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Krimi von Peter Wilkening Hinter der Fassade der Kleinstadtidylle in Oberspießbach brodelt es. Drei Männer streiten um die Vorherrschaft im ortsansässigen Tennisverein: Der erfolgreiche und skrupellose Bauunternehmer Ewald von Stierken, der Banker Hans Klaasen und der Regierungsrat Frank Ratig. Menschliche Abgründe tun sich auf: Von Stierkens attraktive Ehefrau Brigitte ist dem jungen Tennisstar Johannes Wagner hörig und landet schließlich im Rotlichtmillieu, der verheiratete Klaasen verliebt sich unsterblich in die geschiedene Versicherungsangestellte Katja Gutshausen und Ratig besucht regelmäßig ein Bordell. Da geschieht für alle unerwartet ein Mord... Peter Wilkening geboren am 12.6.1962 in Bremerhaven, gelebt in Berlin und Bärenklau (Oberkrämer), verstorben am 3.7.2018
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Lieben im Irgendwo: Krimi
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Krimi von Peter Wilkening
Hinter der Fassade der Kleinstadtidylle in Oberspießbach brodelt es. Drei Männer streiten um die Vorherrschaft im ortsansässigen Tennisverein: Der erfolgreiche und skrupellose Bauunternehmer Ewald von Stierken, der Banker Hans Klaasen und der Regierungsrat Frank Ratig. Menschliche Abgründe tun sich auf: Von Stierkens attraktive Ehefrau Brigitte ist dem jungen Tennisstar Johannes Wagner hörig und landet schließlich im Rotlichtmillieu, der verheiratete Klaasen verliebt sich unsterblich in die geschiedene Versicherungsangestellte Katja Gutshausen und Ratig besucht regelmäßig ein Bordell. Da geschieht für alle unerwartet ein Mord...
Peter Wilkening geboren am 12.6.1962 in Bremerhaven, gelebt in Berlin und Bärenklau (Oberkrämer), verstorben am 3.7.2018
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
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Zahlreiche Gäste haben sich zum diesjährigen Neujahrsempfang im Vereinshaus eingefunden. Der Präsident des Tennisvereines 1908 Oberspießbach e.V. ist mit der Resonanz zufrieden. Ewald von Stierken lässt seinen Blick durch den Saal schweifen und zählt etwa 50 Personen. Viele Mitglieder sind erschienen. Der Vorstand ist durch seinen Vertreter, Vize-Präsident Hans Klaasen, Schatzmeister Frank Ratig, Schriftführer Hugo Müller und die drei Beisitzer, den Polizisten Egon Schulze, Amtsrichter Peter Hurtig und den Stadtverordneten Günther Herzog vollständig vertreten. Böse Zungen behaupten, Frauen hätten im Verein keine Chance, in höhere Ämter vorzudringen. Das sieht Ewald anders. Die Ehefrauen seiner Vorstandskollegen sind stets bei diesen oder ähnlichen Anlässen dabei. Darin erkennt er eine aktive Beteiligung der Frauen an der Geschäftspolitik des Klubs. Entscheidungen werden oft zur Familienangelegenheit. Auch er befragt regelmäßig seine Frau und lässt sich Ratschläge geben. Er ist sehr stolz auf seine Frau Brigitte, mit der er seit 17 Jahren eine glückliche Ehe führt. Sie ist ausgesprochen hübsch. Blond und gut gebaut, mit fraulichen Formen und üppigen Rundungen an den richtigen Stellen ausgestattet, braucht sie auch mit ihren 38 Jahren mit jüngeren Frauen keinen Vergleich zu scheuen. Brigitte und Ewald ergänzen sich beide, trotz des Altersunterschiedes von 15 Jahren, prächtig. Er bringt als erfolgreicher Unternehmer das Geld nach Hause. Sie managt das große Haus, man muss wohl von einer Villa sprechen, den riesigen Garten sowie den Haushalt und betreut ihre beiden Kinder, zwei Mädchen im Alter von 10 und 16 Jahren. Ewald probiert den Lachs und Kaviar und prostet seinen Vorstandskollegen mit einem Glas Champagner zu. Sein Vertreter Hans Klaasen erwidert seinen Gruß nicht. Er scheint heute mit seinen Gedanken woanders zu sein. Wahrscheinlich ist er mit seinen Bankgeschäften beschäftigt. Auf dem Kapitalmarkt herrscht ja zurzeit ein großes Misstrauen gegenüber den Bankern. Das wird ihm zu schaffen machen. Ewald ist zwei Jahre älter als Hans. Er findet aber, dass er wesentlich jünger aussieht. Klaasens Ehefrau Gerda kann es mit Brigittes Attraktivität und weiblicher Ausstrahlung nicht aufnehmen. Sie wirkt bereits wie eine alte Frau und irgendwie verbittert, obwohl sie erst 51 Jahre alt ist. Ein erwachsener Sohn komplettiert die Familie Klaasen. Ralf lebt mit seiner Frau Christine und Sohn Kai 600 Kilometer von Oberspießbach entfernt. Er hat schon in jungen Jahren Karriere als Verwaltungsbeamter in einer großen Bundesbehörde gemacht. Seine Eltern sind sehr stolz auf ihn, seine nette Frau und ihren vierjährigen Enkel. Ewald wirft einen Blick auf die Kellnerin, die der Pächter der Vereinsgaststätte zurzeit als Aushilfe beschäftigt. Sie trägt eine tief ausgeschnittene weiße Bluse und einen engen schwarzen Rock und geizt wahrlich nicht mit ihren Reizen. Wenn er nicht so glücklich verheiratet wäre, könnte er bei dieser flotten Biene leicht all seine guten Vorsätze vergessen und sich seinem Jagdtrieb hingeben. Er blickt in die Tischrunde. Neben Klaasen sitzt sein Schatzmeister, Regierungsrat Frank Ratig, diesmal allerdings ohne seine Ehefrau. Sie hat sich entschuldigen lassen. Es gehe ihr nicht gut. Da kann man nichts machen, gleichwohl der Präsident Wert darauf legt, dass die verheirateten Vorstandsmitglieder bei solchen Anlässen immer