Lehrbuch Klinische Kinder- und Jugendpsychologie und Psychotherapie -  - E-Book

Lehrbuch Klinische Kinder- und Jugendpsychologie und Psychotherapie E-Book

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Beschreibung

Dieses neue Lehrbuch gibt einen breiten und empirisch fundierten Ein- und Überblick in das Gebiet der Klinischen Kinder- und Jugendpsychologie und Psychotherapie. Es zielt insbesondere auf die Vermittlung von theoretischem Fachwissen und praktischen Kompetenzen für Studierende im Bachelor- und Masterstudium der Psychologie in der Vertiefung der Klinischen Kinder- und Jugendlichenpsychologie ab. Spezifische Lernfragen leiten Studierende durch die Kapitel und geben Orientierung für Prüfungen. Erfahrene Autorinnen und Autoren geben zunächst einen Überblick über zentrale Themen wie Entwicklungspsychopathologie, Diagnostik, Psychotherapieforschung sowie die wichtigsten, in Deutschland zugelassenen, Psychotherapieverfahren. Im Fokus des Lehrbuchs werden folgend die wichtigsten Störungsbilder in ihrem klinischen Erscheinungsbild, Epidemiologie, Diagnostik, ätiologischen Modellen zur Entwicklung, Verlauf und Behandlungsansätze dargestellt. Das gesamte Spektrum von emotionalen und Verhaltensstörungen, Entwicklungsstörungen, Sucht und somatoformen Störungen wird abgedeckt. Ein weiterer störungsübergreifender Teil stellt relevante Grenzgebiete der Klinischen Kinder- und Jugendlichenpsychologie dar, indem auf Prävention, Pharmakologie, rechtliche Grundlagen, Jugendhilfe sowie verschiedene Settings eingegangen wird. Anschauliche Fallbeispiele geben einen Einblick in die Praxis.

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Kohlhammer Standards Psychologie

Begründet von

Weitergeführt von

Herausgegeben von

Theo W. Herrmann (†)

Marcus Hasselhorn

Marcus Hasselhorn

Werner H. Tack

Herbert Heuer

Wilfried Kunde

Franz E. Weinert (†)

Frank Rösler

Silvia Schneider

 

Eine Übersicht aller lieferbaren und im Buchhandel angekündigten Bände der Reihe finden Sie unter:

https://shop.kohlhammer.de/standards-psychologie

 

Die Herausgeber*innen

 

Prof. Dr. Julia Asbrand, Dipl.-Psych., Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, Professur für Klinische Psychologie des Kindes- und Jugendalters, Friedrich-Schiller-Universität Jena.

 

Prof. Dr. Julian Schmitz, Dipl.-Psych., Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut, Leiter der Psychotherapeutischen Hochschulambulanz für Kinder und Jugendliche, Universität Leipzig.

Julia Asbrand/Julian Schmitz (Hrsg.)

Lehrbuch Klinische Kinder- und Jugendpsychologie und Psychotherapie

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Pharmakologische Daten, d. h. u. a. Angaben von Medikamenten, ihren Dosierungen und Applikationen, verändern sich fortlaufend durch klinische Erfahrung, pharmakologische Forschung und Änderung von Produktionsverfahren. Verlag und Autoren haben große Sorgfalt darauf gelegt, dass alle in diesem Buch gemachten Angaben dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Da jedoch die Medizin als Wissenschaft ständig im Fluss ist, da menschliche Irrtümer und Druckfehler nie völlig auszuschließen sind, können Verlag und Autoren hierfür jedoch keine Gewähr und Haftung übernehmen. Jeder Benutzer ist daher dringend angehalten, die gemachten Angaben, insbesondere in Hinsicht auf Arzneimittelnamen, enthaltene Wirkstoffe, spezifische Anwendungsbereiche und Dosierungen anhand des Medikamentenbeipackzettels und der entsprechenden Fachinformationen zu überprüfen und in eigener Verantwortung im Bereich der Patientenversorgung zu handeln. Aufgrund der Auswahl häufig angewendeter Arzneimittel besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

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1. Auflage 2023

 

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

 

Print:

ISBN 978-3-17-040354-3

 

E-Book-Formate:

pdf:        ISBN 978-3-17-040355-0

epub:     ISBN 978-3-17-040356-7

 

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

Vorwort

Dieses Lehrbuch entstand als eine unmittelbare Folge des 2020 in Kraft getretenen Psychotherapeutengesetzes und dem Bedarf an entsprechendem Lehrmaterial für die beteiligten Studiengänge. Die Klinische Kinder- und Jugendpsychologie erhält mit der Gesetzesreform eine absolut zentrale Stellung in der Ausbildung von Psychotherapeut*innen. Wir möchten Studierende, Lehrende und Praktiker*innen in diesem Feld mit diesem Buch einladen, einen ersten Überblick über dieses wachsende und sich weiterhin wandelnde Feld zu gewinnen.

Unser großer Dank gilt an dieser Stelle zunächst allen Beitragenden dieses Werkes, die sich trotz der anhaltenden COVID-19-Pandemie und den Herausforderungen der Umsetzung der konsekutiven Bachelor- und Masterstudiengänge Klinische Psychologie und Psychotherapie Zeit genommen haben, ihre Expertise einfließen zu lassen. Damit konnte ein Herausgabewerk entstehen, welches den aktuellen Stand der Forschung und Praxis abbildet. Wir freuen uns sehr, dass eine so breite Expertise im deutschsprachigen Raum besteht.

Wir danken außerdem den Herausgeber*innen der Reihe »Kohlhammer Standards Psychologie« Prof. Dr. Marcus Hasselhorn, Prof. Dr. Wilfried Kunde und Prof. Dr. Silvia Schneider, die uns ermöglichten, dieses Werk in einer etablierten Lehrbuchreihe herauszugeben.

Schon jetzt freuen wir uns, das Feld zum aktuellen Zeitpunkt zwar abzubilden, aber auch in den nächsten Jahren die künftigen Entwicklungen zu beobachten und in eine Überarbeitung einfließen zu lassen. Es bleibt spannend in der psychotherapeutischen Forschung und Praxis mit Kindern, Jugendlichen und Familien!

Jena und Leipzig, Februar 2023

Julia Asbrand & Julian Schmitz

Inhalt

Vorwort

Teil I:     Einführung und störungsübergreifende Informationen

1          Einführung

2          Entwicklungspsychopathologie

Anika Werner, Arnold Lohaus & Sakari Lemola

3          Diagnostik und Klassifikation

Tina In-Albon & Judith Lohoff

4          Prävention Psychischer Störungen im Kindes- und Jugendalter

Katajun Lindenberg

5          Verhaltenstherapie

Julia Asbrand & Julian Schmitz

6          Psychodynamische Verfahren in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen

Kai von Klitzing & Lars White

7          Systemische Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen

Rüdiger Retzlaff & Kirsten von Sydow

8          Psychotherapieforschung

Julian A. Rubel, Robin A. Wester, Julia Asbrand & Wolfgang Lutz

Teil II:    Störungsspezifische Informationen

9          Emotions- und Verhaltensregulation im frühen Kindesalter (0–3): Problembereiche und Intervention

Corinna Reck & Lukka Popp

10       Bindungsstörungen

Lars White & Kai von Klitzing

11       Ausscheidungsstörungen (Enuresis, Funktionelle Harninkontinenz und Enkopresis)

Monika Equit

12       Autismus-Spektrum-Störung (ASS)

Inge Kamp-Becker, Sanna Stroth & Anika Langmann

13       Selektiver Mutismus

Felix Vogel & Christina Schwenck

14       Störungen des Sozialverhaltens (SSV)

Daniela Hartmann & Christina Schwenck

15       Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)

Charlotte Hanisch

16       Tic-Störungen

Katrin Woitecki, Manfred Döpfner und Paula Viefhaus

17       Emotionale Störung mit Trennungsangst

Tabea Flasinski & Silvia Schneider

18       Spezifische Phobien

Susanne Knappe

19       Soziale Angststörung (SAD)

Julian Schmitz & Julia Asbrand

20       Überängstlichkeit, Sorgen und Generalisierte Angststörung

Susanne Knappe

21       Panikstörung und Agoraphobie

Anna-Luisa Kranhold & Silvia Schneider

22       Zwangsstörung

Michael Simons

23       Traumafolgestörungen

Cedric Sachser & Elisa Pfeiffer

24       Somatoforme Störungen: Chronische (primäre) Schmerzen

Hannah Rach & Tanja Hechler

25       Depression

Belinda Platt & Christina Schuler

26       Schlafstörungen

Johanna Schoppmann & Sabine Seehagen

27       Essstörungen: Anorexia Nervosa, Bulimia Nervosa und Binge-Eating-Störung

Andrea Wyssen & Simone Munsch

28       Störungen durch Substanzkonsum und süchtiges Verhalten

Katajun Lindenberg & Lutz Wartberg

29       Nichtsuizidale Selbstverletzungen

Tina In-Albon & Laura Kraus

30       Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter

Manuela Gander, Nina Haid-Stecher & Kathrin Sevecke

Teil III:   Angrenzende Bereiche der Klinischen Kinder- und Jugendlichenpsychologie

31       Kinder psychisch kranker Eltern

Anna-Lena Zietlow & Martina Zemp

32       Pharmakologische Behandlung

Lorenz Deserno & Marcel Romanos

33       Ethische und gesetzliche Grundlagen der klinisch-psychologischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen

Thomas Ufer & Anna Laas

34       Kinder- und Jugendhilfe

Henriette Katzenstein & Ulrike Urban-Stahl

35       Ausblick und Weiterentwicklungen in Forschung und Praxis

Teil IV:   Verzeichnisse

Autor*innenverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Teil I:     Einführung und störungsübergreifende Informationen

