Liebeszauber - Louise Erdrich - E-Book
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Liebeszauber E-Book

Louise Erdrich

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Beschreibung

Eine ungewöhnliche Familienchronik. »Liebeszauber« ist die Geschichte der Kashpaws und der Lamartines, zweier Familien, deren Schicksal unauflösbar miteinander verknüpft ist. Sie sind Nachfahren der Ojibwe-Indianer und Überlebende einer rauen Welt. Zwischen Tradition und Moderne, Abenteuerlust und Heimatverbundenheit erzählen die einzelnen Familienmitglieder mal unerbittlich und düster, mal humorvoll und lakonisch ihre Geschichten. Eine Mischung, die Louise Erdrichs Debütroman „schon nach wenigen Seiten unwiderstehlich“ (Neue Zürcher Zeitung) macht. »Es gibt kaum eine so gefühlvolle und zugleich scharfsinnige Autorin wie Louise Erdrich.« Anne Tyler. »Nur die Schönheit dieses Romans rettet uns davor, von seiner gewaltige Kraft vollkommen erschüttert zu werden.« Toni Morrison.

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Seitenzahl: 571

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Über Louise Erdrich

Louise Erdrich, geboren 1954 als Tochter einer Ojibwe und eines Deutsch-Amerikaners, ist eine der erfolgreichsten amerikanischen Gegenwartsautorinnen. Sie erhielt den National Book Award, den PEN/Saul Bellow Award und den Library of Congress Prize. Louise Erdrich lebt in Minnesota und ist Inhaberin der Buchhandlung Birchbark Books.

Im Aufbau Verlag ist ihr Roman »Der Gott am Ende der Straße« und im Aufbau Taschenbuch ihre Romane »Liebeszauber«, »Die Rübenkönigin«, »Der Club der singenden Metzger«, »Der Klang der Trommel«, »Solange du lebst«, »Das Haus des Windes« und »Ein Lied für die Geister« lieferbar.

Informationen zum Buch

»Es gibt kaum eine so gefühlvolle und zugleich scharfsinnige Autorin wie Louise Erdrich.« Anne Tyler

»Liebeszauber« ist die Geschichte der Kashpaws und der Lamartines, zweier Familien, deren Schicksal unauflösbar miteinander verknüpft ist. Sie sind Nachfahren der Ojibwe-Indianer und Überlebende einer rauen Welt. Zwischen Tradition und Moderne, Abenteuerlust und Heimatverbundenheit erzählen die einzelnen Familienmitglieder mal unerbittlich und düster, mal humorvoll und lakonisch ihre Geschichten. Eine Mischung, die Louise Erdrichs Debütroman »schon nach wenigen Seiten unwiderstehlich« (Neue Zürcher Zeitung) macht.

»Nur die Schönheit dieses Romans rettet uns davor, von seiner gewaltige Kraft vollkommen erschüttert zu werden.« Toni Morrison

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Louise Erdrich

Liebeszauber

Roman

Aus dem Amerikanischen von Helga Pfetsch

Grandma Mary Gourneau, Gertrude Crow Dog und meine Brüder Mark, Louis Terry (Amikoos) und Raoul gehören zu den Menschen, die besonders in meinen Gedanken waren, als ich dieses Buch schrieb. Ich hätte es so nicht schreiben können ohne Michael Dorris, der eigene Ideen und Erfahrungen einbrachte und die Entstehung mit Hingabe und Aufmerksamkeit verfolgte. Dieses Buch ist ihm gewidmet, da er so sehr ein Teil davon ist.

Inhaltsübersicht

Über Louise Erdrich

Informationen zum Buch

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Die größten Angler der Welt

Heilige Marie

Wildgänse

Die Insel

Die Perlen

Lulus Söhne

Der Sprung des Mutigen

Fleisch und Blut

Eine Brücke

Das rote Kabrio

Die Waage

Dornenkrone

Liebeszauber

Auferstehung

Die guten Tränen

Die Tomahawk-Fabrik

Lymans Glück

Das Queren des Wassers

Stammbaum

Impressum

Die größten Angler der Welt (1981)

I

Am Morgen vor Ostersonntag schlenderte June Kashpaw die verstopfte Hauptstraße der Ölboom-Stadt Williston in North Dakota entlang, um sich die Zeit zu vertreiben, bis der Mittagsbus kam, der sie heimbringen sollte. Sie war eine langbeinige Chippewa-Frau, stark gealtert in jeder Hinsicht, außer in ihren Bewegungen. Wahrscheinlich war es die Art, wie sie sich bewegte, leicht wie ein junges Mädchen auf schlanken, festen Beinen, die den Blick des Mannes einfingen, der ihr vom Innern der Rigger Bar durchs Fenster zuklopfte. Er kam ihr bekannt vor, wie viele Leute ihr bekannt vorkamen. Sie hatte so viele kommen und gehen sehen. Er beugte den Arm, lud sie ein hereinzukommen, und sie tat es ohne Zögern, dachte nur, daß sie einen oder zwei mit ihm heben könnte und dann ihre Taschen holen, um zum Bus zu gehen. Sie wollte wenigstens sehen, ob sie ihn wirklich kannte. Sogar durch das wäßrige Glas bemerkte sie, daß er gar nicht mal so alt war und daß seine Brust dick mit dunkelrotem Nylon und teuren Daunen gepolstert war.

Auf der Theke standen Kartons mit gefärbten Eiern, jedes glänzte wie ein Edelstein in seiner Zellophanhülle. Als sie durch die Tür kam, pellte er eines, das bläulich war, wie das einer Wanderdrossel, er hielt es in der Handfläche, während er die Schale mit dem Daumen ablöste. Obwohl es ein trüber Tag war, reflektierte der Schnee allein so viel Licht, daß sie einen Augenblick geblendet war. Es war wie ein Eintauchen in Wasser. Mehr als auf alles andere ging sie auf dieses blaue Ei in der weißen Hand zu, einen Leuchtturm in der dunstigen Luft.

Er bestellte ein Bier für sie, ein Blue Ribbon, und sagte, sie verdiene einen Preis, weil sie das Beste sei, was er seit Tagen gesehen hätte. Er pellte ihr ein Ei, ein rosarotes, und meinte, es passe zu ihrem Rollkragenpulli. Sie erklärte, das sei kein Rollkragenpulli. Diese Dinger hießen ›Schale‹. Er sagte, er würde ihr die auch abpellen, wenn sie wollte, dann grinste er dem Barkeeper zu und reichte ihr das nackte Ei.

Junes Hand war von draußen kälter als das Ei, deshalb mußte sie es eine Weile zwischen den Fingern ruhen lassen, bis es aufhörte, sich gummiartig warm anzufühlen. Beim Essen merkte sie, wie hungrig sie war. Der Rest des Geldes, das der Mann vor diesem ihr gegeben hatte, war für die Fahrkarte draufgegangen. Sie wußte nicht genau, wann sie zum letztenmal gegessen hatte. Dieser Mann schien beeindruckt zu sein, als ihr Ei aufgegessen war, und schälte ihr noch eines von derselben Sorte. Sie aß auch das und dann noch eins. Der Barkeeper sah sie an. Sie zuckte mit den Schultern und klopfte eine lange Mentholzigarette aus einem weißen Plastiketui, auf dem in Goldbuchstaben ihre Initialen standen. Sie sog einen Atemzug Rauch ein und lehnte sich dann über die zerbrochenen Schalen zu ihrem Begleiter.

»Was läuft denn?« sagte sie. »Wo ist die Party?«

Ihr Haar war sorgfältig eingedreht, für die Busreise mit Spray fixiert, und ihre Augen waren tief wachsam in ihren meerblauen Schattenschluchten. Sie überlegte.

»Ich hab nicht viel Zeit, bis mein Bus ...«, sagte sie.

»Vergiß den Bus!« Er stand auf und nahm sie beim Arm. »Wir zwei machen die Party. Hörst du? Wer hindert uns? Wir haben’s doch nett zusammen!«

Als er zahlte, konnte sie nicht umhin, zu bemerken, daß er einen ansehnlichen Packen von Geldscheinen bei sich hatte, in einem roten Gummi von der Sorte, mit denen im Supermarkt die Bananen gebündelt sind. Dieser Packen half. Aber noch wichtiger war: sie hatte so ein Gefühl. Die Eier brachten Glück. Und er hatte eine gutmütige Langsamkeit an sich, die anders zu sein schien. Vielleicht ist er ja anders, dachte sie. Die Busfahrkarte würde gültig bleiben, vielleicht für immer. Man erwartete sie nicht zu Hause im Reservat. Sie hatte dort nicht einmal einen Mann, außer dem, von dem sie geschieden war. Gordie. Wenn sie in Not geriete, würde er ihr immer noch Geld schicken. So ging sie mit diesem Mann in der dunkelroten Weste weiter zur nächsten Bar. Sie fuhren in seinem Silverado-Pritschenwagen die Straße hinunter. Er war Tiefbauingenieur. Andy. Sie erzählte ihm nicht, daß sie schon andere Tiefbauingenieure kannte, und auch nicht von dem, der, wie sie gehört hatte, durch einen Überdruckschlauch getötet worden war. Der Schlauch war aus der Erde und ihm in den Bauch geschossen.

