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Leichte Sprache E-Book

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Beschreibung

Leichte Sprache setzt dort an, wo Personen mit vorübergehend oder dauerhaft eingeschränkter Lese- und Verstehenskompetenz auf Kommunikations- und Informationsbarrieren treffen. Der Band behandelt im ersten Teil Grundlagen und Bedeutung der Leichten Sprache und zeigt aktuelle fachliche Diskurse zu Regeln und Prinzipien, Übersetzungsdiensten, visueller Gestaltung und Qualitätssicherung auf. Der zweite Teil widmet sich dem emanzipatorischen Potenzial Leichter Sprache und ihrer Implementierung in verschiedensten gesellschaftlichen Feldern wie den Medien, dem Gemeinwesen, dem Gesundheitswesen und der Kultur. Der Einsatz Leichter Sprache in diesen Bereichen wird durch Praxisbeispiele illustriert. Eine Diskussion zum Stand der Umsetzung und eine Erörterung von Entwicklungsbedarfen runden das Buch ab. Aus dem Inhalt Grundlagen und aktuelle Diskussionen - Was ist Leichte Sprache - Bedeutung von Leichter Sprache im gesellschaftlichen Kontext - Prinzipien Leichter Sprache - Auf Leichte Sprache spezialisierte Übersetzungs-, Sprach- und Textdienste - Verfahren zur Qualitätssicherung von Texten in Leichter Sprache Implementierung in verschiedenen Praxisfeldern - Leichte Sprache in den Medien - Leichte Sprache im Gemeinwesen - Leichte Sprache im Gesundheitswesen - Leichte Sprache in der Kultur - Leichte Sprache und ihr emanzipatorisches Potenzial

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Inhalt

Cover

Titelei

Geleitwort

Einleitung

Teil I: Grundlagen und aktuelle Diskussionen

1 Was ist Leichte Sprache?

1.1 Einführung

1.2 Was ist und will Leichte Sprache?

1.3 Merkmale Leichter Sprache

1.4 Die Leichte Sprache im Kontext der Sozialen Arbeit

1.5 Fazit

2 Entwicklung und Bedeutung von Leichter Sprache im gesellschaftlichen Kontext

2.1 Leichte Sprache: Ein Erfolgskonzept mit vielen Wurzeln

2.2 Heterogenität als Herausforderung

2.3 Gesellschaftliche Bedeutung

2.3.1 Österreich

2.3.2 Deutschland

2.3.3 Schweiz

2.3.4 Liechtenstein

2.4 Aktuelle Situation und Ausblick

3 Prinzipien Leichter Sprache – aktuelle Diskussionen in der Forschung

3.1 Überblick

3.2 Zum Phänomen: Leichte Sprache

3.3 Regelbasiertheit und Gebrauchspraxis

3.4 Schriftliche Leichte Sprache

3.5 Gesprochene Leichte Sprache – Leichte Sprache in der Interaktion

3.6 Ausblick

4 Auf Leichte Sprache spezialisierte Übersetzungs-‍, Sprach- und Textdienste

4.1 Einführung

4.2 Aktuelle Praxis von Humandienstleistungen für Leichte Sprache

4.2.1 Perspektiven und Ansätze für die Beurteilung der Qualität von Texten

4.2.2 Indikatoren für Qualität und Verständlichkeitsbarrieren

4.2.3 Wie wird die Qualität von Texten in der Praxis überprüft?

4.2.4 Ablauf eines Übersetzungsprozesses mit Fokus auf Qualitätskontrolle

4.3 Computergestützte Textprüfung

4.3.1 Lesbarkeitsüberprüfung: Tradition und bisherige Beiträge

4.3.2 KI-gestützte Schreibhilfe in capito digital

4.3.3 Grenzen computergestützter Textprüfung

4.4 Computergestützte Textvereinfachung

4.4.1 Geschichte der automatischen Textvereinfachung

4.4.2 Daten

4.4.3 Beiträge fürs Deutsche

4.4.4 Computergestützte Textvereinfachung für capito

4.5 Ausblick: Anreicherung vereinfachter Texte mit Bildern

5 Visuelle Gestaltung und die Verständlichkeit von Texten in Leichter Sprache

5.1 Genese der visuellen Umsetzung der Leichten Sprache

5.2 Der Beitrag der Designpraxis und Designforschung zum wissenschaftlichen Diskurs

5.2.1 Drei Studien zur typografischen Gestaltung Leichter Sprache

5.2.2 Ein Analysemodell als Brücke zur praktischen Umsetzung

5.3 Ausblick

6 Verfahren zur Qualitätssicherung von Texten in Leichter Sprache

6.1 Einleitung

6.2 Kriterien für Qualität

6.2.1 Verständlichkeit

6.2.2 Nutzbarkeit

6.2.3 Angemessenheit

6.3 Sicherung der Qualität

6.3.1 Einhaltung von Regeln

6.3.2 Vier-Augen-Prinzip

6.3.3 Prüfung durch Menschen mit Lernschwierigkeiten

6.3.4 Qualifizierung der Beteiligten

6.3.5 Siegel und Logos

6.4 Fazit

Teil II: Implementierung in verschiedenen Praxisfeldern

7 Leichte Sprache in den Medien

7.1 Medien in Leichter Sprache: Das Beispiel Finnland

7.1.1 Stellung der Leichten Sprache

7.1.2 Die Entwicklung von Mediendiensten in Leichter Sprache

7.1.3 Besonderheiten des Ausdrucks der Medien in Leichter Sprache

7.1.4 Entwicklungslinien der Medien in Leichter Sprache

7.1.5 Schlusswort

7.2 Leichte Sprache bei Austria Presse Agentur (APA) und ORF

7.2.1 TopEasy – täglicher APA-Nachrichtendienst in Leichter Sprache

7.2.2 ORF TELETEXT – ein Blick zurück, Hilfe für hörgeschädigte Menschen

7.2.3 Fazit und Ausblick

7.3 Untertitelung und Übersetzung in Leichte Sprache – Parallelen und Widersprüche

7.3.1 Zielgruppe der SRF-Untertitelung

7.3.2 Lesekompetenz prälingual gehörloser Menschen

7.3.3 Das Dilemma der gekürzten Untertitel

7.3.4 Die Unterscheidung von mündlich und schriftlich konzipierten Ausgangstexten

7.3.5 Kürzung und Vereinfachung – ein Widerspruch?

7.3.6 Formale Textadaptionen zur besseren Lesbarkeit

7.3.7 Transkript, Untertitelung und Text in Leichter Sprache – eine Gegenüberstellung

7.3.8 Leichte Sprache in der SRF-Untertitelung – eine Utopie?

7.4 infoeasy – das erste Schweizer Online-Magazin in Leichter Sprache

7.4.1 Ausgangslage: keine Leichte Sprache in den Medien

7.4.2 Aufbau und Struktur: klassische News-Plattform

7.4.3 Redaktion: agile Arbeitsweise und digitaler Themenpool

7.4.4 Unsere Nutzerinnen und Nutzer: Wer liest infoeasy?

7.4.5 Zwei Pilotprojekte: Abstimmungsinfos und inklusiver Journalismus

7.4.6 Die Herausforderungen: Zeit, Geld und ein engagiertes Team

7.4.7 infoeasy – quo vadis?

