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Endlich! Das lange erwartete Finale der Licht-Saga.
Kip Guile hat einen Weg gefunden, den Bann des Weißen Königs zu brechen. Er und seine Freunde atmen auf. Denn noch besteht Hoffnung für die Chromeria, und die Mächtigen rüsten sich zur letzten Schlacht. Gleichzeitig macht Kips Vater Gavin eine Entdeckung, die die Welt erschüttern wird, sollte sie jemals davon erfahren. Doch all das ist beinahe nebensächlich, denn eine Frage überschattet alles: Wer ist der Lichtbringer?
Die Licht-Saga bei Blanvalet:
1. Schwarzes Prisma
2. Die blendende Klinge
3. Sphären der Macht
4. Schattenblender
5. Düsterer Ruhm
6. Brennende Spiegel
7. Lichtbringer
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Seitenzahl: 1176
Buch
Kip Guile hat einen Weg gefunden, den Bann des Weißen Königs zu brechen. Er und seine Freunde atmen auf. Denn noch besteht Hoffnung für die Chromeria, und die Mächtigen rüsten sich zur letzten Schlacht. Gleichzeitig macht Kips Vater Gavin eine Entdeckung, die die Welt erschüttern wird, sollte sie jemals davon erfahren. Doch all das ist beinahe nebensächlich, denn eine Frage überschattet alles: Wer ist der Lichtbringer?
Autor
Brent Weeks betrachtete das Schreiben fantastischer Geschichten schon immer als seine Berufung, inzwischen ist es auch sein Beruf geworden. Brent Weeks lebt mit seiner Frau in Oregon.
Die Licht-Saga bei Blanvalet:
1. Schwarzes Prisma
2. Die blendende Klinge
3. Sphären der Macht
4. Schattenblender
5. Düsterer Ruhm
6. Brennende Spiegel
7. Lichtbringer
Die Schatten-Saga bei Blanvalet:
1. Der Weg in die Schatten
2. Am Rande der Schatten
3. Jenseits der Schatten
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BRENTWEEKS
LICHTBRINGER
ROMAN
Deutsch von Michaela Link
Die Originalausgabe erschien 2019 unter dem Titel»The Burning White, Part 2« bei Orbit, Hachette Book Group USA, Inc., New York.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.Deutsche Erstveröffentlichung Dezember 2020bei Blanvalet, einem Unternehmen der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, München.Copyright © der Originalausgabe 2019 by Brent WeeksDieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen.Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2020 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 MünchenUmschlaggestaltung: Isabelle Hirtz, Inkcraft unter Verwendung einer Illustration von Larry RostantKartenillustration: Chad Roberts DesignRedaktion: Alexander GroßHK – Herstellung: samSatz: Vornehm Mediengestaltung GmbH, MünchenISBN978-3-641-26162-7V001www.blanvalet.de
Karte: Sieben Satrapien
Kurze Zusammenfassung der bisherigen »Licht-Saga«-Reihe
Im Reich der Sieben Satrapien wird eine kleine Anzahl von Menschen mit der Fähigkeit geboren zu lernen, Licht in ein stofflich-materielles Produkt namens Luxin zu verwandeln. Das Luxin jeder Farbe hat jeweils spezielle physische und metaphysische Eigenschaften und dient ungezählten Verwendungszwecken, vom Gebäudebau bis zur Kriegskunst. Ausgebildet werden diese sogenannten Wandler in der Chromeria, der Hauptstadt des Reiches, wo sie ein privilegiertes Leben führen, während sowohl die Satrapien als auch die mächtigen Familien des Reiches um ihre Dienste rivalisieren. Als Gegenleistung für ihre Privilegien gehen sie eine Verpflichtung ein: Sobald sich ihre Fähigkeit, gefahrlos von Magie Gebrauch machen zu können, erschöpft hat – erkennbar daran, dass die Halos ihrer Iris von den Farben, die sie wandeln, durchbrochen werden – , lassen sie sich im Zuge einer am heiligsten Tag des Jahres, dem Sonnentag, vollzogenen Zeremonie vom Prisma, dem Herrscher des Landes, rituell töten. Die Wandler, die den Halo durchbrochen haben, sogenannte Wichte, verfallen dem Wahnsinn – schuld ist das durch ihren Körper zirkulierende Luxin. Ergreifen sie die Flucht, statt sich in ihr Schicksal zu ergeben, müssen sie gejagt und getötet werden. Nur das Prisma verfügt über eine unbegrenzte Fähigkeit zu wandeln, und nur er oder sie allein kann all die Farben in den Satrapien in ein ausbalanciertes Gleichgewicht bringen, um zu verhindern, dass das chaotisch gewordene Luxin die Länder überflutet und verwüstet. Alle sieben Jahre – es kann sich auch um ein Mehrfaches von sieben Jahren handeln – gibt das Prisma ebenfalls sein oder ihr Leben hin, und der regierende Rat ernennt ein neues Prisma. Weigert sich das Prisma zu sterben, wird er oder sie ebenfalls zur Strecke gebracht.
Das gegenwärtige Prisma ist Gavin Guile.
Buch 1: Schwarzes Prisma
Prisma Gavin Guile erfährt, dass er einen unehelichen Sohn hat, der in einer Satrapie lebt, der zum zweiten Mal innerhalb von fünfzehn Jahren ein Bürgerkrieg droht. Aber Gavin ist in Wirklichkeit Dazen Guile, der sich nur als Gavin ausgibt; nach der Schlacht, die den letzten Krieg beendet und seinen Bruder das Leben gekostet hat, hat er Gavins Identität geraubt. Jetzt muss er die Verantwortung für den Bastard seines Bruders übernehmen. Zusammen mit Karris, seiner ehemaligen Verlobten und jetzt ein Mitglied seiner elitären Schutztruppe Schwarze Garde, reist Gavin nach Tyrea. Sie finden seinen Sohn Kip gerade rechtzeitig, um ihn vor einem rebellischen Satrapen zu retten, der sich selbst König Garadul nennt. Der König lässt sie ziehen, nimmt Kip aber sein Messer ab – das Einzige, was ihm seine verstorbene Mutter hinterlassen hat. Während Gavin mit Kip in die Chromeria zurückkehrt, damit dieser seine magische Ausbildung beginnen kann, bleibt Karris in Tyrea, um sich heimlich mit einem Spion in der Armee des Königs zu treffen.
Karris wird von den Soldaten des Königs gefangen genommen, und sie findet heraus, dass König Garaduls rechte Hand, ein Wicht, der sich selbst der Farbprinz nennt, die eigentliche treibende Kraft hinter der Rebellion ist. Und er ist ihr seit Langem tot geglaubter Bruder.
Kip besteht den Aufnahmetest für die Wandlerschule in der Chromeria und trifft eine Freundin aus seiner Heimatstadt, Liv Danavis, die Tochter eines von Dazens bedeutendsten Generälen. Derweil ist Gavin damit beschäftigt, Wichte zu töten und eine politische Lösung für den Krieg zu finden. Aber darüber hinaus muss er sich auch um den Mann kümmern, den er im Geheimen tief unter der Chromeria eingekerkert hat: seinen Bruder. Andross, Gavins Vater, beauftragt ihn, nach Tyrea zurückzukehren, um zu verhindern, dass aus der Rebellion ein Krieg wird, der das ganze Reich erschüttert. Außerdem soll er ebenjenes Messer zurückholen, das Gavin bei der Rettung Kips dem König überlassen hat.
Als Gavin, Kip und Liv in Garriston ankommen, Tyreas Hauptstadt, begegnen sie Livs Vater, dem ehemaligen General Corvan Danavis. Sie erkennen, dass die Stadt so nicht zu verteidigen ist, daher beginnt Gavin eine ganze Mauer um die Stadt zu wandeln. Gavin hat die Mauer fast vollendet, als eine Kanonenkugel das Tor zerstört, das er gerade gewandelt hat. Gavins Streitkräfte schützen den Rückzug von Garristons Bürgern, die nun versuchen, mithilfe von Barkassen zu entkommen. Kip erfährt, wo sich Karris befindet, und beschließt, sie zu retten. Liv folgt ihm, aber sie werden getrennt, als die Truppen des Farbprinzen Kip gefangen nehmen.
Kip wird zusammen mit Karris eingekerkert, aber im Durcheinander der Schlacht gelingt es ihnen, sich der Armee anzuschließen, die auf die Stadt zumarschiert. Kip tötet König Garadul, und Liv rettet sowohl Kip als auch Karris, indem sie sich bereit erklärt, sich dem Farbprinzen anzuschließen, wenn er im Gegenzug seine besondere Begabung als Scharfschütze dazu einsetzt, den Tod der beiden in der Schlacht zu verhindern.
Kip eilt inzwischen einer weiteren Bedrohung entgegen: Er weiß, dass Zymun, ein junger Polychromat, den Auftrag bekommen hat, Gavin zu ermorden. Das Attentat selbst kann er nicht verhindern, aber dank Kips Eingreifen überlebt Gavin. Kip nimmt den Dolch an sich, mit dem Zymun den Mordversuch begangen hat, und stellt fest, dass es sich um ebenjene Klinge handelt, die seine Mutter ihm zuvor gegeben hat. Gavin, Kip und Karris entkommen zusammen mit einem großen Teil der Zivilbevölkerung auf Barkassen aus der Stadt. In diesem Moment ahnt Gavin nicht, dass sein Bruder daheim in der Chromeria aus der ersten seiner vielen Gefängniskammern entkommen ist.
