Liron erklärt die Welt - Katharina Sophie Ahrens - E-Book

Liron erklärt die Welt E-Book

Katharina Sophie Ahrens

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Beschreibung

Pferdebücher gibt es viele: Fach- und Sachbücher, Bildbände und Lehrmaterial. Im Bereich Belletristik sind Pferdethemen bis jetzt weniger präsent, es sei denn, die Darstellung entbehrt jeder Realität. Dabei sind es Erwachsene, die Filme von Rosamunde Pilcher und Inga Lindström sehen wollen, in denen Pferde jedoch nur schmückendes Beiwerk sind. Pferdegeschichten faszinieren. Dieser Erzählband von Katharina S. Ahrens kommt ohne erhobenen Zeigefinger daher, denn hier erklärt ein kleines Fohlen seine Welt von der Geburt bis zu seinem Ende. Liron schildert sein Leben in der Natur in der Herde, mit Mutter und Freunden, Gästen und seiner Arbeit als Sportpferd in der Königsdisziplin, der Vielseitigkeit, während Liron bei der Arbeit mit Therapiepferden hilfreich ist. Eben ein vielseitiges Pferd!

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Als Tochter eines Gärtnermeisters und einer kaufmännischen Angestellten in Niedersachsen geboren und aufgewachsen, ist Katharina Ahrens das Schreiben nicht in die Wiege gelegt worden. Die Ponyzucht der Familie, Sport und Lesen bestimmten den Alltag, wobei besonders die Geschichten von Lise Gast dafür verantwortlich waren, von einem Leben mit Pferden als Schriftstellerin auf einem Hof zu träumen.

Beruflich zog es Katharina nach dem Abitur in Buxtehude zuerst zum Volontariat bei einer Tageszeitung im Weserbergland, wo sie einige Jahre als Redakteurin arbeitete, bevor sie zu einem großen Sportmagazin wechselte und über Reitsport berichtete. Ihr Studium an der Universität Hamburg finanzierte sie sich durch Mitarbeit an diversen TV-Produktionen und durch ihre Beiträge in der Pferdefachpresse.

Ein Studium der Psychologie und Sportwissenschaften war jedoch nicht das, was sich die Autorin für ihren zukünftigen Lebensweg vorgestellt hatte. Eigene und ihr anvertraute Pferde schürten das Feuer, sich ganz der Verhaltenskunde zu widmen und ein Studium an der Akademie für Tiernaturheilkunde (ATN) in der Schweiz zu absolvieren. Zeitgleich zog Katharina Ahrens zu ihrem Lebensgefährten auf den Resthof zwischen Hamburg und Cuxhaven ins Krimiland am Fluss Oste. Pferde und das kreative Schreiben zum Beruf zu machen, der Traum erfüllte sich durch die Begegnung mit der P.E.N. Schriftstellerin Jutta Heinrich beim Seminar im Schloss Agathenburg: Aus der Redakteurin wird eine Lektorin.

Mit „Lirón erklärt die Welt“ erscheint das erste, eigene Pferdebuch im Bereich Belletristik. Im Erzählband „Lirón entdeckt die Welt“ schilderte Katharina Ahrens im Verlag PferdOman / Jadelund das Leben ihres selbst gezüchteten Fohlens aus der Stute, die sie ihr Leben lang begleitet hat. Lirón erzählt auf naiv-komische Weise seine ersten Lebensjahre, entwickelt im Verlauf der Geschichte seine Ausdrucksmöglichkeiten und wird am Ende zu einem Philosophen, der den Menschen erklärt, wie Pferde leben möchten.

Die Autorin Katharina Ahrens dazu: „Die Schreibform entstand aus der Idee heraus, dass es dem Leser leichter fallen könnte, die Verhaltenskunde und das Wissen über Pferde - während meiner 50 Lebensjahre erworben - aus der Sichtweise Liróns zu erfahren“.

Die Kurzgeschichte ist erschienen unter dem Titel „Lirón entdeckt die Welt“ im Verlag PferdOman in Schleswig-Holstein, Jadelund. Der Erzählband ist die Folge der Erfahrungen der Autorin in verschiedenen Reitställen, in denen ihre Therapiearbeit häufig mit dem Kommentar versehen wurde: „Wir haben alle lange genug Pferde und möchten nicht belehrt werden“. Diese Konfrontationen haben die Autorin bewogen, ihr eigenes Pferd zu Wort kommen zu lassen. In der Hoffnung, dass es besser ankommt…

Inhalt

Vorwort

1.