7.5 Adressatengerechte Sprache in der Chinderzytig

7.5.1 Die Vision

7.5.2 Demokratie, Meinungsbildung, nachhaltige Wirkung

7.5.3 Die Organisation der Chinderzytig

7.5.4 Herausforderungen

7.5.5 Fazit

8 Leichte Sprache im Gemeinwesen

8.1 Leichte Sprache in der öffentlichen Verwaltung

8.1.1 Bedeutung von Leichter Sprache in der öffentlichen Verwaltung

8.1.2 Die Entwicklung der Leichten Sprache in Österreich, Deutschland und in der Schweiz

8.1.3 Herausforderungen

8.1.4 Fazit

8.2 Leichte Sprache in der Stadtverwaltung Bern

8.2.1 Zielgruppe definieren und Verwaltung sensibilisieren

8.2.2 Kriterien zur Auswahl von Inhalten treffen und überprüfen

8.2.3 Involvierte Stellen aktiv einbinden

8.2.4 Definierte Inhalte übertragen und Übertragung prüfen

8.2.5 Inhalte erfassen und aufschalten

8.2.6 Rückmeldungen sammeln

8.2.7 Empfehlungen und Herausforderungen beim Einsatz Leichter Sprache in der Verwaltung

8.3 Leichte Sprache bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde

8.3.1 Informationen zum Kindes- und Erwachsenenschutz in Leichter Sprache

8.3.2 Einen Behördentext in Leichte Sprache übertragen

8.3.3 Die Verwendung der Broschüren

8.3.4 Empfehlungen

8.4 Leichte Sprache bei den Schweizerischen Bundesbahnen

8.4.1 Erste Schritte der SBB in Leichter Sprache

8.4.2 Erkenntnisse im Umgang mit Leichter Sprache

8.4.3 Fazit

9 Leichte Sprache im Gesundheitswesen

9.1 Leichte Sprache im Gesundheitswesen

9.1.1 Verständliche Gesundheitsinformationen als Grundlage für Gesundheitskompetenz

9.1.2 Überwindung von Kommunikationsbarrieren durch Leichte Sprache

9.1.3 Implementierung Leichter Sprache im Gesundheitswesen

9.1.4 Fazit

9.2 Gesundheitsinformationen in Einfacher oder Leichter Sprache bei migesplus

9.2.1 Chancengleichheit im Gesundheitswesen

9.2.2 Gesundheitskompetenz und Gesundheitskommunikation

9.2.3 Erfolgreiche Gesundheitskommunikation orientiert sich an den Adressaten und Adressatinnen

9.2.4 Empfehlungen für das Verfassen von einfach verständlichen Texten

9.2.5 Good Practice: Das Portal migesplus – Gesundheitsinfos für alle

9.3 Die Einfache Sprache bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt

9.3.1 Was macht die Suva?

9.3.2 Wieso Einfache und nicht Leichte Sprache?

9.3.3 Kommunikation auf Augenhöhe

9.3.4 Geschlechtergerecht kommunizieren

9.3.5 Einfache Sprache ist nicht gleich einfach

9.3.6 Fazit

9.4 Leichte Sprache im Krankenhaus: Hinweise aus der Praxis

9.4.1 Bedürfnisgerechte Kommunikation als wichtiges Ziel der Unternehmenskommunikation

9.4.2 Erkenntnisse aus der Praxis

9.4.3 Alternative: Einfache Sprache

9.4.4 Ausblick: Verbände und Fachgesellschaften sollten Vorreiterrolle übernehmen

10 Leichte Sprache in der Kultur

10.1 Leichte Sprache in der Kultur

10.1.1 Rechtliche Grundlagen in der Schweizer Kulturpolitik

10.1.2 Bedeutung der angepassten Sprache im Kulturbereich

10.1.3 Einsatzmöglichkeiten

10.1.4 Lessons Learned

10.1.5 Chancen und Risiken

10.1.6 Ausblick

10.2 Literatur in Leichter Sprache

10.2.1 Das Problem: Geringe Literalität

10.2.2 Literalität steigern – mit Literatur in Leichter und Einfacher Sprache

10.2.3 Qualität

10.2.4 Veränderung des Denkens

10.3 Leichte Sprache im Museum

10.3.1 Die heutige Lage im Museum

10.3.2 Anwendung der Kriterien für Angemessenheit

10.3.3 Ein Beispiel aus dem Kunstmuseum Thun

10.3.4 Schlussgedanke

11 Leichte Sprache und ihr emanzipatorisches Potenzial

11.1 Leichte Sprache und Empowerment

11.1.1 Das Empowermentkonzept

11.1.2 Leichte Sprache und Empowerment

11.1.3 Die Anwendung von Leichter Sprache zur Förderung von Empowerment

11.1.4 Fazit

11.2 Leichte Sprache und Leichte Deutschschweizerische Gebärdensprache für gehörlose Menschen

11.2.1 Prälingual gehörlose Menschen und ihre Sprachkompetenzen

11.2 2 Leichte Sprache für gehörlose Menschen

11.2.3 Leichte DSGS und wie wir sie einsetzen

11.2.4 Fazit und Ausblick

11.3 Leichte Sprache und Interessenvertretung von Menschen mit Behinderung

11.3.1 Interessenvertretung und Empowerment

11.3.2 Interessenvertretung in Österreich

11.3.3 Leichte Sprache und Interessenvertretung

11.3.4 Fazit

11.4 Chatbots in der Kommunikation mit gering literalisierten Menschen: das Forschungsprojekt ALFA-Bot

11.4.1 Mehr als sechs Millionen Erwachsene in Deutschland haben nur rudimentäre Lese- und Schreibkenntnisse

11.4.2 Ansprache und Motivation von gering literalisierten Menschen

11.4.3 ALFA-Bot – Eine Kurzvorstellung

11.4.4 Ein Zwischenfazit zum Einsatz von Chatbots als Unterstützung für Menschen mit geringer Literalität

12 Zur Implementierung Leichter Sprache in verschiedenen gesellschaftlichen Feldern

12.1 Impulse für die Implementierung Leichter Sprache

12.2 Herausforderungen bei der Implementierung von Leichter Sprache

12.3 Texterstellung und Textprüfung

12.4 Bedarf für die Praxis und Forderungen

Anhang

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Die Autorinnen und Autoren

Die Herausgeberinnen

Prof. Gabriela Antener, lic. phil. ist Dozentin am Institut Integration und Partizipation der Hochschule für Soziale Arbeit, Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten. Sie fokussiert auf Menschen im Kontext von Behinderung und interessiert sich in Forschung und Entwicklung sowie Aus- und Weiterbildung für die kommunikativen Grundlagen der Partizipation: Leichte Sprache, Unterstützte Kommunikation, adressatengerechte und barrierefreie Kommunikation, digitale Partizipation.

Prof. Dr. Anne Parpan-Blaser, Dipl.-Sozialarbeiterin, ist Dozentin am Institut Integration und Partizipation der Hochschule für Soziale Arbeit, Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten. Sie befasst sich in Forschung und Entwicklung sowie Aus- und Weiterbildung mit adressatengerechter und barrierefreier Kommunikation, mit Leichter Sprache und mit (digitaler) Partizipation. Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt ist Innovation im Kontext Sozialer Arbeit.

Dr. Simone Girard-Groeber ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut Integration und Partizipation der Hochschule für Soziale Arbeit, Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten. Ihre Schwerpunkte in Forschung und Entwicklung sowie Aus- und Weiterbildung sind adressatengerechte Kommunikation, Leichte Sprache sowie Multimodalität in der Kommunikation und Interaktion.

Annette Lichtenauer, lic. phil., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut Integration und Partizipation der Hochschule für Soziale Arbeit, Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten. Ihre Themenschwerpunkte in Forschung und Entwicklung sowie Aus- und Weiterbildung sind adressatengerechte und barrierefreie Kommunikation, Leichte Sprache und Partizipation, sowie die Umsetzung der UN-BRK.

Gabriela AntenerAnne Parpan-BlaserSimone Girard-GroeberAnnette Lichtenauer (Hrsg.)

Leichte Sprache

Grundlagen, Diskussionen und Praxisfelder

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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1. Auflage 2024

Alle Rechte vorbehalten© W. Kohlhammer GmbH, StuttgartGesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:ISBN 978-3-17-041895-0

E-Book-Formate:pdf: ISBN 978-3-17-041896-7epub: ISBN 978-3-17-041897-4

Geleitwort

Soziale Interaktion geschieht in wesentlichem Maße mit den Mitteln der Sprache, sei dies im privaten, im gesellschaftlichen, im beruflichen oder im politischen Rahmen. Entsprechend ist die Möglichkeit, in einer Sprache zu kommunizieren, elementare Voraussetzung für die Gestaltung des Privatlebens und die Teilhabe an den Prozessen des gesellschaftlichen Austauschs.

Das UNO-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen zielt auf die volle und wirksame Teilhabe von allen Menschen mit Behinderungen an der Gesellschaft sowie auf die Inklusion in die Gesellschaft und verpflichtet die Staaten, dafür zu sorgen, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt Zugang u. a. zu Information und Kommunikation haben. Dieser staatlichen Verpflichtung entspricht ein Anspruch von Menschen mit Behinderungen auf jene Maßnahmen, die ihnen einen derartigen Zugang eröffnen.

Insbesondere Menschen mit intellektuellen Behinderungen, aber auch weitere Personengruppen, sehen sich regelmäßig mit sprachlichen Hindernissen konfrontiert, die sie an der Kommunikation mit anderen hindern. Sie sind sowohl im schriftlichen als auch im mündlichen Austausch auf Anpassungen der verwendeten Sprache angewiesen. In verschiedenen Sprachen haben sich deshalb in den letzten Jahrzehnten adaptierte Sprachformen entwickelt mit dem Ziel, gesprochene und geschriebene Sprache besonders für Menschen mit intellektuellen Behinderungen gut verständlich und lesbar zu gestalten. In der deutschen Sprache hat sich seit den 1990er Jahren die Leichte Sprache nach und nach etabliert, in neuerer Zeit wesentlich unterstützt durch die staatlichen Verpflichtungen aus dem UNO-Übereinkommen.

Das UNO-Übereinkommen erfasst die Kommunikation in allen Lebensbereichen, mit dem Staat, mit privaten Anbietern von Leistungen für die Öffentlichkeit, etwa im Gesundheitswesen und auch in Anstellungsverhältnissen. Die Leichte Sprache muss entsprechend breite Verwendung finden und darf nicht auf Bereiche beschränkt werden, die einen besonderen Bezug – was immer man sich darunter vorstellen mag – zu Menschen mit intellektuellen Behinderungen aufweisen.

Leichte Sprache ist in engem Zusammenhang mit den Bemühungen entstanden, Menschen mit intellektuellen und psychosozialen Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben zu garantieren, jenseits des Daseins in Institutionen. Ein selbstständiges Leben setzt nicht lediglich angemessene Wohnmöglichkeiten und Unterstützungsmaßnahmen beim Wohnen voraus. Von entscheidender Bedeutung ist auch, dass sich die Betroffenen in der Gesellschaft bewegen und informieren können, dass sie an der öffentlichen Kommunikation teilnehmen können. Dies erfordert u. a. die Verfügbarkeit Leichter Sprache.

Damit wird deutlich, dass die breite Verwendung Leichter Sprache für eine inklusive Gesellschaft, an der auch Menschen mit intellektueller Behinderung in vollem Umfang gleichberechtigt teilhaben können, von zentraler Bedeutung ist. Leichte Sprache stellt ein zentrales Element der Achtung der Würde vieler Menschen dar. Der vorliegende Band leistet einen wichtigen Beitrag, um die skizzierten und weitere Problemstellungen besser verstehen und einer Lösung zuführen zu können.

Basel, 19. Dezember 2023Markus ScheferProf. Dr. iur., LL.M.Professor für Staats- und Verwaltungsrechtan der Juristischen Fakultät der Universität Basel,Mitglied des UNO-Ausschusses für die Rechtevon Menschen mit Behinderungen (seit 2019)

Einleitung

Gabriela Antener, Anne Parpan-Blaser, Simone Girard-Groeber & Annette Lichtenauer

Im August 2021 fand an der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW unter der Leitung der Herausgeberinnen und unterstützt durch das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen die Fachtagung »Qualität Leichter Sprache« statt. Die Tagung fokussierte Leichte Sprache als ein Mittel adressatengerechter Kommunikation und thematisierte insbesondere Aspekte der Implementierung Leichter Sprache. Die Beiträge sollten Erfahrungen zugänglich machen und diskutieren sowie weiterführende Fragen anstoßen.