Buch 2: Die blendende Klinge
Gavin verhandelt mit dem Dritten Auge, einer mächtigen Seherin, um den Flüchtlingen aus Garriston auf der Insel der Seherin ein neues Zuhause zu verschaffen. Karris und Gavin legen einen Hafen für die Flüchtlingsflotte an, und Gavin jagt den blauen Gottesbann, ein Gräuel, das sich in der Azurblauen See bildet. Wenn es ihm nicht gelingt, den Gottesbann zu zerstören, wird ein vorzeitlicher Gott wiedergeboren.
Kip kehrt in die Chromeria zurück, um die Aufnahmeprüfung in die Schwarze Garde abzulegen. Er freundet sich mit einigen seiner Mitkandidaten für die Schwarze Garde an, darunter Teia, eine farbenblinde Paryl-Wandlerin. Sie ist eine Sklavin, und ihre Besitzerin zwingt sie, wertvolle Gegenstände zu stehlen und Kip auszuspionieren. So hart die Schwarzgardistenausbildung auch ist – das neue Interesse, das sein Großvater inzwischen an Kip entwickelt hat, ist schlimmer. Andross verlangt von Kip, mit ihm ein Kartenspiel um hohe Einsätze zu spielen: Neun Könige.
Rea Siluz, eine Bibliothekarin, macht Kip mit Janus Borig bekannt, einer Künstlerin, die »echte« Neun-Könige-Karten erschafft; Karten, die es Wandlern erlauben, die Geschichte so, wie sie wirklich geschehen ist, hautnah zu erleben. Aber es dauert nicht lange, bis Kip Janus sterbend vorfindet, tödlich verletzt von zwei Meuchelmördern. Es gelingt Kip, beide umzubringen, ihre magischen Schimmermäntel an sich zu nehmen und Janus’ Deck von echten Neun-Könige-Karten zu retten. Kip bedient sich eines weiteren neuen Decks, das Janus angefertigt hat, um Andross beim Spiel zu besiegen und dadurch Teias Besitzvertrag zu gewinnen. Kip händigt das Messer seiner Mutter, die Schimmermäntel und die Karten seinem Vater aus, der soeben mit Karris zurückgekehrt ist. Gavin hat den blauen Gottesbann zerstört und die Flüchtlinge umgesiedelt, und so ist er jetzt bereit, das Spektrum (den regierenden Rat der Chromeria) durch geschickte Manipulation dazu zu bringen, die Seherinsel zu einer neuen Satrapie zu erklären und Corvan Danavis zu ihrem neuen Satrapen zu ernennen.
Karris bekommt einen Brief überreicht, der von Gavins verstorbener Mutter stammt, und erfährt, dass Gavin sie die ganze Zeit über geliebt hat. Er hat einst ihr Verlöbnis gelöst, damit Karris keinen Mann zu heiraten brauchte, den sie womöglich nicht liebte. Noch am gleichen Abend begibt sich Karris zu Gavin, aber er liegt bereits mit einer anderen Frau im Bett – einem Mädchen, das er gar nicht zu sich eingeladen hat. Erzürnt darüber, Karris abermals zu verlieren, wirft Gavin die Frau auf seinen Balkon hinaus. Sie fällt über das Geländer und stürzt in den Tod.
Davon überzeugt, dass man ihn wegen Mordes verhaften wird, beschließt Gavin, dass er seinen Bruder befreien muss, damit der seinen Platz als Prisma einnehmen kann. Aber Gavin begreift, dass sein so lange eingekerkerter Bruder wahnsinnig geworden ist, daher tötet er ihn. Gavin kehrt aus dem Gefängnis zurück, um festzustellen, dass das Spektrum den Krieg erklärt hat und seine beiden Schwarzgardisten, die einzigen Zeugen des tödlichen Sturzes, geschworen haben, Gavin habe in Notwehr gehandelt, sodass er weiterhin in Freiheit das Prisma bleiben kann.
Während die auszubildenden zukünftigen Schwarzgardisten ihre Ausscheidungskämpfe fortsetzen, gelingt es Kip beinahe, in die Reihen der Schwarzen Garde aufzurücken – er fällt jedoch im letzten Augenblick durch, weil einige seiner Mitstreiter schummeln. Aber sein Freund Kruxer nutzt ein Schlupfloch, um Kip dennoch das Bestehen der Prüfung zu ermöglichen.
Gavin und Karris versöhnen sich und heiraten, um direkt danach in den Krieg gegen den Farbprinzen zu ziehen. Zusammen mit den neuen Rekruten der Schwarzen Garde und den Truppen der Chromeria müssen sie einen grünen Gottesbann zerstören, der eine neue Gottheit gebiert, Atirat. Liv befindet sich noch immer bei der Armee des Farbprinzen und benutzt ihre Ultraviolett-Fähigkeiten, um bei der Erschaffung Atirats zu helfen.
Kip, Gavin und Karris töten den Gott, verlieren jedoch die Stadt Ru und die dazugehörige Satrapie an die Armee des Farbprinzen.
Nach der Schlacht wird Kip bewusst, dass Andross in Wirklichkeit ein Rotwicht ist. Während er Andross zur Rede stellt, zieht Kip das Messer, das er von seiner Mutter erhalten hat, und rammt es Andross in die Schulter. Gavin versucht, die beiden aufzuhalten, kann Kips Messer aber nur in seinen eigenen Körper umleiten. Er geht über Bord, und Kip springt ihm nach. Das Schiff segelt weiter, und nur Andross weiß, was wirklich passiert ist. Gavin wird von einem Mann namens Kanonier aufgelesen, der auf einem Schiff, das Gavin und seine Kämpfer einige Zeit zuvor zerstört haben, als Kanonier wahre Meisterleistungen vollbracht hat. Kip wird von Zymun gerettet, der ihm mitteilt, dass er, Zymun, in Wirklichkeit Gavins und Karris’ lange verschollener unehelicher Sohn ist. Als Gavin erwacht, stellt er fest, dass er vollkommen farbenblind ist … und Rudersklave auf einem Schiff.
Bücher 3 und 4: Sphären der Macht/Schattenblender
Kip gelingt es, aus Zymuns Gefangenschaft zu fliehen. Wochen später erreicht er die Chromeria, nachdem er den Dschungel, nagenden Hunger und Schlimmeres überlebt hat.
Weil sie das Prisma geheiratet hat, wird Karris gleich nach ihrer Rückkehr in die Chromeria ihr Rang in der Schwarzen Garde entzogen; stattdessen erhält sie den Auftrag, das Spionagenetzwerk der Weißen (des Oberhaupts der Chromeria) zu übernehmen. In der Zwischenzeit wird offenbar, dass Andross Guile auf wundersame Weise geheilt wurde und kein Rotwicht mehr ist. Da Gavin Guile nicht wieder zurückgekehrt und der Krieg in vollem Gange ist, wählt das Spektrum ihn eilig zum Promachos – dem obersten Kriegsherrn der Chromeria.
Teia wird von Mörder Spitz angeworben, einem talentierten Paryl-Meuchelmörder vom Orden des Gebrochenen Auges. Als der Orden ihr zuerst ihre Sklavenpapiere stiehlt und ihr dann noch einen Mord in die Schuhe schiebt, sieht sich Teia außerstande, sich Spitz’ Komplott zu erwehren, und ergibt sich in ihre Situation. Sie bemüht sich, ihre Ausbildung als Rekrutin der Schwarzen Garde mit den Aufträgen des Ordens unter einen Hut zu bringen, aber irgendwann beichtet sie alles Eisenfaust, dem Hauptmann der Schwarzen Garde, und der Weißen. Die beiden beauftragen sie, den Orden im Auftrag der Chromeria auszuspionieren, und Karris wird zu ihrer Kontaktfrau bestimmt. Während Teia den Prozess ihrer Aufnahme in den Orden fortsetzt, entdeckt sie, dass sie eine Lichtspalterin ist, ein seltener Wandlertypus, der Schimmermäntel (wie jene, die Kip sichergestellt hat) dazu verwenden kann, sich selbst weitestgehend unsichtbar zu machen.
Bei seiner Heimkehr informiert Kip das Spektrum und Karris darüber, dass Gavin noch lebt, aber er vermeidet es, Andross mit Gavins Unfall in Verbindung zu bringen, was Kip einen mächtigen, aber keineswegs vertrauenswürdigen Verbündeten beschert. Karris erteilt ihm Unterricht im Wandeln, und er wird wieder mit seiner alten Schwarzgardistengruppe vereint, den sogenannten Mächtigen: Kruxer, Ben-hadad, dem großen Leo, Teia, Ferkudi, Winsen, Goss und Daelos. Andross gewährt der Gruppe Zutritt zu den nicht öffentlich zugänglichen Bibliotheken, damit sie Nachforschungen zu den ketzerischen Neun-Könige-Karten und zur Gestalt des Lichtbringers anstellen können, jenes in den alten Prophezeiungen angekündigten Retters der Satrapien. Dabei hoffen sie auch, Informationen zu finden, mit deren Hilfe sich der Krieg gewinnen ließe. Im Zuge seiner Bibliotheksbesuche freundet sich Kip mit dem schüchternen Quentin Naheed an, einem Luxiaten mit einer außerordentlichen Begabung als Gelehrter.
Gavin, der nun außerstande ist, überhaupt irgendeine Farbe zu wandeln, verbringt Monate als Galeerensklave auf dem Piratenschiff von Kanonier, wo er neben einem wahnsinnigen Propheten rudert, der den respektlosen Spitznamen Orholam trägt – den Namen der Gottheit, der Gavin dient. Im Tumult einer Seeschlacht mit einem Schiff, das sie zu entern versuchen, springt Antonius Malargos, ein junger ruthgarischer Edelmann, an Bord ihres Schiffes und erbietet sich, die versklavten Ruderer zu befreien, wenn sie ihm ihrerseits helfen, sein Schiff zu befreien. Sie haben Erfolg, nehmen Kanonier gefangen und gelangen in den Besitz der Blendenden Klinge. Aber Antonius bringt Gavin nach Ruthgar, wo Antonius’ Cousine Eirene Malargos ihn einkerkert. Dort trifft ihre Verbündete, die Nuqaba von Paria, die nötigen Vorkehrungen, um Gavin öffentlich blenden zu lassen.