1          Einführung

1.1        Einleitung

Psychische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter besitzen aus vielen Gründen eine sehr hohe gesellschaftliche wie auch allgemein gesundheitliche Relevanz. Wissenschaftliche Studien belegen, dass die deutliche Mehrheit der psychischen Erkrankungen des Erwachsenenalters bereits vor dem 18. Lebensjahr beginnt (Kessler et al., 2007). Psychische Erkrankungen haben – wenn sie psychotherapeutisch unbehandelt bleiben – einen enormen negativen und nachhaltigen Einfluss auf sämtliche Lebensbereiche von Kindern und Jugendlichen wie ihre soziale, individuelle und akademische Entwicklung (Dey, Landolt, Mohler & Kuo, 2012). Hierzu gehört auch, dass viele Störungen im Kindes- und Jugendalter bis ins Erwachsenenalter persistieren oder Vorläufer von schwerwiegenden psychischen Störungen im Erwachsenenalter darstellen (Kessler et al., 2007). Während die allgemeine Anerkennung der enormen Relevanz von psychischer Gesundheit im Kindes- und Jugendalter auch öffentlich stark zugenommen hat, bleiben wichtige assoziierte Aspekte weiterhin vernachlässigt. Für eine Vielzahl von Störungen ist beispielsweise bis heute unzureichend empirisch abgesichert, wie sie sich in Abhängigkeit zum Entwicklungsalter der Betroffenen zeigen. Auch findet dieser wichtige Punkt bisher keine Beachtung in der Erfassung von diagnostischen Kriterien für psychische Erkrankungen. Ebenfalls besteht großer Forschungsbedarf im Bereich der psychotherapeutischen Versorgung, um Kinder und Jugendliche passgenau und evidenzbasiert ohne Verzögerungen zu behandeln. Gleichsam wie eine entwicklungsabhängige Störungsbeschreibung existieren für die meisten Störungsbilder kaum etablierte entwicklungssensitive Störungs- und Behandlungsmodelle. Hierbei zeigt sich weniger die Frage der therapeutischen Schulen relevant, als die Überprüfung empirischer Wirksamkeit von therapeutischen Techniken, Interventionen und Strategien. Das Ziel des vorliegenden Buches ist es daher, vor dem Hintergrund der aktuellen wissenschaftlichen Evidenz eine Einführung in die wichtigsten Störungsbilder im Kindes- und Jugendalter zu geben. Dabei soll insbesondere das unterschiedliche Erscheinungsbild in den für die Störung relevanten Entwicklungsphasen dargestellt werden. Zudem soll ein Einblick darin gegeben werden, welche therapeutischen Ansätze sich bisher als empirisch gut wirksam erwiesen haben. Auch ein Benennen offener Forschungsaspekte und weiterführender Fragen findet statt.

Das Lehrbuch richtet sich als Grundlagenwerk an Psychologiestudierende im Rahmen des konsekutiven Bachelor- und Masterstudiengangs Klinische Psychologie und Psychotherapie mit Abschluss der Approbationsprüfung. Im Rahmen der Reform des Psychotherapeutengesetzes haben sich verschiedene wichtige Änderungen sowohl in den Studieninhalten als auch der späteren Berufsausübung ergeben, welche die Bedeutung der Klinischen Kinder- und Jugendpsychologie und Psychotherapie nochmal erheblich stärker betont. So ist über die Approbationsordnung festgelegt, dass die Kenntnis über Erscheinungsbild, Diagnostik, Psychotherapie, multiprofessionelle Zusammenarbeit und berufsrechtliche Fragen auf dem Feld der Klinischen Kinder- und Jugendpsychologie zwingend erworben werden müssen. Zudem behandeln Studierende im Rahmen der Berufsqualifizierenden Tätigkeit bereits im Studium Kinder und Jugendliche unter Anleitung. Ferner ist das Gebiet der Klinischen Kinder- und Jugendpsychologie Prüfungsgegenstand im theoretischen wie fachpraktischen Teil der Approbationsprüfung.

Als Folge der Reform des Psychotherapeutengesetzes und der Approbationsordnung findet an vielen universitären Standorten folglich ein erheblicher Ausbau der Lehre und Klinischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen statt oder dieser Schwerpunkt wird gänzlich neu etabliert. Auch vor diesem Hintergrund soll das Lehrbuch Kolleg*innen an den jeweiligen Studienstandorten dabei helfen, die Klinische Kinder- und Jugendpsychologie empirisch fundiert in Forschung und Lehre zu stärken.

1.2        Psychische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter

Das Kindes- und Jugendalter gilt als Hochrisikozeit für die Entwicklung von psychischen Störungen und damit auch als Schrittmacher für die gesamte psychopathologische Entwicklung, wobei weniger als die Hälfte eine adäquate Behandlung erhalten (Merikangas, Nakamura, & Kessler, 2022). 75 % aller psychischen Störungen beginnen vor dem 24. Lebensjahr (Kessler et al., 2007). Sowohl die Erforschung der Grundlagen von psychischen Störungen in dieser Lebensphase wie auch die Behandlung sind somit zentral für psychisch gesunde Individuen und die Gesellschaft.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschreibt psychische Störungen als eine Kombination nicht normativer Gedanken, Wahrnehmungen, Emotionen, Verhalten und Beziehungen zu anderen (WHO, 2019). Die Begrifflichkeit psychischer Störungen ist dabei keinesfalls eindeutig feststehend und definiert, sondern ein nach dem aktuellen Stand der Forschung sowie für die Praxis sinnvolles Konstrukt (Kap. 3). Somit kann und soll sich die Definition psychischer Störungen stets verändern, was sich auch in der Historie zeigt. Gerade die Definition von normativem bzw. abnormalem Denken und Verhalten ist auch stark von der Gesellschaft abhängig. Zentral ist im klinischen Gebrauch in der Regel, dass Betroffene wesentlich unter einer Problematik leiden und von dieser beeinträchtigt sind. So können z. B. Kinder mit einer Emotionalen Störung mit Trennungsangst (Kap. 17) nicht an der Klassenfahrt teilnehmen und sind traurig, dieses Erlebnis mit ihren Freund*innen zu verpassen. Eine ausführliche Definition von psychischen Störungen basierend auf dem Diagnostic und Statistical Manual for Mental Disorders (DSM; American Psychiatric Association [APA], 2013) findet sich im Kasten.

Definition: psychische Störung

»Eine psychische Störung ist ein Komplex von Symptomen (= Syndrom), das durch eine klinisch bedeutsame Störung der Gedanken, der Emotionsregulation oder des Verhaltens einer Person gekennzeichnet ist. Diese spiegeln eine Funktionsstörung der psychologischen, biologischen oder entwicklungsbedingten Prozesse wider, die der psychischen Funktion zugrunde liegen. Psychische Störungen sind in der Regel mit erheblichen Beeinträchtigungen oder Behinderungen bei sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Aktivitäten verbunden. Eine erwartbare oder kulturell anerkannte Reaktion auf einen gewöhnlichen Stressor oder Verlust, wie z. B. den Tod eines geliebten Menschen, stellt keine psychische Störung dar. Sozial abweichendes Verhalten (z. B. politisches, religiöses oder sexuelles) und Konflikte, die in erster Linie zwischen dem Einzelnen und der Gesellschaft bestehen, sind keine psychischen Störungen, es sei denn, die Abweichung oder der Konflikt resultieren aus einer Funktionsstörung des Einzelnen, wie oben beschrieben.« (DSM; APA 2013; Übersetzung durch die Autor*innen)

Bei psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Leidensdruck und die Beeinträchtigung nicht zwangsweise von diesen selbst erlebt und berichtet werden muss. Familien eines Kindes mit Trennungsangst bauen beispielsweise häufig ein hervorragendes Vermeidungssystem auf, das beinhalten kann, dass das Kind nie alleine ist, die Eltern nichts ohne das Kind machen und es keinen (altersangemessenen) Anforderungen ausgesetzt ist, welche das Kind ängstigen könnten. Dieses Vermeidungssystem nimmt dem Kind somit jede Angst. In der Folge leidet in der Regel insbesondere die Familie und weniger das Kind unter der Erkrankung. In diesem Falle kann es beispielsweise sein, dass die Eltern weder Zeit für sich als Paar noch alleine haben. Auch unterliegt die Beschreibung der Störung der Problematik, dass sich Kinder und Jugendliche in einer kontinuierlichen Entwicklung befinden. Somit müssen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen beständig die normative Entwicklung im Blick behalten, in der eine Bandbreite von Auffälligkeiten auftreten können. Beispielsweise ist trotziges Verhalten im Vorschulalter ein durchaus normativer Ausdruck des Versuchs, Grenzen auszutesten, während erst ein langes und sehr starkes Anhalten dieses Verhaltens als indikativ für eine Störung des Sozialverhaltens (Kap. 19) gelten kann.

Zugleich werden psychische Störungen zwar kategorial eingeteilt (Sind die Kriterien für eine psychische Störung erfüllt? Ja/nein), aber können zugleich dimensional beschrieben werden (Wie stark ist [welche] Symptomatik ausgeprägt). Zudem können Symptome fluktuieren bzw. an bestimmte Lebensereignisse gebunden sein. Beispielsweise ist es Teil des normativen Spektrums, nach einem Todesfall traurig und niedergeschlagen zu sein und z. B. auch auf Verhaltensebene einen Verlust an Appetit und wenig Antrieb (Symptome der Depression) zu zeigen. Aufgabe von Psychotherapeut*innen ist es dann, im Zuge der Diagnostik festzustellen, ob es sich um eine Störung oder eine Phase der Anpassung handelt. In letzterem Fall ist keine Psychotherapie, sondern eher eine Entpathologisierung1 und Beobachtung des Verlaufs indiziert.