in Begleitung ihrer Frauen erscheinen. Der geschäftsführende Vorstand wird durch den Schriftsteller Hugo Müller als Schriftführer komplettiert. Müller ist mit knapp vierzig der Jüngste im Bunde und steht, wenn man den Zeitungen glauben darf, am Anfang einer großen Karriere als Literat. Ein Magazin hat ihn in einem Portrait mit Franz Kafka verglichen. Er hat schon einige regionale Buchpreise gewonnen. Ihm wird nachgesagt, dass er schlampig mit seinem großen Talent umgehe und manchmal zu faul zum Schreiben sei. Durch eine Erbschaft befindet er sich in der glücklichen Lage, finanziell unabhängig zu sein. Ein regelmäßiges Einkommen sichert ihm darüber hinaus seine Tätigkeit als Stadtschreiber, die man ihm vor zwei Jahren übertragen hat. Wie es im Leben so ist, haben ihm dabei seine Beziehungen geholfen. Nicht zuletzt die Fürsprache von Regierungsrat Ratig, der in der Rechtsabteilung der Stadtverwaltung tätig ist, hat sich für ihn positiv ausgewirkt. Auch der Beisitzer und Stadtverordnete Herzog hat sich für ihn ausgesprochen. Ewald denkt an die bevorstehenden Vorstandswahlen, die im nächsten Jahr stattfinden. Er befürchtet, dass seine Widerwahl diesmal nicht so einfach sein wird. Das Amt des Präsidenten des Traditionsvereines ist sehr begehrt und bietet jede Menge Sozialprestige. Man befindet sich in Augenhöhe mit den höchsten Würdenträgern der Stadt. Er möchte diese Position nicht missen. So denken sicherlich auch seine Vorstandskollegen. Er spürt förmlich die Ambitionen von Klaasen und Ratig, die sich gute Chancen ausrechnen. Aber noch zieht er die Fäden und bestimmt die Politik des Vereines. Und das soll sich nicht so schnell ändern. Dafür wird er schon sorgen. Wenn es sein muss, mit allen Mitteln. Ewald lächelt in sich hinein. Er ist zuversichtlich, auch nach der nächsten Wahl die Chef-Position einnehmen zu können. Ein lautes Lachen unterbricht die augenblickliche Stille. Der erfolgreiche Tennisspieler Johannes Wagner lacht anscheinend über seine eigenen Witze. Ewald blickt ihn fragend an, doch schon ist Johannes wieder in die Unterhaltung mit seiner attraktiven Tischnachbarin vertieft. Wagner ist 22 Jahre jung und das Aushängeschild des Tennisclubs. Er ist braungebrannt und sieht verdammt gut aus. Das weiß er natürlich. Seine Selbstsicherheit grenzt oft an Arroganz und Überheblichkeit. Er ist groß und schlank. Kein Gramm überflüssiges Fett haftet an ihm. Im Sommer trainiert er gelegentlich mit nacktem Oberkörper und zieht die Blicke aller anwesenden Frauen und Mädchen auf sich. Er ist ein klassischer Frauenschwarm. Die weiblichen Vereinsmitglieder streiten sich darum, von ihm trainiert zu werden. Sein Terminkalender ist voll. Es gibt eine lange Warteliste. Im vergangenen Jahr wurde er bei den nationalen Meisterschaften Vize-Meister. Das Finale hat er nur knapp verloren. In der nationalen Rangliste wird er auf Platz 3 geführt, obwohl er nur wenige Turniere spielt. Für das internationale Geschäft fehlt es ihm an Disziplin und dem unbändigen Willen, Karriere zu machen. Er will sein Leben nicht dem Sport unterordnen. Tennis soll ihm Spaß machen. Er will keinen Stress haben. Die Tätigkeit als Trainer und die Unterstützung, die er zusätzlich aus einem von Ewald initiierten Sponsoren-Pool erhält, reichen ihm. Er geht lieber nach dem Training auf Partys und feiert mit seinen vorzugsweise weiblichen Fans bis in den frühen Morgen. Ewald mag ihn nicht, aber er braucht ihn. Für seinen Club. Denn ohne ihn würde sein Verein erheblich an Bedeutung verlieren. Diese Notwendigkeit lässt er sich einiges kosten. Brigitte fängt bald mit Trainerstunden bei ihm an, die Ewald kraft Amtes angeordnet hat. Die Zeit dafür muss sich der Jungstar nehmen, ob es ihm passt oder nicht. In der zweiten Januar-Woche soll das persönliche Training beginnen. Die neue Tennishalle, die dank Ewalds Kontakten im Stadtparlament und in der Verwaltung mit Fördermitteln der Stadt gebaut und vor drei Wochen fertiggestellt werden konnte, steht zur Verfügung. Aus den Augenwinkeln heraus sieht von Stierken seinen Mann für das grobe Geschäft in der Ecke des großen Raumes stehen. Wie immer etwas abseits und möglichst unauffällig. Franz Bechner: Ordner, Objektschützer, Fahrer, Haus- und Platzwart in einer Person. Ewald hat ihm den Job ermöglicht. Dafür ist Franz ihm zu Dank verpflichtet und tief ergeben. Der Präsident kann sich auf ihn verlassen. Bedingungslos. Das erwartet er auch. Keine langen Reden, nur Befehle befolgen. Bechner bezieht ein bescheidenes festes Gehalt über den Tennisverein. Für seine Sonderaufträge erhält er von Ewald eine zusätzliche Entlohnung. Je nach Laune können das 20, 50 oder sogar 100 Euro sein, die ihm von Stierken stets gönnerhaft zusteckt. Franz Bechner ist eine Angst einflößende Erscheinung. Breitschultrig, mit Kurzhaarschnitt, durchtrainiert, ca. 1,85 m groß und 110 Kilogramm schwer und stets schwarz gekleidet, wirkt er wie ein gefährlicher Schläger, Hooligan oder militanter Rechtsradikaler. Von Stierken weiß aus Erfahrung, dass er genauso gefährlich und skrupellos ist, wie er aussieht. Langsam verabschieden sich die ersten Gäste. Es ist draußen dunkel geworden. Der Neujahrsempfang war wieder ein Erfolg. Zufrieden bestellt Ewald sich an der Bar noch einen Absacker.