Der Gedanke an diesen Tod preßte ihr immer einen panischen, trockenen Klumpen in die Kehle, obwohl sie den Mann kaum gekannt hatte. Der Schlauch war es, dachte sie, der plötzlich aus seinem unsichtbaren Nest hochzischte, die Vorstellung von diesem Schlauch, der wie etwas Lebendiges zuschlug, das war fürchterlich. Mit einem Schlag hatte der Schlauch ihm die Eingeweide herausgefetzt. Und auch das verursachte ihr Schmerzen in der Kehle, obwohl sie schon Schlimmeres gehört hatte. Es war dieser Augenblick, dieser eine Augenblick, in dem man merkte, daß man völlig leer war. Er mußte das gefühlt haben. Manchmal, allein im Dunkeln in ihrem Zimmer, meinte sie zu wissen, wie es wäre.

Später, als in einer lauten Bar das Dunkel um sie fiel, schloß sie einen Augenblick die Augen gegen den Rauch und sah diesen Schlauch mit seinem mörderischen Atem plötzlich durch schwarze Erde emporknallen.

»Ahhh«, sagte sie überrascht, fast unter Schmerzen, »du mußt.«

»Ich muß was, Geißblättchen?« Er legte seinen Arm fester um ihre schmalen Schultern. Sie saßen mit ein paar anderen in einer Nische und tranken Angel Wings. Ihr Mund, auf dem der Lippenstift jetzt dunkel verschwamm, kippte schwankend auf seinen zu.

»Du mußt anders sein«, hauchte sie.

Noch später war es, da fühlte sie sich so zerbrechlich. Als sie zur Toilette ging, hatte sie Angst, gegen etwas zu stoßen, weil ihre Haut sich so hart und spröde anfühlte, und sie wußte, daß es in diesem Zustand möglich war, bei der geringsten Berührung zu zerfallen. Sie schloß sich in die Klokabine ein und erinnerte sich an seine Hand, wie sie die durchsichtige Haut und die knisternde blaue Schale abgeblättert hatte. Ihre Kleider juckten. Die rosa Schale war verschwitzt und unter den Armen zu weit hochgezogen, aber sie konnte die Jacke nicht ausziehen, die weiße Nylonjacke, die ihr Sohn King ihr geschenkt hatte, weil das rosa Oberteil über dem Bauch eingerissen war. Aber als sie dort saß, geschah etwas. Ganz plötzlich schien sie aus ihren Kleidern und ihrer Haut herauszutreiben, ohne daß jemand etwas dazutat. Im Sitzen beugte sie sich nach unten und legte ihre Stirn auf die Oberseite des metallenen Papierrollenhalters. Sie spürte, daß darunter ihr ganzer Körper rein und nackt war – nur die Häute waren steif und alt. Auch wenn er nicht anders war, würde sie es noch einmal durchstehen.

Ihre Tasche fiel ihr aus der Hand, alles fiel auf den Boden. Sie setzte sich auf. Der Türknauf rollte aus der offenen Tasche unter die Wand. Sie mußte diesen Türknauf jedesmal mitnehmen, wenn sie ihr Zimmer verließ. Es gab keine andere Möglichkeit, die kaputte Tür abzuschließen. Jetzt hob sie den Knauf auf und ergriff ihn an seinem Metallbolzen. Der runde Griff war aus Porzellan, glatt und weiß. Hart wie Stein. Sie steckte ihn in die tiefe Tasche ihrer Jacke und hielt ihn fest, während sie durch die dichter werdende Menge zurück zu der Nische ging. Ihr Zimmer war verschlossen. Und jetzt war sie bereit für ihn.

Es war eine Wohltat, als sie schließlich anhielten, weit außerhalb der Stadt auf einer Landstraße. Sogar in der Dunkelheit reflektierte der Schnee, als er die Scheinwerfer ausschaltete, genügend Licht zum Sehen. Sie ließ ihn mit ihren Kleidern kämpfen, aber er stellte sich so ungeschickt an, daß sie mithelfen mußte. Sie rollte ihr Oberteil sorgfältig hoch, verbarg immer noch den Riß und machte ein Hohlkreuz, damit er ihre Hose aufmachen konnte. Die Hose war aus einem Stretchmaterial, das elektrisch knisterte und blaue Funken sprühte, als er sie hinunter auf ihre Knöchel schob. Er schlug sich die Hand an den Heizungsklappen an. Sie spürte, wie die Klappen sich an ihren Schultern wie zwei Kiefer öffneten, Hitze ausströmten, und hatte einen Augenblick das lustvolle Gefühl, vor einem großen, breiten Mund ausgestreckt zu liegen. Der Atem strich über ihren Hals und machte ihre Brustwarzen steif. Dann tauchte seine Weste auf sie herunter, so glatt und samtig, daß es sich wie das Lecken einer ungeheuren Zunge anfühlte. Sie konnte nirgends einen Halt für ihre Hände finden. Und sie spürte, wie sie den glatten Plastiksitz entlangglitt, wegglitt, bis sie sich mit dem Kopf gegen die Fahrertür stemmte.

»O Gott«, stöhnte er. »O Gott, Mary, o Gott, das ist gut.«

Er tat nichts, bewegte nur seine Hüften auf ihr, und endlich fiel sein Kopf schwer herunter.

»He du«, sagte sie und schüttelte ihn. »Andy?« Sie schüttelte ihn heftiger. Er rührte sich nicht und ließ auch keinen Takt seiner tiefen Atemzüge aus. Sie wußte, daß er jetzt nicht zu wecken war, deshalb lag sie still unter seinem Gewicht. Sie blieb ruhig, bis sie merkte, wie sie wieder zerbrechlich wurde. Ihre Haut fühlte sich glatt und fremd an. Und dann wußte sie, wenn sie noch länger liegenblieb, würde sie weit aufbrechen, nicht an einer Stelle, sondern in viele Stücke, die er erdrücken würde, wenn er sich im Schlaf bewegte. Sie wollte sich in sich zurück-, zusammenziehen. Deshalb winkelte sie einen Arm über dem Kopf ab, drückte den Ellbogen langsam hinunter auf den Griff und öffnete ihn. Die Tür sprang plötzlich weit auf.

June hatte sich so fest gegen die Tür gestemmt, daß sie hinausfiel, als sie die Klinke löste. In die Kälte. Es war ein Schock wie eine Geburt. Irgendwie landete sie aber mit halbausgezogener Hose, als hätte sie sie in der Luft hochgezogen, und dann schloß sie schnell ihren Büstenhalter, zog ihr Oberteil herunter und griff nach hinten ins Auto. Ohne herumzutasten, fand sie ihre Jacke und Tasche. Inzwischen war unklar, ob sie betrunkener oder nüchterner war als je zuvor in ihrem Leben. Sie ließ die Tür auf. Die Heizung, auf eine Temperaturautomatik eingestellt, gähnte hinter ihr heiser auf, und sie hörte sie, zumindest war ihr so, noch eine halbe Meile die Straße hinunter. Dann hörte sie nichts mehr als ihre eigenen Stiefel, die auf Eis knirschten. Der Schnee war hell, warf Sternenlicht zurück. Sie konzentrierte sich auf ihre Füße, darauf, sie exakt die festgefahrenen Reifenspuren entlangzusteuern.

Sie war weit genug gegangen, um den dumpf orangeroten Schein zu sehen, den Baldachin von tief hängenden, angestrahlten Wolken über Williston, als sie beschloß, nach Hause zu gehen, anstatt dorthin zurück. Der Wind war mild und feucht. Ein warmer Fallwind, sagte sie sich. Sie bog nach rechts von der Straße ab, stieg auf eine Schneewehe, die über einen Schneezaun gefroren war, und begann, sich ihren Weg durch die Büschel von abgestorbenem Gras und die vereisten Krusten des offenen Ackerlands zu suchen. Ihre Stiefel waren dünn. Deshalb trat sie auf trockenen Boden, wo sie konnte, und vermied den Matsch und die brüchigen grauen Schollen. Es war genau, als kehrte sie von einem Fideltanz oder vom Haus einer Freundin zurück zu Onkel Elis warmer, nach Mann riechender Küche. Sie querte die weiten Felder, schwang dabei ihre Tasche und trat vorsichtig auf, um ihre Füße trocken zu halten.

Auch als es zu schneien anfing, verlor sie ihren Richtungssinn nicht. Ihre Füße wurden gefühllos, aber sie machte sich keine Gedanken wegen der Entfernung. Die schweren Windstöße konnten sie nicht von ihrem Kurs ablenken. Sie ging weiter. Noch als ihr Herz sich ballte und ihre Haut knistrig kalt wurde, machte das nichts, denn der reine und nackte Teil ihrer selbst ging weiter.

An diesem Ostern fiel mehr Schnee als in den vergangenen 40 Jahren, aber June überschritt ihn wie Wasser und kehrte heim.

2 Albertine Johnson

Nach jenem falschen Frühling, als der Schneesturm hereinbrach und den Staat zudeckte, schmolz aller Schnee, und der Sommer war da. Es war schon fast heiß in der Woche nach Ostern, als ich aus Mamas Brief erfuhr, daß June nicht mehr war – nicht nur tot, sondern plötzlich begraben, vom Erdboden verschluckt, wie jener plötzliche Schnee.

Fern von zu Hause, in der Souterrainwohnung einer weißen Vermieterin, gab mir dieser Brief das Gefühl, selbst begraben zu sein. Ich öffnete den Umschlag und las. Ich saß an meinem Linoleumtisch und hatte mein Lehrbuch beim Kapitel »Patientenmißbrauch« aufgeschlagen. Zwischen meiner Mutter und mir waren Beschimpfungen langsam und weitschweifig, sie brauchten lange Ruhezeiten, saßen im Blut wie Hepatitis. Wenn sie ausbrachen, war das fast eine Wohltat.