1.3        Empirische Fundierung und Evaluation

Im Vergleich zur Klinischen Psychologie (und Psychotherapie) des Erwachsenenalters ist die Klinische Kinder und Jugendpsychologie noch ein eher junges Feld. Während mittlerweile deutliche empirische Belege dafür existieren, dass die Mehrzahl der psychischen Erkrankungen bereits in Kindheit und Jugend beginnen (vgl. Solmi et al., 2022), existieren vergleichsweise deutlich weniger empirische Forschungsarbeiten zu epidemiologischen, ätiologischen und psychotherapeutischen Aspekten von psychischen Symptomen und Störungen bei Kindern und Jugendlichen. Die teilweise fehlenden empirische Absicherung von altersspezifischen Erscheinungsbildern von psychischen Störungen ist problematisch, da so relevante Belastungen und Störungen nicht erkannt oder fehldiagnostiziert werden können, wie dies beispielsweise im Bereich der Affektiven Störungen im Kindesalter häufig der Fall ist (Wiggins, Briggs-Gowan, Brotman, Leibenluft, & Wakschlag, 2021). Insbesondere für das Kindes- und Jugendalter ist damit eine entwicklungssensitive Beschreibung von psychischen Erkrankungen notwendig und auch eine entsprechende Abbildung von altersbezogenen Unterschieden in den entsprechenden Störungskriterien der Klassifikationssysteme. Im vorliegenden Buch legen wir daher ein besonderes Augenmerk darauf, psychische Störungen nach ihrem unterschiedlichen Erscheinungsbild in den verschiedenen Entwicklungsphasen abzubilden. Für die wenigsten psychischen Störungen existieren empirisch fundierte Störungsmodelle für Kinder und Jugendliche. Ohne entsprechende Modelle ist sowohl das Verständnis der Aufrechterhaltung von Störungen beeinträchtigt aber auch die Wirksamkeit von Präventions- und Interventionsansätzen, die spezifisch an den Aufrechterhaltungsmechanismen ansetzen sollten, um eine größtmögliche Wirksamkeit zu entfalten. Auch im Bereich der Psychotherapieforschung zeigen sich noch deutliche Bedarfe, die Wirksamkeit psychotherapeutischer Interventionen weiter zu verbessern (z. B. Salzer et al., 2018). Dies umfasst auch eine – im Vergleich zum Erwachsenenalter – deutlich geringere Anzahl an empirischen Forschungsstudien und insbesondere hochwertiger randomisierter klinischer Studien (RCTs), welche die Wirksamkeit von unterschiedlichen Psychotherapieverfahren und -richtungen untersucht haben. Die Fortführung der empirischen Untermauerung der Wirksamkeit von psychotherapeutischen Verfahren im Kindes- und Jugendalter ist nicht nur daher zentral, um die Wirksamkeit für Patient*innen zu verbessern, sondern auch um die sozialrechtliche Stellung der Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen weiter zu festigen und auszubauen. Dies betrifft neben der Behandlung von psychischen Störungen im Kindesalter insbesondere die Bereiche der Prävention und Rehabilitation im Kontext von psychischen Belastungen im Kindes- und Jugendalter.

1.4        Grundlagen der Psychotherapie

Psychologische Prävention, Psychotherapie und psychologische Rehabilitation entwickeln sich idealerweise mit Anwendungsbezug aus den Grundlagenwissenschaften der Psychologie, z. B. der Allgemeinen Psychologie, Wahrnehmungspsychologie, biologischen Psychologie, pädagogischen Psychologie etc. In diesen finden sich empirisch geprüfte Modelle zur Entstehung und Verarbeitung von Gedanken, Emotionen, körperlicher Aktivierung und Verhalten, zur Relevanz psychologischer Prozesse, aber auch zur Veränderbarkeit von menschlichem Verhalten. Somit versteht sich klinisch-psychologische Intervention immer im Diskurs mit den stärker grundlagenorientierten Bereichen der Psychologie.

Es gilt, Veränderungen von Gedanken, Verhalten und Beziehungen zu evozieren. Im deutschsprachigen Raum sind Verhaltenstherapie, Psychodynamische Verfahren und Systemische Therapie (Kap. 5, Kap. 6, Kap. 7) stark vertreten, die jeweils unterschiedliche Annahmen zur Umsetzung dieser Veränderungen beinhalten. Gemein ist den Schulen, dass es eine aktive Beteiligung der Patient*innen und Bezugspersonen braucht und somit eine Compliance gegenüber dem Therapieprozess.

Begriffsklärung: Compliance

Gilt als Oberbegriff für das kooperative Verhalten von Patient*innen im Rahmen einer Psychotherapie. Ein Beispiel wäre, inwiefern ein Kind mit einer Angststörung im Alltag das Aufsuchen angstbesetzter Situationen zwischen den Therapiesitzungen übt. Der Begriff Compliance wird zunehmend vom Begriff der Adhärenz ersetzt, da diese betont, dass Patient*innen und Behandler*innen gemeinsam zu einer Entscheidung in der Behandlung finden. Die Definition entwickelt sich somit weg von einer hierarchischen Beziehung zwischen Patient*in und Behandler*in zu einer Beziehung auf Augenhöhe.

1.5        Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen

Auch Psychotherapie ist kein statischer, sondern ein durchaus dynamischer Begriff, welcher historisch bereits eine große Wandlung durchlaufen hat. Beginnend mit der Psychoanalyse als Standard der Psychotherapie zeichnet sich diese mittlerweile durch eine Vielzahl an sogenannten Psychotherapieschulen und -methoden aus. Auch die Psychotherapie unterliegt damit in ihren Definitionen wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Weiterentwicklungen. Eine allgemeine Definition basieren wir an dieser Stelle auf Wampold, Flückiger, & Imel (2020; siehe Kasten).

Definition: Psychotherapie

»Psychotherapie ist primär eine interpersonelle Behandlung, die a) auf der Grundlage psychologischer Prinzipien aufbaut; b) mindestens einen geschulten Therapeuten und einen Patienten umfasst; der Letztere sucht Hilfe zur Linderung einer psychischen Störung, eines Problems oder einer Beschwerde; c) einen Behandlungsrahmen mit dem Therapeuten aufweist, mit der Absicht, die Störung, das Problem oder die Beschwerden und den dadurch verursachten Leidensdruck zu lindern, und d) dem jeweiligen Patienten und seiner Störung, seinem Problem oder seiner Beschwerde individualisiert angepasst wird.« (Wampold, Flückiger, & Imel, 2020, S. 68)

Psychotherapie gilt als tiefgreifender Eingriff in das Leben eines Menschen. Sie ist somit nicht frei von Risiken und Nebenwirkungen, wenn sich beispielsweise ein Problem zunächst verstärkt, wenn man diesem mehr Beachtung schenkt. Konflikte zwischen Familienmitgliedern können aufbrechen und Belastung verursachen. In der Regel ist Psychotherapie, welche nach Leitlinien und unter allen ethischen und berufsrechtlichen Vorgaben durchgeführt wird, aber in der Hauptwirkung weitaus stärker als in den Nebenwirkungen. Dennoch gilt es zu Beginn über diese aufzuklären.

In der Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen gilt es, einige Besonderheiten in den Blick zu nehmen.

•  Im Gegensatz zu Erwachsenen kommen Kinder und Jugendliche in der Regel nicht selbst-, sondern fremdmotiviert in die Therapie. Sie werden »geschickt« durch Eltern, Schule oder andere Auftraggeber*innen.

•  Nicht nur in der Psychopathologie, sondern auch in der Behandlung ist zu beachten, dass Kinder und Jugendliche z. B. kognitiv noch nicht alles verstehen oder emotional noch nicht alles umsetzen können, was bei Erwachsenen nach Abschluss der Entwicklung wie z. B. vollständiger kognitiver Reife möglich ist. Die Behandlung ist somit stets individuell anzupassen.

•  Psychotherapie mit minderjährigen Patient*innen findet in der Regel nicht mit diesen alleine statt, sondern unter Einbezug von Eltern bzw. Sorgeberechtigten, Lehrkräften/Erzieher*innen, Jugendamt etc. Es ist somit ein systemorientiertes Arbeiten notwendig.

Weitere Besonderheiten inhaltlicher wie auch rechtlicher Art werden im Verlauf der Kapitel näher beleuchtet.

1.6        Begriffsklärungen im Feld der Klinischen Kinder- und Jugendpsychologie

Eine Einführung in das Gebiet der Entwicklungspsychopathologie findet sich im nächsten Kapitel (Kap. 2). An dieser Stelle sollen einige wenige Begriffe vorab eingeführt werden:

•  Klinisches Erscheinungsbild: Das klinisches Erscheinungsbild beschreibt, wie sich psychische Störungen im Verhalten und Erleben von Kindern und Jugendlichen konkret zeigen können. Insbesondere für diese dynamische Entwicklungsphase ist es wichtig auf altersbedingte Unterschiede im klinischen Erscheinungsbild einzugehen. So kann sich ein und dasselbe Störungsbild sehr unterschiedlich je nach Alter zeigen (z. B. bei Affektiven Störungen). In vielen Bereichen sind die Besonderheiten des klinischen Erscheinungsbildes in unterschiedlichen Altersgruppen noch nicht ausreichend erforscht.

•  Entwicklungspsychopathologie: Diese beschäftigt sich mit den Ursachen einer Entwicklungsabweichung und versucht, Risiko- und Schutzfaktoren im Entwicklungsprozess zu identifizieren. Es geht somit um einen Vergleich zwischen normativer und auffälliger Entwicklung (Kap. 2). Hieraus leiten sich Konzepte zur Prävention, Intervention und Rehabilitation ab.

•  Epidemiologie: Epidemiologische Daten und Studien erfassen wichtige Kennziffern psychischer Störungen im Kindes- und Jugendalter. So werden Aussagen darüber gemacht, wie häufig es zu Neuerkrankungen kommt oder wie viele Patient*innen von einer Störung betroffen sind. Auch Auftrittsraten von Komorbiditäten oder Aussagen über den zeitlichen Verlauf von Störungen sind Bestandteil der Epidemiologie.

•  Diagnostik: Die psychologische Diagnostik zielt darauf ab, relevante Faktoren zur Beschreibung, Entstehung und Aufrechterhaltung psychischer Symptome zu identifizieren. Sie ermöglicht eine Verifikation von diagnostischen Hypothesen und eine qualitative und quantitative Beschreibung der aktuellen Symptomatik. Zudem ermöglicht sie die Klärung der Indikation einer Psychotherapie, die gegeben ist, wenn die Diagnosekriterien einer psychischen Störung erfüllt sind. Diagnostische Informationen werden im Kindes- und Jugendalter häufig über verschiedene Beurteiler*innenperspektiven (z. B. Patient*in, Eltern und Lehrkräfte) erhoben sowie in verschiedenen Lebensbereichen (z. B. Familie, Freizeit, Schule oder Kindergarten). Im Verlauf der Therapie wird über eine stetige Verlaufsdiagnostik die Intervention angepasst sowie im Rahmen der Abschlussdiagnostik auf ihren Erfolg hin geprüft.