Der vorliegende Band nimmt dieses Anliegen auf und verfolgt es weiter: Er bietet – ausgehend von etlichen Referaten der Tagung sowie weiteren Beiträgen – einen Überblick zum Stand der Entwicklung und Umsetzung Leichter Sprache im deutschsprachigen Raum aus sozialwissenschaftlicher Sicht und legt aktuelle Aspekte der Diskussion dar. Es handelt sich insofern nicht um eine Einführung in die Praxis der Textgestaltung und -adaptation in Leichter Sprache, sondern um einen Überblick für alle, die sich für die Verwendung Leichter Sprache interessieren: von Fachpersonen aus Praxis, Forschung und Entwicklung bis zu jenen, die sich für eine Implementierung Leichter Sprache einsetzen, aber (noch) keine profunden Kennerinnen und Kenner der Materie sind.

Es freut uns sehr, dass einzelne Bilder, die Johanna Benz und Tiziana Beck von graphicrecording.cool an der Tagung »Qualität Leichter Sprache« zu den Referaten gezeichnet haben, in diesen Band Eingang finden, und wir danken herzlich für die Abdruckgenehmigung.

Der Blick auf die Entwicklungen in der Schweiz, Österreich, Deutschland und Lichtenstein sowie die ›Werkschau‹ zu Leichter Sprache erfolgen in einem dynamischen Feld. Einem Feld, in dem aktuelle Publikationen linguistischen Aspekten von Leichter Sprache (Bock & Pappert 2023) oder praktischen Hinweisen zum Übertragen von Texten (Gross 2023) gewidmet sind, und starke Bestrebungen zur einheitlichen Regelung Leichter Sprache sowie zu teil-automatisierten Übersetzungen mithilfe von KI bestehen. Unterlegt ist Forschung zu und Verwendung von Leichter Sprache von noch immer unterschiedlichen und voneinander abweichenden Definitionen, was Leichte Sprache bzw. Einfache Sprache ist, und der Frage, wo Abgrenzungen vorzunehmen sind.

Es ist uns deshalb ein großes Anliegen, das Bewusstsein der Lesenden dafür zu schärfen, dass die vorliegenden Texte nicht auf einem einheitlichen Verständnis Leichter Sprache fußen und sich damit auch nicht durchgehend auf unser eigenes Verständnis des Konzepts beziehen. Alle Text entstanden zudem in einem je spezifischen und sich kontinuierlich wandelnden Kontext, der nicht in jedem Fall auch explizit dargestellt wird oder für den eine Einordnung im engeren Sinne fehlt, der sich jedoch in der Ausrichtung der Texte oft implizit widerspiegelt.

Unser eigenes Verständnis von Leichter Sprache wird in Kapitel 1 von Simone Girard-Groeber und Annette Lichtenauer ausführlich dargelegt und diskutiert (▸ Kap. 1). Es richtet sich eher an Standards und Angemessenheitsfaktoren aus, denn an Regeln, und ist geprägt von einem Zugang aus der Sicht der Menschenrechtsprofession Sozialer Arbeit. Diese verfolgt in einem heterogenen gesellschaftlichen Kontext das Anliegen, ein menschenwürdiges Leben für alle zu ermöglichen, die dazu erforderlichen Dienste und Angebote zu entwickeln und erforderliche strukturelle Reformen zu unterstützen oder auf den Weg zu bringen. Die Praxis der Sozialen Arbeit setzt damit im Wesentlichen »an der Spannung zwischen den verbindlichen Menschenrechten und den gelebten (individuellen, organisationalen, politischen) Praxen an«1. Für alle Menschen zugängliche und verständliche Information und Kommunikation ist ein wesentlicher Teil von und zu gelebter Inklusion (▸ Kap. 11.1).

Für den vorliegenden Band haben wir uns für eine zweiteilige Gliederung entschieden: Der erste Teil umfasst Beiträge, die wichtige Grundlagen zu Leichter Sprache thematisieren und einige relevante Aspekte der aktuellen Diskussion aufgreifen. Der zweite Teil beinhaltet Beispiele der Umsetzung von Leichter Sprache – gegliedert nach gesellschaftlichen Feldern, in denen Leichte und Einfache Sprache implementiert werden und jeweils versehen mit einem einführenden Beitrag zu diesem Feld. Im Fokus stehen Felder, die aus Sicht der Sozialen Arbeit bedeutsam und aus unserer Sicht interessant sind. Deutlich wird dabei nicht nur, wie unterschiedlich die Felder hinsichtlich Leichter Sprache aufgestellt sind, sondern auch, was länderspezifisch angewandt und umgesetzt wird. Angestrebt haben wir eine Beteiligung von Autorinnen und Autoren aus dem gesamten deutschsprachigen Raum. Zu sagen sind hierzu drei Dinge: (1) Die beiden Teile des Bandes stehen unabhängig voneinander. D. h., die Autorinnen und Autoren der Beiträge aus dem zweiten Teil konnten sich beim Schreiben nicht auf diejenigen des ersten Teils beziehen. Daraus resultieren für Lesende möglicherweise Wiederholungen oder Inkohärenzen. (2) Natürlich gibt es (noch) mehr gute Beispiele zur Umsetzung Leichter Sprache in der Praxis. Jedoch ist es uns nicht gelungen, zu allen für den vorliegenden Band potenziell ergiebigen Themen Personen zu finden, die darüber schreiben wollten oder konnten. (3) Uns ist bewusst, dass der Duktus der Texte in Teil I und II teilweise recht unterschiedlich ist. Wir haben als Herausgeberinnen bei Letzteren klar die Darstellung des Praxisbeispiels in den Vordergrund gestellt und nicht die Ansprüche an einen wissenschaftlichen Text.

© graphicrecording.cool by Johanna Benz und Tiziana Beck

Die Beiträge in Teil 1: Grundlagen und aktuelle Diskussionen

Unser eigenes Verständnis von Leichter Sprache wird, wie bereits ausgeführt, in Kapitel 1 von Simone Girard-Groeber und Annette Lichtenauer dargelegt und diskutiert. Sie stellen fest, dass sowohl in der Theorie als auch in der Praxis Unterschiedliches unter Leichter Sprache verstanden wird und die Abgrenzung zu anderen Formen adressatengerechter oder adaptierter Kommunikation aktuell nicht abschließend geklärt ist (▸ Kap. 1). In der Sozialen Arbeit liegt der Fokus auf der Funktion Leichter Sprache, gesellschaftlich marginalisierte Gruppen und Einzelpersonen mit eingeschränkten Lese- und Verstehenskompetenzen besser zu erreichen und ihnen Zugang zu Informationen und Kommunikation zu ermöglichen. Leichte Sprache fördert dadurch gesellschaftliche Partizipation und reduziert soziale Exklusionsrisiken. Um ihr Potenzial als Beitrag zu sozialer Gerechtigkeit und Inklusion entfalten zu können, sollte Leichte Sprache aber nicht isoliert betrachtet, sondern als Element eines umfassenden Konzepts für adressatengerechte Kommunikation verstanden werden.

Kapitel 2 von Gabriela Antener, Klaus Candussi, Anne Goldbach und Kristina Sprenger behandelt die Entstehung und Bedeutung Leichter Sprache im deutschsprachigen Raum (▸ Kap. 2). Es zeigt, dass das Projekt Pathways von Inclusion Europe zwar europaweite Regeln für Leichte Sprache förderte, jedoch das Bemühen um eine leicht verständliche Sprache schon viel früher einsetzte und sich in Deutschland, Österreich, Schweiz und Lichtenstein unterschiedlich entwickelte. Gemeinsam ist allen Ländern jedoch, dass es einen beträchtlichen Anteil von Erwachsenen mit geringer Literalität in Deutsch gibt. Auch wenn das Angebot in Leichter Sprache in allen vier Ländern wächst, spiegelt sich die Heterogenität der Zielgruppen noch wenig in der Praxis und in der gesellschaftlichen Akzeptanz Leichter Sprache. Zudem weiß man wenig dazu, wie sie von der Bevölkerung wahrgenommen und genutzt wird. Sicher ist hingegen, dass der Einsatz von KI und digitalen Applikationen die Textproduktion, -prüfung und -ausgabe tiefgreifend verändern wird.

Das dritte Kapitel von Bettina M. Bock und Leealaura Leskelä untersucht die Prinzipien der Leichten Sprache und stellt aktuelle Diskussionen aus der Forschung dazu dar (▸ Kap. 3). Erhellend ist der Vergleich zwischen der deutschen und der finnischen Praxis Leichter Sprache. Die deutsche Leichte Sprache ist geprägt von starren Regeln, die kodifiziert vorliegen und kontextunabhängig angewandt werden (sollen). Im Gegensatz dazu wird in Finnland Leichte Sprache als flexible Sprachvarietät betrachtet, die Empfehlungen und Prinzipien für die Umsetzung bietet, die je nach Zielgruppe und Kontext variiert werden können. Die Autorinnen legen dar, welch hohe Bedeutung das Erkennen von Textsorte und -funktion für das Verstehen von schriftlichen Texten hat. Sie stellen fest, dass in der deutschsprachigen Praxis kaum nach Textsorten differenziert wird, während es in Finnland bereits textsortenspezifische Empfehlungen für Leichte Sprache gibt. Bock und Leskelä zeigen das Spannungsverhältnis auf, das zwischen Prinzipien Leichter Sprache und textsortentypischen Merkmalen auftreten kann und das weiter erforscht und bearbeitet werden muss. Dies gilt ebenso für die gesprochene Leichte Sprache: Während die deutschen Regeln dazu sich vorwiegend auf die kommunikative Gattung »Vortrag« beziehen, wird die Perspektive durch die finnischen Empfehlungen im Hinblick auf Face-to-Face-Interaktionen und mündliche Praktiken deutlich erweitert.