»Wir wußten, daß Du wegen Deinem Studium wahrscheinlich nicht zum Begräbnis hättest wegkönnen«, stand in dem Brief, »deshalb haben wir Dich gleich gar nicht angerufen, um Dich nicht zu stören.«

Sie benützte immer den Pluralis majestatis, um die Bedeutung dessen, was sie sagte, durch unsichtbare andere zu verstärken.

Ich legte den Brief hin und starrte ins Leere, wie man es tut, wenn einen etwas Schlimmes getroffen hat, gegen das man nichts tun kann. Zuerst war ich so böse darüber, daß Mama mich nicht zur Beerdigung geholt hatte, daß ich nicht einmal etwas Richtiges für Tante June empfinden konnte. Dann, nach einer Weile, bemerkte ich, wohin ich starrte – durchs Fenster auf die Erde davor –, und ich dachte an sie.

Ich dachte an June, wie sie nervös in Grandmas Küche saß, Asche wegschnipste, mit einem spitzbeschuhten Fuß wippte. Oder wie sie weltläufig ihre Handtasche aufschnappen ließ, um jedem von uns Kindern ein Milcheis zu kaufen. Ich dachte an sie, wie sie mir das Haar über die Taille bürstete, als es so lang war, und sagte, ich hätte Prinzessinnenhaar. Prinzessinnenhaar! Ich trug es offen, nachdem sie das gesagt hatte, bis es sich so verwirrte, daß Mama wertvolle Zentimeter abschnitt.

June ist bei Großonkel Eli aufgewachsen, dem alten Junggesellen in der Familie. Er hatte sie aufgenommen, als Grandmas Schwester starb und Junes nichtsnutziger Morrissey-Vater davongelaufen war, um sich ein flottes Leben in der Stadt zu machen. Nachdem sie herangewachsen war und sich eine Weile umgesehen hatte, entschied sich June für meinen Onkel, Gordie Kashpaw, und heiratete ihn, obwohl sie durchbrennen mußten, um es zu tun. Sie waren Cousin und Cousine, aber fast wie Bruder und Schwester. Grandma ließ sie ein Jahr lang nicht ins Haus, so böse war sie. Wie sich herausstellte, war es ohnehin eine Ehe mit Unterbrechungen. Da sie sich so ähnlich waren, amüsierten sie sich beide gern. Und dann hatte June auch keine Geduld mit Kindern. Sie taugte nicht viel als Mutter; alle in der Familie sagten das, sogar Eli, der sein kleines Mädchen abgöttisch liebte.

Was ihr auch als Mutter abgehen mochte, June war eine gute Tante – von der Sorte, die einen verwöhnt. Sie hatte immer eine Stange Pfefferminz auf Vorrat in der Jackentasche. Ihr Hals roch frisch und süß. Sie sprach mit mir so, wie sie mit den Erwachsenen sprach, und schickte mich nie zum Spielen nach draußen, wenn ich bei einer Unterhaltung dabeisitzen wollte. Sie war hübsch gewesen. »Die indianische Miss Amerika«, nannte Grandpa sie. Sie war hübsch geblieben, auch als es mit Gordie so schlecht ging, daß sie ihm davonlief – »wie eine nichtsnutzige Morrissey«, sagten die Leute – und ihren Sohn King zurückließ. Sie hatte immer vor, es erst woanders zu etwas zu bringen und dann den Jungen zu holen. Aber alles, was sie probierte, ging daneben.

Als sie eine Ausbildung als Kosmetikerin und Friseuse machte, erinnere ich mich, hieß es, sie hätte einer halsstarrigen Kundin absichtlich das Haar mit Chemikalien grellgrün verfärbt. Im Büro konnten die anderen Sekretärinnen sie nicht leiden. Sie trat betrunken zur Arbeit in Supermärkten an und stolzierte beim ersten blöden Witz aus Restaurants, in denen sie eine Woche lang bedient hatte. Manchmal kam sie zurück zu Gordie, und sie brachten ihre Ehe noch einmal eine Weile zum Funktionieren. Dann ging sie wieder fort. Im Laufe der Zeit zerbrach sie, wurde ganz allmählich zu einer Gestalt, deren Schultern nach vorn sackten, wenn sie glaubte, daß keiner hersah, einer Frau mit langen, ausgefransten Nägeln und mit Haaren, die immer aus dem Friseurschnitt herauswuchsen. Ihre Kleider waren voller Sicherheitsnadeln und versteckter Risse. Ihr letzter Versuch, dachte ich, das mußte wohl Williston gewesen sein, diese Stadt voller reicher, unverheirateter Ölspekulanten mit Cowboymanieren.

Wenn ich einen Typ gut kenne, dann diese Boom-Macker, die mit ihren riesigen Schlitten voller Möglichkeiten im Land herumkurven. Ich weiß, weil ich bei ihnen gearbeitet habe, daß für diese Typen eine Indianerin nichts anderes ist als eine leicht erhaschte Nacht. Als ich da an meinem Tisch saß, sah ich es ganz deutlich vor mir, wie dicht an den Abgrund diese Art von Leben June gebracht haben mußte. Aber was wußte ich denn schon wirklich über das, was passiert war?

Ich sah sie lachen, so scharf und entschlossen, mit fest an sich gepreßter Handtasche, an der Bar, die makellosen Beine übergeschlagen.

»Wohl zu viel getrunken«, schrieb Mama. Natürlich hatte sie nicht viel von June gehalten. »Wahrscheinlich so betrunken losgezogen, daß sie von dem Sturm gar nichts gemerkt hat.«

Aber June ist in der Prärie aufgewachsen. Auch betrunken hätte sie gewußt, daß ein Sturm im Anzug war. Sie hätte es gewußt wegen der Schwere in der Luft, dem Geruch in den Wolken. Wie ein Tier hätte sie diesen Druck in den Knochen gespürt.

Ich saß da an meinem Tisch und dachte an June. Von Zeit zu Zeit hörte ich über meinem Kopf den Staubsauger meiner Wirtin. Durch mein Fenster gab es nicht viel zu sehen. Erde und toten Schnee und Räder, die auf der Straße vorüberrollten. Es war warm, aber das Gras war braun, mit Ausnahme von saftigen Flecken über den unterirdischen Dampfrohren auf dem Campus. Und da tat ich etwas an diesem Tag. Ich zog meinen Mantel an und ging los, die Straße hinunter, bis ich zu einem großen Rasen auf dem Universitätsgelände kam, den eine Dampfröhrenlinie von Gras durchzog – so grell, daß einem die Augen weh taten, sogar mit ein paar Löwenzähnen. Ich ging hinüber und legte mich auf diesen Grasflecken über der Erde, und ich dachte an Tante June, bis ich das Richtige für sie empfand.

Ich war so böse auf meine Mutter Zelda, daß ich fast zwei Monate weder schrieb noch anrief. Wäre sie doch lieber auf den Nonnenhügel ins Kloster gegangen, wie sie eigentlich gewollt hatte, statt mich zu bekommen! Aber sie hatte den Schweden Johnson von außerhalb des Reservats geheiratet, und ich war verfrüht angekommen. Er hatte immerhin den Anstand gehabt, aus dem Armeetrainingscamp zu desertieren und ihr nie wieder unter die Augen zu treten. Alles, was ich von ihm kannte, waren Bilder, blond, düster und zum Herumziehen verurteilt, vielleicht ebensosehr durch Mamas Wut über ihren Fall wie durch die Uniform. Ich war diejenige gewesen, die eigentlich die Pläne meiner Mutter, rein zu bleiben, durchkreuzt hatte. Ich hatte sie gezwungen, für Geld zu arbeiten, Buchhaltung zu machen, anstatt Berufungen zu folgen, die ihr göttlichen Ruhm eingebracht hätten. Ich war auch der Anlaß dafür gewesen, in einen Wohnwagen in die Nähe von Grandma zu ziehen, damit jemand da war, um für mich zu sorgen. Später hatte ich ihr Jahre zermürbenden Kummers beschert. Ich hatte eine lange Phase der Aufmüpfigkeit durchgemacht und war weggelaufen. Doch jetzt, wo ich wieder auf der geraden Bahn war, lief es zwischen uns fast noch schlechter.

Nachdem zwei Monate vergangen und meine Kurse abgeschlossen waren, und obwohl ich meiner Mutter immer noch nicht vergeben hatte, beschloß ich, nach Hause zu fahren. Ich war nicht gerade wild darauf, sie zu sehen, aber unsere Beziehung war wie eine Feile, an der wir uns rieben, und in dieser Hinsicht notwendig. Also warf ich ein paar Bücher und einige Kleider auf den Rücksitz meines Mustangs. Er war mein allererstes Auto, ein stumpfschwarzes, abgefahrenes Ding mit verrosteten Radkappen, Knüppelschaltung und einem Scheibenwischer, der nur auf der Beifahrerseite ging.

Das Land zu beiden Seiten der Straße war herrlich in diesem Frühsommer. Der Himmel dehnte sich wolkenlos. Zerfetzte silberne Windschutzzäune begrenzten flache, gepflügte Felder, für deren Brachliegen die Regierung bezahlt hatte. Alles andere war stumpf gelbbraun – die trockenen Gräben, das absterbende Getreide, die Gebäude der Farmen und Städte. Der Regen würde dieses Jahr gerade rechtzeitig kommen. Während ich nordwärts fuhr, sah ich, wie sich die Erde hob. Der Wind war heiß und roch nach Teer und dem aufsteigenden Staub.