•  Klassifikation: Die Klassifikation beschreibt einen strukturierten Verbund von Kategorien (Klassen). Sie bildet ein System, in dem Symptome abgrenzt und geordnet werden. Symptome werden somit Kategorien (sprich Störungen) zugeordnet. Die Klassifikation ist dann meist handlungsleitend für die Psychotherapie. Nur mit einer Störung des Klassifikationssystems International Classification of Diseases (ICD, WHO, 1994) kann eine Psychotherapie über die Krankenkasse eingeleitet werden. International gültig ist zudem das DSM, welches insbesondere in der Forschung relevant ist.

•  Ätiologie: Ätiologie und ätiologische Modelle befassen sich mit den empirisch belegten Ursachen und Entstehungsprozessen von psychischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Die Genese von psychischen Erkrankungen ist multifaktoriell und umfasst sowohl biologische als auch psychosoziale und individuelle Faktoren (Kap. 2). Ätiologische Faktoren können auch an der Aufrechterhaltung von Störungen beteiligt sein, dies ist jedoch nicht zwingend.

•  Biopsychosoziales Modell: Für die Entwicklung psychischer Erkrankungen wird in der Regel nicht von unikausalen Zusammenhängen ausgegangen (z. B. Bullying → Depression), sondern ein komplexes Zusammenspiel und eine Wechselwirkung an biologischen Faktoren (z. B. niedriger Serotoninspiegel), psychischen Faktoren (z. B. Verzerrungen in der Wahrnehmung anderer) und sozialen Faktoren (z. B. Bullying), die zu einer Störung führen, angenommen.

•  Aufrechterhaltung: Besonders für die Therapieplanung und Ansatzpunkte von psychotherapeutischen Interventionen sind Faktoren und Prozesse wichtig, welche Störungen im Kindes- und Jugendalter aufrechterhalten. Diese Faktoren sorgen dafür, dass eine natürliche Remission (d. h., Nachlassen von Krankheitssymptomen) nicht stattfindet. Je nach Therapieverfahren wird ein anderer Fokus bei der Behandlung auf diese Aufrechterhaltungsfaktoren gelegt. Während in der KVT insbesondere Lernfaktoren eine Rolle spielen, sind es Konfliktmuster bzw. interaktionelle Prozesse in psychodynamischen bzw. systemischen Verfahren.

1.7        Interdisziplinarität des Feldes der Klinischen Kinder- und Jugendlichenpsychologie mit Nachbardisziplinen

Die Klinische Kinder- und Jugendpsychologie und -psychotherapie ist eng verknüpft mit anderen Fachbereichen. Hervorzuheben ist hier die Pädiatrie mit dem Fokus auf die somatische Gesundheit und Entwicklung, die (Heil-)Pädagogik und Entwicklungspsychologie mit Fokus auf die normative Entwicklung wie auch die Neuropädiatrie und Kinderneurologie, die sich mit neuronalen Strukturen der Entwicklung befasst. Im medizinischen Bereich ist die psychische Gesundheit von Kindern in der Kinder- und Jugendpsychiatrie verankert.

Im psychotherapeutischen Kontext ergeben sich somit ganz klare Bezugssysteme, die immer integriert werden müssen: In der Regel ist die Schule oder der Kindergarten der tägliche Bezugsrahmen neben der Familie. Lehrkräfte und andere Bezugspersonen dort können wichtige Einblicke liefern. Zur Unterstützung von Familien und Wahrung der Sicherheit des Kindeswohls kann bei Bedarf das Jugendamt einbezogen werden (Kap. 34). Auch der*die Kinderärzt*in gilt als unersätzliche*r Kooperationspartner*in, da diese die Gesundheit des Kindes oft schon von Geburt an im Blick haben. Schließlich bezieht die Psychotherapie auch alle weiteren Lebensbereiche z. B. in der Freizeit des Kindes mit ein. Ein regelmäßiger interdisziplinärer Austausch ist somit Standard. Im Rahmen dieses Buches versuchen wir diesem Umstand Rechnung zu tragen, indem jeweils auf den Einbezug von Kolleg*innen außerhalb der Psychologie hingewiesen wird sowie einige Kapitel explizit interdisziplinär von Kolleg*innen anderer Gebiete verfasst wurden (Kap. 32, Kap. 33, Kap. 34).

1.8        Verweis auf die Struktur des Buches

Die folgende Struktur wird übergreifend in das Gebiet der Klinischen Kinder- und Jugendpsychologie und Therapieverfahren einleiten. Im Verlauf finden sich dann jeweils die biopsychosozialen Grundlagen, Klassifikation, Diagnostik und Behandlung von Störungsbildern. Diese beginnen bei den entwicklungspsychologisch frühesten Störungsbildern (z. B. Störungen der Regulation) bis hin zu typischerweise ab dem Jugendalter auftretenden Störungsbildern (z. B. Persönlichkeitsstörungen). Das Buch schließt ab mit angrenzenden Bereichen zu psychisch kranken Eltern, Recht und Jugendhilfe. Im Verlauf des Buches beziehen sich die Autor*innen in der Regel auf die Klassifizierung der noch gültigen ICD 10 (WHO, 1994), da dieses in der Praxis zum aktuellen Zeitpunkt (Stand Januar 2023) weiterhin angewendet wird. Aus inhaltlichen Gründen werden Bezüge zum DSM-5 (APA, 2013) oder der ICD-11 hergestellt, wenn diese eine Ergänzung aus aktuellen wissenschaftlichen und klinischen Erkenntnissen darstellen. Dies gilt beispielsweise für die Autismus-Spektrums-Störung (ASS), welche in den letzten zehn Jahren klassifikatorisch stark geändert wurde bis hin zu einer anderen Benennung der zugehörigen Störungsbilder (Kap. 12). Da sich Klassifikation trotz des Versuches einer klaren Zuordnung von Symptomen zu Kategorien durch zunehmenden Erkenntnisgewinn im Wandel befindet, möchten wir dieser Dynamik Rechnung tragen.

1.9        Ausblick

Die Klinische Kinder- und Jugendlichenpsychologie erlebt unter anderem aufgrund der Änderung des Psychotherapeutengesetzes eine bislang nicht dagewesene Veränderung: Es werden Professuren geschaffen, Forschung großflächig angestoßen, das Feld in der Lehre tiefgreifend etabliert und neue Versorgungsstrukturen im Bereich der Hochschulambulanzen aufgebaut. Zugleich zeigen große Übersichtsarbeiten über die letzten Jahrzehnte (z. B. Cuijpers et al., 2021; Higa-McMillan, Francis, Rith-Najarian & Chorpita, 2016; Weisz & Jensen, 2001) eine Stagnation der Wirksamkeit psychotherapeutischer Behandlung mit teilweise nur 40 % Kindern und Jugendlichen, die keine psychische Störung mehr nach der Behandlung aufwiesen. Somit ist es mehr als lohnend, sich mit den Grundlagen der Entstehung und Aufrechterhaltung wie auch der Behandlung psychischer Störungen im Kindes- und Jugendalter auseinanderzusetzen.

1.10      Referenzen

American Psychiatric Association. (2013). Diagnostic and statistical manual of mental disorders (5th ed.). Washington, DC.

Cuijpers, P., Karyotaki, E., Ciharova, M., Miguel, C., Noma, H., Stikkelbroek, Y., … & Furukawa, T. A. (2021). The effects of psychological treatments of depression in children and adolescents on response, reliable change, and deterioration: a systematic review and meta-analysis. European Child & Adolescent Psychiatry, 1–16.

Dey, M., Landolt, M. A., & Mohler-Kuo, M. (2012). Health-related quality of life among children with mental disorders: a systematic review. Quality of Life Research, 21(10), 1797–1814.

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1     Im Gegensatz zur Pathologisierung beschreibt die Entpathologisierung die Deutung von Verhaltensweisen, Empfindungen, Wahrnehmungen, Gedanken oder zwischenmenschlichen Beziehungen nicht als krankhaft, sondern Teil eines gesunden Spektrums. Beispielsweise sind Stimmungsschwankungen in der Pubertät zunächst kein Anzeichen für eine psychische Störung, sondern normativ zu betrachten.

2          Entwicklungspsychopathologie

Anika Werner, Arnold Lohaus & Sakari Lemola

2.1        Lernfragen

1.  Was bedeutet der Begriff Entwicklungspsychopathologie?

2.  Was ist der Unterschied zwischen Äqui- und Multifinalität?

3.  Was sind Risiko- und Schutzfaktoren und auf welchen Ebenen können sie wirken?

4.  Was ist der Unterschied zwischen homo- und heterotypischer Kontinuität?

5.  Welche Rolle spielen Entwicklungsaufgaben bei der Entstehung von Psychopathologien?

6.  Wie erklärt die Netzwerktheorie die Entstehung von Psychopathologien?

2.2        Fallbeispiel

Marie (9 Jahre) zeigte schon als Kleinkind immer wieder Schlafprobleme und wirkte auf ihre Eltern häufig traurig. Diese Problematik hat sich bis heute chronifiziert und ihre Eltern merken, dass sie sich immer mehr zurückzieht. Maries Mutter leidet seit ihrer Jugend an einer wiederkehrenden depressiven Störung, die nach Maries Geburt in einer postpartalen Depression mündete. Daher lernte Marie schon früh die Symptome ihrer Mutter kennen und hatte Schwierigkeiten, den häufig niedergeschlagenen Gesichtsausdruck der Mutter richtig zu deuten. Im Kindergarten wurde Marie immer wieder von anderen Kindern geärgert und ausgeschlossen. Im Schulalter entwickelte sie eine anhaltende Schulangst, die mit schlechten Schulleistungen einherging. Maries Eltern bemerkten außerdem, dass Marie ein Kind mit eher sensitiven Empfindungen gegenüber ihrer Umwelt und äußeren Reizen zu sein scheint. Dies hat zur Folge, dass sie zwar positive Reize und Erlebnisse besonders intensiv und dankbar annehmen kann, jedoch auch, dass sie in der Schule häufig abgelenkt wird und dem Unterricht schlechter folgen kann. Außerdem scheint sie oft niedergeschlagen zu sein, u. a. aufgrund von negativem Feedback ihrer Lehrerin. Im weiteren Entwicklungsverlauf merkt Marie während der Pubertät, dass sie anfälliger als die meisten ihrer Freundinnen für gewisse Stressoren (z. B. Klassenarbeiten) ist und darauf immer wieder mit verschiedenen Symptomen wie Kopf- und Bauchschmerzen reagiert.