Sarah Ebling, Walburga Fröhlich und Paul Mayer beschäftigen sich in Kapitel 4 mit auf Leichte Sprache spezialisierten Übersetzungs-‍, Sprach- und Textdiensten (▸ Kap. 4). Computerunterstützung spielt darin eine zentrale Rolle, sei es bei der Prüfung von Texten auf Konformität mit den Richtlinien der Leichten Sprache oder bei der Übersetzung in Leichte Sprache. Die Autorinnen und der Autor diskutieren computergestützte Textprüfung und maschinenunterstützte Übersetzung in Bezug auf verschiedene Verfahren und Ansätze der Qualitätsbewertung von Texten in Leichter Sprache. Der Übersetzungsprozess wird detailliert beschrieben, inklusive verschiedener Ansätze zur Qualitätskontrolle. Der zweite Teil des Kapitels beschäftigt sich mit verschiedenen Aspekten der automatischen Textvereinfachung. Die Entwicklung begann in den späten 1990er Jahren und verwendet zwei Hauptparadigmen: regelbasierte Ansätze, die Umformungsregeln auf verschiedenen linguistischen Ebenen verwenden, und statistische Ansätze, die aus parallelen Dokumenten in Standard- und vereinfachter Sprache lernen. Die Kombination aus satzbasierter und dokumentbasierter Vereinfachung scheint für die Zukunft vielversprechend. Im Ausblick wird die Perspektive erweitert auf neue Möglichkeiten zur Anreicherung automatisch vereinfachter Texte mit Bildern.

Die Auswirkung der visuellen Gestaltung auf die Verständlichkeit von Texten in Leichter Sprache wird von Sabina Sieghart in Kapitel 5 diskutiert. Einige Regelwerke geben zwar Empfehlungen für die Gestaltung von Texten in Leichter Sprache, diese wurden jedoch meist ohne Expertise aus dem Bereich der visuellen Gestaltung verfasst und auch nicht wissenschaftlich überprüft. Sieghart stellt drei Studien zur typografischen Gestaltung von Texten in Leichter Sprache vor (▸ Kap. 5): Zum Einfluss von Makrotypografie auf die Verständlichkeit, zur Bedeutung von Schriftwahl und -größe für die Leserlichkeit, sowie zur Umsetzung von Leichter Sprache in digitalen Medien. Es zeigt sich – wie bereits in Kapitel 3 von Bock & Leskelä postuliert (▸ Kap. 3) – dass die textsorten- und genrespezifische Gestaltung für die Verständlichkeit von hoher Bedeutung ist, und sowohl Schrift als auch Schriftgröße kontextabhängig gewählt werden müssen. Ein Analysemodell zur Angemessenheit und Verständlichkeit von Texten in Leichter Sprache bietet Hilfe für die praktische Umsetzung: Anhand von zwei Praxisbeispielen zeigt Sieghart auf, wie Leichte Sprache visuell umgesetzt werden kann.

In Kapitel 6, verfasst von Josephine Bilk und Inga Schiffler, liegt der Fokus auf den Verfahren zur Qualitätssicherung von Produkten in Leichter Sprache (▸ Kap. 6). Texte in Leichter Sprache sind typischerweise Zusatzangebote, die auf Texten in Standardsprache basieren. Ihre Erstellung erfordert sprachliche und inhaltliche Anpassungen, die je nach Zweck, Herausgeberschaft, Zielgruppe und Kontext des jeweiligen Kommunikats variieren. Die Qualität wird im Verständnis der Autorinnen durch drei Hauptkriterien bestimmt: Verständlichkeit, Nutzbarkeit und Angemessenheit. Bilk und Schiffler diskutieren etablierte Ansätze und Verfahren zur Sicherung dieser Qualitätsmerkmale, wie die Konformität mit Leitfäden oder Regelwerken, den Prüfprozess durch ein Lektorat und durch Personen aus der Zielgruppe sowie die Qualifikation der Textschaffenden und Prüfenden. Die Autorinnen betonen die Bedeutung der Qualitätssicherung, weisen aber darauf hin, dass nur schon aufgrund der Vielfalt der Zielgruppen und der Art und Funktion der Texte ein pauschales Qualitätsversprechen nicht einzulösen wäre. Sinnvoller scheint ihnen eine weitere Ausdifferenzierung nach Zielgruppen und eine flexiblere, kontextsensible Anwendung der Regelwerke. Auch müsse die Prüfpraxis noch erforscht und vereinheitlicht werden.

© graphicrecording.cool by Johanna Benz und Tiziana Beck

Die Beiträge in Teil 2: Implementierung in verschiedenen Praxisfeldern

Der zweite Teil des Buches widmet sich der Implementierung von Leichter Sprache in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen.

In Kapitel 7 sind fünf Beiträge zu Leichter Sprache in den Medien versammelt. Auli Kulkki-Nieminen und Pertti Seppä zeigen einleitend am Beispiel von Finnland, wie sich Medien in Leichter Sprache zur Förderung der aktiven Bürgerschaft und der Kommunikationsrechte für alle entwickelt und als wichtiger Teil der journalistischen Landschaft etabliert haben (▸ Kap. 7.1). Christian Kneil und Julia Gessl stellen die Bemühungen und Herausforderungen der Austria Presse Agentur (APA) und des Österreichische Rundfunks (ORF) dar, Nachrichten in leicht verständlicher Sprache anzubieten (▸ Kap. 7.2). Daniela Zacheo vergleicht zwei Arten von Textadaptationen im Fernsehen: Die Untertitelung und die Übersetzung in Leichte Sprache (▸ Kap. 7.3). Diese weisen zwar Parallelen auf – zugunsten der Lesegeschwindigkeit werden aber Untertitel sprachlich komplexer abgefasst als Leichte Sprache Texte. Infoeasy, das erste Schweizer Online-Magazin in Leichter Sprache, steht im Beitrag von Andrea Sterchi im Vordergrund (▸ Kap. 7.4), während Lars Ziörjen aufzeigt, wie eine Zeitung für Kinder adressatengerechte Sprache einsetzt (▸ Kap. 7.5).

Die Verwendung von Leichter Sprache im Gemeinwesen steht in Kapitel 8 im Fokus. Jasmin Cahannes stellt in einem einführenden Beitrag die Bedeutung und Entwicklung der Leichten Sprache in der öffentlichen Verwaltung im deutschsprachigen Raum dar (▸ Kap. 8.1). Tina Schai und Nathalie Röllin berichten über das Projekt der Stadtverwaltung Bern, Online-Informationen zugänglicher zu machen (▸ Kap. 8.2). Der Beitrag von Monika von Fellenberg, Anne Parpan-Blaser und Ruedi Winet stellt Chancen und Herausforderung beim Einsatz Leichter Sprache in der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde vor (▸ Kap. 8.3). Esther Buchmüller, Beat Vollenwyder; Anna Riva und Beat Hürzeler berichten über die Erkenntnisse der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) zur barrierefreien Informationsgestaltung unter Verwendung von Leichter Sprache (▸ Kap. 8.4).

Leichte Sprache im Gesundheitswesen ist Gegenstand von Kapitel 9. Loraine Keller zeigt in ihrem einleitenden Beitrag die Relevanz leicht verständlicher und zielgruppenspezifischer Informationsangebote für Menschen mit geringer Gesundheitskompetenz auf – nicht nur für deren Gesundheitsförderung, sondern auch für ihre Teilhabe am Gesundheitswesen (▸ Kap. 9.1). Katharina Liewald stellt das Portal »migesplus« des Schweizerischen Roten Kreuzes vor, das nicht nur mehrsprachige, sondern auch leicht verständliche Gesundheitsinformationen zur Verfügung stellt (▸ Kap. 9.2). Die Verwendung Einfacher Sprache in den Kommunikationsmitteln zur Unfallprävention steht bei Martin Lüthi von der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt im Vordergrund (▸ Kap. 9.3) und Carina Schulze berichtet über den Einsatz von Leichter Sprache im Spital zur Information der Patientinnen und Patienten über den Krankenhausaufenthalt (▸ Kap. 9.4).

Das Kapitel 10 über Leichte Sprache in der Kultur wird eingeleitet von Paola Pitton und Sara Stocker. Sie thematisieren das Verhältnis von Sprache und Kultur und die Relevanz von sprachlicher Adaptation, um ein breiteres Publikum zu erreichen (▸ Kap. 10.1). Sie betonen die positiven Auswirkungen wie verbesserte Zugänglichkeit und verstärkte gesellschaftliche Kohäsion, trotz Herausforderungen wie Kosten und Zeitdruck. Ralf Beekveldt verweist auf die Bedeutung des Zugangs zu Literatur auch für Menschen mit Leseschwierigkeiten und berichtet über die Herausforderungen beim Verlegen von Literatur in leicht verständlicher Sprache (▸ Kap. 10.2). Sara Smidt beleuchtet die Möglichkeiten und Herausforderungen von Leichter Sprache im Kunstmuseum und zeigt auf, wie ein komplexes Thema in Ausstellungstexten sprachlich umgesetzt werden kann (▸ Kap. 10.3).

Leichte Sprache als emanzipatorischer Ansatz wird in Kapitel 11 thematisiert. Gabriela Antener und Anne Parpan-Blaser legen einführend dar, wie Leichte Sprache das Empowerment von gesellschaftlich marginalisierten Gruppen fördern und sowohl Instrument als auch Ergebnis emanzipatorischer Prozesse sein kann (▸ Kap. 11.1). Sarah Guidi und Leonie von Amsberg berichten über die Anwendung von Leichter Sprache und Leichter Gebärdensprache in der Beratung und Informationsvermittlung für gehörlose Menschen (▸ Kap. 11.2). Die Rolle der Leichten Sprache für die Interessenvertretung von Menschen mit Lernschwierigkeiten legen Karina Lattner, Anna Baumgartner und Franz Pühretmair dar (▸ Kap. 11.3). Mit dem ALFA-Bot stellen Ralf Häder und Gernot Bauer ein Forschungsprojekt zur Eignung von Chatbots für die dialogische Kommunikation mit gering literalisierten Menschen vor (▸ Kap. 11.4).

Das letzte Kapitel 12 widmet sich der Einordnung der vorgestellten Implementierungsbeispielen und diskutiert Herausforderungen, die sich beim Einsatz Leichter Sprache in der Praxis stellen (▸ Kap. 12). Es zeigt auf, wo Handlungsbedarf besteht und welche Fragen sich für die Weiterentwicklung und weitere Implementierung von Leichter Sprache in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen stellen.