Nach den großen Farmen und den windverwehten Feldern kam das Reservat. Ich wußte immer schon weit vorher, daß es kam. Schon von ferne spürte man die Hügel durch ihre Gegenstücke – Vertiefungen, ausgetrocknete Sumpflöcher, Gräben voller Schilf und Senken. Und dann das Wasser. In den Hügeln gab es Wasser, wenn es in der Ebene keines gab, da die Mulden es bewahrten, Rinnsale es von den flachen Abhängen sammelten, und auch die dichten Bäume es hielten. Ich dachte an das Wasser in den Wurzeln von Bäumen, braun und nach Rinde riechend, kalt.

Die Straße verengte und wand sich, dann wurde sie zu furchigem Kies mit Löchern und Büscheln von hoher blauer Luzerne in den Gräben. Kleine Hügel ragten auf. Hunde sprangen aus dem Nichts und verausgabten sich wütend. Der Staub hing dick.

Meine Mutter wohnt ganz am Rand des Reservats, bei ihrem neuen Mann, Bjornson, der eine gutgehende Weizenfarm besitzt. Sie wohnt dort schon ungefähr ein Jahr. Ich bin mit ihr in einem blaugrün-silbernen Wohnwagen aufgewachsen, der neben dem alten Haus auf dem Land stand, das meinen Urgroßeltern zugeteilt wurde, als die Regierung beschloß, Indianer zu Bauern zu machen.

Die Zuteilungspolitik war ein Witz. Als ich auf das Stück Land zufuhr und mich umsah, fiel mir wie jedesmal auf, welch ein großer Teil des Reservats an Weiße verkauft und für immer verloren war. Nur noch 3 Meilen, und ich war auf der gefurchten Lehmstraße auf dem Weg nach Hause.

Das eigentliche Haus, in dem alle meine Tanten und Onkel aufgewachsen sind, besteht aus einem großen quadratischen Raum mit einem angebauten Küchenschuppen. Das Haus hat jetzt eine helle, abblätternde lavendelblaue Farbe, die Farbe einer blassen Petunie, aber es war nie gestrichen worden, während ich dort wohnte. Meine Mutter hat es einmal als Geburtstagsgeschenk für Grandma streichen lassen. Bald nach dem Streichen zogen die beiden Alten in die Stadt, wo mehr los war und sie nicht so weit zur Kirche fahren mußten. Glücklicherweise gefiel die Farbe zufällig auch meiner Tante Aurelia, sie ist dann nämlich in das Haus gezogen und kümmert sich seither darum.

Als ich auf das Haus zufuhr, sah ich, daß ihr braunes Auto und das cremiggelbe meiner Mutter im Hof standen. Ich stieg aus. Sie waren drinnen beim Backen. Schon auf der Treppe hörte ich ihre Stimmen und roch die köstlichen, bräunenden Kuchenböden. Aber als ich die halbdunkle, warme Küche betrat, bemerkten sie mich kaum, so vertieft waren sie in ihr Gespräch.

»Gut ausgesehen hat sie auf jeden Fall«, behauptete Aurelia, deren Hände in einer Schüssel mit Kartoffelsalat vergraben waren.

»Manche Leute nehmen einen Löffel zum Umrühren.« Meine Mutter hielt ihr einen schweren Blechlöffel aus der Schublade hin und spitzte die Lippen wie ein Münzgeldbeutelchen, um mich zu küssen. Sie ließ ihre Augen funkeln und riß sie weit auf. »Ich hab ja nur gesagt, sie hatte ganz schön was durchgemacht und war voller blauer Flecken ...«

»War sie gar nicht. Du hast sie überhaupt nicht gesehen!« Aurelia war rundlich, hübsch anzusehen. Sie wies den Löffel meiner Mutter mit einer klebrigen Hand zurück. »Hat überhaupt jemand sie gesehen? Kein Mensch hat sie gesehen. Kein Mensch weiß genau, was passiert ist, also wer kann dann von blauen Flecken und so rumtönen ... kein Mensch hat sie gesehen.«

»Na, ich hab es gehört«, sagte Mama. »Ich hab gehört, sie war mit einem Mann zusammen, und er hat sie rausgeworfen.«

Ich setzte mich, tauchte eine Apfelscheibe in die Schüssel mit dem Zimtzucker und aß sie. Sie sprachen von June.

»Von wegen gehört«, fuhr Aurelia sie an. »Glaub doch nichts, was du nicht mit eigenen Augen gesehen hast. June hatte alles gepackt und war fix und fertig zur Heimfahrt. Man hat ihre Taschen gefunden, als das Zimmer aufgebrochen wurde. Sie ist da weggegangen, weil –« Aurelia stockte, dann wurde ihre Stimme fest – »was hat denn für sie schon das Heimkommen gelohnt? Gar nichts!«

»Gar nichts?« sagte Mama scharf. »Gar nichts, was das Heimkommen lohnt?« Sie warf mir einen kurzen, vielsagenden Blick zu. Ich war schließlich heimgekommen, wenn auch ohne Mann, kinderlos und in einem schrottreifen Auto. Ich sah weg. Mama blies vor Konzentration die Backen auf, während sie die Kuchenränder festklopfte und kräuselte. Es waren herrliche Kuchen, mit Rhabarber, wilden Birnen, Äpfeln und Stachelbeeren, alles von Grandma Kashpaw oder meiner Mutter oder Aurelia eingemacht.

»Ich nehme an, du hast dir die Hände gewaschen, bevor du sie in den Salat gesteckt hast«, sagte sie zu Aurelia.

Aurelia legte ihr Gesicht in Halbmonde geduldiger Erbitterung. »Also, Zelda«, sagte sie, »deine Tochter wird denken, daß du mich immer noch behandelst wie deine kleine Schwester.«

»Na, das bist du doch auch, oder? Kannst du nicht ändern.«

»Ich bin wieder da«, sagte ich.

Sie sahen mich an, als sei ich gerade in diesem Moment zur Tür hereinspaziert.

»Albertine ist wieder zu Hause«, stellte Aurelia fest. »Ich hab die Hände voll, sonst würd ich dich umarmen.«

»Hier«, sagte Mama und stellte ein Glas Essiggürkchen in meine Nähe. »Du bist hübsch angezogen. Hast du das Oberteil in Fargo gekauft? War die Fahrt schön?«

Ich sagte ja.

»Schneid die Gürkchen in Würfel.« Sie reichte mir eine Schüssel und ein Messer.

»June ist hinter Gordie hergewesen, wie wenn er keine andere Wahl gehabt hätte«, stellte meine Mutter jetzt fest. »Da hätte sie ihn doch zumindest glücklich machen können, nachdem sie ihn schon in ihren Klauen hatte. Es ist doch sonnenklar, wie Gordie sie geliebt hat, nur daß er jetzt alles im Alkohol ertränkt. Er ist ständig drüben bei Eli und versucht, ihn dazu zu bringen, daß er mit ihm einen hebt. Wißt ihr, so wie June ihn behandelt hat, weiß ich nicht, wieso Gordie sie nicht einfach vor die Hunde hat gehen lassen.«

»Na, viel mehr vor die Hunde gehen als sterben hätte sie ja wohl nicht können«, sagte Aurelia.

Was komisch war an den beiden – Mama mit ihrer sorgfältigen Dauerwelle und dem groben grauen Gesicht, Aurelia mit ihrem tiefblauschwarzen Pferdeschwanz, den hohen, gewölbten Wangen, engen Jeans und gerüschten Rodeohemden –, je uneiniger sie taten, um so ähnlicher waren sie sich. Beide klammerten sich an ihre felsenfesten Überzeugungen. Sie glaubten so fest an ihre eigene Meinung, daß ein Zeitpunkt kam, an dem es kaum mehr eine Rolle spielte, was genau sie glaubten; alles verschmolz zu einer einzigen Halsstarrigkeit.

Mama gab es nach Aurelias Bemerkung auf, weiter über June zu sprechen, und wandte sich mir zu.

»Hast du in Fargo schon heiratsfähige junge Männer kennengelernt?« Ihre flachen dunklen Daumen verfolgten einander um und um in Kreisen und hinterließen perfekt geformte Teigbögen. Heiratsfähig, wußte ich, bedeutete bei ihr katholisch. Ich schüttelte den Kopf, nein.

»Wenn das so rasant weitergeht, bin ich dereinst so alt und steif, daß ich meine eigenen Enkel nicht mehr hüten kann«, sagte Mama. Dann lächelte sie und zuckte leicht mit den Schultern. »Mein Mädchen ist wählerisch, wie ich«, sagte sie. »Man kann nicht wählerisch genug sein.«

Aurelia schnaubte, hielt aber ihre Bemerkung zurück, die sich wahrscheinlich auf Mamas ersten Mann bezogen hätte.

»Albertine hat noch Zeit«, antwortete Aurelia für mich. »Was soll sie hetzen? Glaub mir –« jetzt sprach sie zu mir, mit gespielt ernstem Nachdruck –, »Heiraten ist nicht die Antwort auf alles. Ich hab es selbst zur Genüge ausprobiert.«

»Ich bin sowieso nicht interessiert«, ließ ich sie wissen. »Ich hab anderes zu tun.«

»Ach du liebes bißchen«, sagte Mama, »willst du etwa Karriere machen?«

Sie erstarrte mit den Händen in der Luft, scheinbar gelähmt von dieser Idee.