Brigitte von Stierken zieht sich vor dem großen Spiegel im Schlafzimmer an. Sie betrachtet sich kritisch, kann aber keinen offensichtlichen Makel erkennen. Ihr Bauch ist flach wie bei einer 2o-Jährigen. Der BH hebt ihren großen Busen noch ein Stück höher. Zuhause trägt sie manchmal unter ihrem T-Shirt keinen Büstenhalter. Sie kann es sich erlauben. Brigitte dreht sich um. Auch der Hintern ist straff und fest. Sie ist mit sich zufrieden. Sie blickt auf die Uhr. Es ist 10.30 Uhr. Sie muss sich beeilen, wenn sie nicht zu ihrer ersten Trainerstunde, die um 11.00 Uhr angesetzt ist, zu spät kommen will. Brigitte zieht sich eine enge blaue Jeans und Wollsocken an und streift einen roten Pullover über. Sie packt ihre Tennissachen in die blaue Sporttasche ein und eilt die Treppe hinunter. Vor der Garderobe steigt sie in ihre warmen Schuhe und greift sich den schweren Wintermantel. Ihr Wagen, ein gelbes Audi-Cabriolet, steht vor dem Haus auf der Einfahrt. Sie setzt sich hinter das Steuer, stellt den CD-Player auf volle Lautstärke und fährt mit quietschenden Reifen los. Zum Glück sind es mit dem Auto nur 5 Minuten bis zum Tennisverein. Gegen 10.55 Uhr parkt sie ihr Fahrzeug auf dem Parkplatz. Sie bleibt noch einen Moment sitzen und lauscht den Klängen ihrer Lieblingsmusik. Eine Viertelstunde später betritt Brigitte die Tennishalle. Ihr Trainer macht sich schon warm. „Das nächste Mal kommen wir aber pünktlich, Frau von Stierken!“ Spöttisch blickt sie ihn an. Will er ihr im Ernst Vorschriften machen? Er mustert sie frech von oben bis unten. Wirklich eine schöne Frau. Und wie es ausschaut, noch gut in Form. Ihr hell-blaues Tennis-Shirt spannt mächtig über ihrem großen Busen. Der kurze Tennis-Rock gibt den Blick auf ihre wohlgeformten Oberschenkel und Waden frei. Sie spürt förmlich, wie er sie mit seinen Augen verschlingt und in Gedanken langsam auszieht. „Wollen wir endlich anfangen, Herr Wagner?“ Er muss sich zusammenreißen, um sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. „Natürlich! Entschuldigung! Zuerst üben wir Ihren Aufschlag.“ Sie hat große Probleme mit dem Überkopf-Aufschlag. Nach einigen kläglichen Versuchen hilft er ihr. Er stellt sich dicht hinter sie. Ihr teures französisches Parfüm liegt schwer in der Luft und betäubt ihn fast. Dagegen ist sein Aftershave und Eau de Toilette eher unauffällig. Er muss husten. Dann zeigt er ihr die Grundstellung. Johannes nimmt ihren rechten Arm und zieht ihn über den Kopf nach oben. Wie unabsichtlich streichelt er dabei sanft über ihre nackte Haut. Ein Schauer geht durch ihren Körper. Sie sind allein auf dem Tennisplatz. Sie versucht, etwas mehr Abstand zu halten. Er lässt sich nicht beeindrucken und ist sofort wieder direkt hinter ihr. Für einen Moment wird sie von seinem Unterkörper gestreift. Brigitte nimmt ihren Arm herunter und schaut nervös auf die Uhr. Er rückt sofort von ihr ab. Noch 10 Minuten. Beide sprechen nicht. Wagner blickt sie herausfordernd an. Sie weicht seinem Blick aus. Ihre Augen wandern wie unter Zwang nach unten. Empört wendet sie sich ab: „Mir reicht es für heute!“ Er grinst sie an: „In Ordnung, Frau von Stierken, bis zum nächsten Mal! Ich freue mich jetzt schon auf Sie. Auf Wiedersehen!“ Sie eilt davon. In der Umkleidekabine duscht sie und zieht sich an. Sie fährt schnell nach Hause. Brigitte muss ihren Kindern pünktlich das Mittagessen auf den Tisch stellen. Sie ist verärgert, über sich selbst. Seine Berührungen haben sie erregt. Auch, wenn sie es nicht wahrhaben will. Das ist ihr bisher noch nicht passiert. Unter der Dusche musste sie kaltes Wasser über ihren erhitzten Körper laufen lassen. Wenn sie an seine Berührungen zurückdenkt, stellt sich sofort wieder das angenehme Kribbeln ein, das sie vorhin empfunden hat und sie fängt an zu zittern. Das ist ihr entsetzlich peinlich. Sie hat das Gefühl, etwas Verbotenes getan zu haben und fühlt sich schmutzig. Davon darf ihr Mann niemals etwas erfahren. Es wird wohl besser sein, wenn sie keine Trainerstunden mehr bei Wagner nimmt. Sie muss sich nur eine passende Ausrede für Ewald einfallen lassen, damit er keinen Verdacht schöpft.