Nun wünschen wir eine gute und anregende Lektüre und danken allen Autorinnen und Autoren für die wertvollen Überlegungen und Einblicke. Ebenfalls danken wir all jenen, die Beiträge gegengelesen haben sowie den Zuständigen beim Verlag für ihre Geduld und Unterstützung. Wir sind überzeugt, dass sich für alle an (der Implementierung) Leichter Sprache interessierten Personen in diesem Band viele Anregungen finden lassen. Und wir hoffen, dass diese Impulse für Forschung, Entwicklung und Umsetzung als das zu Kenntnis genommen werden, was sie unserer Meinung nach sind: Ein Ausgangspunkt, um die nächsten Schritte zur Weiterentwicklung und Etablierung Leichter Sprache in Angriff zu nehmen.

Literatur

Bock, B. M. & Pappert, S. (2023): Leichte Sprache, Einfache Sprache, verständliche Sprache. Tübingen: Narr.

Gross, S. (2023): Leichte Sprache. Grundlagen und Anleitung für eine barrierefreie Kommunikation. Bern: Hogrefe.

Endnoten

1Vgl. https://www.socialnet.de/lexikon/Menschenrechtsprofession.

Teil I: Grundlagen und aktuelle Diskussionen

1 Was ist Leichte Sprache?

Simone Girard-Groeber & Annette Lichtenauer

1.1 Einführung

Dieser Sammelband beinhaltet Beiträge aus dem deutschsprachigen Raum (Schweiz, Deutschland, Liechtenstein und Österreich), wo die ›Deutsche Leichte Sprache‹ im Gebrauch ist und Praktikerinnen und Praktiker sowie Forscherinnen und Forscher auf denselben Bestand von Regelwerken und Empfehlungen Bezug nehmen. Die Leichte Sprache wird in diesen Ländern stark über Regeln definiert (▸ Kap. 3; Bock & Pappert 2023). In der Praxis findet man unter dem Label Leichte Sprache eine breite Vielfalt von Texten, die sowohl in Bezug auf die verwendete Sprache als auch auf ihre Darstellungsform erheblich variieren. Diese Tatsache sowie die aktuellen Bemühungen unter Akteurinnen und Akteuren1 im Bereich, die Leichte Sprache von anderen Formen der adressatengerechten Kommunikation zu differenzieren, verweisen darauf, dass (noch) kein einheitliches Verständnis und keine allgemein akzeptierte Definition von Leichter Sprache vorliegen.

Das Jahr 2023 hat erneut viel Bewegung in die Thematik der Leichten Sprache sowie anderer Formen der adressatengerechten Kommunikation gebracht. Weitere Empfehlungen sind veröffentlicht oder zur Diskussion gestellt worden, und die Zugänglichkeit von Künstlicher Intelligenz (KI) eröffnet neue Möglichkeiten, wirft aber auch Fragen auf. In diesem Kapitel sollen kurz die unterschiedlichen Dimensionen beleuchtet werden, die dem Verständnis und der Begriffsbestimmung von Leichter Sprache zugrunde liegen können. Die Ausführungen richten sich an Personen, die sich für die Leichte Sprache und deren Umsetzung interessieren, und sich einen ersten Überblick darüber verschaffen möchten. Der Anspruch ist nicht, eine vertiefte Begriffsbestimmung vorzunehmen (siehe dafür z. B. Bock & Pappert 2023). Ziel des Beitrags ist es vielmehr, einen kurzen Einblick in den aktuellen Diskurs zu geben und zu beschreiben, welche möglichen Abgrenzungsmerkmale zu finden sind. Dies soll aufzeigen, in welchem Kontext jene Personen agieren, die sich für eine adressatengerechte Kommunikation einsetzen und Texte in Leichter Sprache produzieren (möchten).

Im Folgenden werden wir zunächst die Ziele erläutern, die mit der Verwendung von Texten in Leichter Sprache verfolgt werden (▸ Kap. 1.2). Anschließend werden wir auf die Abgrenzungen und den Diskurs im Zusammenhang mit Leichter und Einfacher Sprache eingehen (▸ Kap. 1.3), um mit einer Betrachtung Leichter Sprache aus Sicht der Sozialen Arbeit zu schließen (▸ Kap. 1.4).

1.2 Was ist und will Leichte Sprache?

Die Leichte Sprache ist eine Kommunikationsform, die mit dem unmittelbaren Ziel eingesetzt wird, Texte gut lesbar und verständlich zu gestalten. Im Zentrum der Leichten Sprache steht der Anspruch einer Verständlichkeitsoptimierung von Texten für Personen mit vorübergehend oder dauerhaft eingeschränkten Lese- und Verstehenskompetenzen. Diese Kommunikationsoptimierung soll anhand eines bewussten Eingriffs auf Text-‍, Satz- und Wortebene, aber auch mithilfe gezielter Überlegungen rund um die Typografie und das Layout von Texten erlangt werden (Schubert 2016, 23). Der Einsatz von Bildern gilt als weiteres Mittel der möglichen Optimierung. Leichte Sprache geht dementsprechend über sprachliche Adaptierung hinaus, weshalb wir sie im Folgenden als Kommunikationsform bezeichnen.

Die unterschiedlichen im deutschen Sprachraum vorhandenen Regelwerke Leichter Sprache wurden in den letzten Jahren einer sprachwissenschaftlichen Fundierung unterzogen und überprüft (vgl. Bredel & Maaß 2016b). Aus der Vielzahl von Regeln lassen sich einige besonders bedeutsame nennen.

Wichtige Regeln Leichter Sprache

Als wichtige Regeln auf Wortebene gelten die Verwendung allgemein bekannter Wörter (zentrale Begriffe eines Wortfelds, vgl. Bredel & Maaß, 74 f.), die Vermeidung von Fremdwörtern und Synonymen, die Trennung langer Komposita und die vorsichtige Verwendung von Pronomen. Als zentrale Regeln auf Satzebene gelten: kurze Sätze, möglichst keine Nebensätze und eine Information pro Satz. Außerdem sollen Passivkonstruktionen vermieden werden. Auf Textebene gilt z. B.: möglichst kurze Absätze mit jeweils nur einem Gedanken. Regeln bezüglich der Typografie und dem Layout betreffen u. a. die Schrift, die Farbgebung und die Makrotypografie (Regeln z. B. DIN SPEC 33429, Netzwerk Leichte Sprache 2013; Bredel & Maaß 2016b).

Leichte Sprache ist in diversen Sprachgemeinschaften bekannt (vgl. Lindholm & Vanhatalo 2021 für einen internationalen Einblick). Grundsätzlich basiert die adaptierte vereinfachte Form auf der respektiven Standardsprache. Sie umfasst einerseits allgemeingültige Elemente, wie den Einsatz von bekannten Wörtern, kann andererseits aber auch sprachspezifische Elemente aufweisen (wie die Trennung von Komposita in der Deutschen Leichten Sprache). Einige europäischen Leichten Sprachen haben erst wenige oder gar keine sprachspezifischen Empfehlungen; sie basieren hauptsächlich auf einer Übersetzung der Empfehlungen von Inclusion Europe (z. B. Polen; vgl. Lindholm & Vanhatalo 2021). Leichte Sprache existiert also als Kommunikationsform einerseits und andererseits gibt es spezifische Varianten wie die Deutsche Leichte Sprache, die auf den lokalen verwendeten Standardsprachen beruhen. Sprachwissenschaftlich wird die Leichte Sprache je nach Zugang unterschiedlich gefasst; verbreitet sind bislang das Verständnis von Leichter Sprache als eine verständnisoptimierte Reduktionsvarietät (Gutermuth 2020, 41; Bredel & Maaß 2016a, 529) oder als eine funktionale Varietät (Bock 2014). Als funktionale Varietät ist in diesem Zusammenhang gemeint, dass Leichte Sprache die »Funktion zielgruppenadäquater, verständlicher Leseransprache« erfüllt (ebd., 37; für theoretische Überlegungen die linguistische Einordnung betreffend siehe auch Hennig 2022).

Leichter Sprache wohnt grundsätzlich ein emanzipatorischer Impetus inne. Darauf verweist schon der Ursprung des Konzepts in den Bürgerrechtsbewegungen der USA in den 1970er Jahren; ihre Anfänge hat Leichte Sprache vornehmlich in der politischen Forderung nach Selbstbestimmung und Selbstvertretung von Menschen mit Behinderungen (vgl. z. B. Plangger 2016; ▸ Kap. 2; ▸ Kap. 11.1). Emanzipatorisch ist das Konzept insofern, als es darauf zielt, Menschen eine selbständige Textaneignung zu ermöglichen und auf diese Weise Abhängigkeiten zu reduzieren und Selbstbestimmung zu fördern (▸ Kap. 11.1). Das Verstehen von für sie relevanten Texten ermöglicht es ihnen potenziell, sich aus marginalisierten und exkludierenden Lebenszusammenhängen zu befreien und ihre Handlungskompetenzen und -möglichkeiten zu erweitern oder überhaupt erst herzustellen. Der Anspruch Leichter Sprache besteht auch darin »Teilhabemöglichkeiten zu verbessern« (Schuppener et al. 2018, 361); dies verweist auf deren Partizipationsfunktion.

Partizipationsfunktion Leichter Sprache

Das Ziel Leichter Sprache ist die Verbesserung von Partizipationsmöglichkeiten und die Vermeidung von Exklusion. Sie stellt potenziell ein wirksames Instrument dar, um allen Menschen Zugang zu Information und Kommunikation als Grundlage gesellschaftlicher Partizipation zu ermöglichen.

