegungssystem, in dem wir die Schwerpunkte mit dem Stützgerüst, den Muskeln, Sehnen und Bändern erkennen. Dynamische Freiheit ist damit ermöglicht. Hier verbindet sich der Wille der Natur mit dem zielgesetzten Willen, das Leben zu schaffen, zu erhalten, zu schützen und zu vermehren, Lebensraum zu gestalten.
Bei der Entwicklung der Keimblätter und ihrer Organsysteme wirkt eine Impulskraft, deren Ursprung geheimnisvoll ist. Sie ist die Impulskraft zum Leben, diejenige zur bevorzugten Entwicklung. Sie ist wirksam, wie wir beschreiben können, aber unbekannt in ihrer Ganzheit und Einheit.
Sie bevorzugt eines der 3 Keimblätter und bildet durch diese Präferenz eine typische Gestalt. Die so erzeugte Körperform zeigt zugleich das primär zur Verwirklichung strebende Bedürfnis des Menschen.
Von philosophischer Seite aus betrachtet, können wir hier eine Analogie bei Arthur Schopenhauer finden, der in jeder Erscheinungsform einen Willen zur Verwirklichung sah. Er nahm an, dass das Universum mit dem Willen, Atmung zu ermöglichen, die Lungen entwickelte, mit dem Willen, Sehvermögen zu schaffen, Augen hervorbrachte, und dieses in unendlicher Variationsbreite des sog. universellen Willens zur Individuation und Verkörperung.
Merke: Die unterschiedlichen Typen bzw. Naturelle erscheinen letztlich deshalb so signifikant, weil der von der Impulskraft vorrangig ausgelöste Entwicklungsablauf den Typ bestimmt und seine Selbstverwirklichungstendenz einschließlich der vorrangigen Bedürfnisse sichtbar macht.
Diese Gestalt – der Typ oder das Naturell – spiegelt also unsere Grundveranlagung, unser Grundumsetzungsmuster wider und repräsentiert unsere psycho-physiologische Einheit und Ganzheit. Das beinhaltet nicht nur die Ausprägung der vom dominanten Keimblatt entwickelten Organsysteme, sondern auch die damit verbundene seelischgeistige Ausrichtung. Sie macht Verhaltensweisen deutlich und erklärbar.
Welche Keimblattentwicklungen sind den 3 Körperbautypen (Naturellen) zuzuordnen?
Antwort ▶S. 230.
Erfahren Sie in diesem Kapitel mehr zu dem „typischen“ Aussehen der primären Naturelle, die ihr ureigenes seelisches Bedürfnis in sich tragen, das zur Verwirklichung strebt. Die einzelnen Charakteristika werden zur Dokumentation in sog. Merkmalsprotokollen zusammengefasst, die eine ausgezeichnete Orientierungshilfe und Erleichterung der Analyse bieten.
Carl Huter benannte seine Naturelle nach dem Organsystem, aus dem sie sich entwickelt haben (▶Tab. 5.1):
Das jeweilige Naturell repräsentiert die psycho-physiologische Einheit und Ganzheit eines Menschen. Es prägt nicht nur dessen Erscheinungsformen (▶Abb. 5.1), sondern auch die Bedürfnisse.
Wer im Einklang mit sich leben möchte, fühlt sich erst dazu in der Lage, wenn er seinen – durch Prägung der Umwelt und Vererbung gegebenen – körperlichen und geistigen Anlagen gerecht wird:
Der runde Körper des Ernährungs-Naturells braucht Ruhe.
Ein kräftiger, muskulöser Körper sucht die Bewegung, sonst werden die Muskeln schwach und verlieren an Spannkraft und Leistungsfähigkeit.
Ein sensibilisiertes Reizverarbeitungssystem fordert Informationen, sonst verkümmert es.
▶Tab. 5.1 Kurze Übersicht über die 3 primären Naturelle.
Ernährungs-Naturell
Bewegungs-Naturell
Empfindungs-Naturell
Keimblatt
Endoderm
Mesoderm
Ektoderm
Organsystem
Verdauungsorgane, Magendarmepithel, Lungengewebe
Knochen, Knorpel, Muskulatur, Bänder, Sehnen, Gefäße, Herz, Nieren
Nervensystem, Haut, Sinnesorgane, Gehirn
„typisches“ Aussehen
runde, massige Gestalt mit kurzen, stämmigen Extremitäten, alles gut abgepolstert
runder, apfelformiger Kopf mit vollem Mund, betonter, breiter Unterstirn und im unteren Teil betonter Nase; fullige Wangenpartie mit Doppelkinn
weiche und verhaltnismasig grobe Haut mit reichlichen Fettpolstern
grose, kraftige Gestalt mit langen Extremitaten und starken Muskelpaketen
kastenformiger Kopf mit betonter Unterstirn, kraftigem Kiefer und groser Nase
straffe und feste Haut
kleine, feine, zarte Gestalt, mit proportional grosem Kopf und kleinen, feinen Gliedmasen
Der Kopf hat die Form eines auf den Kopf gestellten Eis mit hoher Stirn, grosen Augen und kleinem, feinem Kinn.
Ausstrahlung
Ruhe, Stoff
Tat, Spannung
Denken, Vibration
▶Abb. 5.1 Übersicht über die Naturelle und ihre Farben.
Merke: Wird den Anlagen nicht entsprochen, d. h. werden die Bedürfnisse nicht gelebt, ist seelische Unausgeglichenheit, innere Spannung und Unzufriedenheit die Folge: die Basis für Krankheit.
Im seelischen Bedürfnis eines Ernährungs-Naturells liegen die Ökonomie und die realen Lebensbeziehungen. Für seine seelische Ausgewogenheit braucht es Ruhe, Behaglichkeit sowie die