Es ist schon spät am Abend, doch Hans Klaasen sitzt immer noch in seinem großen Büro im 12. Stock der Geschäftsstelle der Nationalen Universum Bank (NUB). Wenn er allein ist, schaltet er manchmal seine Schreibtischlampe aus, bleibt in der Dunkelheit des Raumes sitzen und schaut auf die Lichter der Stadt. Dann kann er am besten nachdenken. Über sein Leben, die Arbeit und seine Ehe. Seine Sekretärin hat er bereits vor zwei Stunden nach Hause geschickt. Es war ein normaler Arbeitstag. Kleine Geschäftsabschlüsse mit Privatkunden. Er überschlägt seine Umsätze aus Aktien- und Wertpapiertransaktionen und kommt immerhin auf rund 200 Euro an Provisionen, die er heute zusätzlich verdient hat. Hans denkt an die bevorstehende Vorstandswahl im Tennisverein. Er will auf jeden Fall als Präsident kandidieren. Im Erfolgsfall könnte er wieder frischen Wind in seine Ehe hineinbringen. Wie stolz wäre seine Frau auf ihn, wenn ihm das gelingen würde. Der damit verbundene soziale Aufstieg ist beachtlich. Das Leben heißt Veränderung und nicht Stillstand. Aber der amtierende Präsident wird ihm die Position nicht freiwillig überlassen. Es wird einen harten Wahlkampf geben. Es geht das Gerücht um, dass auch der Schatzmeister mit einer Kandidatur liebäugelt. Also wird es einen Dreikampf geben. Der Favorit bleibt natürlich Ewald von Stierken, der erfolgreiche Bauunternehmer und Groß-Mäzen des Vereines. Objektiv betrachtet, hat Hans selbst nur Außenseiterchancen. Man wird sehen, was die Zukunft bringt. Vielleicht kann er ein wenig am Rad der Geschichte drehen. Mit seiner Frau gestaltet sich das Zusammenleben immer schwieriger. Nach dem ihr gemeinsamer Sohn Ralf das Elternhaus verlassen hat, um eine eigene Familie zu gründen, ist Gerda regelrecht in ein Vakuum gefallen. Sie hat eine sehr enge Beziehung zu Ralf. Nun fühlt sie sich oft überflüssig und hat das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden. Sie lebt erst richtig auf, wenn Ralf mit seiner Familie zu Besuch kommt. Und das passiert mindestens viermal im Jahr. In der nächsten Woche ist es mal wieder soweit. Ralf kehrt für ein paar Tage in den Schoß der Familie zurück. Hans blickt auf die Uhr. Es ist kurz nach zehn. Als er nach Hause kommt, vermutet er, dass Helga schon schlafen wird. Er schließt die Haustür auf und verhält sich sehr leise. Seine Frau soll nicht aufwachen. Hans legt sich im Arbeitszimmer auf die Couch. Zu Gerda zieht ihn seit einiger Zeit nichts mehr. Er glaubt zu wissen, dass es seine Frau ähnlich sieht und darüber nicht traurig ist. Sie haben sich zurzeit nur noch wenig zu sagen. Ist das der unabänderliche Lauf der Dinge? Jedenfalls scheinen beide froh und erleichtert zu sein, nicht miteinander sprechen zu müssen. Hans schläft zuversichtlich ein. Bald wird der Besuch ihres Sohnes wieder für Auftrieb in ihrer Beziehung sorgen.
Frank Ratig macht pünktlich um 15.00 Uhr Feierabend. Er will heute Abend mit seiner Frau Heike essen gehen. Der Regierungsrat hat beim Griechen um 20.00 Uhr einen Tisch bestellt. Vorher ist er noch mit seinem Vorstandskollegen, dem Schriftführer Hugo Müller, zum Tennis verabredet. Auf der Fahrt zum Tennisverein denkt er über seine berufliche Karriere nach. Er hat sich vor vier Wochen auf die Stelle des Leiters der Rechtsabteilung in der Stadtverwaltung beworben. Der persönliche Referent des Oberbürgermeisters hat ihm bisher lediglich den Eingang seiner Bewerbung bestätigt. Er weiß aus gut unterrichteten Kreisen, dass es zwei Mitbewerber gibt. Einen jungen Juristen, Anfang dreißig, von außen und einen 55-jährigen Kollegen aus der Stadtverwaltung. Ratig rechnet fest damit, die Stelle zu bekommen und zum Oberregierungsrat befördert zu werden. Das wäre noch einmal ein lukrativer Karrieresprung und trotz seiner erst 45 Jahre seine letzte Chance, in der Stadtverwaltung aufzusteigen. Und die Dotierung der Stelle, Besoldungsgruppe A 14 höherer Dienst, ist nicht zu verachten. Auch im Blick auf seine Kandidatur zum Präsidenten des Tennisvereines würde ihm die Beförderung gut anstehen. Er hofft, dass bald eine Entscheidung über die Stellenvergabe getroffen wird. Seine Chancen auf den Chef-Posten im Verein sieht er hingegen, realistisch betrachtet, nicht als sehr groß an. Dazu ist Ewald von Stierken zu mächtig und einflussreich. Er kennt Hinz und Kunz und spielt mit dem Oberbürgermeister, dem Landtagsabgeordneten, dem Bundestagsabgeordneten, dem Landes-Wirtschaftsminister und dem Präsidenten des Unternehmerverbandes Golf. Frank müsste eine Schwachstelle bei Ewald herausfinden und öffentlich machen, die ihm das Genick bricht. Aber im Moment ist diese nicht erkennbar. Doch noch ist Zeit. Wie heißt es doch so schön in der Beamtenschaft: Kommt Zeit, kommt Rat, kommt Oberrat! Warum soll sich diese Binsenweisheit nicht auf andere Lebensfelder übertragen lassen? Der Schriftführer und der Schatzmeister belassen es heute bei zwei Sätzen. Erschöpft und durchgeschwitzt schlendern sie zur Umkleidekabine. Ratig ärgert sich. Den ersten Satz hat er deutlich mit 6:1 gewonnen, den zweiten unglücklich mit 6:7 im Tie-Break verloren. Er flucht leise vor sich hin. Der Schriftsteller versucht, seinen Freund zu trösten: „Nun hör schon auf, Frank! Es gibt Schlimmeres!“ „Was denn?“ Beide müssen lachen. Sie duschen lang und ausgiebig. Abwechselnd kalt und warm. „Wie geht es Heike?“ „Soweit gut, heute wollen wir zum Griechen gehen.“ „Das hört sich gut an! Dann hast du wahrscheinlich keine Zeit, nach der Sauna noch ein Bier zu trinken?!“ „Du hast es erfasst! Tut mir leid!