Die Partizipationsfunktion Leichter Sprache (Bredel & Maaß 2016a, 56) lässt sich gut anhand des bio-psycho-sozialen Modells von Behinderung (ICF 2001) veranschaulichen, in dem Umweltfaktoren als partizipationshindernde oder aber -fördernde Eigenschaften identifiziert werden. Kommunikation in Leichter Sprache kann vor diesem Hintergrund als ein Förderfaktor gelten, mit dem die persönlichen Aktivitäten und die Partizipation an unterschiedlichen Lebensbereichen von Menschen mit Behinderung – aber auch anderen Zielgruppen – verbessert werden können. Die Leichte Sprache kann mit einer Rollstuhlrampe verglichen werden, durch die Hindernisse überwunden und Partizipationsmöglichkeiten geschaffen werden:

»Leichte Sprache beseitigt Hindernisse auf dieselbe Weise wie eine Rollstuhlrampe, die neben einer Treppe gebaut wird« (Lindholm & Vanhatalo 2021, 12; eigene Übersetzung).

Die Tatsache, dass Leichte Sprache darauf zielt, die Partizipation zu fördern, legt nahe, dass sie im Kontext der Barrierefreiheitsforderungen (z. B. durch die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention) erheblich an Bedeutung gewonnen hat. Hierbei spielen Personen und Organisationen, die im Kontext von Menschen mit Behinderung tätig sind, eine maßgebliche Rolle. Tatsächlich konzentrierte sich die Adressierung Leichter Sprache im deutschen Sprachraum lange Zeit auf Menschen mit Lernschwierigkeiten als Zielgruppe, obschon durchaus andere Zielgruppen mitgedacht wurden (▸ Kap. 3). Interessant ist in diesem Zusammenhang die Beobachtung, wie sich das Konzept in anderen Ländern etabliert hat. So ist beispielsweise auch die Schwedische Leichte Sprache (lättläst, Easy Swedish) in ihren Anfängen aus der Behindertenrechtsbewegung entstanden; sehr schnell wurde sie aber als ein Teil der allgemeinen Menschenrechtsbewegung und der gesellschaftlichen Entwicklung hin zu Gleichberechtigung und Barrierefreiheit gesehen (vgl. Bohman 2021, 538). Dies schlägt sich auch darin nieder, dass die Schwedische Leichte Sprache eine große Akzeptanz in der Gesellschaft genießt (ebd.) und eine heterogene Zielgruppe anspricht (Arle & Frondén 2022). Der Blick in die Praxis zeigt, dass auch im deutschen Sprachraum die Zielgruppe zusehends heterogener gedacht wird. So stellen Parpan-Blaser et al. (2021, 599) beispielsweise für die Schweiz fest, dass sich das Zielpublikum von Weiterbildungen zur Leichten Sprache in den vergangenen acht Jahren deutlich diversifiziert hat. Waren es zunächst überwiegend Fachleute, die mit Menschen im Kontext von Behinderungen arbeiten, sind dies heute Personen aus unterschiedlichsten Praxisfeldern. Nicht zuletzt zeugen auch die in diesem Band vereinten Texte von einer breiten und über den Kontext von Behinderung hinausgehenden Zielgruppenorientierung.

Lern- und Brückenfunktion Leichter Sprache

Der emanzipatorische Aspekt Leichter Sprache spiegelt sich auch in weiteren ihr zugeschriebenen gesellschaftlichen Funktionen, der Lernfunktion und der Brückenfunktion, wider. So besteht bei erstgenannter die Annahme, dass mithilfe von Texten in Leichter Sprache auch Lernprozesse initiiert werden, die eine Verbesserung der Lesekompetenzen von gering literalisierten Personen möglich machen und damit potenziell deren Fähigkeiten erhöhen, Standardtexte zu verstehen. Von einer Brückenfunktion wird dann gesprochen, wenn Texte in Leichter Sprache neben den Originaltexten bestehen und die parallele Nutzung ermöglichen; wird etwa ein dem Leser oder der Leserin unbekanntes Thema behandelt, kann dadurch ein lokales Verstehensproblem gelöst und wiederum Lernprozesse ausgelöst werden (vgl. Lern- und Brückenfunktion nach Bredel & Maaß 2016a).

Abschließend soll darauf verwiesen werden, dass das Konzept der Leichten Sprache in und aus der Praxis der schriftlichen Kommunikation gewachsen ist. Für die mündliche Kommunikation gab es zwar bereits empirische Erkenntnisse zu den Schwierigkeiten und Herausforderungen von asymmetrischen Kommunikationssituationen (z. B. Antaki 2015 zu Personen mit Lernbehinderungen oder Egbert & Deppermann 2012 zu Personen mit Hörbeeinträchtigungen) sowie zu den möglichen Formen der mündlichen Adaptation an weniger kompetente Gesprächspartnerinnen und -partner. Die Übernahme des Begriffs der Leichten Sprache für die mündliche Kommunikation ist aber relativ neu; sie verbreitet sich langsam sowohl für monologische (z. B. Vorträge) wie für dialogische Situationen (siehe z. B. Schulz et al. 2020, ▸ Kap. 3 sowie das aktuelle Projekt SELSI2).

1.3 Merkmale Leichter Sprache

Heute begegnet man Texten mit der Kennzeichnung Leichte Sprache in den unterschiedlichsten Praxisfeldern, sowohl in behindertenspezifischen als auch in allgemeinen Organisationen, Institutionen und Dienstleistungsangeboten. Ein Blick auf die Texte, die unter dem Label Leichte Sprache zu finden sind, zeigt große Unterschiede. Die Texte sind oft weder in ihrer sprachlichen noch in ihrer gestalterisch-visuellen Form vergleichbar. Das hat damit zu tun, dass Texte als Leichte-Sprache-Texte ausgezeichnet wurden und noch werden, ohne sich auf eine geteilte Definition oder auf einheitlich unterliegende Kriterien zu stützen. Umgekehrt ist es aus demselben Grund auch möglich, dass gleichartige Texte sich in ihrer Kennzeichnung unterscheiden. Befördert wird diese Unklarheit durch die unterschiedlichen Siegel für Leichte Sprache, deren Verwendung teilweise einer Mitgliedschaft in einer Organisation bedarf, teilweise aber auch nicht geschützt ist (capito, Netzwerk Leichte Sprache, ▸ Kap. 6).

»Allein das Etikett, das ein Text trägt, ist noch kein ausreichendes Indiz, mit welchem Phänomen man es zu tun hat« (Bock & Pappert 2023, 13).

Diese in der Praxis aufzufindende Varianz dessen, was als Leichte Sprache deklariert wird, führt unweigerlich zu den Fragen: Welche Sprach- und Textformen sind unter Leichter Sprache zu fassen? Was sind Mindestkriterien, um von Leichter Sprache sprechen zu können? Anders ausgedrückt: Wann sprechen wir von Leichter Sprache, und wie lässt sich Leichte Sprache von anderen Formen der adressatengerechten Kommunikation abgrenzen? Diese Fragen sind nicht nur forschungstheoretisch relevant, sondern sie tangieren auch diejenigen Personen, die adressatengerechte Texte produzieren und zur Verfügung stellen möchten, sowie potenzielle Nutzer und Nutzerinnen derselben. Für Letztere ist es von großer Relevanz, dass die Texte als leicht verständliche Texte identifizierbar und somit auffindbar sind. Die Frage der Kategorisierung hat nicht zuletzt auch rechtliche Bedeutung, denn sobald eine gesetzliche Pflicht für Leichte Sprache in einem bestimmten Bereich besteht, muss definiert werden, was darunter zu verstehen ist und was nicht.

Gründe für die Vielfalt unterschiedlicher Textformen und Begriffe lassen sich u. a. in der Entstehungsgeschichte der Leichten Sprache finden. Im Entstehungsprozess der Deutschen Leichten Sprache sind zwei Tendenzen zu beobachten. Einerseits entstand die Leichte Sprache auf natürliche Weise im Sinne einer zunächst von Selbstvertreterinnen und Selbstvertretern aus der Behindertenbewegung eingeforderten Adaptation der Standardsprache an die Bedürfnisse von Menschen mit Lernschwierigkeiten (▸ Kap. 2). Andererseits wurde die Leichte Sprache spätestens seit Veröffentlichung von Regelwerken wie jenem des Netzwerks Leichte Sprache (2013) auch top-down geformt und mitgestaltet3. Erst zu diesem Zeitpunkt haben sich dann auch wissenschaftliche Akteure und Akteurinnen in das Feld eingebracht, um die Leichte Sprache als Gegenstand ihrer Disziplin zu etablieren. Dies brachte Bewegung in die Landschaft der Leichten Sprache, indem insbesondere auch Diskussionen um Begriffsbestimmungen und Definitionen entstanden.

Einigkeit herrscht darüber, dass das Konzept der Leichten Sprache sich zu anderen Mitteln der Kommunikationsoptimierung für eine adressatengerechte Kommunikation reiht. Genannt werden können in diesem Zusammenhang Leicht Lesen, Klare Sprache, Einfache Sprache, leicht verständliche Sprache oder auch bürgernahe Sprache. Die Ansätze weisen viele Ähnlichkeiten auf, unterscheiden sich manchmal aber sowohl historisch als auch in der aktuellen Ausprägung. Im deutschsprachigen Raum wurden die Begrifflichkeiten bereits mehrfach diskutiert (Bock 2015b; Bock & Pappert 2023; Maaß 2020). In der Wissenschaft und immer häufiger auch in der Praxis wird insbesondere eine Differenzierung zwischen Leichter und Einfacher Sprache vorgenommen. Ein Grund dafür ist zweifellos die Etablierung des Konzepts der Leichten Sprache in der Forschung, die klare Definitionen und Begriffsbestimmungen erforderlich macht. Andererseits ist Leichte Sprache (und andere Formen adressatengerechter und barrierefreier Kommunikation) auch Teil eines Dienstleistungssektors, in welchem Anbieterinnen und Anbieter von Sprach- und Textdiensten ihr Angebot vermarkten und ihre Klientel definieren müssen. Damit sie Aufträge erhalten, müssen sie von der gewünschten Kundschaft wahr- und ernstgenommen werden.