2.3        Begriffsdefinitionen

Die Entwicklungspsychopathologie beschäftigt sich mit normativen1 und abweichenden Entwicklungsverläufen und legt dabei einen Fokus auf die Ursachen psychischer Störungen, den Verlauf dieser sowie die daran beteiligten Wirkmechanismen (Petermann & Noeker, 2008). Dabei untersucht sie jene Prozesse, die eine Entstehung bzw. Vermeidung psychischer Störungen bedingen können (Heinrichs & Lohaus, 2020). Eine bestehende Psychopathologie trägt dazu bei, dass die betroffene Person gewisse Entwicklungsaufgaben nicht oder nur unzureichend erfüllen kann (Israel et al., 2021), was wiederum zusätzliche Probleme nach sich zieht und den weiteren Verlauf einer Störung beeinflusst. Es wird eine Wechselwirkung biologischer, soziokultureller und psychologischer Faktoren angenommen, die die Entwicklung einer Person über die Zeit hinweg beeinflussen (Weis, 2018). Wegen der Vielzahl der potenziellen Einflussfaktoren und ihrer Wechselwirkungsverhältnisse ist die Vorhersage der kindlichen Entwicklung sowie ihrer kontinuierlichen Veränderung schwierig und herausfordernd (Weis, 2018). Daher wird die komplexe Formung der Entwicklung durch unterschiedlichste Faktoren als probabilistische Epigenese bezeichnet (Weis, 2018).

Definition

Mit dem Begriff der probabilistischen Epigenese wird zum Ausdruck gebracht, dass Entwicklung nur mit gewissen Wahrscheinlichkeiten durch mögliche Einflussfaktoren bestimmt wird.

2.3.1      Normative und abweichende Entwicklung

Obwohl die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen individuell unterschiedlich ist, können dennoch bestimmte Entwicklungsschritte und Verhaltensweisen als normgerecht und altersangemessen bezeichnet werden, wohingegen andere Verhaltensweisen eher davon abweichen (Lohaus & Vierhaus, 2019). Entwicklungsabweichungen bezeichnen dabei Abweichungen von normgerechter Entwicklung. Um Aussagen darüber zu treffen, ob gewisse Verhaltens- und Erlebensweisen von normaler Entwicklung abweichen, ist ein grundlegendes Wissen über eine normale kindliche Entwicklung essenziell (Weis, 2018). Hierbei spielen besonders die jeweiligen Entwicklungsaufgaben in den verschiedenen Altersstufen eine wesentliche Rolle (Kap. 2.5.1). Entwicklungsabweichungen sind dann psychische Störungen, »wenn das Verhalten und/oder Erleben bei Berücksichtigung des Entwicklungsalters abnorm ist und/oder zu einer Beeinträchtigung führt« (Steinhausen, 2019, S. 21).

Israel et al. (2021) führen mehrere Faktoren auf, anhand derer eine Entwicklungsabweichung bestimmt werden kann. Dazu gehören Entwicklungsverzögerung, Entwicklungsrückschritt oder -verschlechterung, extrem hohe oder niedrige Häufigkeit oder Intensität eines Verhaltens, über die Zeit anhaltende Verhaltensprobleme, der Situation unangemessenes Verhalten, abrupte Änderungen des Verhaltens, mehrere Verhaltensprobleme und Verhalten, das qualitativ von normalem Verhalten abweicht.

Für die Bestimmung von normativem und abweichendem Verhalten ist der Grad wichtig, in dem ein Verhalten kindliche Kompetenzen fördert, in dem es dazu dienlich ist, sich den eigenen Lebensumständen anzupassen, und in dem es die Entwicklung fördert (Israel et al., 2021; Weis, 2018). Dabei wird adaptives Verhalten als funktional für die Entwicklung sozialer, emotionaler und verhaltensbezogener Kompetenzen definiert, wohingegen maladaptives Verhalten diese Entwicklung behindert bzw. den wechselnden Bedingungen der Umgebung nicht entgegenkommt (Weis, 2018).

Aus den dargestellten Überlegungen folgt gleichzeitig, dass nicht jedes normabweichende Verhalten problematisch ist. So kann grundsätzlich beispielsweise eine Hochbegabung als normabweichend gelten, da sie von der typischen Entwicklungsnorm abweicht. Dennoch liegt in der Regel keine Beeinträchtigung des Erlebens und Verhaltens vor und auch eine Maladaptation muss damit nicht verbunden sein. Eine hohe Intelligenz beispielsweise ist meist förderlich bei der Adaptation an die jeweiligen Umgebungsbedingungen, während eine hohe musische Begabung es einfacher macht, Musikinstrumente spielen zu lernen.

2.3.2      Grundkonzepte der Entwicklungspsychopathologie

Im Kontext der Entwicklungspsychopathologie existieren verschiedene Grundkonzepte, die zum Verständnis von Entwicklung und Entwicklungsabweichungen essenziell sind.

Verschiedene Entwicklungsbedingungen können ähnliche Entwicklungsergebnisse bewirken (Äquifinalität) und umgekehrt können ähnliche Erlebnisse in der Entwicklungsgeschichte zu unterschiedlichen Verhaltens- und Erlebensweisen führen (Multifinalität; Weis, 2018). So können zwei völlig unterschiedliche Kinder mit verschiedenen Entwicklungsbedingungen (bei Kind 1 lassen sich z. B. gerade die Eltern scheiden, wohingegen Kind 2 die depressive Erkrankung der Mutter miterlebt) später das gleiche Problemverhalten aufweisen (z. B. eine depressive Symptomatik; Äquifinalität). Andersherum können auch gleiche Entwicklungsbedingungen (beispielsweise die Alkoholabhängigkeit des Vaters) bei unterschiedlichen Kindern zu verschiedenen Problemverhaltensweisen beitragen (z. B. entwickelt Kind 1 eher ängstliche Symptome, wohingegen Kind 2 im Jugendalter mit einem Substanzmissbrauch beginnt; Multifinalität). Besonders im Kindes- und Jugendalter kommt der Entwicklungspsychopathologie aufgrund der rasanten Entwicklung kognitiver, emotionaler und verhaltensbezogener Aspekte eine besondere Bedeutung zu. Da sich einige psychische Störungen bis ins Erwachsenenalter chronifizieren, spielt die Entwicklungspsychopathologie eine große Rolle (Beauchaine & Hinshaw, 2017).

Es existiert weiterhin eine fortwährende Debatte darüber, ob die menschliche Entwicklung einer kontinuierlichen (quantitativen) oder einer diskontinuierlichen (qualitativen) Entwicklung unterliegt. Grundsätzlich kann angenommen werden, dass einige Bereiche der Entwicklung einer qualitativen Veränderung unterliegen. So markiert der Übergang vom vorsprachlichen in ein sprachliches Denken eine qualitative Veränderung, da dadurch Denkvorgänge wesentlich effektiver vonstattengehen können (Lohaus & Vierhaus, 2019). Auf der anderen Seite gibt es Aspekte, die eher einem kontinuierlich quantitativen Verlauf folgen (z. B. die Wortschatzentwicklung, die durch eine quantitative Zunahme über die Zeit hinweg charakterisiert ist). Vor allem wenn zentrale Entwicklungsschritte nicht oder deutlich verzögert eintreten, ist mit gravierenden Konsequenzen für die weitere Entwicklung zu rechnen.

Bei jeder Entwicklungsabweichung stellt sich die Frage, ob sie eine Kontinuität über die Entwicklung hinweg in spätere Lebensjahre aufweist oder ob sie sich verändert und gegebenenfalls sogar wieder verschwindet. Dabei ist zu beachten, dass es tatsächlich Störungsbilder gibt, die eine geringe Kontinuität aufweisen und sich mit der Zeit »auswachsen«. Dazu zählt u. a. das Bettnässen (Joinson et al., 2016). Andere Entwicklungsabweichungen zeigen eine eher hohe Persistenz, Kontinuität und Chronifizierung auf (z. B. depressive Störungen; Wittchen et al., 2010).

Für den kontinuierlichen Verlauf von Entwicklungsabweichungen können die heterotypische und homotypische Kontinuität unterschieden werden (Israel et al., 2021). Die heterotypische Kontinuität meint, dass sich Entwicklungspsychopathologien in Abhängigkeit von der jeweiligen Altersstufe unterschiedlich ausdrücken können (Wenglorz & Heinrichs, 2018). So zeigen Kleinkinder mit einer depressiven Störung beispielsweise andere Symptome (z. B. Spielunlust) als Jugendliche (z. B. mangelndes Selbstvertrauen). Die homotypische Kontinuität hingegen beschreibt das gleichartige, unveränderte Bild einer psychischen Störung über den Entwicklungsverlauf hinweg (Weis, 2018). Hier treten kaum Symptomverschiebungen im Entwicklungsverlauf auf.

2.4        Epidemiologie

Die KiGGS-Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen vom Robert Koch-Institut erhebt in regelmäßigen Abständen repräsentative Gesundheitsdaten im Kindes- und Jugendalter. Neben einer Basiserhebung (2003–2006) wurden mittlerweile zwei weitere Erhebungswellen (2009–2012; 2014–2017) durchgeführt. Neben vielen gesundheitsrelevanten Parametern werden auch Daten zur psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen erhoben. Wie die Ergebnisse aus der jüngsten Erhebungswelle (2014–2017) zeigen (s. Klipker et al., 2018), lag die Prävalenz für psychische Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen zwischen 3 und 17 Jahren bei 16,9 %, wobei die Prävalenz bei Jungen (19,1 %) deutlich höher lag als bei Mädchen (14,5 %). Der Unterschied in den Prävalenzraten ist vor allem in jüngeren Altersgruppen (3 bis 14 Jahre) auffällig, während im Alter von 15 bis 17 Jahren eine Nivellierung der Geschlechtsunterschiede zu beobachten ist. In der Basiserhebung zeigte sich vor allem eine höhere Prävalenz emotionaler Probleme bei Mädchen (9,7 % im Vergleich zu 8,6 % bei Jungen) sowie eine höhere Prävalenz von Verhaltensauffälligkeiten bei Jungen (17,6 % im Vergleich zu 11,9 % bei Mädchen; Hölling et al., 2007). Bemerkenswert ist der deutliche Einfluss des sozioökonomischen Status der Herkunftsfamilie, wobei die Prävalenzraten bei niedrigem sozioökonomischem Status erheblich höher sind (Klipker et al., 2018). Die Behandlungsquote (d. h. der Anteil an Kindern und Jugendlichen, die tatsächlich behandelt wurden, unter jenen mit einer Diagnose) lag deutlich unterhalb der Prävalenzrate (mit ca. 28,8 % in der KiGGS-Basiserhebung; Hintzpeter et al., 2014).