Die Mächtigen entdecken, dass alles über die ketzerischen Karten und vieles über den Lichtbringer aus den Aufzeichnungen der Chromeria getilgt worden ist. Kip begreift außerdem, dass die Waffe, mit der jemand zum Prisma gemacht wird – oder durch die man dieses Amt verliert – , genau jenes Messer ist, mit dem Gavin verletzt wurde. Als Kip Karris aufsucht, zerstreiten sie sich wegen eines zur Unzeit gemachten Scherzes. Kurz darauf tritt Tisis Malargos an Kip heran, Eirenes Schwester, die ihm eine Heirat mit ihr vorschlägt, um ihre Familien fest aneinander zu binden. Später findet Kip die echten Neun-Könige-Karten wieder, die sein Vater versteckt hat. Als er versehentlich in ihrer Nähe wandelt, verliert er das Bewusstsein und betritt die Große Bibliothek, wo er dem Unsterblichen Abaddon begegnet. Kip nimmt jede einzelne der Karten in sich auf – mit Ausnahme der Karte des Lichtbringers. Es gelingt ihm, Abaddons Schimmermantel an sich zu bringen; nachdem er so viele Karten gewandelt hat, stirbt er, doch Teia schafft es, ihn wiederzubeleben. Dann gibt Kip Teia den Mantel, den er Abaddon gestohlen hat. Sie begreift später, dass es sich dabei um den Mustermantel der anderen Mäntel handelt und dass er mächtiger ist als alle anderen Schimmermäntel.
Andross bringt Kip dazu zuzugeben, sowohl Andross’ verlorenes Deck als auch Janus Borigs echte Karten gefunden zu haben, aber Kip lügt und behauptet, diese Karten seien alle leer gewesen. Andross trägt ihm auf, Tisis zu heiraten und als sein Spion nach Ruthgar zu gehen, während nun Zymun (der gerade in die Chromeria gekommen ist und bekanntgegeben hat, dass er Karris’ und Gavins lange verschollener Sohn ist) sieben Jahre lang als Prisma dienen soll.
Karris erfährt gerade rechtzeitig, wo sich Gavin befindet, um eine kleine Truppe um sich zu versammeln und ihn zu retten – wenn auch nicht rechtzeitig genug, um ihn davor bewahren zu können, auf einem Auge geblendet zu werden. Nach ihrer gemeinsamen Rückkehr auf die Jasperinseln, wo sich die Chromeria befindet, übergibt Karris Gavin zur Genesung in ärztliche Behandlung und findet sich selbst plötzlich bei der Zeremonie zur Wahl der oder des neuen Weißen wieder – da die bisherige Weiße soeben gestorben ist. Überraschenderweise ist sie selbst einer der Kandidaten.
Kip und Tisis kommen überein, zu heiraten und aus der Chromeria zu fliehen, und die Mächtigen bestehen darauf, sie zu begleiten. Als Zymun der neu ins Leben gerufenen Lichtgarde befiehlt, sie zu töten, kämpfen sie sich den Weg frei. Auch wenn Goss umgebracht und Daelos verwundet wird, gelingt es den übrigen Mächtigen zu entkommen, und sie treffen sich mit Tisis am Hafen. Zitterfaust, Eisenfausts Bruder, sichert ihre Flucht, und wird bei der Explosion getötet, die er auslöst, um zu verhindern, dass die Lichtgardisten Kip und seine Gruppe verfolgen. Kip und Tisis heiraten, bevor sie an Bord des Schiffes gehen, und Teia beschließt, in der Chromeria zu bleiben. Sie glaubt, den Kriegsanstrengungen besser dienen zu können, indem sie gegen den Orden kämpft, als wenn sie an Kips Seite ist.
Obwohl bei der Wahl der Weißen der Zufall regieren soll, merkt Karris, dass der Prozess manipuliert werden soll, und es gelingt ihr, den Schwindel zu verhindern. Sie tötet in Notwehr zwei der anderen Kandidaten und wird zur neuen Weißen erklärt.
Bevor Eisenfaust seinen sterbenden Bruder findet, trifft er sich heimlich mit seinem Onkel: dem hinterhältigen Grinwoody, der, sozusagen vor aller Augen versteckt, als der Sklave von Andross Guile außerdem der Alte Mann aus der Wüste ist, das Oberhaupt des Gebrochenen Auges. Auch Eisenfaust ist seit Jahren Mitglied des Ordens. Er übergibt Grinwoody den schwarzen Saatkristall, zu dem nur die Weiße und der Hauptmann der Schwarzen Garde Zutritt haben.
Unterdessen hat Liv Danavis auf Befehl des Farbprinzen Jagd auf den ultravioletten Saatkristall gemacht. Aber obwohl der Farbprinz sie dazu zu zwingen versucht, ein Halsband aus schwarzem Luxin zu tragen, um sie auf diese Weise unter seiner Kontrolle zu halten, durchkreuzt sie sein Vorhaben und bemächtigt sich des Saatkristalls, um ihn für sich allein zu nutzen.
Gavin wird aus der Fürsorge seiner Ärzte auf Großjasper entführt und erwacht in einer Gefängniszelle.
Buch 5: Düsterer Ruhm
Teia und Mörder Spitz entführen Marissia und rauben ihr Dokumente, die von entscheidender Bedeutung für Karris’ Regierungsarbeit als die neue Weiße sind. Gavin erwacht und findet Marissia bei sich in der blauen Gefängniszelle, mit dem Auftrag, sich um seine Verletzungen zu kümmern. Sie gesteht ihm, dass sie nicht nur Orea Pullawrs oberste Spionin gewesen ist, sondern auch deren Enkeltochter. Sobald Gavin auf dem Weg der Besserung ist, taucht Andross auf und nimmt Marissia mit sich, führt sie vermutlich in den Tod.
Karris übersteht ihr erstes Treffen mit Andross als die Weiße. Karris hat während des Auswahlverfahrens zur Weißen zwei Männer getötet, und Andross erklärt sich bereit, die Sache in Ordnung zu bringen. Anschließend trifft Karris ihren Sohn Zymun, der für sie immer noch wie ein fremder Mensch ist. Er erzählt ihr von seiner traumatischen Kindheit, und sie schwört, ihn nie wieder im Stich zu lassen.
Teia hat ihre erste Zusammenkunft mit dem Alten Mann aus der Wüste, der ihr den Auftrag erteilt, in Karris’ Nähe vorzudringen. Zudem trägt er ihr auf, jemanden für ihn zu markieren, den er dann ermorden wird – als ein »Geschenk« dafür, dass sie ihm bisher so treue Dienste geleistet hat. Auf dieses Treffen folgt ein weiteres mit Fisk, nun neuer Hauptmann der Schwarzen Garde. Sie spürt sein Unbehagen, nachdem die Mächtigen herausgefunden haben, dass er sich kompromittiert hat. Fisk teilt ihr mit, dass er glaube, sie sei um Kips willen zurückgeblieben, und versichert ihr, dass die Schwarze Garde für die Mächtigen da sein werde, wenn sie sie bräuchten. Er informiert Teia außerdem darüber, dass sie am nächsten Tag ihre Abschlussgelübde als voll ausgebildete Schwarzgardistin ablegen werde; in dieser Nacht habe sie Wache zu halten. Teia begibt sich danach hinunter zu den Gefängniszellen, um die Gefangenen aufzusuchen, die am Sonnentag hingerichtet werden sollen. Unter ihnen findet sie Quentin, der für seinen Mord an Lucia während ihrer Schwarzgardistenausbildung verhaftet worden ist. Teia markiert ihn mit Paryl und wählt ihn damit als Opfer des Meuchelmordes aus, entfernt diese Markierung vor der Hinrichtungszeremonie jedoch wieder.
Während des Sonnentags verurteilt Karris den Hohen Luxiaten Tawleb zum Tod auf Orholams Blendblick, weil er Quentin mit dem Meuchelmord an Kip beauftragt hat. Auf seine Hinrichtung folgt die von Pheronike, einem Spion des Farbprinzen; während er verbrennt, gibt Pheronike Nabiros frei, einen dreiköpfigen Dschinn, der von ihm Besitz ergriffen hatte. Karris verschont Quentins Leben und entscheidet, ihn als ein Beispiel für die Gier und die Verderbtheit des Magisteriums zu einem Sklaven zu machen.
In der Zwischenzeit haben Kip und Tisis erfolglos versucht, ihre Ehe zu vollziehen – ein Punkt, der immer dringlicher wird, weil ansonsten ihre Ehe annulliert werden muss. Tisis möchte die Mächtigen begleiten, wenn sie im Blutwald in den Krieg ziehen. Auf dem Weg dorthin gerät ihr Schiff ins Zentrum eines gewaltigen Luxin-Sturms, und Kip rettet sie, indem er ineinander verdrehte Ströme von Chi und Paryl auseinanderzieht, bis das Schiff passieren kann. Die Anstrengung lässt ihn für drei Tage erblinden, aber Rea Siluz heilt seine Augen. Als Kip wieder erwacht ist, machen sich die Mächtigen auf einem von Ben-hadad neu konstruierten Gleiter auf den Weg, und Tisis beginnt, der Gruppe ihren Wert unter Beweis zu stellen.