»Du hast doch selbst Karriere gemacht«, warf ich ihr vor. Ich reichte ihr die kleingewürfelten sauren Gürkchen hin. Mama hatte für die Priester und Nonnen oben im Heiligen Herzen Jesu die Buchführung gemacht, seit ich mich erinnern konnte. Sie ignorierte mich jedoch und begann Räder von Gabelstichen in die Teigdecken der Kuchen zu stoßen. Aurelia mischte Salat. Ich sah den Händen meiner Mutter zu, wie sie präzise zustachen. Nach einer Weile hörten wir von der Hauptstraße das Auto, wie es vor dem Abbiegen die Fahrt verlangsamte. Das mußten Junes Sohn King, seine Frau Lynette und King Junior sein. Sie kamen in ihrem nagelneuen Sportwagen bis vor die Eingangstreppe gefahren. King Junior war auf den Vordersitz gepackt worden und Grandma und Grandpa Kashpaw saßen beide, unglaublicherweise, dicht gedrängt auf dem schmalen Rücksitz.

»Da ist dieses weiße Mädchen.« Mama spähte aus dem Fenster.

»Na, nun aber.« Aurelia stieß wieder ihr hitziges Schnauben aus und hielt diesmal nicht den Mund. »Und dein schwedischer Freund?«

»Hab meine Lehre daraus gezogen.« Mama wischte entschlossen die Ränder von Aurelias Schüssel sauber. »Heirate nie einen Schweden, das ist mein Grundsatz.«

Grandma Kashpaws heruntergerollte Nylonstrümpfe und ihre braunen Stützschuhe tauchten zuerst auf, dann ihr Kopf mit dem eisengrauen glatten Haar. Zum Schluß zwängte sich ihr übriger Körper durch die Tür, in meterweise winzige schwarze Blümchen gehüllt. Als ich sehr klein war, kam sie mir immer so groß vor wie die Steinhaufen, die hier in der Gegend an die Niederlagen der Indianer erinnern. Aber wenn ich sie jetzt sah, wurde mir jedesmal klar, daß sie gar nicht so riesig war, nur ihre Gestalt war verwittert und massiv wie eine aus Stein gehauene Statue. Sie hatte sich nie sehr verändert, zumindest nicht so sehr wie Grandpa. Seit ich von zu Hause weg und in die Ausbildung gegangen war, war er ein alter Mann geworden. Das Alter war plötzlich über ihn gekommen wie ein Sturm im Herbst, der über Nacht gelbe Blätter herabschüttelt, und jetzt war sein Winter tief und ruhig um ihn. Während Grandma ihr Kleid glattstrich und durch das hintere Fenster Gepäckstücke herauszog, blieb Grandpa ruhig im Auto sitzen. Er hatte gar nicht bemerkt, daß es gehalten hatte. »Sag ihm doch, daß wir gehalten haben«, rief Grandma Lynette zu.

Lynette wechselte auf dem Vordersitz King Junior die Windeln. Gewöhnlich benützte sie Papierwindeln mit Klebeecken, zu Hause in den Städten, aber seit sie das letzte Mal hier gewesen war, hatte meine Mutter sie dazu bekehrt, waschbare Mullwindeln und Sicherheitsnadeln zu benützen. Das Baby strampelte und sträubte sich gegen ihre Hände.

»Hörst du nicht?« King, der schon ausgestiegen war und die Reifen untersuchte, steckte den Kopf durch das Fenster auf der Fahrerseite und raunzte Lynette an. »Sie hat dich gerufen. Die Mutter von meinem Vater. Sie hat dich was geheißen.«

Lynettes Gesicht glühte fleckig und geschwollen über dem Lenkrad. Sie hatte schmutzigblondes Haar, mit Stellen dazwischen, wo es gebleicht und gebrochen war. »Ja, ich hab’s gehört«, zischte sie durch die Sicherheitsnadeln zwischen ihren Zähnen. »Sag’s du ihm doch.«

Sie zog das Baby hoch, klemmte seine Fußgelenke in die Zange ihrer Finger und legte das dreieckige Tuch unter seinem Hinterteil zurecht.

»Grandma hat gesagt, du sollst’s ihm sagen.« King lehnte sich weiter hinein. Er hatte die langen, schlanken Beine seiner Mutter, und ganz plötzlich erinnerte ich mich, als ich ihn so ganz ins Auto gebeugt sah, wie auch June sich einmal so vorgebeugt hatte, als ich hinter ihr stand. Sie hatte ein Ruderboot vom Kiesstrand eines Sees gestoßen, an den wir alle zusammen einen Ausflug gemacht hatten. Ich war mit ihr ins Boot gesprungen. Sie hatte damals nur einen Sohn und dachte nicht, daß sie je noch ein Kind kriegen würde. Deshalb verhätschelte sie mich, und sie erzählte mir alles, im Glauben, daß ich nichts verstehen würde. Sie verriet mir Sachen, die man normalerweise nur einer anderen erwachsenen Frau erzählen würde, und ich hatte sie stürmisch verehrt wegen dieser erwachsenen Vertraulichkeiten, wegen ihrer Kränze aus blauem Rauch, wegen der Art, wie sie sich gab. Ich hatte sie mit meiner Verehrung so weit gebracht, daß sie mir alles erzählte, was sie erzählen mußte, und es war schon richtig, damals hatte ich die Worte nicht verstanden. Aber sie hatte nicht mit meinem Gedächtnis gerechnet. Die Worte blieben haften.

Und gerade jetzt sagte King etwas zu Lynette, das einen so merkwürdig traumähnlichen Klang hatte, daß ich es fast hörte, als hätte Junes Stimme es ausgesprochen.

June hatte gesagt: »Die flache Hand hat er genommen. Ordentlich verdroschen hat er mich.« Und jetzt hörte ich ihren Sohn sagen: »... mit der flachen Hand ... aber ordentlich ...« Lynette rollte aus der Tür, Windeln und Stecknadeln um sich streuend, das Kind mit seinem bloßen Po an ihre Hüfte gedrückt, und ich wußte nicht, was passiert war.

Grandpa hatte nichts davon wahrgenommen, was auch geschehen sein mochte. Er drehte sich zur offenen Tür und starrte sein Haus an.

»Das erinnert mich an was«, sagte er.

»Das sollte es auch. Es ist dein Haus!« Mama kam aus der Tür gesaust, packte ihn an beiden Händen und zog ihn aus dem engen Rücksitz heraus.

»Deine Enkelin ist auch hier, Daddy!« brüllte Zelda Grandpa deutlich ins Gesicht. »Zeldas Tochter. Sie ist den ganzen Weg von ihrer Schule hier raufgekommen, zu Besuch.«

»Zelda ... geboren am 14. September 1941 ...«

»Nein, Daddy. Das ist meine Tochter Albertine. Deine Enkelin.«

Ich nahm seine Hand.

Daten, Zahlen und Ziffern blieben bei Grandpa haften, seit er verwirrt war, nicht aber die ermüdende Ansammlung seiner Nachkommenschaft, die sich jenseits dieser Zahlen ins Unendliche vermehrte. Er nahm meine Hand und ging mit, er traute mir, wer ich auch war.

Jedesmal, wenn er jetzt zu seinem ehemaligen Haus kam, mußte Grandpa sich von neuem mit dem Hof voller verkrüppelter Eichen anfreunden, mit den Ringelblumenbeeten, dem verrosteten Auto, das das Spielhaus für seine Kinder und für mich gewesen war, und den wenigen Kartoffelreihen und Rhabarberstengeln, die Aurelia noch immer anpflanzte. Aurelia arbeitete nachts, sie bewirtschaftete eine Bar, die So Long hieß, und konnte das Grundstück nicht so in Ordnung halten, wie Grandpa es immer getan hatte. Als ich ihn langsam über den Rasen führte, ging ich den Dornen aus dem Weg. Die Stockrosen wurden vom Gänsefuß fast erstickt, und die Steine, die die Einfahrt einrahmten und immer weiß oder blau gestrichen waren, blätterten wieder grau ab. Das tat auch der flache Findling unter der Wäscheleine – früher mein kühles Lieblingsplätzchen, an dem ich saß und nichts tat, während die Wäsche trocknete und mich verbarg.

Dieses Stück Land war Grandpas Mutter, der alten Rushes Bear, die den ursprünglichen Kashpaw geheiratet hatte, zugeteilt worden. Als die Zuteilungen ausgegeben wurden, waren alle ihre achtzehn Kinder außer den jüngsten – den Zwillingen Nector und Eli – alt genug gewesen, sich selbst einzutragen. Aber da für sie im Weizenland North Dakotas kein Platz war, hatte man den meisten weniger erstrebenswerte Parzellen weit fort in Montana zugeteilt, und sie mußten dorthin ziehen oder verkaufen. Die älteren Kinder zogen aus, aber die Zwillingsbrüder wohnten immer noch an entgegengesetzten Enden von Rushes Bears Land.

Sie hatte zugelassen, daß die Regierung Nector in die Schule holte. Eli jedoch, von dem sie sich nicht trennen konnte, hatte sie im Rübenkeller, der unter ihrem Haus ausgehoben war, versteckt. Damit hatte sie je einen Sohn auf beiden Seiten der Trennlinie gewonnen. Nector kam vom Internat nach Hause und beherrschte das Lesen und Schreiben der Weißen, während Eli die Wälder kannte. Jetzt, so viele Jahre später, schwer zu sagen, warum oder wie, war mein Großonkel Eli immer noch auf Draht, während Grandpas Verstand uns verlassen hatte, argwöhnisch und verstört geworden war. Als ich mit ihm ging, spürte ich, wie seltsam das war. Seine Gedanken schwammen zwischen uns, unter Steinen versteckt, in Unkraut entgleitend, und ich angelte nach ihnen, indem ich meine eigenen Worte wie Köder und Lockungen baumeln ließ.