Exkurs

Bei den epidemiologischen Angaben zu psychischen Problemen ist zu bedenken, dass sie häufig (z. B. bei der KiGGS-Studie) auf subjektiven Angaben (der Kinder und Jugendlichen oder ihrer Bezugspersonen) basieren. Es bleibt daher unklar, wieweit es dadurch zu Über- oder Unterschätzungen kommt. Weiterhin gibt es in manchen Problembereichen (z. B. Essstörungen) möglicherweise eine geringe Bereitschaft, über ein Problemverhalten Auskunft zu geben (Heinrichs & Lohaus, 2020). Es ist daher mit mehr oder weniger großen Dunkelziffern zu rechnen. Da sich auch die diagnostischen Kriterien und die methodischen Herangehensweisen über die Zeit verändern, sind epidemiologische Angaben über subjektive Symptome zwar wichtige Informationsgrößen, auf der anderen Seite aber auch mit einer gewissen Unsicherheit verbunden.

Entwicklungspsychopathologisch von Bedeutung ist weiterhin das Erstmanifestationsalter einer Symptomatik. Es bezeichnet das Alter, in dem eine Auffälligkeit erstmals auftritt. Dies kann bei der Suche nach der Ursache oder den Auslösebedingungen für das Auftreten von psychischen Auffälligkeiten relevant sein. Studien zeigen, dass die Hälfte aller psychischen Störungen sich erstmals in den ersten 14 Lebensjahren manifestiert (Kessler et al., 2005). Angststörungen und Störungen der Impulskontrolle (z. B. die Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung) haben ein frühes Erstmanifestationsalter mit einem Altersmedian von 11 Jahren, während Substanzabhängigkeitsstörungen (Altersmedian: 20 Jahre) und affektive Störungen (Altersmedian: 30 Jahre) meist später beginnen (Kessler et al., 2005). Auch die Chronifizierungsrate einer Auffälligkeit ist von Interesse. Manche psychischen Probleme treten zeitweise im Entwicklungsverlauf auf (z. B. manche kindlichen Ängste) und verschwinden dann wieder. Es handelt sich offenbar um passagere Symptomatiken, die keine bleibenden (chronischen) Folgewirkungen nach sich ziehen. Die Identifizierung von Symptomatiken (sowie damit verbundener Einflussfaktoren), die einen bleibenden Charakter im Entwicklungsverlauf erhalten können, ist entwicklungspsychopathologisch ebenfalls von Relevanz.

2.5        Theorien zur Entwicklungspsychopathologie

2.5.1      Entwicklungsaufgaben- und Entwicklungspfadmodell

Da psychische Auffälligkeiten bereits im Kindes- und Jugendalter mit einer beachtlichen Häufigkeit vorzufinden sind, geht es im Folgenden um die Entstehung von Psychopathologien in frühen Altersabschnitten.

Jeder Mensch ist im Laufe der Entwicklung mit einer Vielzahl an Entwicklungsaufgaben konfrontiert, die er mehr oder weniger gut bewältigen kann. Eine Herausforderung stellt für Kinder beispielsweise der Übergang in die Schule dar, der nicht nur die Rolle des schulischen Lernens in den Vordergrund rückt, sondern auch die vielfältigen Erfordernisse, die damit verbunden sind (z. B. Integration in die Klassengemeinschaft). Die erfolgreiche Bewältigung von Entwicklungsaufgaben bringt Havighurst (1972) mit dem Erleben von Zufriedenheit und Wohlbefinden in Verbindung. Gleichzeitig wird das Selbstwirksamkeitserleben gestärkt und das erfolgreiche Bewältigungsverhalten kann auch beim Umgang mit zukünftigen Entwicklungsaufgaben hilfreich sein. Umgekehrt ist ein Scheitern mit vielfältigen negativen Gefühlen verknüpft. Es entstehen Bahnungen in unterschiedliche Richtungen, die im ungünstigen Fall eine Basis zu einer Entwicklung von Psychopathologien schaffen können.

Die Grundidee des Entwicklungsaufgabenansatzes wird in dem Anforderungs-Bewältigungsmodell (u. a. Lazarus & Folkman, 1984) aufgegriffen. Nach diesem Modell stellen sich Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen im Laufe ihres Lebens vielfältige Anforderungen, die zu bewältigen sind. Dazu gehören neben Entwicklungsaufgaben auch kritische Lebensereignisse (wie traumatische Erlebnisse) und alltägliche Probleme (z. B. zu erledigende (Haus-)Aufgaben). Die Anforderungen werden bewertet und erzeugen – vor allem wenn sie als belastend eingestuft werden – Stress. Um diesen Stress zu bewältigen, kann auf Bewältigungsressourcen zurückgegriffen werden. Dazu gehören persönliche Ressourcen (wie eine optimistische Grundhaltung) ebenso wie soziale Ressourcen (z. B. Unterstützung durch das soziale Umfeld). Wenn die vorhandenen Ressourcen hinreichend sind, um die Anforderungen zu bewältigen, reduziert sich das Stresserleben. Andernfalls bleibt das Belastungserleben bestehen oder verstärkt sich sogar, weil es nicht gelingt, eine angemessene Lösung für die Anforderungsproblematik zu finden. Auf ähnliche Weise beschreibt die Theorie der Ressourcenerhaltung das Ziel des Individuums, stets Ressourcen zu vermehren und Ressourcenverlust zu vermeiden (Hobfoll, 1989).

Kinder und Jugendliche sind zum einen mit einer Vielzahl an Entwicklungsproblemen, kritischen Lebensereignissen und alltäglichen Problemen konfrontiert, zum anderen verfügen sie über wenig Erfahrung im Umgang mit Anforderungssituationen. Besonders wenn im Sinne eines Kaskadenmodells vielfältige Anforderungen zusammenkommen, kann es zu Überforderungen kommen, die zur Entstehung von Stresssymptomen führen können. Stresssymptome können sich auf körperlicher (z. B. als Kopf- und Bauchschmerzen) und auf psychosozialer Ebene (z. B. als aggressives Verhalten) äußern (Abb. 2.1). Langfristig kann chronisches Stresserleben und ein daraus resultierendes Erschöpfungserleben die Entstehung von Psychopathologien begünstigen. Nach dem Modell der allostatischen Last führt vor allem chronischer Stress, dem nur ungenügende Ressourcen entgegenstehen, zu einer Überlastungssituation, die das psychische Gleichgewicht durcheinanderbringen kann und so das Risiko von psychischen Störungen erhöht (McEwen, 1998). Allostasis beschreibt dabei einen Zustand des stetigen vorausschauenden Wandels, welcher ermöglicht, sich ändernden Herausforderungen gewachsen zu sein.

Abb. 2.1:    Kaskadenmodell der Stressentstehung

In Entwicklungspfadmodellen (s. Sroufe, 1997) geht es im Wesentlichen darum, typische Entwicklungssequenzen zu identifizieren, die in spezifische Entwicklungspsychopathologien münden. Ein bekanntes Beispiel ist das Entwicklungspfadmodell zur Entwicklung aggressiven bzw. delinquenten Verhaltens, das zwei Entwicklungspfade unterscheidet: einen Entwicklungspfad mit früh einsetzenden und über den Lebensverlauf andauenden Symptomen sowie einen Entwicklungspfad mit episodischen und typischerweise auf das Jugendalter begrenzten aggressiven bzw. delinquenten Auffälligkeiten (Moffitt, 2018). Im Gegensatz zu den zuvor dargestellten Entwicklungsmodellen werden hier typische Entwicklungsverläufe, die mit spezifischen Psychopathologien verbunden sind, herausgearbeitet.

2.5.2      Biopsychosoziales Entwicklungsmodell und Risiko-Schutzfaktorenmodell

Das biopsychosoziale Entwicklungsmodell nimmt an, dass jede Entwicklung (und somit jede Entwicklungsauffälligkeit) ein Ergebnis der Wechselwirkung psychologischer, biologischer und sozialer Einflussfaktoren ist. Nach Petermann und Ulrich (2019) werden zwei Formen von biopsychosozialen Verursachungsmodellen unterschieden: Interaktions- und Transaktionsmodelle.

Interaktionsmodelle gehen davon aus, dass sowohl biologische als auch psychosoziale Faktoren zu einem Entwicklungsergebnis beitragen (und sich in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken oder auch abschwächen können). So würde beispielsweise ein Kind, das von seiner genetischen Ausstattung her über das Potenzial zu einer hohen Intelligenzausprägung verfügt, in seiner phänotypischen Intelligenzausprägung unterstützt werden, wenn es in ein Umfeld gelangt, das zur Intelligenzförderung beiträgt. Umgekehrt könnte es das genetische Potenzial möglicherweise in einem wenig förderlichen Umfeld nicht entfalten. Am einflussreichsten unter den Interaktionsmodellen ist das sogenannte Vulnerabilitäts-Stress-Modell (Monroe & Simons, 1991), nach welchem Stress vor allem bei Personen mit erhöhter Vulnerabilität zu psychischen Störungen führt. Auch das Modell der Differenziellen Suszeptibilität (Belsky & Pluess, 2009) ist zu den Interaktionsmodellen zu rechnen. Es geht von einem evolutionstheoretischen Ansatz aus und nimmt an, dass eine genetische Veranlagung zu höherer Vulnerabilität evolutionär wenig sinnvoll ist – genetische Variationen, die nur Nachteile mit sich bringen, würden sich in der Evolution nicht durchsetzen. Im Sinne des Modells der Differenziellen Suszeptibilität zeigten Belsky und Pluess (2009), dass verschiedene Persönlichkeitsmerkmale (z. B. ein schwieriges Temperament in der Kindheit), die klassischerweise als Vulnerabilitätsfaktoren verstanden wurden, unter günstigen Umweltbedingungen (z. B. hohe elterliche Sensitivität) sogar zu günstigeren Entwicklungsverläufen führten (z. B. zu mehr Wohlbefinden) als ein einfacheres Temperament.