Ein Blick in diese Differenzierungsversuche in Wissenschaft und Praxis zeigt: Es gibt aktuell keine allgemein geteilten Definitionen, aber es gibt eine Reihe von Merkmalen, die zur Abgrenzung der Leichten von der Einfachen Sprache (oder auch anderen Formen der adressatengerechten Kommunikation) herangezogen und unterschiedlich stark gewichtet werden können4. Einige Akteurinnen und Akteure verwenden lediglich eines dieser Merkmale zur Beschreibung und Abgrenzung von Leichter Sprache, andere hingegen kombinieren mehrere Merkmale. Die Art und Weise, wie diese Merkmale nach außen kommuniziert werden, variiert ebenfalls. Im Folgenden werden diese Abgrenzungsmerkmale kurz erläutert.

Sprachniveau

Die meisten Akteure und Akteurinnen betrachten das Sprachniveau als ein entscheidendes Abgrenzungsmerkmal zwischen Leichter Sprache und Einfacher Sprache. Konkret wird die Leichte Sprache regelmäßig dem Niveau A1 und A2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER, Europarat 2001) zugeordnet, während die Einfache Sprache auf dem Niveau B1 verortet wird. Parallel finden sich aber auch Webseiten, wo Leichte Sprache dem Niveau A1 bis A2 und Einfache Sprache dem Niveau A2 bis B1 zugeordnet wird. Bereits seit Beginn der Begriffsschärfung wird denn auch hervorgehoben, dass es sich nicht um klar abgrenzbare Niveaus handelt und die Sprachformen/-varietäten eher auf einem ›Verständlichkeitskontinuum‹ zu verorten sind (vgl. z. B. Bock 2014; Jekat et al. 2017; Bredel & Maaß 2016a). Die konkrete Verortung, respektive das Komplexitätsniveau der Texte, könne dabei beispielsweise von den Adressatinnen und Adressaten, der Textintention sowie dem Texttyp abhängen (z. B. Lange 2018, 75).

Zielgruppen

Ein weiteres verbreitetes Differenzierungskriterium ist die Ziel- oder Adressatengruppe, für die die Texte aufbereitet werden (vgl. Gutermuth 2020). Diese Unterscheidung reflektieren auch die aktuellen Normierungsverfahren. Die kürzlich veröffentlichte ISO 24495 – 1 (Norm für Einfache Sprache) sowie der im Juni 2023 erschienene Entwurf »Einfache Sprache – Anwendung für das Deutsche – Teil 1: Sprachspezifische Festlegungen« (DIN 8581 – 1) bezeichnen als Zielgruppe der Einfachen Sprache ›das allgemeine Publikum‹. Dies entspricht auch den Ursprüngen von Plain Language (vgl. Cornelius 2015; Schriver 1989; Schriver 1991). Im Gegenzug dazu richten sich die geplanten »Empfehlungen für Deutsche Leichte Sprache«, die DIN SPEC 33429, an »Menschen mit Lernschwierigkeiten und weitere Personen, die von Leichter Sprache profitieren«5. Geht man aufgrund dieser Konzepte vor, würden Menschen mit Lernschwierigkeiten oder Menschen mit geringen Lesekompetenzen von der Adressatengruppe Einfacher Sprache explizit ausgeschlossen. Umgekehrt könnten durch Leichte-Sprache-Texte auch Menschen erreicht werden, die nicht der Gruppe von Menschen mit Lernschwierigkeiten angehören, wie durch den Zusatz »und weitere Personen« expliziert wird. In der deutschsprachigen Praxis lassen sich jedoch immer noch Bedenken ausmachen, Leichte Sprache großzügig auf eine erweiterte Zielgruppe anzuwenden. Dies scheint teilweise auch mit dem potenziell durch die Verwendung von Leichter Sprache ausgelösten Stigmatisierungseffekten zusammenzuhängen und damit, dass Leichte Sprache im deutschen Sprachraum vorwiegend mit Menschen mit Lernschwierigkeiten in Verbindung gebracht wurde.

Grad der Normiertheit

Ein häufig genutztes Kriterium zur Unterscheidung zwischen Leichter Sprache und Einfacher Sprache ist der Verweis auf den Grad der Normiertheit und der Kodifizierung (Bock 2014; Bock & Pappert 2023). Die Leichte Sprache im deutschsprachigen Raum wird vielfach über eine Texterstellung anhand von Leitfäden und Regeln definiert und so von der Einfachen Sprache abgegrenzt. Obschon es für die Einfache Sprache auch Empfehlungen gibt und auch vor der DIN 8581 – 1 (Einfache Sprache) schon gab (z. B. Flesch 1979), sind die Regelwerke zur Deutschen Leichten Sprache tatsächlich engmaschiger. Die starke Kodifizierung ist aber nicht ein dem Konzept der Leichten Sprache inhärentes Merkmal, es zeigt sich nur sehr stark im deutschsprachigen Raum (Bock & Pappert 2023). In anderen Ländern wie Schweden, Finnland6 oder Belgien orientieren sich Textschaffende und Übersetzende eher an Prinzipien und Empfehlungen (▸ Kap. 3) als an strikten Regeln. Ein Blick in die Realisierungspraxis der Deutschen Leichten Sprache zeigt jedoch, dass die Orientierung an kodifizierten Regel in den einzelnen Texten weniger stark gegeben ist, als es die detaillierten Regelwerke vermuten lassen könnten.

Zielgruppenprüfung

Um Texte in Leichter Sprache ausweisen zu können, vertritt ein Teil der Akteure und Akteurinnen die Position, dass die Leichte-Sprache-Texte einer Zielgruppenprüfung unterzogen werden müssen (▸ Kap. 6). Dieses Vorgehen trägt der emanzipatorischen Dimension der Leichten Sprache Rechnung, wie sie in den Ursprüngen des Konzepts angelegt ist. Die Zielgruppenprüfung kann als ein Kriterium genommen werden, um zu definieren, ob ein Produkt als Leichte Sprache gelten und als solche ausgewiesen werden darf (▸ Kap. 6). Im Bereich der Einfachen Sprache sind uns zur Zeit der Publikation keine vergleichbaren Vorgehensweisen bekannt.

Text als zusätzliches oder alternatives Angebot

Es wird vielfach betont, dass Leichte-Sprache-Texte eine Ergänzung zu einem bereits bestehenden Angebot darstellen (vgl. Brückenfunktion, ▸ Kap. 1.2). Dies ist vor allem bei allgemeinen und öffentlichen Angeboten der Fall, wo Standardtexte parallel zu einem Text in Leichter Sprache bestehen können. In anderen Kontexten, wie bei der Adressierung von Menschen mit Behinderungen innerhalb von Institutionen, ist aber ein ausschließliches Leichte-Sprache-Angebot durchaus denkbar.

Spezifische visuelle Aufbereitung

Als mögliches Merkmal von Texten in Leichter Sprache kann auch die visuelle Gestaltung hervorgehoben werden, die sich aufgrund der Regeln zu Typografie, Layout und Bebilderung als typisch für diese Form der Sprache auszeichnet (vgl. Alexander 2019; Lebenshilfe 2020). Durch wissenschaftliche Studien und die Einbindung von Fachexpertinnen und -experten aus der visuellen Gestaltung werden derzeit etablierte Regeln überdacht und möglicherweise überarbeitet. Dies bringt eine neue Dynamik in den Bereich und könnte dazu führen, dass sich dieses Merkmal weiterentwickelt. Das könnte beispielsweise bedeuten, dass andere visuelle Elemente charakteristisch für Leichte Sprache werden oder dass sie sich künftig weniger stark von anderen Kommunikationsformen unterscheidet.

Richtung der Sprachadaptationen

Eine weitere Möglichkeit, Leichte Sprache von Einfacher Sprache zu differenzieren, schlagen Leskelä et al. (2022) vor. Beide Sprachadaptationen haben eine Vereinfachung zum Ziel, aber die Qualität oder Richtung dieser Adaptation ist verschiedenartig: Beim Texten in Einfacher Sprache wird komplexe Expertensprache in einfachere Sprache für die Allgemeinheit umgewandelt. Beim Texten in Leichter Sprache hingegen wird die allgemeine oder die Standardsprache so angepasst, dass sie einem speziellen Publikum mit spezifischen Kommunikationsbedürfnissen hilft (vgl. ebd., 206 f.).

Wenn sich Fachpersonen vor der Aufgabe sehen, ein Angebot in Leichter Sprache zu produzieren, werden sie früher oder später auf die Frage stoßen, worin sich Leichte Sprache im Vergleich zu anderen adaptierten Kommunikationsformen, insbesondere zur Einfachen Sprache, unterscheidet. Bisher gibt es darauf keine abschließende und allgemeingültige Antwort. Wie soeben dargestellt, gibt es zwar Merkmale, die zur Beschreibung und Abgrenzung Leichter Sprache herangezogen werden können. Jedoch lässt sich gegenwärtig beobachten, dass ein strikt nach den Regeln verfasster Text mit dem Niveau A1 von einer Person als Leichte-Sprache-Text deklariert wird, während eine andere Person diese Kennzeichnung für einen von einer Zielgruppe geprüften Text auf Niveau B1 verwendet. Die Texte können sich demnach stark voneinander unterscheiden. Um aber im aktuell sehr dynamischen Feld der adressatengerechten und barrierefreien Kommunikation ein Minimum an Transparenz zu schaffen, scheint es grundlegend, dass explizit gemacht wird, aufgrund welcher Kriterien man einen Text als Leichte-Sprache-Text bezeichnet. Wichtig ist dies für alle Akteure und Akteurinnen im Feld.

1.4 Die Leichte Sprache im Kontext der Sozialen Arbeit

Es ist Auftrag der Sozialen Arbeit, eine Verbesserung der »Person-Umwelt-Transaktionen« (Röh 2018, 30 f.) anzustreben, wenn die Angebote der Umwelt nicht zu dem Bedarf und den Kompetenzen der Individuen passen. Die Soziale Arbeit fokussiert zudem die Adressierung von marginalisierten Personen und Gruppen, die potenziell von Informations- und Kommunikationsprozessen exkludiert und somit benachteiligt sind. Personen mit vorübergehend oder dauerhaft eingeschränkten Lese- und Verstehenskompetenzen gehören demnach zu ihrer Zielgruppe, da diese häufig auf Zugangsbarrieren stoßen, die sie von gesellschaftlicher Teilhabe ausschließen. Leichte Sprache lässt sich insofern als Gegenstand der Sozialen Arbeit statuieren, als diese ein Konzept mit dem Potenzial ist, soziale Gerechtigkeit zu fördern und Inklusion und Teilhabe zu ermöglichen.