Ich wollte, daß er mir von Dingen erzählte, die vor meiner Zeit passiert waren, Dinge, die zu verstehen ich zu jung gewesen war. Politik zum Beispiel. Was hatte sich abgespielt? Er sei ein schlauer politischer Unterhändler gewesen, sagten die Leute, hätte mit der Regierung Kuhhandel abgeschlossen, für Gelder hier und Zuschüsse dort. Irgendwie hatte er eine Schule gebaut bekommen, auch eine Fabrik, und er hatte das Land davor bewahrt, daß es während der Terminationspolitik seinen besonderen indianischen Status verlor. Ich wollte alles wissen. Ich stellte eine Frage nach der andern, während wir dahingingen, als könne er wie durch ein Wunder anbeißen und auf der Stelle die Erinnerungen heraussprudeln.

»Erinnerst du dich daran, wie du ausgesagt hast? ... Wie war das ... die alten Schulen ... Washington ...?«

Unfaßbar, geschichtsschwanger, glitten seine Gedanken fort und zergingen. Von derselben Farbe wie Wasser. Grandpa schüttelte den Kopf, erinnerte sich an Daten ohne dazugehörige Ereignisse, Namen ohne Gesichter, Dinge, die außerhalb von Raum und Zeit passiert waren. Zumindest schien mir das so. Grandma und die anderen pflegten die wilden Sachen, die er von sich gab, abzuwiegeln, oder übertönten sie. Vielleicht waren sie von seiner Verrücktheit gelangweilt, vielleicht sprudelte sein Verstand auch Geheimnisse aus der Vergangenheit heraus. Wenn das letztere stimmte, glaubte ich manchmal zu verstehen.

Vielleicht war sein Gedächtnisschwund ein Schutz vor der Vergangenheit, der ihn von allem, was geschehen war, lossprach. Er hatte seinerzeit ein aufreibendes Leben geführt. Aber jetzt lächelte er in die Luft und lebte ruhig vor sich hin, ohne Schuld und Elend. Wenn er an June dachte, beispielsweise, war sie ein junges Mädchen, das ihn mit schwarzen Pflaumen fütterte. So würde sie immer für ihn bleiben. Sein Urenkel King Junior war glücklich, weil er noch keine Erinnerung erworben hatte, während Grandpas Glück vielleicht darin bestand, die seine verloren zu haben.

Wir gingen die Einfahrt wieder zurück, an den abblätternden Steinen entlang. »Er mag den kaputten Liegestuhl«, rief Grandma jetzt und lehnte sich aus der Tür. »Setz ihn ein Weilchen hinein.«

»Soll ich dir einen Teller Essen aus der Küche holen?« fragte ich Grandpa. »Ein Butterbrot?«

Aber er sah besorgt den zusammengeklappten Haufen an und antwortete nicht.

Ich zog das abgenutzte Plastikgeflecht und Aluminiumgestänge in die Form eines Stuhls, er ließ sich darin nieder, und ich verließ ihn, während er leise etwas zählte. Wolken, Bäume. All die Grashalme.

Ich ging hinein. Grandma schälte soeben ihren teuren Dosenschinken aus der Büchse. Sie tätschelte ihn, bevor sie ihn in den Ofen schob, und schloß die Tür sorgfältig.

»Sie ist nicht daran gewöhnt, so viel Fleisch zu kaufen«, sagte Zelda. »Erinnert ihr euch, wie wir es früher eingetauscht haben?«

»Oder selbst geschlachtet.« Aurelia blies eine runde graue Wolke von Winston-Rauch über den Tisch.

»Puh«, sagte Zelda. »Tu den Deckel auf die Butter.« Sie wedelte mit der Hand vor ihrer Nase herum. »Weißt du, Mama, ich wette, du hättest jetzt am liebsten, daß es so wäre wie früher. Wir Kinder alle wieder in der Küche.«

»Ach, mit Kindern hab ich nie keine Probleme gehabt.« Grandma wischte sich die Finger einzeln an einem Spültuch ab. »Außer manchmal.«

»Außer wann?« fragte Aurelia.

»Tja nun ...« Grandma ließ sich auf einen langbeinigen Hocker nieder und winkte Zeldas massiveren Stuhl beiseite. Grandma balancierte gern auf diesem Hocker wie ein Orakel auf dem Dreifuß. »Da war dieses eine Mal, als welche versucht haben, ihre kleine Cousine aufzuhängen«, verkündete sie, dann war sie plötzlich still.

Die beiden Tanten warfen ihr ungläubige Blicke zu. Dann schwiegen sie unbehaglich, und keine war willens, die Stille zu unterbrechen und die Geschichte zu erzählen, die von June handelte. Ich hatte einmal gehört, wie Aurelia und meine Mutter sich gegenseitig die Schuld für das Hängen zuschoben, früher, als es nur eine Familiengeschichte war und nicht der Auslöser besonderer Schuldgefühle. Sie sahen mich an und überlegten, ob ich wohl von der Hängerei etwas wußte, aber keine tat den Mund auf, um zu fragen. Deshalb sagte ich, ich hätte gehört, wie June davon erzählt hatte.

»Stimmt«, fiel Aurelia ein. »June hat das selbst erzählt. Falls es ihr was ausgemacht hat, gehängt zu werden, dann hat sie sich jedenfalls nichts anmerken lassen.«

»Ha«, sagte Zelda. »Falls es ihr was ausgemacht hat! Ihr habt Cowboys gespielt. Du und Gordie hattet sie auf einer Kiste, das Seil war über einen Ast gezogen und um ihren Hals gebunden, ganz säuberlich. Falls es ihr was ausgemacht hat! Ich mußte sie eigenhändig retten!«

»Ja, ja, ich weiß«, gab Aurelia zu. »Aber wir haben das im Kino gesehen. Kinder machen so was nach, das weißt du doch. Wir waren danach überall bekannt, ich und Gordie. Weißt du noch, Zelda? Wie du schreiend zu Mama ins Haus gelaufen kamst?«

»Mama! Mama!« jodelte Grandma in Nachahmung ihrer Tochter. »Sie hängen June auf!«

»Und du bist rausgelaufen gekommen, Mama!« Zelda war von ihrer Geschichte mitgerissen. »Ich wußte gar nicht, daß du so schnell laufen konntest.«

»Wir hatten das Seil um ihren Hals gebunden und über den Baum geschlungen, und die arme June zitterte, solche Angst hatte sie. Aber wir hätten es nie getan!«

»Doch!« behauptete Zelda. »Ihr wolltet es wirklich!«

»Oh, ich hab euch zwei verdroschen«, erinnerte sich Grandma. »Aurelia, dich, und Gordie, euch beide.«

»Und dann hast du die kleine June mit ins Haus genommen ...« Zelda verstummte plötzlich.

Aurelia schlug die Hände vors Gesicht. Dann machte sie hinter ihren Fingern ein heiseres Geräusch im Hals. »O Mama, wir hätten sie vielleicht umgebracht!«

Zelda preßte sich eine Faust auf den Mund.

»Aber dann im Haus, legte sie los. Du hast ihr das Gesicht abgerubbelt«, erinnerte sich Aurelia. »Diese June. Sie brüllte mich an: ›Ich hab keine Angst gehabt. Du blödes Huhn!‹«

Aurelia fing an, hinter den Händen zu kichern. Zelda schlug überraschend heftig mit der Faust auf den Tisch.

»Blödes Huhn!« sagte Zelda.

»Du mußtest sie auch noch verdreschen.« Aurelia lachte und wischte sich die Augen.

»Dafür, daß sie zum Teufel und verdammt gesagt hatte ...« Grandma verlor fast das Gleichgewicht.

»Da wurde sie noch wütender ...«, sagte ich.

»Stimmt!« Grandma reckte jetzt das Kinn hoch, um das Lachen zu unterdrücken. »Sie hat beschissenes altes Huhn zu mir gesagt. Nach alldem! Beschissenes altes Huhn!«

Dann lachten sie laut heraus, kreischend und brüllend, verschütteten Tränen auf ihre Schürzen und Ärmel und wedelten hilflos mit den Händen.

Draußen heulte Kings Motor gewaltig auf, und Musikgeriesel erhob sich.

»Er hat ein Tapedeck in dem Auto«, sagte Mama, klopfte sich aufs Herz, aufs Haar und faßte sich schnell. »Ich nehm an, das hat noch extra was gekostet.«

Die Schwestern schnüffelten, angelten Papiertaschentücher aus ihren Ärmeln, sahen einander nachdenklich an und legten die Geschichte ad acta.

»King will losgehen, wenn sie gegessen haben, und Gordie suchen«, dachte Zelda laut. »Ist der bei Eli? Das ist doch ewig weit draußen im Busch.«

»Die denken, sie kriegen Onkel Eli dazu, in diesem neuen Auto zu fahren«, sagte Grandma in gemessenem, wissendem Ton.

»Da steigt Eli nicht rein.« Aurelia zündete eine Zigarette an. Vom Rauch verhüllt schüttelte sie den Kopf. Und ausnahmsweise schüttelte auch Zelda zustimmend den Kopf und dann auch Grandma. Sie stand auf, indem sie ihre weichen, breiten Arme auf den Tisch stützte.