“ Für die beiden Männer ist es zum Ritual geworden, nach dem Tennis und Duschen die Sauna aufzusuchen. Sie befindet sich zwischen den Umkleideräumen der Männer und Frauen. Darauf freuen sie sich schon den ganzen Tag. Es handelt sich um eine gemischte Sauna. Da gibt es manchmal etwas zu sehen. Wie Männer eben so sind. Frank gibt seiner Hoffnung Ausdruck: „Vielleicht haben wir ja heute Glück?!“ „Hoffentlich!“ Sein Handtuch um die Hüften gewickelt, öffnet Hugo die Tür. Die Sauna ist leer. Nun heißt es abwarten. Nach wenigen Minuten kommt der Tennis-Jungstar mit Katrin, einem attraktiven Mädchen, vielleicht 18 Jahre alt, herein. Ein großes Badetuch verhüllt ihre zweifellos vorhandenen fraulichen Reize. Der Schatzmeister zwinkert Johannes Wagner zu und malt mit seiner rechten Hand eine Zahl in die Luft. Wagner versteht sofort, legt den Arm um seine Begleiterin und zieht ihr plötzlich das Handtuch mit einem Ruck weg. Sie ist zu überrascht, um sofort zu reagieren. Ratig und Müller betrachten ungeniert ihren nackten Körper. Sie schämt sich furchtbar und versucht, sich aus der Umklammerung von Johannes loszureißen. Doch er hält sie mit seinen kräftigen Armen fest. Ihr schießen Tränen in die Augen. „Bitte, lass mich gehen!“ Er macht sich über sie lustig. „Ist doch nur Spaß, Baby! Wir gucken dir schon nichts weg!“ „Bitte!“ Müller fühlt sich genötigt, dem Treiben ein Ende zu setzen: „Lass sie gehen, Johannes!“ „Na gut!“ Sie greift hastig nach ihrem Handtuch. Bevor sie ihre Blöße wieder bedecken kann, versetzt ihr Wagner noch einen Schlag auf ihr Gesäß. Die Männer lachen. Das Mädchen verlässt eilig die Sauna.
Heike Ratig zieht sich rasch um. Frank muss gleich hier sein. Sie hat einen anstrengenden Arbeitstag hinter sich gebracht. Die Arbeit als Verkäuferin ist anstrengend und monoton und erfüllt sie nicht. Ihr Mann hat ihr versprochen, dass sie bald kürzer treten kann, wenn er zum Oberregierungsrat befördert wird und die Höhe der Darlehens-Raten für ihr Reihenhaus eine Neufestsetzung auf niedrigerem Niveau erfahren hat. Sie ist wütend auf Frank. Musste er unbedingt den allwissenden und gewieften Finanzfachmann spielen und ein Forward-Darlehen bereits drei Jahre vor Ende der Zinsfestschreibung abschließen?! Sie hätten viel stärker von den noch weiter sinkenden Zinsen profitieren können. Er holte sich fachlichen Rat bei vielen Experten. Sein Vorstandskollege, der Banker Hans Klaasen, riet ihm zum Beispiel davon ab. Aber er konnte wieder einmal nicht hören. Viele ahnungslose Häuslebauer sind nun besser dran, obwohl sie nichts dazu getan haben. Wirklich ärgerlich! Sie erinnert sich an den Moment, als er seinen Fehler zugeben musste. Sie schmunzelt jetzt noch und sieht sein Gesicht genau vor sich. Der sonst so selbstsichere Herr Regierungsrat und Schatzmeister Frank Ratig war völlig aufgelöst. Welch Schmach, dass ausgerechnet ihm so etwas passierte. Er dachte wieder, schlauer als andere zu sein. Wie so oft! Sie musste ihm hoch und heilig versprechen, Stillschweigen über die Angelegenheit zu bewahren. In der Zwischenzeit haben sie sich mit ihrem Pech abgefunden. Was bleibt ihnen auch anderes übrig? Sie sitzen seit zwei Stunden in ihrem Lieblingsrestaurant. Griechische Musik entführt sie auf eine einsame Insel. Sie fühlen sich umgeben von Sonne, Meer und einem weißen Strand. Der häufig auf Kosten des Hauses nachgereichte Ouzo verfehlt seine Wirkung nicht. Was für ein schöner Abend. Endlich einmal wieder sind sie unbeschwert und glücklich. Er freut sich schon auf die Forstsetzung und hofft zuhause auf weitere schöne Stunden. Irgendwann denkt er an den morgigen Arbeitstag und verlangt die Rechnung. Der Kellner eilt mit einem Tablett und zwei Schnäpsen an ihren Tisch. „Mach es nicht so teuer, Alexis!“ „Aber wo denken Sie hin, mein Herr!“ Frank wirft einen kurzen Blick auf den Kassenbon und gibt dem Kellner zwei Fünfzigeuroscheine. „Stimmt so!“ „Ich danke Ihnen vielmals, Herr Regierungsrat!“ Alexis rennt förmlich zur Garderobe, um ihre Mäntel zu holen. Er stürzt zum Ausgang, um ihnen die Tür aufzuhalten. „Auf Wiedersehen, meine Herrschaften, beehren Sie uns bald wieder!“ Er reicht beiden die Hand. „Tschüss, Alexis!“ „Auf Wiedersehen, Alexis!“ Frank steckt ihm zum Abschied noch einen Fünfeuroschein zu. Der Kellner verbeugt sich tief. „Vielen Dank, Herr Ratig! Aber das ist doch nicht nötig!“ Er winkt ihnen nach. Sie beschließen, ihren Wagen, einen BMW der 5er-Reihe, aufgrund ihres Alkoholkonsums stehen zu lassen und verzichten auch auf ein Taxi. Sie wollen nach Hause laufen. Die frische und kalte Winter-Luft genießen. Er legt seinen Arm um ihre Schulter. Sie tätschelt seinen Rücken. Vor ihnen tauchen die Lichter von den Scheinwerfern entgegenkommender Autos auf, um dann als rote Rückleuchten hinter ihnen wieder zu verschwinden. Sie sprechen nicht. Jeder hängt seinen eigenen Gedanken nach. Sie brauchen eine halbe Stunde. Dann haben sie ihr Reihenhaus erreicht. Frank schließt die Tür auf und lässt seine Frau eintreten. „Normalerweise müsste ich dich ja über die Schwelle tragen!“ „Und warum tust du es nicht?“ „Ach Schätzchen, dazu sind wir langsam zu alt.“ „Wenn du meinst!“ „Trinken wir noch einen Absacker?“ „Na gut, aber wirklich nur einen, ich habe morgen Frühschicht.“ Er gießt zwei Gläser voll. Sie prosten sich zu. Er will sie zur Couch führen. Sie ahnt, was er im Schilde führt. Aber sie hat keine Lust. „Ich bin müde, Frank! Sei mir nicht böse, aber ich gehe ins Bett. Gute Nacht!“ Schon ist sie verschwunden. Ratig ärgert sich. Da verbringt man mal wieder einen netten Abend miteinander und er hatte gehofft, dass es noch einen krönenden Abschluss gibt. Und dann das! Er gießt sich noch einen Schnaps ein. Er wird heute Nacht auf dem Sofa im Wohnzimmer schlafen.