Kleine Kinder - kleine Sorgen

2.

Krabbelgruppe im Garten

3.

Schulstunde unter Eichen

4.

Jäger und andere Ahnen

5.

Ein neues Zuhause

6.

Wechsel der Welten

7.

Geburtstag im Frühling

8.

Sommer unter Freunden

9.

Winter im Pferdeparadies

10.

Herde wieder komplett

11.

Besuch vom anderen Stern

12.

Hengstweide in der Fremde

13.

Neue Karten im Rang

14.

Die Welt wird größer

15.

Im Schritt zur Reifeprüfung

16.

Zurück an die Nordsee

17.

Erster Test vor den Richtern

18.

Zwangspause mit Fremdreiter

19.

Umzug zu komischen Vögeln

20.

Einladung zum Lehrgang

21.

Dunkle Wolken ziehen auf

22.

Gefährten auf vier Pfoten

23.

Mit Linus ins Müllerhaus

24.

Träume wie Seifenblasen

25.

Kampf um das Leben

26.

Bitteres Ende eines Traums

27.

Schlusswort der Autorin

Vorwort

Fast alles Geld, das ich habe, investiere ich in meine Pferde. Nicht in teure Kleider, Essen oder Urlaub. Ich brauche es nicht länger, auf Turnieren in der ganzen Welt nach Medaillen zu jagen und Ruhm zu ernten. Gold haben wir noch nicht gewonnen, meine Shirkhana und ich, und auch ihr Sohn starb zu früh, um meine reiterlichen Träume zu erfüllen. Aber es ist kaum ein Tag vergangen, an dem mir meine Stute nicht gezeigt hat, dass es etwas gibt, das keine Medaille der Welt mir geben könnte: Sie hat mir ihren Sohn anvertraut, bevor ihr eigenes Leben zu Ende ging. Lirón soll nicht erleben, was ich bei seiner Mutter früher aus Unwissenheit oder aus Unvermögen verdorben habe.

Reiten wird zur Nebensache, in der Zeit, in der ich mein Fohlen aufwachsen sehe. "Wenn das Pferd nicht spricht, so liegt es daran, dass es nicht sprechen will", sagen die Araber. Natürlich spricht das Pferd. Nur: Wir Menschen sind gewohnt, dass alle Lebewesen unsere Sprache lernen. Wer sein Pferd in der Gemeinschaft der Artgenossen beobachtet, der weiß, wie Pferde miteinander sprechen.

Das wird nirgends deutlicher als bei der Erziehung der Fohlen durch ihre Mütter! Könnte ich nur meine Ohren deutlicher anlegen! So bin ich kein vollwertiges Mitglied der Herde und fühle mich höchstens als gern gesehener Gast, nicht als Chef der Truppe. Ich bin für meine Pferde der Entertainer, aber sie brauchen mich eigentlich nicht.

Der Weg zum eigenen Fohlen ist manchmal sehr weit. Bei Shirkhana hat das auch nicht gleich geklappt. Als sie sich auf der neuen Reitanlage um das einzige Pony bemüht, wo sie die "Zwerge" früher immer gehasst und nach ihnen gebissen hat, wusste ich: jetzt ist die Zeit gekommen! Entgegen des Rates vieler Züchter habe ich es mit einer so „alten“ Stute gewagt zu züchten, die noch dazu Sportpferd war, und sie wurde tragend. Den Vater, Lemon Park, hat Claus Schridde ausgesucht.

Wie zur Strafe schien acht Wochen vor dem Termin die Milch zu kommen. Fast sieben Wochen bei Minusgraden im Stall campieren! „Hätte ich doch bloß ein Fohlen gekauft“, dachte ich damals, „dann hätte ich mir sogar die Farbe noch aussuchen können“. Nun müssen wir da durch, meine Stute Shirkhana und ich. Lohnt sich das? Auf jeden Fall!