In Transaktionsmodellen geht man davon aus, dass biopsychosoziale Einflussfaktoren nicht nur das Entwicklungsergebnis beeinflussen, sondern dass auch Rückwirkungen von Entwicklungsergebnissen auf die potenziellen Einflussfaktoren bestehen (Petermann & Ulrich, 2019). Besonders deutlich wird dieser Gedanke am Beispiel der Epigenetik. Lange Zeit stand die Überzeugung im Vordergrund, dass die genetische Ausstattung die Entwicklung beeinflusst (und nicht umgekehrt). Erst in jüngster Zeit setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass die jeweiligen Entwicklungsergebnisse, die auch ein Produkt der jeweiligen psychosozialen Erfahrungen sind, wiederum auf die Genetik zurückwirken, indem beispielsweise Genabschnitte ein- oder abgeschaltet werden. Durch die individuellen Entwicklungserfahrungen kann es zu langfristig wirksamen Veränderungen des Epigenoms, das die Genaktivierungsmuster steuert, kommen. Durch Änderungen des Epigenoms können trotz gleicher Genausstattung unterschiedliche Entwicklungsergebnisse entstehen (sowohl psychisch als auch somatisch). Dies lässt sich bei eineiigen Zwillingen beobachten, die sich trotz gleicher Genausstattung unterschiedlich entwickeln können (Fraga et al., 2005). Während Interaktionsmodelle eine Wirkrichtung potenzieller Einflussfaktoren auf die Entwicklungsergebnisse annehmen, gehen Transaktionsmodelle also von einer bidirektionalen Wirkrichtung aus.

Im Risiko-Schutzfaktorenmodell geht es ebenfalls um Einflussfaktoren auf die Entwicklung, wobei hier eine Aufteilung in Risikofaktoren (Faktoren, die die Entwicklung negativ beeinflussen können) und Schutzfaktoren (Faktoren, die negativen Effekten auf die Entwicklung entgegenwirken können) vorgenommen wird.

Definition

Risikofaktoren sind Einflussfaktoren, die die Auftretenswahrscheinlichkeit einer psychischen Störung erhöhen. Schutzfaktoren können die Wirkung von Risikofaktoren abmildern und im Sinne eines Puffereffekts wirken.

Risikofaktoren lassen sich nach ihrer Wirkebene (biologisch, sozial oder psychisch), ihrer Wirkung in verschiedenen Entwicklungsabschnitten (pränatal, perinatal oder postnatal) sowie ihrer Wirkung im Störungsverlauf (bedeutsam für Entstehung, Aufrechterhaltung oder Rückfall im Kontext psychischer Störungen) unterscheiden (Heinrichs & Lohaus, 2020). So werden Kinder, die Teratogenen (äußere Einflussfaktoren, die Fehlbildungen hervorrufen können, z. B. Alkohol) während der Schwangerschaft ausgesetzt sind, mit einem biologisch wirksamen Risikofaktor in einem pränatalen Entwicklungsabschnitt konfrontiert, der für die Entstehung einer späteren psychischen Auffälligkeit bedeutsam sein kann. Weiterhin lässt sich eine Unterteilung in internale Risikofaktoren (innerhalb der Person; z. B. Temperamentsmerkmale) und externale Risikofaktoren (in der Umwelt lokalisiert; z. B. Erziehungsstil der Eltern) vornehmen.

Auch Schutzfaktoren lassen sich verschiedenen Wirkebenen, Entwicklungsabschnitten und Abschnitten im Störungsverlauf zuordnen. So wäre eine sichere Bindung eines Kindes zu einer Bezugsperson in erster Linie auf der psychosozialen Ebene anzusiedeln (in einem postnatalen Entwicklungsabschnitt). Die sichere Bindung könnte wiederum ein bedeutsamer Faktor sein, der der Entstehung einer psychischen Störung entgegenwirken könnte. Von den Schutzfaktoren, die ihre Wirkung im Kontext von Risikofaktoren entfalten (und ihnen entgegenwirken), sind die allgemein förderlichen Ressourcen abzugrenzen, die auch ohne das Vorhandensein von Risikofaktoren entwicklungsfördernd sind. Dazu können Merkmale wie Intelligenz oder ein hohes Selbstwirksamkeitserleben gehören, die auch unabhängig von einem spezifischen Risiko förderliche Einflüsse auf die Entwicklung eines Kindes haben können.

Es kann individuelle Unterschiede zwischen Kindern und Jugendlichen hinsichtlich ihrer Anfälligkeit bzw. Vulnerabilität für die Wirksamkeit von Risikofaktoren geben (Oerter, 2011; vgl. oben Vulnerabilitäts-Stress-Modell). So kann beispielsweise ein hohes Ausmaß an Gehemmtheit (als Temperamentsmerkmal) die Anfälligkeit für die Entwicklung sozialer Ängste erhöhen (Chronis-Tuscano et al., 2009). Umgekehrt gibt es Kinder, die einem hohen Ausmaß an Entwicklungsrisiken ausgesetzt sind und trotz dieser Risikobelastung keine Auffälligkeiten entwickeln. Dieses Phänomen wird als Resilienz bezeichnet. Sowohl Vulnerabilität als auch Resilienz gelten nicht als stabile Persönlichkeitsmerkmale, sondern als variable Größen, die in Abhängigkeit von Anpassungs- und Entwicklungsprozessen situationsspezifisch variieren können (Bengel et al., 2009). So könnte ein Kind auf Mobbing-Erfahrungen durch Gleichaltrige psychisch stabil reagieren, weil es durch seine Familie hinreichend soziale Unterstützung erfährt, um aufgefangen zu werden. Eine drohende Trennung und Scheidung der Eltern könnte jedoch zu massiven psychischen Problemen führen, weil der ansonsten wirksame soziale Rückhalt gefährdet ist.

Das Risiko-Schutzfaktorenmodell ist teilweise kompatibel mit dem Anforderungs-Bewältigungsmodell, wenn man annimmt, dass Entwicklungsrisiken gleichzeitig Entwicklungsanforderungen stellen, die mit den vorhandenen Ressourcen (Schutzfaktoren) bewältigt werden müssen. Auch in das Anforderungs-Bewältigungsmodell lassen sich spezifische Vulnerabilitäten (Konfrontation mit vielfältigen oder schwerwiegenden Anforderungen) und Resilienzen (Verfügbarkeit von hinreichenden Bewältigungsressourcen) integrieren. Ein entscheidender Unterschied ist jedoch darin zu sehen, dass das Risiko-Schutzfaktorenmodell vorwiegend die objektive Konstellation von Risiko- und Schutzfaktoren in den Blick nimmt, während das Anforderungs-Bewältigungsmodell die subjektive Situationswahrnehmung durch Betroffene fokussiert. Betrachtet man das Risiko-Schutzfaktorenmodell vor dem Hintergrund des biopsychosozialen Entwicklungsmodells, so ist zu konstatieren, dass vor allem die Wirkrichtung von den Risiko- und Schutzfaktoren auf das Entwicklungsergebnis im Vordergrund steht (im Sinne eines Interaktionsmodells). Es schließt jedoch grundsätzlich auch eine Rückwirkung des Entwicklungsergebnisses auf Risiko- und Schutzfaktoren (im Sinne eines Transaktionsmodells) nicht aus.

2.5.3      Netzwerkmodelle

Ein neuer Trend in der Entwicklungspsychopathologie ist die Betrachtung von psychischen Störungen als Netzwerke interagierender Symptome (Borsboom, 2008; Borsboom & Cramer, 2013). Es wird angenommen, dass Störungssymptome sich gegenseitig beeinflussen: Beispielsweise können Einschlafprobleme und ein zu kurzer Schlaf die Ängstlichkeit am nächsten Tag verstärken, während die Ängstlichkeit am nächsten Tag wiederum zu Vermeidungsverhalten führen kann. In unserem Fallbeispiel (Kap. 2.1) zeigt Marie ebenfalls Schlafprobleme, die unter Umständen ihre Schulangst am nächsten Tag verstärken, sodass sie vermeidet, in die Schule zu gehen. So kann von einem Symptom ausgehend ein ganzes Netzwerk von Symptomen aktiviert werden, welches schließlich als klinisch relevante psychische Störung diagnostiziert werden kann, wenn die Symptome über einen gewissen Zeitraum aktiviert bleiben. Die Netzwerkperspektive stellt einen dynamischen Ansatz dar, bei welchem die Kausalketten der Störungsentstehung und -aufrechterhaltung im Vordergrund stehen. Die Netzwerkperspektive unterscheidet sich dabei von der vorherrschenden Betrachtungsweise, welche Störungssymptome als von latenten (d. h. nicht direkt beobachtbaren) Faktoren beeinflusst sieht, Störungssymptomen somit keine funktionale Rolle zuschreibt und nur als sichtbare Manifestationen der zugrundeliegenden Störung betrachtet.

Netzwerke bestehen aus Knoten (»nodes«), die für einzelne Symptome stehen. Die Knoten sind über Kanten (»edges«) miteinander verbunden, wobei die Stärke dieser Kanten durch Partialkorrelationen ausgedrückt wird und somit den statistisch bereinigten Zusammenhang zwischen den beiden Knoten repräsentiert (Abb. 2.2).

Ein wichtiges Konzept in der Netzwerkperspektive ist die sogenannte Zentralität. Knoten unterscheiden sich in ihrer Zentralität im Netzwerk. Knoten mit hoher Zentralität sind mit vielen anderen Knoten über starke Kanten verbunden, während Knoten mit geringer Zentralität nur mit wenigen anderen Knoten über weniger starke Kanten verbunden sind.

Abb. 2.2:    Beispiel eines Netzmerkmodells anhand eines Fallbeispiels (Marie, 9 Jahre)

Zentralen Knoten kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Es wird vermutet, dass sie für das gesamte Netzwerk eine stabilisierende Funktion ausüben (z. B. bei der Aufrechterhaltung einer psychischen Störung). Somit stellen zentrale Knoten Ziele für Interventionen dar: Gelingt es, das aufrechterhaltende Symptom im Störungsnetzwerk auszuschalten, kann die gesamte Netzwerkstruktur in sich zusammenfallen.