Der Polizist Egon Schulze liegt im Wohnzimmer auf der Couch und guckt Fußball. Da das Spiel langweilig ist, hat er die Möglichkeit, seine Situation zu überdenken. Er ist stolz darauf, die Funktion eines Beisitzers im Vorstand des renommierten Tennisvereines bekleiden zu dürfen. Wenn seine Frau und er neue Bekanntschaften schließen, was selten genug vorkommt, höchstens mal im Urlaub, dauert es nicht lange, meistens wartet er gerade noch die Aufwärmphase ab, und er erzählt von seiner Mitgliedschaft und Vorstandstätigkeit im stadtbekannten Tennisclub. Ohne die Fürsprache von Ewald wäre er niemals in diese Funktion gewählt worden. Dafür ist er ihm unendlich dankbar und tief verbunden. Kurz nach der Vorstandswahl sagte von Stierken zu ihm: „Egon, vergiss nicht, wer dir diesen Posten ermöglicht hat! Es kommt der Zeitpunkt, wo du dich revanchieren kannst. Ich werde dich zu gegebener Zeit daran erinnern. Prost!“ „Prost, Ewald, du kannst dich auf mich verlassen, ich werde immer für dich da sein!“ Natürlich drückt der Polizei-Inspektor auch jetzt schon mal ein Auge zu, wenn die Vorstandsmitglieder nach Feierlichkeiten angetrunken nicht auf ihr Auto verzichten wollen. Dann fühlt er sich als Privat-Person nicht im Dienst und lässt das Auge des Gesetzes darüber hinwegsehen. Er wird durch die laute Stimme des Reporters wieder in die Gegenwart zurückgerufen. Seine Mannschaft hat gerade das 1:0 geschossen. „Ja, TOR…!“
Der Richter am Amtsgericht von Oberspießbach, Peter Hurtig, hat wieder einmal einen seiner vielen Bagatell-Prozesse zu führen. Einem jungen Mann wird Körperverletzung im minderschweren Fall zur Last gelegt. Da er zum ersten Mal straffällig geworden ist, konnte sich Peter schnell mit dem Staatsanwalt und Verteidiger auf ein geringes Strafmaß einigen. Während der Anklagevertreter des Staates die Klage vorträgt, schweifen seine Gedanken ab. Es wurmt Peter immer noch, dass er es trotz seines gesellschaftlich anerkannten Berufes im Tennisverein nur zum Beisitzer gebracht hat. Er befindet sich damit auf einer Stufe mit dem kleinen Polizisten Schulze. Wie peinlich! Das nagt an seinem Selbstwertgefühl. Hinzu kommt, dass er für die bevorstehende Vorstandswahl im kommenden Jahr noch nicht einmal als Kandidat für die leitenden Ämter gehandelt wird. Man hört immer nur die Namen: von Stierken, Klaasen und Ratig. So wie es im Moment aussieht, muss er schon froh sein, überhaupt als Beisitzer wiedergewählt zu werden. Und das nur, weil er von Stierken einmal laut und deutlich im Kreise des erweiterten Vorstandes seine Meinung gesagt hat. Das hat ihm der große Ewald nie verzeihen können, obwohl dieser Vorfall mittlerweile 5 Jahre zurückliegt. Er ist nachtragend wie ein Elefant und sein Einfluss ist groß und reicht bis in die höchsten Politik- und Wirtschaftskreise. Daher befürchtet Frank auch, irgendwann beruflich Schaden zu nehmen. Der Staatsanwalt beendet seine Ausführungen. Der Amtsrichter erteilt dem Verteidiger das Wort.
Günther Herzog kann den Redebeiträgen in der Stadtverordnetenversammlung nicht mehr folgen. Er hört die Stimmen nur noch wie aus weiter Ferne. Seine Augen fallen ihm zu. Er schläft ein. Er versäumt den Großteil der Sitzung. Das fällt aber nicht weiter auf. Erst als sein Nebenmann und Parteifreund Gerald Hühnerding ihn anstößt, erwacht er wieder. Es steht eine wichtige Abstimmung über den Bebauungsplan für den geplanten Supermarkt im Stadtzentrum an. Die darf er nicht versäumen. Der Stadtverordnetenvorsteher blickt in die Runde: „Wer dafür ist, den bitte ich um sein Handzeichen!“ Viele Hände gehen hoch. Der Protokollant zählt die Stimmen aus. „Bitte, die Hände oben lassen!“ Von den 20 anwesenden Stadtverordneten stimmen 14 für den Bebauungsplan, zwei enthalten sich und die Alternative Fraktion stimmt geschlossen dagegen. Typisch, denkt sich Herzog. Er kann seine Freude über das Abstimmungsergebnis kaum verbergen. Der Supermarkt kommt! Günther kann es kaum erwarten, Ewald die freudige Nachricht zu übermitteln. Dafür wird er sich erkenntlich zeigen müssen. Gut gelaunt sehnt der Stadtverordnete das Ende der Sitzung herbei.