Meine Kräfte sinken fast auf den Nullpunkt. Nachts Wache halten und tagsüber arbeiten. Viele Ratschläge von Züchtern und FreundInnen sind gegensätzlich und verwirren mich. Jede Nacht leuchtet mir ein Komet auf dem Weg in den Stall. Hale Bob. Es ist das Jahr 1996. Ein schlechtes Omen? Wie unbedeutend ich dagegen bin, wenn ich in den Himmel sehe. Wie lange sind die Sterne schon da? Dann die Geburt wie im Bilderbuch: Es ist über die Gezeitenwende hinaus, da wird Shirkhana unruhig, klappert mit den Zähnen an der Boxenwand entlang. Gitter haben die Boxen nicht.

Die Stute dreht sich, ist unruhig, äppelt und verliert nach einer Stunde das Fruchtwasser. Zeit, die Hofbesitzerin zu wecken. Ich verlasse mein Versteck in der Scheune hinter der Schiebetür. Als wir das Notlicht einschalten, fährt mir das erleichterte Wiehern meiner Stute durch Mark und Bein! Sie freut sich, dass ich da bin? Sie vertraut mir! Noch einmal wirft sie ihren Hals über meine Schulter und knurrt ganz tief von unten, aus dem Brustkorb heraus, schwitzend, dampfend, dann dreht sie sich und lässt sich fallen. "Wie ein Profi", lobt die erfahrene Züchterin mein Pferd, "als hätte sie das schon ein Dutzend Mal gemacht". In dem Moment hat Shirkhana schon Gold für uns gewonnen, für mich und für ihren Nachwuchs gleich mit.

Sechs Stunden nach ihrem eigenen Geburtstag, sie ist 17 geworden, ist der kleine Hengst auf der Welt. Termingerecht. Ganz nach Plan und dunkelbraun, wie die Mama. Nur zwei weiße Fesseln hinten, wie zwei Socken. Ohne die schmale, schöne Blässe seiner Mutter, das bringt sein hübsches Gesicht noch mehr zur Geltung, nichts lenkt davon ab. Sein Name ist Lirón. Das ist Spanisch und heißt Siebenschläfer. Das passt so schön, weil ich sieben Wochen im Stall schlafen musste, bis er da war. Drei Stunden braucht er noch, um die Milch zu finden. Da hätte ich ihn am liebsten umgetauscht, denn ich brauche doch ein intelligentes Pferd: Für den „Busch“, Queerbeetreiten, für die Vielseitigkeit. Nein, für kein Geld der Welt würde ich ihn eintauschen. Besser als er ist, hätte kein Fohlen werden können….

Gräpel an der Oste, 20. Oktober 2014

1. Kleine Kinder - kleine Sorgen

Als Pferdekind auf die Welt zu kommen, das ist schon schwer! Meine Mama ist ja nicht mehr ganz jung. An Nachwuchs hatte sie eigentlich nie gedacht, dabei war sie schon zweimal bei einem Hengst. Als sie zehn Sommer alt war. Es war ein ganz besonderer, der einen Weltrekord im Hochsprung hatte. Von dem hat sie manchmal geträumt, wenn ich schlafen wollte. Nekoma war schwarz und weiß.

So wie meine Welt hier jetzt gerade. Mama hat dann immer sehr leise gekichert, wenn sie von ihm geträumt hat. Dann schüttelt es mich hier drinnen!

Bei mir hier ist es dunkel, aber wenn Mama träumt, dann kann ich mir richtig vorstellen, wie alles aussieht. Alle Geräusche kommen bei mir leiser an, da ist was um mich herum, das dämpft alles. Überhaupt habe ich es hier gut: nur schlafen und essen, ab und zu noch etwas wachsen. Nur manchmal wache ich davon auf, dass um mich herum alles wackelt! Es schüttelt mich hin und her, oft wird mir ganz schlecht davon. Aber dann habe ich von draußen etwas gehört. Das klingt ganz sanft und lieb. Verstanden habe ich davon nichts, aber der Ton hat einen schönen Klang, und weil die Mama sich wohl fühlt, wenn sie das hört, dann fühle ich mich eben auch wohl. Außerdem isst Mama da etwas und das schmeckt mir auch.