Gavin hat mit dem toten Mann in der blauen Gefängniszelle gesprochen, der ihm mitteilt, dass Gavin die toten Männer in den Gefängniszellen mittels Willensübertragung geschaffen habe, um seinen Bruder zu foltern. Der tote Mann enthüllt ihm auch, dass Gavin das Schwarze Prisma ist – ein Schwarzwandler, der durch die Ermordung anderer Wandler das Vermögen, Schwarz zu wandeln, in sich absorbiert hat. Gavin versucht, aus den Zellen zu entfliehen, und schafft es durch die grüne hindurch und in ein kleines Gelass hinein, wo er auf niemand anderen als auf seinen Vater Andross stößt, der dort auf ihn wartet. Andross versucht, mit Gavin eine Abmachung zu treffen, aber statt darauf einzugehen, findet sich Gavin in der gelben Zelle wieder, wo er nach Ermordung seines Bruders einst dessen Leiche zurückgelassen hat.
Die Mächtigen treffen sich mit den Geistern von Schattenhain, einer Gruppe von Willensüberträgern unter Führung von Schulte Ruadhán Arthur; es gelingt ihnen, den Schulten dazu zu überreden, sich Kips Armee anzuschließen. Sie beginnen einen erfolgreichen Krieg aus dem Hinterhalt gegen die Blutröcke und lernen die Cwn y Wawr (die »Hunde der Morgendämmerung«) kennen, eine Gruppierung aus geübten Kriegswandlern mit sehr gut dressierten Hunden. Die Beziehung zwischen den Geistern und den Cwn y Wawr ist aufgrund von Ereignissen in der Vergangenheit schwer belastet, aber den beiden Gruppen gelingt es, ihre Meinungsverschiedenheiten beiseitezuschieben, um fortan zusammen zu kämpfen.
An einem anderen Ort der Sieben Satrapien ist Liv zur ultravioletten Göttin Ferrilux geworden, und nun trifft sie sich in Rekton mit Samila Sayeh respektive der Göttin Mot. Samila teilt Liv mit, dass der Weiße König ihren Gottesbann in seinem Besitz habe und dass Liv ihn nur dann für sich beanspruchen könne, wenn sie sich einverstanden erklärt, sich ganz an den Weißen König zu binden und dessen Halskette aus schwarzem Luxin zu tragen. Sie weigert sich jedoch.
Eirene hat Antonius, der sowohl Tisis’ als auch ihr eigener Cousin ist, ausgesandt, um Tisis zurückzubringen, aber Tisis gelingt es, Antonius davon zu überzeugen, sich Kips Armee anzuschließen und stattdessen ihm die Treue zu schwören. Da seine Armee somit immer weiter wächst, setzt es sich Kip nun zum Ziel, eine belagerte Stadt zu retten.
Gavin bemerkt, dass sich der Körper seines Bruders nicht in der gelben Luxin-Zelle befindet, und nach einem weiteren Gespräch mit dem toten Mann begreift er, dass er seinen Bruder überhaupt nie gefangen gesetzt hat; er hat den echten Gavin vielmehr an den Getrennten Felsen ermordet, und sein Schwarzwandeln hat jegliche Erinnerung an dieses Ereignis ausgelöscht. Andross, Felia und Orea hatten alle die Wahrheit über Gavin gewusst und abgewartet, ob und wie er von seinem Wahnsinn beziehungsweise seinem Verlust der Erinnerung genesen würde. Gavin wird schließlich ohnmächtig, nachdem er mit einem Betäubungsmittel versetztes Brot gegessen hat, und wacht im schwarzen Luxin-Gefängnis wieder auf.
Teia wird sowohl vom Orden als auch von Karris zu einem Einsatz nach Paria entsandt – vom Orden dazu beauftragt, die Nuqaba zu ermorden, während ihr Karris den Befehl erteilt hat, Satrapa Tilleli Azmith (die oberste Spionin der Nuqaba) zu meucheln. Im Zuge der Ausführung ihrer Aufträge macht Teia die Entdeckung, dass die Nuqaba Haruru ist, Eisenfausts Schwester, und dass Eisenfaust lebt und von seiner Schwester gefangen gehalten wird. Teia erfüllt ihre Aufträge, wird dabei aber von Eisenfaust entdeckt. Daraufhin kehrt Teia zur Chromeria zurück und berichtet Karris, dass Eisenfaust noch lebt.
Corvan und seine frisch angetraute Frau, das Dritte Auge, verbringen ihre letzte Nacht zusammen, bevor das Dritte Auge von Mörder Spitz ermordet werden wird. Sie enthüllt Corvan, dass Kip nach Dúnbheo marschiert, um die Stadt zu befreien, ohne zu bemerken, dass er damit in eine Falle tappt, die ihm der Weiße König gestellt hat.
Gavin verbringt Monate in der schwarzen Zelle und findet schließlich heraus, dass der tote Mann kein Produkt von Willensübertragung ist, sondern etwas vollkommen anderes. Grinwoody erscheint irgendwann später bei ihm und lässt ihn wissen, dass er der Alte Mann aus der Wüste ist und dass er Gavin aus seinem Gefängnis freilassen wird, wenn er sich einverstanden erklärt, auf einem Schiff zum Weißnebelriff zu reisen, dort den Turm des Himmels zu erklimmen und Orholam – der nach Ansicht des Alten Mannes die Verknüpfung sämtlicher Magie in den Satrapien darstellt – mit der Blendende Klinge zu vernichten. Gavin erklärt sich dazu bereit, lässt ein Stück schwarzen Luxins über seiner Augenhöhle anbringen, das seinen Gehorsam sicherstellt, und macht sich auf den Weg zu dem Schiff. Es ist die Goldene Mitte, und ihr Kapitän ist niemand anderes als Kanonier.
Teia wird vom Orden ein letzter Auftrag erteilt, um sie auf die Probe zu stellen. Sie wird angewiesen, jemanden (Gavin) zu ermorden, sobald er eine Mission für den Orden erfüllt hat. Wenn sie versagt, wird der Orden ihren Vater ermorden.
Karris trifft sich mit Andross, der ihr mitteilt, dass sich Eisenfaust zum König von Paria ernannt hat. Anschließend muss sie den Schwarzgardisten Gavin Gräuling umbringen, der auf der Suche nach Karris’ Mann seine Halos durchbrochen hat. Nach Gavin Gräulings Befreiung ordnet Karris an, dass die Schwarze Garde nicht mehr nach Gavin Guile suchen soll, und akzeptiert den Tod ihres Mannes als Tatsache.
Liv beschließt, sich dem Weißen König anzuschließen, um in ihre volle Macht als Göttin eingesetzt zu werden, nachdem sie erfahren hat, dass er sich darauf vorbereitet, mit dem Gottesbannheer in See zu stechen, um die Chromeria zu erobern.
Kip und seine Armee befreien erfolgreich die belagerte Stadt Dúnbheo. Dabei erleidet Schulte Arthur einen großen persönlichen Verlust, mit der Folge, dass er nach der Schlacht desertiert. Kip enthebt die in der Stadt herrschenden Adelsleute ihrer Ämter und beansprucht die Stadt für sich selbst und für seine Armee. Er und Tisis beteuern einander ihre Liebe und sind nun endlich in der Lage, ihre Ehe zu vollziehen. Kip setzt alle Luxin-Farben dazu ein, um ein uraltes Mauerbild in ihrem Schlafgemach zu reparieren, das als das Túsaíonn Domhan bekannt ist: »Eine Welt beginnt«.
Buch 6: Brennende Spiegel
Nach dem Sieg in der Schlacht um die Stadt Dúnbheo im Blutwald wird Kip von den Bewohnern als Befreier gefeiert. Seinen Mächtigen gelingt es, ein mysteriöses Attentat zweier Schatten auf ihn zu vereiteln. In Dúnbheo trifft Kip Vorbereitungen für den weiteren Vormarsch auf die belagerte Hauptstadt des Blutwaldes, Grünhafen. Doch seine Aktivitäten werden zunehmend durch die bürokratischen Schwierigkeiten gelähmt, die die Verwaltung der Stadt mit ihrer schwerfälligen, in alten Ritualen verharrenden Obrigkeit mit sich bringt.
Teia hat vom Alten Mann aus der Wüste den Auftrag erhalten, Gavin auf seiner Fahrt zum Weißnebelriff zu begleiten und ihn zu töten, sobald er dort seinen Auftrag erfüllt hat. Doch nach einem heimlichen Gespräch mit Gavin auf dem noch im Hafen liegenden Schiff beschließt sie, stattdessen versteckt und unsichtbar auf Großjasper zu bleiben, um sich, Karris’ Befehlen entsprechend, ihrem Ziel der Vernichtung des Ordens zu widmen. Hierzu muss es ihr gelingen, die wahre Identität des geheimnisvollen Alten Mannes zu entlarven, um den Orden an der Wurzel auszumerzen.
Im Blutwald begnadigt Kip den fahnenflüchtigen Schulten Arthur und macht ihn erneut zum Befehlshaber, er empfängt Bram Rotblatt, den Gesandten der belagerten Stadt Grünhafen, dem er die Zusage abringt, dass Kip im Gegenzug für seine Hilfe bei der Befreiung der Stadt zum Satrapen des Blutwaldes ernannt wird, und er trifft sich mit dem skrupellosen Räuberhauptmann Daragh dem Feigling, dessen Kämpfer er dazu bewegen kann, zu ihm überzulaufen. Trotz all seiner Erfolge erfüllt ihn wachsendes Unbehagen, womöglich etwas Entscheidendes zu übersehen.