»Warum nicht?« wollte ich wissen. »Warum fährt Eli nicht in dem Auto?«

»Albertine weiß nichts von der Versicherung.« Aurelia deutete mit dem Kinn auf mich. Deshalb wandte sich Zelda zu mir und sprach mit ihrer leisen, gezierten Erklärstimme.

»Es war ein natürlicher Tod, verstehst du. Es gab eine richterliche Entscheidung, die das bestätigt hat. Also kam Junes Versicherung durch, und das ganze Geld ging an King, weil er der Älteste ist, rechtlich gesehen. Er nahm etwas von dem Versicherungsgeld und hat ihr als erstes einen großen rosa Grabstein gekauft, den sie auf dem Hügel aufgestellt haben.« Sie machte eine Pause. »Mama, gehen wir rauf, ihn angucken? Ich hab den Grabstein noch nicht gesehen.«

Grandma war am Backofen, bückte sich geschäftig, um nach dem gebratenen Schinken zu sehen, und nahm keine Notiz von uns.

»Erst kürzlich hat er sich das neue Auto gekauft«, fuhr Zelda fort, »mit dem Rest von dem Geld. Es hat ein Tapedeck und alle Extras. Eli mag es nicht, das hab ich wenigstens gehört. Das Auto erinnert ihn an sein Mädchen. Du weißt ja, daß Eli June wie seine eigene Tochter aufgezogen hat, als ihre Mutter von uns ging und keiner sonst sie nehmen wollte.«

»King hat das blödsinnige Geld gekriegt«, sagte Grandma laut und plötzlich, »nicht weil er der Älteste war. June hat ihm das Geld vermacht, weil er ihr am meisten nachschlug.«

Also die Versicherung war die Erklärung für das Auto. Überdies erklärte das auch, warum alle das Auto mit besonderer Vorsicht behandelten. Weil es neu war, hatte ich gedacht. Trotzdem war mir die ganze Zeit aufgefallen, daß keiner stolz darauf zu sein schien, außer King und Lynette. Keiner lehnte sich an die glänzenden blauen Kotflügel, stützte die Ellbogen auf die Motorhaube oder stellte beim Essen Pappteller darauf ab. Aurelia wollte nicht einmal Kings Kassetten hören. Es war, als wäre das Auto an etwas angeschlossen. Als ob es einen Schlag geben würde, wenn man es berührte. Später, als Gordie kam, wischte er über das polierte Chrom und trat sacht mit den Zehen gegen die Reifen. Aber auch er wollte nicht darin fahren, obwohl King seinen Vater drängte, auszuprobieren, wie gut es fuhr.

Wir hörten, wie das Auto startete, wie die Räder im Kies und in der Schlacke knirschten. Dann war es wieder lange Zeit still.

Grandma döste im Zimmer nebenan, und ich hatte den letzten Kuchen aus dem Backofen genommen. Aurelias neuer grüner Sears-Wäschetrockner schnaufte noch vor sich hin, in dem Anbau, der Toilette, Waschküche und die Küchenspüle enthielt. Die Leitungen, erst zwei Jahre alt, waren an der Außenseite des Hauses angebracht. Saubere Handtücher bedeckten Waschmaschine und Trockner, und alle Kuchen stand darauf zum Auskühlen.

»Ja, wo sind sie denn nur?« überlegte Zelda jetzt. »Kleine Vergnügungsfahrt?«

»Dieses weiße Mädchen«, fuhr Mama fort, »die ist gebaut wie ein Fernfahrer. Die hält King nicht lange. Ein Glück, daß du schlank bist, Albertine.«

»Himmelherr, Zelda!« Aurelia kam aus dem Zimmer nebenan. »Wieso kannst du’s bloß nicht lassen? Dann ist sie eben weiß! Und was ist mit dem Schweden? Was denkst du wohl, was Albertine für ein Gefühl hat, wenn sie dich so reden hört, wo ihr Dad auch weiß war?«

»Ich hab ein gutes Gefühl«, sagte ich. »Ich kenn ihn ja gar nicht.«

Ich verstand allerdings, was Aurelia meinte – ich war hell, ganz deutlich ein Mischling.

»Meine Tochter ist Indianerin«, sagte Zelda mit Nachdruck. »Ich hab sie als Indianerin erzogen, und sie ist eine.«

»Hab doch nichts anderes gsagt.« Aurelia grinste, kein bißchen verärgert, und stieß mich mit dem Ellbogen an. »Sie ist ein gutes Stück hübscher als die meisten Kashpaws.«

Als King und Lynette endlich heimkamen, war es fast dämmerig, und wir hatten Grandpa schon ins Haus geholt und ihm sein Abendessen hingestellt.

Lynette setzte sich neben Grandpa, mit King Junior auf dem Schoß. Sie fing an, ihren Sohn mit gehackter Leber aus einem kleinen Glas zu füttern. Das Baby versuchte jedesmal, wenn der Löffel an seinen Mund geschoben wurde, die Hände darüber zusammenzuschlagen. Jedesmal, wenn es ihm gelang, den Löffel zu grapschen, fuhr er ihm wieder aus den Händen und kam mit noch mehr Leber wieder herunter. Lynette hatte es satt, ihre Augen waren wäßrig und rot. Ihr gelbbraunes Haar, das in einem steifen Pferdeschwanz gefangen war, sah aus, als sei sie daran hergezerrt worden.

»Du hast keine Kinder, Albertine, oder?« sagte sie und hielt den Löffel hoch, leckte selbst daran und zog ein angeekeltes Gesicht. »Dann hast du ja keine Ahnung, daß die immer an allem rumfummeln müssen.«

»Sie ist noch nicht verheiratet«, sagte Zelda und ließ einen bunten Bund mit Plastikschlüsseln vor dem Baby baumeln. »Sie denkt, sie wartet wohl mit dem Baby bis nach der Hochzeit. Dududududuu!« gurrte sie, als King Junior den Blick darauf richtete und in einer Anstrengung intensiven Entzückens die Schlüssel zu sich herunterzog.

Lynette fuhr hoch, riß ihm die Schlüssel grob aus der Hand und schleppte ihn ins andere Zimmer. Er stieß ein kurzes, empörtes Geheul aus, dann verstummte er, und nach einer Weile tauchte Lynette wieder auf und zog sich die Bluse nach unten. Der Stoff hatte die Farbe einer dunkelvioletten Quetschung.

»Ich dachte, du wolltest den Grabstein sehen«, erinnerte sich Aurelia schnell, an Zelda gewandt. »Mach dich lieber auf den Weg, bevor es draußen dunkel ist. Sag King, daß er dich hochfahren soll.«

»Ich nehme an«, sagte Mama zu mir gewandt, »Aurelia hat die beiden stinkigen Bierkisten auf dem Rücksitz nicht gesehen. Ich fahr nirgends hin mit einem, der betrunken ist.«

»Er ist nicht betrunken!« heulte Lynette mit plötzlicher Leidenschaft. »Aber ich würde auch ein paar Bier brauchen, wenn ich in dieser Familie leben müßte.«

Dann wirbelte sie herum und rannte hinaus.

King hing verdrießlich auf dem Vordersitz des Autos, ein Bier zwischen die Schenkel geklemmt. Er trommelte mit den Knöcheln zur Musik der Oak Ridge Boys.

»Ich laß sie nicht mal damit fahren«, sagte er, als ich ihn fragte. Er deutete mit dem Kopf auf Lynette, die den Graben an der Einfahrt entlangschlenderte und Prärierosen zu einem widerspenstigen Strauß pflückte. Ich sah, wie sie sich bückte und an einem zähen Zweig zog.

»Sie wird sich die Hände aufreißen.«

»Ach, die weiß doch rein gar nichts«, sagte King. »Sie ist nie in die Schule gegangen. Ich hab wenigstens ein bißchen was von der Welt gesehen, als ich im Militärdienst war. Hast du mein Bild gekriegt?«

Er hatte ein Foto von sich in Uniform geschickt. Ich hatte gestaunt, als ich das Bild sah, denn ich stellte fest, daß mein rauhbauziger Cousin harte Wangenknochen und einen Filmstarblick bekommen hatte. Jetzt, wie er unter der Krempe seiner blauen Mütze vor sich hin brütete, richtete er diesen launischen Blick durch die Windschutzscheibe nach draußen und schüttelte den Kopf über seine Frau. »Sie paßt nicht dazu«, sagte er.

»Sie ist in Ordnung.« Ich war von mir selbst überrascht, als ich das sagte. »Gib ihr nur eine Chance.«

»Chance.« King kippte sein Bier. »Chance. Sie hat ihre Chance gekriegt, als sie mich geheiratet hat. Sie hat gewußt, wem von meinen Eltern ich nachschlage.«

Wie auf ein Stichwort kam in diesem Augenblick der, dem King nicht nachschlug, mit quietschendem Schwenk und schwer auf die Hupe gelehnt in den Hof gefahren.

Onkel Gordie Kashpaw galt als gutaussehend, wenn auch nicht in der gleichen Art wie sein Sohn King. Gordie hatte ein dunkles, rundes, lebhaftes Gesicht, das vom Zusammenflicken nach einem Unfall zerknittert und gekräuselt aussah. Es war etwas unwiderstehlich Freundliches an ihm. Auf eine merkwürdige Art hatten all die Stiche und Falten zu seinem guten Aussehen eher beigetragen als ihm Abbruch getan. Sein Gesicht war wie eine Kostbarkeit, die zerbrochen und sorgfältig wieder zusammengefügt worden war. Und noch viel liebenswerter um all dieser Sorgfalt willen. Jetzt fuhr er in den Wehen trunkener Inspiration zweimal im Hof herum, bevor sein alter Chevy tuckernd zum Stehen kam. Onkel Eli stieg aus.