Gerade, als ich mich an das Schaukeln gewöhnt habe, ist damit Schluss. Mama ist jetzt nicht oft im Licht und deshalb ist es bei mir noch dunkler. Hätte ich gar nicht gedacht, dass es noch dunkler werden könnte, aber es ist so. Das Schaukeln vermisse ich sogar, aber dafür schmeckt alles anders, was Mama isst. Sehen kann ich davon nichts, es kommt aus einer Schlange, die ist zwischen meiner Mama und mir. Seit das Essen anders schmeckt als sonst, wachse ich noch schneller. Ich werde größer und kräftiger. Manchmal meckert die Mama, dass ich mich anders hinlegen soll, damit sie besser essen kann. Ich liege ihr auf dem Magen, sagt sie, und dann passt da nicht viel `rein.

Wenn ich nicht gleich auf sie höre oder mich auf die falsche Seite lege, dann boxt Mama mich. Blitzschnell bollert sie gegen meine Wand. Wie rücksichtslos! Am liebsten würde ich mich auch so bewegen oder nur allein richtig strecken. Langsam wird mir das hier zu eng! Warum wünscht sich Mama jetzt bloß, sie wäre wieder so dünn wie früher? Weil alles gar nicht mehr in ihren Bauch passt. Da sitze ich ja jetzt drin, sagt Mama gehässig. Sie hat heute Geburtstag.

Was ist das, Geburtstag? Mama bekommt ein besonderes Essen.

Lecker! Aber sie sieht das wohl anders, es tut ihr nicht gut? Sie wird plötzlich ganz unruhig und läuft im Kreis. Bei mir wackelt alles, die Wände kommen immer auf mich zu und alles ist so eng, noch enger als früher, am Anfang und auch jetzt. Hier will ich nicht mehr bleiben! Ach, nein, das hätte ich lieber nicht denken sollen! Nun hat Mama schlimme Krämpfe und große Angst, weil sie auch nicht genau weiß, was los ist. Mir wird schwindelig! Ich komme in Panik, dass mir etwas passiert, da passiert es! Es wird noch enger und dann ist auch noch alles in Bewegung, alles, vor allem ich! Es rauscht um mich herum und ich werde geschubst, bis ich plötzlich auf dem Trockenen sitze und nach Atem ringe!

Es ärgert mich, dass da zwei Stimmen sind. Die pieksen mich überall! Gerade habe ich so schön gelegen! Es riecht hier, wie meine Mama! Endlich kann ich zappeln, ich habe so lange Teile, die endlich den Platz haben, den sie wollen! Diese Stöcker, so dünn, diese Stelzen sind viel zu lang! Jedenfalls bleibe ich hier nicht. Ich will zurück zu meiner Mama! Wo ist sie? Mammmma!!!

Meine Mami sieht ganz anders aus, als ich gedacht habe. Ich erkenne sie ganz leicht, weil sie so gut riecht. Viel besser, als ich dachte, als ich sie noch nicht sehen konnte. Ihre Stimme klingt hier draußen ganz laut, sie brüllt mich immer an! Mami ist ganz müde und erschöpft, sagt sie. Trotzdem will sie wissen, ob bei mir alles in Ordnung ist. Sie möchte, dass ich versuche, mich auf diese Stelzen zu stellen. Beine, sagt sie, heißt das. Sie will es mir vormachen, aber sie schafft das auch nicht gleich. Wir versuchen das gemeinsam.

Autsch! Da liege ich wieder in diesem pieksigen Zeug. Wenn das ein schönes Leben sein soll, in dem ich mich dauernd so anstrengen muss und mir immer wehtue, bin ich froh, dass ich wenigstens meine Mami habe! Die sagt, sie hat noch eine Überraschung für mich, soll ich doch mal suchen! Aber immer, wenn ich auf diesen dunklen Schatten zulaufe, den ich für meine Mami halte, dann bin ich weiter weg von ihr. Das strengt aber auch so an, weil ich immer wieder umfalle. Davon kriege ich schrecklichen Hunger. Aber die Schlange ist nicht mehr da, von der ich immer Essen hatte!

Mami sagt, die Schlange sieht nur anders aus. Also suche ich wieder nach dem Schatten, denn sehen kann ich nur hell und dunkel. Fast bin ich am Ende mit meiner Kraft, da kleckert mir was auf die Nase.

Bäh, ist das eklig! Oder nicht? Moment mal. Das riecht ja ganz prima! Wo war das noch gleich? Ich suche und suche, bis ich vor Müdigkeit umfalle. Aber der Hunger treibt mich immer wieder hoch. Ein paar Mal bin ich kurz davor, aber dann hat Mami mich angeschubst und mein Ziel ist wieder weit weg.