Gavin begibt sich unterdessen zur Erfüllung seiner ihm von Grinwoody auferlegten Mission, die Orholam den Tod bringen und Karris das Leben retten soll, als Gefangener auf die Fahrt zum Weißnebelriff. Kapitän ist niemand anderer als Kanonier, unter dem Gavin einst als Rudersklave dienen musste. Zusätzlich taucht nun auch ein blinder Passagier auf: Gavins mysteriöser alter Ruderkamerad von damals, der Prophet mit Namen Orholam. Bei Erreichen des Riffs kommt es zu einem Kampf mit Meeresdämonen, bei dem das Schiff zerstört und Gavin in eine See voller Haie geschleudert wird.
Karris erfährt von Andross Guile, dass der ehemalige Hauptmann der Schwarzen Garde, Eisenfaust, nun König von Paria, mit einer Flotte im Anzug ist, um mit der Chromeria über deren Kapitulation zu verhandeln. Andross sieht den einzigen Ausweg aus diesem Dilemma darin, dass sich Karris mit Eisenfaust verheiratet und ihn dadurch zum Verbündeten macht. Nachdem sich die Eiserne Weiße nun endlich dazu durchgerungen hat, Gavins Tod als Tatsache zu akzeptieren, erklärt sie sich widerstrebend zu einer solchen Heirat zur Rettung ihres Reiches bereit. Kurz darauf erfährt sie von Teia, dass ihr Mann in Wirklichkeit noch lebt – was Karris’ Zwangslage weiter verschlimmert.
Auf dem Dach des Palastes der Heiligen in Dúnbheo hat Kip eine Begegnung mit einer rätselhaften Priesterin, der Hüterin der Flamme, die ihr Leben der verbotenen und tödlichen Kunst des Chi-Wandelns gewidmet hat. Er findet heraus, dass der große Spiegel in Dúnbheo offenbar mit anderen Spiegeln im Blutwald und in den übrigen Satrapien in Verbindung steht und dass dieses uralte Netzwerk von Spiegeln einst einem heute vergessenen Zweck gedient hat. Kann er sich dieser Spiegel womöglich im Kampf gegen den Weißen König bedienen?
Als Teia auf Großjasper nach einem Unterschlupf vor etwaigen Verfolgern sucht, kommt ihr unverhofft Mörder Spitz auf die Schliche, der sie gefangen nimmt und misshandelt. Spitz bringt in Erfahrung, dass Teia im Auftrag der Weißen operiert – so wie auch er selbst einst als Doppelagent für ein lange verstorbenes Prisma tätig war – , und stellt sie vor die Wahl, entweder dem Orden mit Leib und Seele beizutreten oder einen Kampf auf Leben und Tod mit ihm zu beginnen. Er setzt ihr eine Frist von einem Tag. Teia entscheidet sich gegen den Orden und muss fortan auch vor Spitz auf der Hut sein. Bevor sie sich trennen, händigt ihr Spitz noch die entwendeten Papiere der verstorbenen Weißen Orea Pullawr aus, Beweise für die abgrundtiefe Verderbtheit der Chromeria, die Teia sodann der neuen Weißen Karris zukommen lässt.
Gavin schafft es als Einziger ans Ufer und rettet dann auch Orholam aus den haiverseuchten Fluten. Gemeinsam erkunden sie die geheimnisvolle Insel hinter dem Riff und stoßen auf die Ruinen einer vorzeitlichen Pilgerstadt. Vom Propheten Orholam geleitet und die Blendende Klinge in Händen, steigt Gavin den himmelhohen Weißnebelturm empor, an dessen Spitze die Gottheit Orholam thronen soll; ein Aufstieg, der für Gavin auch zu einem Gang der Buße wird. Gavin begreift Schritt für Schritt die Größe der Schuld, die er als Mensch und als Prisma auf sich geladen hat.
Im Weg über mehrere Rückblenden mittels magischer Karten wird enthüllt, dass Andross Guile schon vor Jahrzehnten zu der Überzeugung gelangt ist, selbst der Lichtbringer zu sein. Hierauf hat er sein ganzes Leben ausgerichtet, sodass er auch vor den schrecklichsten Verbrechen nicht zurückschreckt, wenn sie ihm zum Erreichen seines Ziels als nötig erscheinen.
Kip begreift nun endlich, dass er vom Weißen König Koios hinters Licht geführt wurde. Dessen Plan sah vor, Kip tief im Blutwald festzuhalten – unter anderem mithilfe des Verräters Rotblatt – , während Koios selbst nicht allzu weit entfernt am Meeresufer seine Flotte und seine Gottesbanne zusammenzieht, um danach zum entscheidenden Angriff auf die Chromeria aufzubrechen. Kip reagiert sofort und teilt sein Heer: Schulte Arthur zieht mit dem größten Teil der Truppen zur Belagerung von Grünhafen weiter, während Kip mit seinen Mächtigen und einer kleineren Schar von Elitekämpfern dem Weißen König entgegeneilt. Sie stoßen auf einen verspäteten Boten von Kips Jugendfreundin aus Rekton, Aliviana Danavis, kurz Liv, inzwischen allerdings die Göttin Ferrilux. Liv hat die Partei des Weißen Königs ergriffen, schlägt Kip nun jedoch eine Kooperation in gewissem Rahmen vor und bietet ihm die Aussicht auf den Sieg, sollte er an einem bestimmten Tag im Örtchen Apfelhain an der Küste sein. Doch der Termin ist bereits verstrichen, und sie erreichen Apfelhain zu spät: Koios und seine Armada befinden sich schon auf hoher See. In Apfelhain stoßen sie auf die Spuren eines grausamen Gemetzels durch Kips Halbbruder Zymun und entdecken einen weiteren vorzeitlichen Spiegel, den Liv eigens für Kip wieder instand gesetzt hat. Aber zu welchem Zweck?
Quentin wird Teia durch Karris als Mittelsmann zugewiesen, und die beiden freunden sich an. Teia meuchelt den zum Orden übergelaufenen Schwarzgardisten Kleinschwanz, ihre ehemalige Besitzerin Aglaia Crassos und deren Bankier Ravi Satish und heftet sich dem Weinhändler und heimlichen Ordenspriester Atevia Zelorn an die Fersen: In der Nacht vor dem Sonnentag soll eine Kultfeier des Ordens stattfinden, bei der Teia zuschlagen will.
Karris unternimmt derweil alle Anstrengungen, die Chromeria und die Jasperinseln auf die drohende Schlacht mit dem Weißen König vorzubereiten, wozu sie, mit Quentins Unterstützung, auch einen Kreis junger Luxiaten um sich schart. Die Ankündigung, dass Corvan Danavis mit einer Hilfsflotte auf dem Weg zur Chromeria ist, kommt ihr dabei sehr zupass; trotzdem bleibt die Übermacht des Weißen Königs erdrückend.
Gavin gelingt der Sprung über einen gähnenden Abgrund an der Turmspitze und steigt ganz allein die letzten Meter hinauf. Wartet dort oben nun wirklich die Gottheit und mit ihr womöglich die Lösung aller Fragen auf ihn? Oder ist alles immer schon nur fauler Priesterzauber gewesen?
Kip folgt der Kriegsflotte des Weißen Königs über die Azurblaue See. Als sich die Flotte der Chromeria eine Seeschlacht mit dem Wichtkönig liefert, greifen Kip und seine Mächtigen ein. Doch die feindlichen Gottesbanne beginnen, sich aus dem Meer zu erheben, um alle Wandler kampfunfähig zu machen, woraufhin die Mächtigen den Rückzug antreten und die Schiffe der Chromeria ihrem Verderben überlassen müssen. Auf ihren Gleitern erreichen sie die Chromeria einige Tage vor der feindlichen Armada. Vor versammelter Führung der Chromeria verkündet Kip, dass er über die Möglichkeiten verfüge, den Weißen König aufzuhalten.
1
~ Andross der Rote ~
Achtzehn Jahre zuvor (im Alter von achtundvierzig)
»Das hier«, erklärt Felia, »kann grammatisch auf eine ganze Reihe unterschiedlicher Arten analysiert werden, wie es bei den Prophezeiungen des Skriptologen ja die Regel ist, und da sind die zensierten Passagen noch nicht einmal mit einbezogen. Erschwerend kommt hinzu, dass ich bereits Übersetzungen davon gesehen habe. ›Die schwarzen Feuer der Hölle, einen großen Felsen zerbrechend, entfesselten auf Erden erneut das …‹ Oder heißt es: ›Entfesseln? Haben entfesselt? Werden entfesseln?‹«
»Hilft uns das weiter?«
»Ich hätte diese Frage verneint, wenn ich gewusst hätte, was es uns kosten würde, dir das hier von diesem Mädchen zu besorgen …« Und plötzlich sehe ich, wie sie mit den Tränen kämpft. Sie beißt die Zähne zusammen und wendet den Blick ab. Aber dann ist sie plötzlich voller kämpferischer Leidenschaft. »Sag es mir. Du hast mir noch kein Wort davon erzählt. Du bist auf deinem Weg nach Hause drei Wochen auf einem Schiff gewesen, und mir steigt immer noch dein Geruch in die Nase, als hinge nach wie vor ihr Duft an dir.«
Was soll das jetzt? »Du hast mir die Erlaubnis dazu gegeben. Ausdrücklich.«
»Ich habe nicht gewusst, dass das Gefühl so schlimm sein würde!«
Felia ist eigentlich besser, als eine solche Nummer abzuziehen. Jetzt wird sie gleich nach Informationen fragen, die sie lieber gar nicht wissen will.