Frederick Heinze beobachtet missmutig die angeregte Unterhaltung zwischen seiner Kellnerin Babette und Johannes Wagner. Sie stehen sich am Tresen gegenüber, haben anscheinend die Welt um sich herum vergessen und sind nur mit sich selbst beschäftigt. In der Mittagszeit ist in der Vereinsgaststätte nicht viel Betrieb. Die angebotenen Speisen werden nur wenig nachgefragt. Der Pächter muss mit ansehen, wie Wagner, er kann diesen Angeber ohnehin nicht leiden, seine Hand auf Babettes nackten Arm legt und beginnt, sie zu streicheln. Ihn ärgert, dass seine Mitarbeiterin die Berührungen sichtlich genießt. Sie sieht in ihrer weißen Bluse und dem schwarzen Rock aber heute auch wieder zum Anbeißen aus. Er kann die Bemühungen von Wagner gut nachvollziehen, wäre er doch gern an seiner Stelle. Frederick ist schon lange auf die junge Bedienungskraft scharf. Aber bisher waren seine Annäherungsversuche nicht von Erfolg gekrönt. Jetzt beugt sie sich beim Ausspülen der Gläser soweit vor, dass der Casanova ohne Schwierigkeiten in ihren Ausschnitt gucken kann und das auch gern tut. Sie hat eine große Oberweite und nutzt ihre Möglichkeiten, um die Männer in ihren Bann zu ziehen. Wer kann es ihr verdenken? Obwohl er flüstert, kann Heinze seine Worte verstehen: „Wollen wir nachher in die Sauna gehen?“ Babette kichert etwas zu laut. Sie fühlt sich geschmeichelt, von diesem Frauenschwarm und Playboy eingeladen zu werden. „Mal sehen, wann ich heute Feierabend machen kann.“ Johannes richtet sich laut an den Pächter: „Fredi, lässt du deine Kellnerin heute früher gehen?“ Heinze hat Mühe, seine aufkommende Wut zu unterdrücken. Aber er will sich nichts anmerken lassen. Er tut gelangweilt: „Von mir aus!“ „Prima, dann treffen wir uns um 18.00 Uhr in der Sauna, mein Mäuschen!“ Wagner verlässt die Gaststätte und schlendert zur Tennishalle. Babette lächelt ihm nach. Frederick geht zu ihr. Es sind im Moment keine Gäste im Lokal. „Was findest du nur an dem Schnösel?“ „Das lassen Sie mal meine Sorge sein, Chef!“ „Ich könnte dir mit Sicherheit mehr bieten!“ „Was denn zum Beispiel?“ „Vielleicht einen festen Arbeitsplatz. Dann müsstest du aber ein bisschen netter zu mir sein!“ Wie gern hätte sie einen festen Arbeitsplatz mit einem regelmäßigen Einkommen. Endlich könnte sie ihr unsicheres Dasein als Aushilfe beenden. Wenn ihre Eltern ihr nicht ab und zu Geld zustecken würden, könnte sie nicht einmal ihre kleine Wohnung bezahlen. „Was muss ich dafür tun?“ Seine Stimme nimmt einen heiseren Klang an: „Dreimal darfst du raten!“ Da betreten zwei erschöpfte Tennisspielerinnen die Gaststätte. Babette eilt zu dem Tisch, an dem sie sich niedergelassen haben. „Was darf es sein?“ Die ältere Frau bestellt: „Zweimal Salat mit Thunfisch, zwei Wasser und zwei Sekt!“ „Kommt, sofort!“ Heinze hat die Bestellung gehört und geht in die Küche. Babette kümmert sich um die Getränke. Wahrscheinlich handelt es sich um Mutter und Tochter. Sie scheinen einer gutsituierten Familie zugehörig zu sein und können sich entspannt und gelassen ihrem Ausgleichs-Sport hingeben. Die Kellnerin stellt die Flaschen und Gläser vor ihnen auf den Tisch. Die beiden Frauen stoßen an und prosten sich zu. Frederick bereitet derweil in der Küche den Salat zu. Das ist heute erst die dritte Essensbestellung. Wenn das so weiter geht, muss er bald mit von Stierken über einen niedrigeren Pachtzins verhandeln. Aber er hegt die Befürchtung, dass der Präsident ihm nicht entgegenkommen wird. Wenn es um Geld geht, ist Ewald dafür bekannt, knallhart zu verhandeln. Und dann ist es ihm egal, ob es sich um sein eigenes oder fremdes Geld handelt. Hauptsache, er hat in der Sache Erfolg und er kann andere klein machen. Aus Angst vor einer Ablehnung seines Anliegens hat der Pächter bisher gescheut, auf von Stierken zuzugehen. Wenn sich die geschäftliche Situation nicht bald bessert, wird er aber in Kürze das Gespräch mit Ewald suchen müssen. Er hat vorhin den Mund gegenüber seiner Kellnerin ziemlich vollgenommen. In seiner momentanen Lage könnte er ihr gar keinen festen Arbeitsplatz bieten. Sollte sie nun seinem Drängen tatsächlich nachgeben, müsste er auch zu seinem Wort stehen. Er kann sein Verlangen jedenfalls nicht mehr lange zurückhalten. Es brennt wie Feuer in ihm. Er verlässt die Küche mit dem Salat.