In der Erfüllung dieses Auftrags spielt die Leichte Sprache eine wichtige Rolle, indem sie dazu beitragen kann, die Zugänglichkeit und Nutzung von Angeboten des Sozialwesens zu erleichtern. Konkret bedeutet das, dass Dienste und Organisationen der Sozialen Arbeit ihre (potenzielle) Klientel in einer für diese verständlichen Sprache adressieren, so dass Auftrag und Abläufe derselben sowie Rechte und Pflichten der Klientel verständlich und nachvollziehbar werden. Nur unter dieser Voraussetzung können die Adressierten (der Sozialen Arbeit) das Angebot auch nutzen.

Professionelle der Sozialen Arbeit können aber nicht nur Leichte-Sprache-Texte für die jeweiligen Zielgruppen bereitstellen, sondern auch Interventionen im Bereich der Leichten Sprache gestalten, indem sie z. B. Dienstleistende oder Organisationen zum Thema der adressatengerechten Kommunikation beraten und Wissen und Kompetenzen zur Erstellung und zum Einsatz von Leichte-Sprache-Texten vermitteln. Eine weitere Aufgabe kann sein, Adressatinnen und Adressaten der Sozialen Arbeit dabei zu unterstützen, ihre Rechte auf barrierefreie Kommunikation einzufordern, und sie darin zu bestärken, eine aktive Rolle in der Diskussion rund um den Bedarf an Leichter Sprache einzunehmen (vgl. Röh 2016a, 218 f.; zit. in Röh 2018, 30).

»Soziale Arbeit ist von einer bifokalen Sichtweise auf das Subjekt und seine Umwelt geprägt. Sie analysiert und handelt auf dieser Grundlage zur Verbesserung der subjektiven Handlungsfähigkeit wie auch der sozialen Strukturen und Prozesse« (Röh 2018, 185).

Dass die Fachpersonen ihren Auftrag dabei in Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen erfüllen, liegt im Selbstverständnis der Sozialen Arbeit (Berufskodex Soziale Arbeit Schweiz). Auch in der Forschung der Sozialen Arbeit hat die Leichte Sprache ihren Platz. Einerseits ist Leichte Sprache als Kommunikationsform in Entwicklungs- und Forschungsprojekten relevant. Sie kann unterstützend beim Einbezug von Zielgruppen in partizipativer Forschung eingesetzt werden sowie auch bei der Vermittlung von Forschungsergebnissen an die Forschungsteilnehmenden hilfreich sein. Andererseits ist Leichte Sprache ein wichtiges Forschungsobjekt, wenn es um die Untersuchung der Auswirkungen Leichter Sprache auf die Teilhabemöglichkeiten und Selbstbestimmung von marginalisierten Gruppen geht. In Forschungs- und Entwicklungsprojekten der Sozialen Arbeit können weiter auch Erkenntnisse zu Herausforderungen oder Hürden bei der Implementierung von Leichter Sprache in verschiedenen Praxisfeldern der Sozialen Arbeit gewonnen und Maßnahmen abgeleitet werden.

Für die Erfüllung des sozialarbeiterischen Auftrags ist es grundlegend, die Zielgruppen und deren Lebenswelten zu kennen und das Angebot auf diese auszurichten. Eine wichtige Rolle spielt dabei eine verständliche und wirksame Kommunikation, weshalb diese adressatengerecht gestaltet sein sollte. Mit adressatengerecht ist gemeint, dass Form und Inhalt eines Kommunikationsangebots auf die unterschiedlichen Kompetenzen und Wissensbestände von Adressatinnen und Adressaten zugeschnitten werden. Das damit verbundene Verständnis von Leichter Sprache richtet sich denn auch stark an Überlegungen zur Angemessenheit, konkret an den von Bock (2015b; 2019) beschriebenen Angemessenheitsfaktoren, aus. Die Überlegungen zur Angemessenheit eines Textes sollen während des Texterstellungsprozesses »einen flexiblen Umgang mit Sprachregeln« erlauben (Bock & Pappert 2023, 68). Hierbei kann situativ abgewogen werden, wie der Text gestaltet sein muss, um angemessen zu sein. Die Angemessenheit wird dafür in Bezug auf fünf verschiedene Dimensionen reflektiert: Passt der Text zu den Adressatinnen und Adressaten (z. B. Inhalt, Stil, Vorwissen); welche Funktion hat der Text und ist diese erkenntlich (z. B. ist ersichtlich, dass es sich um eine Anleitung handelt?); was ist der Inhalt (z. B. sind die relevanten Inhalte im Text enthalten?); in welcher Situation wird der Text rezipiert (z. B. allein zu Hause oder während einem Gruppengespräch?); passt der Text zu Senderin oder Sender (ebd.). Die Orientierung an diesem Ansatz macht es möglich, dass der Heterogenität der Zielgruppen, der Kommunikationssituationen sowie auch der unterschiedlichen Textsorten Rechnung getragen werden kann. Diese Flexibilität ist zentral, denn im Fokus des sozialarbeiterischen Auftrags steht eine möglichst genaue Passung des Angebots am individuellen und situativen Bedarf der Adressierten.

Leichte Sprache im Feld der Sozialen Arbeit kann ein Mittel der Ressourcenerschließung, der Wissensaneignung (vgl. Lernfunktion, ▸ Kap. 1.2) und der Stärkung von Handlungsfähigkeit sein. Für einen zielführenden Einsatz der Leichten Sprache ist neben der oben genannten Ausrichtung an spezifischen Bedürfnissen der Zielgruppe eine aufrichtige und langfristige Investition von Diensten und Organisationen in die Adaptierung sämtlicher Kommunikationsprozesse (schriftlich, mündlich, verschiedene Kommunikationskanäle wie Internet, aber auch Face-to-Face) notwendig. Dadurch kann sichergestellt werden, dass ein Text in Leichter Sprache nicht isoliert inmitten einer barrierereichen Kommunikationsumgebung steht, sondern Teil eines adressatengerechten Kommunikationskonzepts ist. Nur so kann das Potenzial der Leichten Sprache ausgeschöpft werden.

1.5 Fazit

Die vielfältigen Entwicklungen im Jahr 2023, wie die Veröffentlichung des Entwurfs der DIN-Norm, zeigen, dass die Diskussion um Leichte Sprache und andere adressatengerechte Kommunikationsformen weiterhin lebendig ist. Leichte Sprache kann als eine Form der adressatengerechten Kommunikation gesehen werden, die sich sowohl durch sprachliche wie gestalterische (Layout, Visualisierungen) Merkmale auszeichnet, anhand der sich ihre Realisierungsformen mehr oder weniger von standardsprachlichen Texten unterscheiden. Aktuell existiert keine einheitliche Definition Leichter Sprache, jedoch gibt es verschiedene Merkmale, die Fachpersonen heranziehen können, um zu beschreiben, worin sich ihr Textangebot auszeichnet.

In der Sozialen Arbeit spielt Leichte Sprache eine wichtige Rolle, da sie dazu beiträgt, soziale Gerechtigkeit zu fördern und Inklusion sowie Teilhabe zu ermöglichen, indem sie Menschen mit eingeschränkten Lese- und Verstehenskompetenzen einen selbstbestimmten Zugang zu Informationen ermöglicht. Sie trägt potenziell zur Verbesserung der Partizipationsmöglichkeiten bei und reduziert Exklusionsrisiken. Dabei ist zu betonen, dass Leichte Sprache nicht nur für Menschen mit Lernschwierigkeiten relevant ist, sondern für jegliche Personen und Gruppen, die sich von Kommunikations- und Informationsprozessen ausgeschlossen sehen.

Konkret können Professionelle der Sozialen Arbeit auf vielfältige Weise dazu beitragen, dass die Angebote des Sozialwesens von der Klientel tatsächlich genutzt werden können, indem sie sich für die Passung der Kommunikationsform und des Kommunikationsbedarfs der Adressierten einsetzen. Menschen mit Behinderungen können außerdem durch Professionelle der Sozialen Arbeit ganz spezifisch für ihre Rechte auf barrierefreie Kommunikation sensibilisiert werden, so dass sie diese wahrnehmen oder sogar einfordern können. Die Forschung der Sozialen Arbeit kann sich außerdem insbesondere der Wirksamkeit und Hürden in der Implementierung Leichter Sprache in verschiedenen Handlungsfeldern widmen und diese in den politischen Diskurs einbringen.

Zusammenfassend stellt der sozialarbeiterische Ansatz vor allem die Zielperspektive der Leichten Sprache und die Notwendigkeit, der Vielfalt und Heterogenität der Zielgruppe Rechnung tragen zu können, ins Zentrum. Leichte Sprache wird in diesem Kontext als ein ganzheitlicher Ansatz verstanden, der die Bedürfnisse von Menschen in den Mittelpunkt stellt.

Literatur

Alexander, K. (2019): Bild & Type. Mit Typografie und Bild barrierefrei kommunizieren. Forschungsstand und Studien. Berlin: Frank & Timme.

Antaki, C. & Crompton, R. J. (2015): Conversational Practices Promoting a Discourse of Agency for Adults with Intellectual Disabilities. Discourse & Society, 26 (6), 645 – 661.

Arle, S. & Frondén, C. (2022): Bringing Order to Chaos: Research on Easy Swedish. Nordic Journal of Linguistics, 45 (2), 167 – 193. https://doi.org/10.1017/S0332586522000105

Berufskodex Soziale Arbeit Schweiz. Online verfügbar unter: https://avenirsocial.ch/wp-content/uploads/2018/12/SCR_Berufskodex_De_A5_db_221020.pdf.