Sie schlägt mir mit dem Handrücken auf die Brust, ein Hieb, der ihr mehr wehtun muss als mir. »Verdreh nicht die Augen, wenn du mich ansiehst, Andy! Wage es nicht!«
Ich nehme mich ganz zurück, begegne ihrem Sturm mit sanfter Ruhe. Dann werfe ich das Papier auf den Tisch. Ich gebe den Sklaven, die uns in der offenen Gartenanlage aufwarten, ein Zeichen zu verschwinden, und werfe Grinwoody einen Blick zu, der ihn anweist, sie wissen zu lassen, dass sie Schläge bekommen und an die Galeeren oder die Bergwerke verkauft werden, falls sie lauschen. Dann richte ich meine Aufmerksamkeit wieder auf meine Liebste.
»Frag, was immer du willst«, sage ich. »Aber frag nur Dinge, auf die du auch Antworten hören willst.«
»Hast du mit ihr geschlafen?«
»Ja«, bestätige ich sofort. Ich hatte gedacht, das verstünde sich von selbst.
Sie schluckt. »Hol dich der Teufel.« Sie atmet einige Male tief durch, aber ich kann nicht recht erkennen, ob sie sich wieder gefangen hat. Das hat sie alles selbst zu verantworten. Sie soll von mir nur die Wahrheit zu hören bekommen, wie ich es geschworen habe.
»Hätte sich das denn nicht umgehen lassen?«
»Das war unsere Abmachung«, unterstreiche ich.
»Ich weiß, was unsere Abmachung war. Ich will, dass du meine Frage beantwortest.«
»Ich hielt es für die beste Vorgehensweise.«
»Und wie schwer war es, dich davon zu überzeugen, Andy? Ich weiß, dass du vor unserer Heirat viele Geliebte gehabt hast. Langweile ich dich? Ich weiß, dass ich seit Sevastians Tod nicht mehr die leidenschaftliche Geliebte bin, die ich früher einmal …«
»Halt! Das hatte nicht das Geringste mit dir zu tun, genauso wenig wie diese andere Geschichte.« Ich hole tief Luft. Hier gibt es tiefere Brunnen des Leidens, als ich mir bewusst gewesen bin. Aber ihr Zorn löst etwas in meinem Inneren aus, und es ist brennend und wild.
Ich ersticke die Flammen. Wie so oft.
»Mit ihr nur zu flirten hat nicht ausgereicht«, fahre ich fort. »Ich habe es andeutungsweise mit Bestechung versucht, aber ihre Familie ist wohlhabend, und sie hat ihre Tätigkeit in der Bibliothek geliebt. Es gab nichts, was ich ihr hätte geben können. Und sie war so jung und unschuldig, dass da nichts war, womit ich sie hätte erpressen können. Ich hatte keine Zeit, Leute anzuheuern, um ihre Lieben unter Druck zu setzen, also habe ich sie verführt.«
»Hast du es genossen?« Sie spuckt den Satz förmlich aus.
Ich werde ganz kalt. »Es war mehr als einen Monat her, seit ich das letzte Mal das Bett mit dir geteilt hatte, und das war ein sehr routinehaftes Lebewohl gewesen, nicht die verzweifelte liebende Hingabe einer Frau, von der man erwartet hätte, dass sie bald vor Eifersucht in den Wahnsinn getrieben würde, meine Beste. Ja, ich habe diesen Akt der Erleichterung genossen.«
»›Erleichterung‹«, wiederholt sie. Ich habe dieses Wort verwendet, um anzudeuten, dass der Sex etwas rein Körperliches gewesen sei, doch irgendwie verwandelt sie es in eine Anklage gegen mich und unsere ganze Ehe. Als sei sie, als sei unser Ehegelöbnis eine Last, von der ich mich erleichtern wolle.
Aber ich habe bereits mehr gesagt, als ich es getan hätte, hätte ich mich völlig unter Kontrolle gehabt. »Sonst noch was?«, knurre ich.
»Hat sie es genossen? Wie war es? Für sie. Für dich.« Felia hat eine Fassade vor sich hochgezogen, ist jetzt ganz das eiskalte Miststück.
Ich atme tief durch und dann gleich noch einmal, bis das Rot zurückweicht, bis ich sie wieder mit Mitgefühl betrachten kann. Meine Felia. Sie ist so allein gewesen, und alles, was sie liebt, ist bedroht worden. Zuerst Sevastians Tod. Dann Gavins wachsende Distanziertheit. Jetzt diese Sache, die wir mit Dazen machen müssen. Und nun auch noch ich.
Felia hat Angst, auch mich zu verlieren.
»Habe ich sie mit den ersten Orgasmen ihres Lebens beglückt? Habe ich sie in eine geile Schlampe verwandelt, die es nach meinem Schwanz gedürstet hat, wie es einen in der Wüste Verschmachtenden nach Wasser dürstet? Hat sie mich morgens mit ihrem heißen Mund auf mir geweckt? Hat sie mich um Praktiken angebettelt, die du schon bald nach unserer Vermählung zu verschmähen begonnen hast? Hat sie mich angehimmelt und umworben, wie du es seit Jahren nicht mehr getan hast? Sind das die Fragen, die du stellen möchtest? Warum fragst du stattdessen nicht – und fragst es dich auch selbst: Bin ich in der Befolgung meiner Ziele denn je ein Mann gewesen, der halbe Sachen macht?«
»Nie«, haucht sie, ohne auch nur zu blinzeln, doch ihre Hände sind zu ihrem Magen gewandert, wie bei einem Soldaten, der sich im Krieg eine tiefe Bauchwunde zugezogen hat und der nun wissen will, wie schlimm es ist – der es wissen muss, aber nicht wagt, es auch tatsächlich herauszufinden.
»Warum fragst du nicht, was du wirklich wissen willst? Ob ich sie anschließend in den Armen gehalten habe? Ob ich ihr erlaubt habe, zum Schlafen den Kopf auf meine Schulter zu legen, wie sonst du es tust?« All die Fragen entschlüpfen mir aus dem Griff wie jagdgierige Hunde, die sich von der Leine losreißen. Ich kann es nicht ertragen, in dieser Angelegenheit unehrlich zu ihr zu sein. Um ihretwillen. Felia schert sich nicht um das Mechanische der Sache, wo wir unsere Unzucht getrieben haben oder wie viele Male ich das Mädchen in die wildesten Verzückungen der Ekstase versetzt habe. Sie will wissen, ob sie ersetzt werden kann.
Die Liebe meines Lebens ist eine äußerst leidenschaftliche Frau, und jetzt blutet sie innerlich, und das ist ebenso meine Schuld wie die von Orholam und Orea und Ulbear.
»Fe«, sage ich sanft. »Lass keine Dunkelheit zwischen uns treten. Nachdem ich zu dem Schluss gekommen war, dass das Bett das einzige Schlachtfeld war, auf dem ich unserer erstrebten Beute habhaft werden konnte, kannst du verdammt noch mal davon ausgehen, dass ich jene Ehegelübde, von denen du mich entbunden hast, nicht gerade auf Zehenspitzen überschritten habe. Willst du hören, wie ich abwechselnd den meisterhaften, aufmerksamen Liebhaber gespielt habe, wie sie in ihrem ganzen Leben nie wieder einen finden wird, und den von Schuldgefühlen gequälten Ehemann, der wieder zu seiner Frau und seinen Kindern würde zurückkehren müssen – nur damit sie stets voller verzweifelter Sehnsucht nach mir gewesen ist und immer Angst gehabt hat, mich zu verlieren? Willst du jeden einzelnen Schritt wissen, wie ich sie von ihrer Familie und ihren Freunden isoliert habe, damit sie, als es an der Zeit war, diese Menschen zusammen mit ihren eigenen Pflichten zu verraten, das mit Freuden tat, wenn es nur bedeutete, dass ich noch einige Wochen bleiben würde? Und soll ich dir erzählen, wie ich noch am selben Abend, an dem sie mir die Schriftrollen ausgehändigt hat, von ihr fortgegangen bin, ohne jedwede Erklärung, was sie zweifellos zerstört haben muss? Glaubst du denn, dass eine einzelne unbeholfene Jungfrau ohne Rhythmus dich ersetzen könnte? Glaubst du denn, sie könne dir im Schlafgemach irgendwie das Wasser reichen oder …«
»Sie ist halb so alt wie ich und hat keine drei Kinder geboren, und wie du gesagt hast, bin ich zuletzt nicht gerade …«
»Hältst du mich für einen Mann, der sich in eine Frau verlieben könnte, die er nicht achtet?«, blaffe ich.
»Ein Mann fängt an, fast alles zu glauben, wenn eine Frau nur auf die richtige Weise anspricht, was unterhalb seiner Hüfte ist.«
»Du meinst, in gerade einmal vier Wochen …«
»Die kurze Zeit macht es nur noch schlimmer, Andross! Ich habe keine Angst, diesem armen Mädchen nicht ebenbürtig zu sein; ich habe Angst, den Ansprüchen deiner Fantasie nicht gewachsen zu sein. Ein Mann kann sich gar nicht auf den ersten Blick in eine Frau verlieben; er verliebt sich in das Bild, das er von ihr hat. Sie ist die Leinwand, auf die er seine Hoffnungen und Träume projiziert. Und wenn die Berichte stimmen, ist dieses Mädchen eine besonders anpassungsfähige und anziehende Leinwand gewesen.«
»Wie alt bin ich, siebzehn?!«
»Wieso fragst du? Weil Männer, die alt genug sind, um es besser zu wissen, noch nie ihre in die Jahre gekommenen Ehefrauen gegen eine jüngere und dümmere eingetauscht haben?!«
»Du kennst mich zu gut, um mir mit so etwas zu kommen. Deine Worte sind als Angst verkleideter Irrsinn. Ich habe meine eheliche Treue tausend Mal unter Beweis gestellt. Du weißt alles über die Frauen, die mich seit unserer Heirat zu verführen versucht haben. Du weißt von den alten Geliebten, die versucht haben, mein Interesse an ihnen erneut zu entfachen, seit ich der Rote geworden bin. Doch mein Blick gilt nur dir, Firuzeh Eszter Laleh Dariush. Meine Felia, meine Felia Guile, wie könnte ich dich gegen irgendjemand anderen tauschen? Was für eine wundertätige Möse müsste eine Frau haben, um mich auch nur für einen Moment in Versuchung zu führen? Dass ich von dir ablasse? Von dir! Einer Frau, die Kaiserin sein könnte, würde sie es sich in den Kopf setzen? Meinst du denn, ich würde die Leichtgläubigkeit und Schwäche dieses Mädchens deiner Stärke vorziehen?«
Aber ich sehe noch immer Angst in ihren Augen.