Franz Bechner macht seinen abendlichen Kontrollgang durch die Tennis-Anlage. Es ist 21.00 Uhr. Es wird in der Tennishalle noch gespielt. Einige Nachzügler sitzen in der Vereinsgaststätte und lassen sich ihr Feierabendbier schmecken. Es wird gescherzt und gelacht. Zwei Jugendliche, vielleicht 18 oder 19 Jahre alt, haben anscheinend zu viel getrunken und beginnen, sich lauthals zu streiten. „Du Idiot!“ „Halt die Klappe!“ Sie drohen, aufeinander loszugehen. Wie aus dem Nichts, erscheint plötzlich Bechner auf der Bildfläche. Gerade, als der eine von beiden zum Schlag ausholt, steht Franz hinter ihm und hält seinen Arm fest. Verwundert versucht der Streithammel, seinen Arm frei zu bekommen, aber es ist aussichtslos. Er kann ihn keinen Millimeter bewegen. „Lass mich sofort los, du Blödmann!“ „Was hast du gerade gesagt?“ „Du sollst mich in Ruhe lassen, du Hilfsarbeiter!“ Franz gibt seinen Arm frei. Der Jugendliche will nach ihm schlagen. Bechner weicht geschickt aus. Ansatzlos schießt sein rechter Arm vor. Seine Faust trifft den Störenfried mitten ins Gesicht. Es knackt verdächtig. Blut läuft aus der Nase. Er schreit: „Du hast mir die Nase gebrochen! Das wirst du bereuen“, und ergreift die Flucht. Sein Freund hat schon vorher das Weite gesucht. Franz verschwindet genauso schnell wieder, wie er aufgetaucht ist. Wie ein Phantom, so kommt es den Anwesenden vor. Er ist ganz ruhig. Das war eben nur Routine, eine Kleinigkeit, Kinderkram, keine wirkliche Herausforderung. Sein jahrzehntelanges Kampfsporttraining und Bodybuilding machen sich bezahlt. Er verfügt über hervorragende Reflexe und gestählte Muskeln. Er braucht niemanden zu fürchten. Angst kennt er sowieso nicht. Er kann im Notfall zu einer richtigen Kampfmaschine werden. Dann vergisst er alles um sich herum. Er verfolgt nur noch das Ziel, seinen Gegner zu vernichten. Man muss ihn totschlagen, um den Kampf zu beenden. Vorher hört er nicht mehr auf. Entweder oder! Franz handelt normalerweise nach dem Grundsatz, niemals zuerst zuzuschlagen oder einen Kampf zu provozieren, sondern sich nur zu verteidigen und bei einem Streit für Ruhe zu sorgen. Aber er macht auch Ausnahmen: Er erledigt seine Aufträge konsequent und kennt dabei kein Erbarmen. Das schätzen seine Auftraggeber an ihm. Sie können sich wirklich auf ihn verlassen. Ewald spürt bei ihm regelrecht Unterwürfigkeit. Franz ist ihm unendlich dankbar, dass er ihn aus der Gosse geholt hat. Er hat ihm noch einmal eine Chance gegeben, vielleicht seine letzte. Er schaut zu ihm auf, fast wie ein Hund zu seinem Herrn. Von Stierken gibt ihm Halt und eine Nische für sein Dasein, das geprägt ist von einfachen Moralvorstellungen. Für ihn hat zum Beispiel die Frau dem Manne Untertan zu sein. Seine Geschichte ist schnell erzählt: Da er gegenüber seiner Ehefrau gewalttätig wurde, hat sich Jasmin von ihm scheiden lassen. Sie hat es immer wieder versucht, es ging nicht mehr. Bechner hat sich als Türsteher, Ordner und Personenschützer durchs Leben geschlagen. Mit seiner kompromisslosen Hartnäckigkeit, auf sein scheinbares Recht zu pochen und das auch einzufordern, hat er seine zahlreichen Jobs schnell wieder verloren. Er gilt allgemein als schwieriger und äußerst streitbarer Mensch. Sein Leben ist von zahlreichen Gerichtsprozessen gezeichnet. Franz war immer stolz darauf, seine Interessen selbst vor Gericht zu vertreten. Er hat vergeblich versucht, in rechtsradikalen Kreisen und im Rockermilieu seine Heimat zu finden. Schon nach kurzer Zeit hat er im Streit das Weite gesucht oder wurde ausgeschlossen. Als Geschäftsführer und Mitinhaber eines Fitness-Studios hat Franz seine Frau unzählige Male betrogen und fast täglich Bordelle aufgesucht. Das Ehepaar Bechner lebte bereits einige Male in Trennung und mit anderen Partnern zusammen. Als er sich sein Leben nicht mehr selbst erklären konnte und die Widersprüche seiner Persönlichkeit und Psyche zu starken Kopfschmerzen und ständiger Unruhe führten, hat er sich mehrmals freiwillig in eine Nervenheilanstalt einweisen lassen. Er freute sich dort am meisten über das regelmäßige und gute Essen. Die psychiatrische Behandlung in der geschlossenen Abteilung konnte ihm nicht helfen. Er wurde als unheilbar entlassen. Die Ärzte urteilten, dass von ihm keine konkrete Gefahr für andere Leben und sein eigenes ausgeht. Sie fanden heraus, dass seine Persönlichkeit von leichter Verletzlichkeit, Sozialneid, einer niedrigen Frustrationstoleranzgrenze sowie Wut und Hass getragen wird. Kurz bevor Ewald ihn aus seiner verzweifelten Lage aufgegriffen hat, denunzierte Franz in übelster Machart ohne erkennbaren Grund einen alten Schulfreund bei dessen Arbeitgeber. Von Stierken hat insgeheim längst realisiert, dass er die Verantwortung für Bechner übernommen hat. Dank Ewald lebt er in einer gesellschaftlich geschützten Nische, immer bereit, sich wie eine Spinne auf sein nächstes Opfer zu stürzen, das sich in seinem Netz aus Wahnvorstellungen und roher Gewalt verfängt.