Ebenfalls entscheidend ist die Netzwerkdichte. Netzwerke unterscheiden sich darin, wie dicht sie geknüpft sind. Bei dicht geknüpften Netzwerken sind die Knoten insgesamt durch mehr und stärkere Kanten verbunden als bei lose verbundenen Netzwerken. Netzwerke weisen in einer akuten Phase der Störung meist eine höhere Dichte auf. Zum Beispiel sind die Symptome bei einer akuten Panikstörung dichter verbunden als beim Abklingen der Störung. So kann in der akuten Phase eine Triggersituation (z. B. überfüllter Bus) vermehrte symptombezogene Körperwahrnehmungen (z. B. beschleunigter Herzschlag) nach sich ziehen, was wiederum zu unmittelbaren katastrophisierenden Interpretationen führen kann (z. B. »ich krieg eine Panikattacke«). Die negative Bewertung der Situation (z. B. »Busfahren geht nicht mehr«) führt zu Vermeidungsverhalten. Bei psychischen Störungen sind die Symptomnetzwerke entsprechend dichter verbunden als bei psychischer Gesundheit, d. h. die Aktivierung eines Knotens zieht eine stärkere und schnellere Aktivierung der benachbarten Knoten nach sich. Entsprechend sind auch Symptome, die zur gleichen Störung gehören, dichter untereinander verknüpft als Symptome, die zu unterschiedlichen Störungen gehören.

Ein drittes wichtiges Konzept der Netzwerkperspektive ist das der sogenannten Brückensymptome. Es kommt vor, dass einzelne Symptome gleichzeitig zu zwei oder sogar mehreren Störungsnetzwerken gehören (z. B. Einschlafstörungen sowohl zur Insomnie als auch zur depressiven Störung). Diese Symptome werden Brückensymptome genannt, da die Aktivierung in einem Netzwerk sich über Brückensymptome auf ein benachbartes Netzwerk übertragen kann. Aus der Entwicklungsperspektive ist wichtig zu verstehen, (1) über welche ursprünglichen Symptome ganze Störungsnetzwerke aktiviert werden, (2) welche Symptome am zentralsten sind, da sie für die Aufrechterhaltung von psychischen Störungen wichtig sind, und (3) über welche Brückensymptome die Aktivierung von einem Netzwerk auf das nächste überspringen kann.

Beispielstudie

Speyer et al. (2021) gingen in ihrer Studie der Frage nach, welche Brückensymptome zwischen internalisierender Symptomatik wie Ängstlichkeit und depressiver Verstimmung einerseits und Symptomen der Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) andererseits stehen und somit das Risiko der wechselseitigen Aktivierung der jeweils anderen Störung steigern. Hintergrund der Untersuchung war, dass zwischen internalisierenden Störungen und ADHS eine hohe Komorbidität besteht: während ADHS insgesamt ungefähr 6 % aller Kinder betrifft (Polanczyk et al., 2015), sind bis zu 50 % der Kinder mit depressiver Störung und bis zu 35 % der Kinder mit Angststörungen zusätzlich auch von ADHS betroffen (Gnanavel et al., 2019).

2.6        Ausblick

Hohe Prävalenz- und Chronifizierungsraten psychischer Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter und deren Bedeutsamkeit für das Erleben und Verhalten im privaten aber auch im schulischen Umfeld zeigen die Relevanz der Entwicklungspsychopathologie auf. Besonders im Hinblick auf die Bedeutsamkeit von Prävention und Intervention zur Vorbeugung und Behandlung psychischer Erkrankungen ist die Betrachtung der Entwicklungspsychopathologie relevant. Sie kann in Theorie und Praxis dabei helfen, Risiko- und auch Schutzfaktoren zu identifizieren, die eine normgerechte bzw. abweichende Entwicklung begünstigen. Dabei spielen unterschiedliche Erklärungsmodelle eine Rolle. Zukünftige Forschung sollte sich bei der Ursachenforschung weitergehend auch mit Netzwerkmodellen und der Verknüpfung spezifischer Symptome beschäftigen. In Bezug auf die Praxis könnten vermehrt auch systemische und vor allem ressourcenorientierte Ansätze verfolgt werden, um das Umfeld des Kindes miteinzubeziehen und neben Problembereichen auch Stärken und Schutzfaktoren zu beleuchten. Insgesamt gewinnt die Entwicklungspsychopathologie sowohl für die Forschung als auch für die Praxis zunehmend an Bedeutsamkeit, um langfristig Kindern und Jugendlichen, die eine Entwicklungsabweichung aufzeigen, bedarfsgerecht unterstützen zu können bzw. Entwicklungsabweichungen bereits frühzeitig vorbeugen zu können.

2.7        Beantwortete Lernfragen

1.  Was bedeutet der Begriff Entwicklungspsychopathologie?

–  Betrachtung normativer und abweichender Entwicklungsverläufe

–  Ursachen, Verlauf und Wirkmechanismen psychischer Störungen werden betrachtet

2.  Was ist der Unterschied zwischen Äqui- und Multifinalität?

–  Äquifinalität: Verschiedene Entwicklungsbedingungen können ähnliche Entwicklungsergebnisse bewirken.

–  Multifinalität: Ähnliche Erlebnisse in der Entwicklungsgeschichte können zu unterschiedlichen Entwicklungsergebnissen führen.

3.  Was sind Risiko- und Schutzfaktoren und auf welchen Ebenen können sie wirken?

–  Risikofaktoren: Einflussfaktoren, die die Auftretenswahrscheinlichkeit einer psychischen Störung erhöhen.

–  Schutzfaktoren können die Wirkung von Risikofaktoren abmildern (Pufferfunktion).

–  Sowohl Risiko- als auch Schutzfaktoren können auf biologischer, sozialer und/oder psychischer Ebene wirken.

4.  Was ist der Unterschied zwischen homotypischer und heterotypischer Kontinuität?

–  homotypisch: psychische Erkrankungen zeigen über den Entwicklungsverlauf hinweg ein unverändertes Bild

–  heterotypisch: eine psychische Erkrankung verändert sich in Abhängigkeit von der jeweiligen Altersstufe

5.  Welche Rolle spielen Entwicklungsaufgaben bei der Entstehung von Psychopathologien?

     Ein Scheitern in der Bewältigung von Entwicklungsaufgaben kann mit negativen Gefühlen verknüpft sein und im ungünstigen Fall eine Basis zur Entwicklung von Psychopathologien schaffen.

6.  Wie erklärt die Netzwerktheorie die Entstehung von Psychopathologien?

–  psychische Störungen sind Netzwerke interagierender Symptome

–  ein Symptom kann ein Netzwerk anderer Symptome aktivieren und zu einem Vollbild einer psychischen Erkrankung führen

–  Netzwerkmodelle beinhalten Knoten (Symptome) und Kanten, die die Symptome miteinander verbinden

2.8        Weiterführende Literatur

Heinrichs, N. & Lohaus, A. (2020). Klinische Entwicklungspsychologie kompakt. Weinheim: Beltz.

Israel, A. C., Malatras, J. W. & Wicks-Nelson, R. (2021). Abnormal child and adolescent psychology (9. Aufl.). New York: Taylor and Francis.

Weis, R. (2018). Introduction to abnormal child and adolescent psychology (3. Aufl.). Los Angeles: SAGE Publications.

2.9        Referenzen

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Steinhausen, H.-C. (2019). Psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen: Lehrbuch der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (9., neu bearb. und erw. Aufl.). München: Elsevier.

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1     Die Begriffe normgerecht und normativ werden in diesem Kapitel verwendet, um eine Entwicklung zu kennzeichnen, die bei einer Mehrzahl von Kindern und Jugendlichen zu verzeichnen ist. Es ist keinesfalls intendiert, hiermit eine Diskriminierung anderer Entwicklungsverläufe auszudrücken und dient lediglich der Vereinfachung der Sprache.

3          Diagnostik und Klassifikation

Tina In-Albon & Judith Lohoff

3.1        Lernfragen

1.  Beschreiben Sie mindestens 5 Aufgaben des diagnostischen Prozesses.

2.  Beschreiben Sie die Achsen des Multiaxialen Klassifikationsschemas (MAS).

3.  Unterscheiden Sie die kategoriale und die dimensionale Diagnostik und geben Sie zu beiden Formen Beispiele.

4.  Benennen Sie die Achsen der OPD-KJ-2 und geben Sie zu jeder Achse Beispiele.

5.  Erläutern Sie aus systemischer Sicht die Kritik an der Vergabe von Diagnosen.

3.2        Fallbeispiel

Karl ist 7 Jahre alt und besucht die zweite Klasse einer Grundschule. Er lebt gemeinsam mit seiner Schwester (+3) bei seinen Eltern (KE). Die Mutter (KM) berichtet, dass Karl Schwierigkeiten habe sich zu konzentrieren, sehr aktiv sei und nicht gut stillsitzen könne. Der KM sei dies bereits im Kindergarten aufgefallen. Beim gemeinsamen Essen stehe er immer wieder auf und laufe umher. Zudem falle es ihm schwer, abzuwarten, bis er an der Reihe sei. Nun habe die KM auch die Rückmeldung aus der Schule bekommen, dass es Karl schwerfalle, sich zu konzentrieren und selbst zu strukturieren. In der Familie seien keine diagnostizierten psychischen Krankheiten bekannt. Der Vater (KV) habe ein ähnliches Temperament wie Karl.

Es wurde ein strukturiertes Interview (Kinder-DIPS) mit Karl und mit den Eltern durchgeführt. Die Kriterien für eine »Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (F 90.0)« waren alle erfüllt.

Ergebnisse der testpsychologischen Untersuchung: Verwendet wurde der Fremdbeurteilungsbogen zu AHDS des Diagnostik-System für psychische Störungen nach ICD-10 und DSM-5 für Kinder und Jugendliche-III (DISYPS-III). FBB-ADHS (KE): Auffällige Werte in allen Bereichen. FBB-ADHS (Lehrerin): Auffällige Werte im Bereich Hyperaktivität/Impulsivität, sowie erhöhte Werte bei der Gesamtsymptomatik ADHS.