»Wenn du das glaubst«, füge ich hinzu, »hast du nicht mich verloren, sondern dich selbst.«
Sie blickt mir prüfend in die Augen, sucht nach Anzeichen von Falschheit, nehme ich an. Wenn ich so vielen anderen derart geschickt und grausam etwas vormachen kann, könnte ich dann nicht auch mit ihr meine Spielchen treiben? Ich versuche, sie ganz offen anzublicken, wie wir es getan haben, als wir jung waren, aber ich kann nur Rot sehen.
Es dauert lediglich einen kurzen Moment, dann sehe ich, wie sie den Blick nach innen wendet. »Ich fühle mich nicht stark. Nicht mehr.«
»Du bist stark genug.«
»Das glaube ich nicht«, widerspricht sie.
Ich strecke die Hand aus und hebe die Stimme. »Dort ist die Tür.«
Es ist für sie ein Schlag ins Gesicht. Ihr bleibt buchstäblich die Luft weg. »Du würdest mich gehen lassen? Einfach so? Nach allem, was wir miteinander durchgemacht haben? Nach allem, was wir getan haben?«
»Dich gehen zu lassen wäre das Schwerste, was ich je getan habe. Aber wir sind im Krieg, auch wenn das bisher nur du und ich begreifen. Wenn du zum Feigling werden willst, muss ich das wissen, bevor ich dir meine Zukunft und die der ganzen Welt anvertraue.«
»Ich bin nicht stark genug …«
»Stärke ist eine Sache der Entscheidung. Mut eine der Gewohnheit. Leider gilt das Gleiche auch für die Feigheit.«
Sie sieht mir sehr lange in die Augen. »Wir haben noch nicht miteinander geschlafen, seit du wieder zurück bist.«
Ich hebe die Hände, die Innenflächen nach oben gedreht. An wem von uns beiden hat das wohl gelegen?
Doch dann verstehe ich. Selbst nach so vielen Jahren der Ehe verlangen die neuen Umstände neue Antworten: Im Wissen, wie sehr es sie verletzt hat, habe ich nur vage Annäherungsversuche gemacht, während ich sie stattdessen entschlossen hätte umwerben sollen. Aber ich war mir sicher gewesen, dass ich mir mit einem solchen entschlossenen Drängen nur mächtige Ausbrüche von Zorn und Ärger eingehandelt hätte.
Was dann wohl auch so gewesen wäre. Das begreife ich jetzt.
Aber vielleicht haben wir dieses eiternde Geschwür eben einfach aufstechen müssen. Ich hatte diese Auseinandersetzung nicht gebraucht, hatte den Ärger und all die unschönen Nachwirkungen eines großen Streits nicht gewollt, also bin ich davon ausgegangen, dass wir dessen beide nicht bedurften. Da habe ich falschgelegen.
Sie lässt es dabei bewenden. Senkt den Blick. Dreht sich wieder zum Tisch um.
Sie sagt: »Das Schlimmste ist, dass ich schon früher Abschriften dieser Schriftrolle zu sehen bekommen habe. Also habe ich zuerst gedacht, es sei alles … umsonst gewesen.«
Nachdem sie diesen Satz zu Ende gesprochen hat, trete ich hinter sie. Ich atme ihr Haar ein, beuge mich über sie, stütze die Hände links und rechts neben ihr auf den Tisch, berühre sie jedoch nicht.
Sie legt mir die Hand auf den Ärmel, um den Käfig meiner Arme aufzudrücken, aber ich rühre mich nicht von der Stelle, und sie drückt nicht sehr fest.
»Ich brauche dich voll und ganz, Fe«, versichere ich ihr. »Ohne dich bin ich mutterseelenallein auf dieser Welt. Ohne dich bin ich eine Kerze auf einem Wall, wenn der Sturm naht. Ein Ochse, der durch das Gewicht des leeren Jochs dort, wo eigentlich sein Gespannpartner hingehört, vom Pfad abkommt. Ich kann die Arbeit, die vor uns liegt, ohne dich nicht vollbringen, Herz meines Herzens. Ich brauche deine Weisheit. Ich brauche deine Güte. Deinen Scharfblick. Deine Hand am Ruder. Ich brauche jene Kraft in dir, die du immer unterschätzt hast. Deine verborgene Wildheit.« Ich küsse sanft ihren Hals und werde mit einer Welle der Gänsehaut belohnt. »Du bist mein Kompass, meine Ankerwinde und mein Rückenwind. Ich brauche dich, wie ein Sänger eine Stimme braucht, wie eine Melodie ein Tempo braucht, der Refrain seine Tonlage. Ich brauche dich, wie der Speerträger seinen Schild braucht, das Streitross sein Geschirr, der Bogenschütze seinen Bogen. Ich brauche dich, wie das Getreide die Sonne braucht, die Färberin ihre Farben, ein Wandler das Licht. Ich brauche dich, wie die Sterne die Nacht brauchen. Ich brauche dich, wie ein Dichter Worte braucht …«
Sie schweigt noch immer.
»Und ich will dich. Ich will dich so wie in jener Nacht draußen im Weinberg bei Steinbach. Ich will dich wie damals an jenem Sonnentagsabend, als wir in unserem Zelt direkt neben dem deiner Eltern lagen und trotzdem ziemlich lautstark zur Sache gegangen sind. Ich will dich wie an jenem Morgen auf dem roten Turm, als die Luxiaten an die Tür gehämmert und sich gefragt haben, wie es möglich war, dass sie von außen zugesperrt war.« Meine Stimme wird leiser, bis sie nur noch ein raunender warmer Atem in ihrem Ohr ist. »Oh Gott, wie sehr ich dich will …«
Der Augenblick dehnt sich in die Länge, ein Moment der Entbehrung und der Strafe, während ich ihren süßen Duft einatme. Ich sehne mich danach, sie zu packen und einfach zu nehmen, die Entscheidung für sie zu treffen, von der ich spüre, dass sie selbst sie nicht treffen will. Aber ich tue es nicht.
Nie ist unsere Ehe eine Verbindung gewesen, in der sich ein schwächerer Partner den Launen des Stärkeren unterworfen hätte. Und das kann sie auch nicht sein. Auf der ganzen Welt ist Felia die eine Blume, die ich nicht unter den Rädern der großen Belagerungsmaschine meines Willens zermalmen werde.
Sie bewegt sich nicht.
Der Moment dehnt sich in die Länge, bis es unerträglich wird.
Ich werde nicht ewig warten. Ich werde es nicht zulassen, dass mein Verlangen zu Schwäche wird, mein Hunger zu einem Verhungern. Ich lasse von ihr ab.
Aber sie hält mich am Ärmel fest, und so wie ein Reiter die ganze tobende Masse eines angreifenden Streitrosses mit ein paar schmalen Lederriemen kontrolliert, werde ich zum Innehalten gezwungen.
Kann man unsere Verbindung überhaupt eine Partnerschaft nennen?
Manchmal frage ich mich, ob Felia nicht die bei Weitem Stärkere von uns ist.
Sie lässt mich nicht lange genug warten, als dass ich diesem Gedanken nachgehen könnte. Sie will wissen, dass sie meine volle Aufmerksamkeit hat. Sie neigt ein wenig den Kopf, um ihr Haar von der Stelle weggleiten zu lassen, die ich zuvor geküsst habe.
Ich weiß, dass sie das braucht. Ich weiß, dass sie mich ein wenig bestrafen will. Ich weiß, dass sie mein Begehren und Werben spüren muss, doch es ärgert mich auch, nach ihrer Pfeife tanzen zu müssen wie ein Hund. Ich bin Andross Guile.
Ich entreiße ihr meinen Ärmel und weiche ein Stück zurück, aber bevor sie sich umdrehen kann, bevor sie auch nur ein Wort sagen kann, packe ich sie am Haar und küsse sie grob auf die andere Seite ihres Halses. Dann drehe ich sie um, hebe sie auf den Tisch und finde ihre Lippen.
Wenn in den Geschichten wahre Liebende zusammenkommen, geschieht es jedes Mal mit solcher Inbrunst und müheloser Fertigkeit, dass Himmel und Erde erschüttert werden und nichts je wieder so sein kann wie zuvor. Das ist natürlich eine Lüge, aber es ist ein weiterer Ausdruck des zentralen Makels jenes Spiegels, den das Drama der Realität vorhält: Alles, was in jenem Spiegel abgebildet wird, zählt.
In der Wirklichkeit verändert körperliche Liebe selten irgendetwas. Meistens ist die Sache nicht einmal sonderlich denkwürdig. In den meisten Menschenleben werden Himmel und Erde selten, vielleicht nie durch körperliche Liebe erschüttert.