»Na, es steht ja noch«, sagte Eli zu dem Haus. »Und ich auch. Aber du«, sagte er zu Gordie, »nicht.«

Es stimmte, Gordies Füße machten Schwierigkeiten. Sie verfingen sich in Gegenständen, als er nach dem Türrahmen tastete und sich nach draußen zog: an der Gummifußmatte, am Kotflügel, dann an den kleinen Bodenfurchen und Steinen, als er sich zur Treppe hinarbeitete.

»Zelda ist da drinnen«, rief King warnend, »und Grandma auch!«

Gordie setzte sich auf die Treppe, um seine fünf Sinne zusammenzuhaben, bevor er sich mit ihnen einließ.

Drinnen setzte sich Onkel Eli neben seinen Zwillingsbruder. Sie sahen sich nicht mehr sehr ähnlich, denn Eli war verschrumpelt und zäh geworden, während Grandpa größer, weicher und sogar blasser als sein Bruder war. Allerdings waren sie zufällig gleich gekleidet, in Arbeitshosen und Jacken, nur war Grandpas Anzug marineblau und Elis olivgrün. Eli trug eine fleckige, zerdrückte Mütze, die so sehr ein Teil seines Kopfes zu sein schien, daß nicht einmal Zelda daran dachte, ihn zu bitten, sie abzunehmen. Er nickte Grandpa zu und grinste beim Anblick des Essens; ein riesiges zahnloses Lächeln nahm sein ganzes Gesicht ein.

»Das ist für meinen Onkel Eli«, sagte Aurelia und stellte einen Teller mit Essen vor ihn hin. »Für meinen Lieblingsonkel. Siehst du, Daddy? Onkel Eli ist da. Dein Bruder.«

»Ach, Eli«, sagte Grandpa und streckte die Hand aus. Grandpa grinste und nickte seinem Bruder zu, sagte aber nichts mehr, bis Eli anfing zu essen.

»Ich esse gar nicht mehr viel. Ich werde langsam alt«, verkündete Onkel Eli.

»Du ißt eine Menge«, stellte Grandpa richtig. »Bleibt überhaupt noch was übrig?«

»Du hast schon gegessen«, sagte Grandma. »Hör jetzt deinem Bruder zu.« Sie fuhrwerkte um Eli herum.

»Kümmer dich nicht um ihn. Iß nur ordentlich. Du wirst dünn.«

»Es ist zu spät«, sagte Grandpa. »Er ißt alles auf!«

Er sah jedem Bissen zu, den sein Bruder zu sich nahm. Eli ließ sich nicht im geringsten stören. Er genoß das Essen sogar, trotz Grandpa.

»Ach du meine Güte«, seufzte Zelda. »Kommen wir hier überhaupt noch mal raus? Aurelia, warum nimmst du nicht dein Auto und fährst uns? Es ist jetzt sowieso zu spät, den Grabstein anzuschauen, aber verdammt will ich sein, wenn ich hier noch hocke, wenn sie mit den Bierkisten hinten in Junes Auto anfangen.«

»Trag die Wäsche raus«, sagte Grandma. »Ich bin fix und fertig. Und du, Albertine –« sie nickte mir zu, als sie aus der Tür gingen –, »sie können alles essen, was sie wollen. Wenn sie nur die Kuchen in Ruhe lassen. Die sind ganz speziell für morgen.«

»Bist du sicher, daß du nicht mit uns kommen willst?« fragte Mama.

»Sie ist jung«, sagte Aurelia. »Außerdem muß sie diese betrunkenen Männer davon abhalten, an die Kuchen zu gehen.« Sie beugte sich dicht zu mir herüber. Ihr Atem war süß vom Kuchenguß und schal von Zigaretten.

»Ich komm später wieder«, flüsterte sie. »Ich muß einen Freund besuchen.«

Dann zwinkerte sie mir zu, genau wie June wegen ihrer heimlichen Freunde gezwinkert hatte. Ein Auge zu, die Lippen zu einem kleinen, selbstkritischen Fragezeichen zusammengezogen.

Grandpa zwängte sich in den Rücksitz und saß da, wie ihm aufgetragen worden war, die Arme zu beiden Seiten ausgestreckt, und hielt die Stapel gefalteter Wäsche fest.

»Sie können ruhig essen«, rief Grandma noch einmal. »Aber hebt die Kuchen auf!«

Sie ruckte nach vorn, als Aurelias Auto über das Loch in der Einfahrt hoppelte, und dann schossen sie über den Hügel.

3

»Sag, Albertine, wußtest du schon, daß dein Onkel Eli der letzte Mann im Reservat ist, der ein Reh mit der Schlinge fangen kann?«

Gordie machte ein Bier auf und schob es mir über den Küchentisch zu. Wir saßen immer noch am Tisch, nur hatten die Teller, Salatschüsseln und Pasteten jetzt Aschenbechern, Bier und Zigarettenpäckchen Platz gemacht.

Obwohl inzwischen Aurelia das Haus übernommen hatte, war es für die Kashpaws wie ein Gemeinschaftsbesitz. Immer kampierte irgend jemand draußen oder schlief auf ihren Klappbetten.

Inzwischen war noch einer von uns angekommen. Es war Lipsha Morrissey, der von Grandma aufgenommen worden war und immer bei uns gewohnt hatte. Lipsha setzte sich hin, mit einem Bier in der Hand wie alle anderen, und schaute auf den Boden. Er war eher ein Zuhörer als ein Vielredner, ein Schüchterner mit einem breiten, lieben, intelligenten Gesicht. Er hatte lange Wimpern. »Mädchenaugen«, neckte King ihn immer. King hatte Lipsha so oft verprügelt, als wir klein waren, daß Grandma sie nicht mehr auf derselben Seite im Hof spielen ließ. Sie mieden einander immer noch. Sogar jetzt, in der kleinen Küche, sahen sie sich weder an noch begrüßten sie sich.

Wieder mußte ich mich, wie jedesmal, fragen, wieviel die anderen wohl wußten.

Eines der Geheimnisse, die ich dadurch erfahren hatte, daß ich still in der Nähe der Tanten saß und Gesprächsfetzen aufschnappte, bevor sie sich an mich erinnerten, war Lipshas Geheimnis, oder zumindest die Hälfte davon. Ich wußte, wer seine Mutter war. Und da ich seine Mutter kannte, kannte ich auch den Grund, warum er und King nicht miteinander auskamen. Sie waren Halbbrüder. Lipsha war Junes Sohn, war in einem jener Jahre geboren, in denen sie Gordie mal wieder verlassen hatte. Wenn man das mit June wußte und ihn dann ansah, war es deutlich zu erkennen. Er hatte ihr flaches, hübsches Gesicht und ihre schlanke Anmut, nur war beides bei ihm noch keine Spur verhärtet.

Im Augenblick sah er besorgt aus und biß sich auf die Lippen. Die Männer redeten immer noch von den Tieren, die sie getötet hatten.

»Ich mußte eben Munition sparen«, sagte Eli nachdenklich. »Die war ganz schön teuer.«

»Nur die richtigen Indianer aus der alten Zeit kennen das Wild so gut, daß sie es mit der Schlinge fangen können«, sagte Gordie zu uns. »Euer Onkel Eli ist ein richtiger alter Indianer.«

»Weißt du noch, was du als allererstes geschossen hast?« fragte Eli King.

King schaute auf sein Bier hinunter, dann warf er mir einen stolzen, schlauen Blick zu. »Ein Schlitzauge«, sagte er. »Ich war bei der Marine.«

Lipsha trat gegen mein Stuhlbein. King brüstete sich immer damit, daß er in Vietnam gewesen sei, äußerte sich aber immer sehr vage darüber, wo und wann genau er im Einsatz gewesen war.

»Ein Stinktier.« Gordie hob die Stimme. »King hat ein Stinktier erwischt, als er zehn war.«

»Hast du schon mal Skunk gegessen?« fragte Eli mich.

»Schmeckt wie kaltes Hähnchen«, tippte ich.

Eli und Gordie stimmten mit feierlichem Grinsen zu.

»Und wie häutest du dein Stinktier?« fragte Eli King.

King schob seine Mütze nach vorn, um seine Augen vor der Neonküchenlampe zu schützen. Ein blau-weißes Schild war vorn auf seine Mütze genäht. »Der größte Angler der Welt« stand darauf. King hob mit gewinnender Unkenntnis die Hände.

»Wie häutest du denn ein Stinktier?« fragte er Eli.

»Man muß zuerst die Drüsen abschneiden«, erklärte Eli bedächtig, indem er auf verschiedene Teile seines Körpers zeigte. »Hier, hier, hier. Dann zieht man das Fell ab wie bei jedem anderen Tier. Man muß es dreimal in frischem Wasser kochen.«

»Und dann eßt ihr das ehrlich?« fragte Lynette. Sie war mit einem neuen Bier hereingekommen und kaute jetzt zufrieden an einer fransigen Haarsträhne, die sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst hatte.

Eli setzte sich kerzengerade auf und schob seine kleine grüne Mütze nach hinten.

»Ach, bist du auch so etepetete? Wie Zelda. Die ist einmal mit ihrem ersten Mann, mit diesem Schweden John