Aber bisweilen geschieht es eben doch.
Selbst in Anbetracht meiner ererbten Gabe des guileschen Gedächtnisses versinken die nächsten Minuten völlig im wilden Ungestüm der Gefühle, die sich von allen Gedanken befreit haben und im tiefen Wasser der Leidenschaft versunken sind.
»Verzeih bitte«, murmele ich einige Zeit später.
»Du kannst es gerne wiedergutmachen …«
»Kann ich, ja?«
»… aber hier gibt es gar nichts zu verzeihen.«
»Was?« Und dann begreife ich. »Du hast mich verhext – mit einem Zauber belegt?«
»Du kannst es mir nicht zum Vorwurf machen, wo ich es dir doch gestanden habe, nicht wahr?«
»Felia!« Ich weiß nicht, ob ich verärgert oder ein klein wenig stolz auf sie sein soll. Früher hat sie sich immer in jeder Form sklavisch an die Regeln der Chromeria gehalten.
»Ich wollte, dass es härter und wilder wird«, unterstreicht sie in nüchtern-sachlichem Tonfall.
»Du hättest fragen können.«
»Ich wollte, dass du dich anschließend entschuldigst. Und dass du es wiedergutmachen musst. Was du im Übrigen immer noch tun musst.«
»Es wiedergutmachen?«
»Und zwar jetzt auf der Stelle. Trag mich in unser Bett. Ich bin mir nicht sicher, ob ich gehen kann.«
»Es hat da ein paar Wörter gegeben, deren Bedeutung in unserer Sprache sich seit jenen frühen Übersetzungen verändert hat, aber alles in allem ist es eine solide Leistung der Gelehrsamkeit. Und dann habe ich das hier entdeckt.« Sie zeigt auf einen bestimmten Punkt auf der gegerbten Lammhaut, genau dort, wo die geschwärzte Stelle beginnt.
»Was ist das?«, frage ich.
»Ein Fehler im Leder? Ein verirrter Klecks, der von der Schreibfeder herrührt? Irgendeine Art von Fleck aus den seither vergangenen Jahrhunderten?« Sie zuckt die Achseln. »Eine gute Übersetzerin oder Kopistin würde keine Spekulationen anstellen, sondern nur weitergeben, was sie weiß. Aber wenn ich mir die ganze Schriftrolle anschaue und sehe, was fehlt und auf welche Weise es fehlt, scheint mir, dass, wer immer diese Stelle geschwärzt hat, hier in Eile gewesen ist. Es gibt noch zahlreiche weitere Stellen, an denen er oder sie schlampig gewesen ist. Diese drei Punkte hier am Ende der Zeile – wenn ich rate, wie hier der Text verlaufen sein dürfte, so könnte das alles sein, was von den drei Spitzen des Buchstabens Shin übrig geblieben ist. Und das hier könnte der Fuß eines Khaf sofit sein. Genauso gut könnte es jedoch auch ein Resh, ein Nun sofit, ein Tsadi sofit, ein Zayin oder ein Dalet sein, aber wenn ich die Stelle mit seiner Handschrift weiter vorn vergleiche, sind seine Shins groß und elegant, und seine Khaf sofits reichen ein wenig tiefer herunter als die anderen Buchstaben.«
Sie verzettelt sich in Einzelheiten. Aber sie bemerkt meine Ungeduld.
»Wenn ich recht habe«, fährt sie fort, »dann ist dieser Punkt« – sie legt ein Stück Pergament über die Stelle und zeichnet eine zarte Kurve darunter – »Teil eines Hauchlauts, eines Atemzeichens, so wie in der alten Schreibweise ›Or’holam‹. Das Dokument stammt aus einem dafür passenden Zeitraum. Erst achtzig Jahre später, mit den Diktionen des Polyphrastes, sind bei den Gelehrten Atemzeichen in der Zeichensetzung allmählich aus dem Gebrauch gekommen.«
»Aber dieses Zeichen steht offensichtlich nicht für ›Orholam‹. Du hast etwas anderes entdeckt«, bohre ich nach.
»›Entdeckt‹ ist zu viel gesagt. Ich habe ›Spekulationen angestellt‹.«
»Nur raus mit der Sprache.«
»Ich werde es dir stattdessen zeigen.« Sie schiebt den Rand des Pergaments über die alte Schriftrolle, sodass das Pergament das Atemzeichen gerade eben berührt, während weiter unten die fehlende Zeile Text, die drei Punkte des verschwundenen Khaf sofit, hervorschauen. »Du verstehst, was ich hier mache, ist keineswegs eine ›Übersetzung‹. Es ist Rätselraterei, keine wissenschaftliche Gelehrsamkeit.«
Ich antworte nicht, und sie greift nach einer Schreibfeder, die akkurat gespitzt ist, so wie die Parianer alter Zeiten ihre Federn angespitzt haben, um den Bogen und Kanten ihrer Schrift die geziemende kalligrafische Qualität zu geben. Ihre Handschrift ist nicht nur wunderschön, sie weiß auch die Handschrift des Skriptologen so geschickt nachzuahmen, dass es einem Fälscher zur Ehre gereichen würde. Die Abstände und Größe der Buchstaben entsprechen genau dem Original.
Sie beginnt bei dem Atemzeichen und bewegt sich in aller Ruhe nach links. »Es gibt nichts in dieser oder in den anderen Schriften des Skriptologen, was das hier bestätigen würde«, betont sie, während sie das Khaf sofit zeichnet, dessen drei Spitzen über den Rand ihres Pergaments hinwegragen, sodass sie die drei Punkte auf der Schriftrolle berühren. Sie schreibt den Satz zu Ende und tritt dann zurück. »›Auf einem zerbrochenen Stein werden die schwarzen Feuer der Hölle auf Erden erneut die zweihundert fallenden Herrlichkeiten des Himmels entfesseln.‹ Im eigentlichen Wortsinn ›die fallenden Sterne‹. Aber wenn es ›zweihundert‹ heißt, ist es niemals wörtlich gemeint. Die ›zweihundert fallenden Sterne‹ oder ›gefallenen Sterne‹ – das ist ein Euphemismus, der manchmal zu ›die zweihundert‹ abgekürzt wird.«
»Die Himmlischen«, sage ich. »Die Elohim, die alten Götter.«
»Die gegen Orholam rebelliert haben und aus seinem Gefolge verstoßen wurden.«
»Oder die, dem Tyrannen trotzend, aus seinen Palästen ausgezogen sind, für den Fall, dass die Ketzer vielleicht doch recht haben«, gebe ich zu bedenken.
»Die Braxianer?«, hakt Felia nach. »Die Bewohner des Geborstenen Landes glauben an alles, was ihren Durst nach Macht zu rechtfertigen verspricht.« Sie hält kurz inne. »So wie womöglich wir alle.«
»Du meinst dich und mich?«, frage ich.
Für einen Moment sind ihre Augen eine offene Tür zu der dahinter blutenden Seele.
Ich vergesse manchmal, dass ihre größere Empfindsamkeit bedeutet, dass sie mehr leidet, als ich es je könnte.
»Ich will das nicht«, betone ich. »Willst du es etwa? Entstellst du diese Übersetzung, damit wir unseren Söhnen das antun können? Das ist nicht die Felia, die ich kenne.« Bevor sich die Tränen erneut in ihren Augen sammeln können, füge ich hinzu: »Also, wirf uns nicht in einen Topf mit diesen Meuchlern aus der Wüste.«
Sie gibt sich geschlagen. »Mein lieber Herr Gemahl, sieh dir mal Gavins letzten Brief an dich an.« Sie reicht mir ein Stück Pergament, nicht Gavins Brief, der verschlüsselt gewesen ist, sondern die entschlüsselte Fassung.
»Woher hast du den?«, erkundige ich mich.
»Lies.«
Sie hat einen Absatz am Rand angestrichen: »Vater, ich habe ihn jetzt in die Flucht geschlagen. Dazen hofft zweifellos, sich in die Berge rund um Kelfing zurückziehen zu können, aber wir verfolgen den Plan, seine Armee an einer Flussbiegung in der Nähe einer Stadt namens Rekton gefangen zu setzen.«
Ich schaue auf die Karte, die Felia auf dem Tisch ausgebreitet hat. Sie deutet mit der Hand auf Tyrea und weist auf einen kleinen Punkt: Rekton am Fluss Umber. In orangefarbenem Luxin tauchen Namen auf – doch es sind alte Namen. »In der Blütezeit des tyreanischen Reiches gab es hier eine Stadt, deren Name die Zeiten nicht überdauert hat«, erklärt sie. »Es war eine heilige Stadt, Anat Infrarot geweiht, bis Karris Atiriel oder ihre Anhänger sie in Schutt und Asche legten. Dort befindet sich ein großes Felsengewölbe. Von den Menschen Anats Kuppel oder Anats Schmelzofen genannt oder auch als die milchgeschwollene Brust oder der schwangere Bauch der Dame aus der Wüste bezeichnet. Dort oben haben die Tyreaner alter Zeiten ihre Söhne geopfert und den Sand mit deren Blut getränkt, um die Göttin anzuflehen, ihre Wüste blühen zu lassen.« Ihre Stimme nimmt einen abwesenden Tonfall an. »Wie leichtfertig ich sie doch als Ungeheuer verdammt habe, Andross. Welche Mutter, die dieser Bezeichnung würdig ist, könnte schließlich ihre Söhne ermorden und glauben, dass aus einer solchen Ungeheuerlichkeit irgendetwas Gutes hervorgehen könnte? Ich habe mir damals nicht vorstellen können … Wie konnten wir das nur geschehen lassen?«