Als ich schon keine Hoffnung mehr habe, schnuppert Mami an mir, genauer gesagt, an meinem Hinterteil, und bugsiert mich an ihrem Körper entlang hin zu diesem famosen Geruch! Ja, Mami hat schon Ahnung vom Leben! Aber ob sie auch noch weiß, wie schwer das alles ist, wenn einer so klein ist wie ich?

Langsam habe ich den Bogen `raus, wie ich zu meinen Mahlzeiten komme. Ich rieche, wo meine Mama ist, aber ich finde die Richtung noch nicht gleich. Habe ich mein Ziel erst in der Nase, tauche ich einfach an dem warmen Körper lang, immer dem weichen Fell von Mama nach, bis ich dahin komme, wo ich gar nicht vorbei kann.

"Unser Mensch", hat Mami mir erklärt, ist die Stimme, die ich gehört habe, als ich noch drinnen in Mamis Bauch war. Die sind aber dumm! Die sagen, der Klapperstorch bringt die Babies! Mama lacht.

Sie sagt, der Storch bringt keine Kinder, er klaut Frösche. Mami sagt, wenn ich größer bin, zeigt sie mir Störche - und Frösche gleich mit.

Menschen. Pferde wie Mami und ich sind das jedenfalls nicht. Sie haben auch vier Stelzen, aber nur zwei zum Laufen. Die anderen beiden benutzen sie, um Mami Essen zu bringen, wie das gelbe Zeug und lecker grünes, das heißt Heu. Die Stimme putzt meine Mami manchmal und klopft sie ab. Aber ich lasse mich nicht gern anfassen. Zuerst. Die riechen so anders, die Menschen. So streng.

Weil die liebe Stimme mich manchmal festhält und mir so ekliges Zeug ins Maul drückt, glaube ich gar nicht, dass unser Mensch lieb ist. Aber hinterher wischt es mir das alles wieder ab. Es gibt andere Menschen, die sind gar nicht so lieb. Einer hat mich mit so einem komischen Ding gejagt und mir dieses gelbe Zeug um die Ohren gestreut, das so komisch piekt. Na, dem habe ich aber mal gezeigt, wie gut ich mich schon halten kann, wenn ich nach hinten `raus pfeffere mit meinen beiden Stelzen! Wie ein Trommelfeuer!

Irgendwann sind welche gekommen und haben mich festgehalten.

Der eine wollte mir mit so einem spitzen, blanken Ding in den Hals stechen! Mami hat von weit weg gerufen, ich soll stillhalten, weil das sein muss, dass die mich pieken. Warum? Verstehe ich nicht. Damit ich nicht krank werde, sagt Mami. Aber ich wollte nicht hören. Da haben die einfach nach meinem Fliegenwedel gegriffen und mich da ganz hinten festgehalten. Unfair! Habe ich es doch geahnt! Wer nur zwei Paar Stelzen hat und eins davon nur zum Laufen braucht, der hat zwei frei für mich! Von jetzt an nenne ich die tiefen Stimmen "böser Wolf", wie in der Geschichte, die Mami erzählt, wenn ich einschlafe.

Sobald ich richtig gut sehen kann, sagt Mami, wird das Leben total aufregend für mich. Im Moment finde ich es aber wirklich langweilig.

Das war doch besser in Mamas Bauch. Viel anders ist es ja noch nicht: Schlafen, aufstehen, essen und wachsen. Wie Mami das macht, dass ich essen kann, ohne die Schlange zu benutzen, habe ich aber noch nicht herausgefunden. Mehr Platz habe ich hier in dieser Schachtel, aber manchmal drängelt Mami immer noch, ich soll mich nicht so breit machen! Wenn ich nicht gleich hören will, legt sie bitterböse die Ohren an und manchmal schnappt sie sogar nach mir! Nicht sehr fest, aber es wirkt. Das möchte ich lieber nicht so oft erleben.

Unternehme ich ab und zu einem Ausflug neben Mami, wenn die isst, wird sie ganz böse, bis ich mich in eine Ecke kusche. Erst, wenn sie mit Essen fertig ist, darf ich hingehen und abschlabbern, was übrig bleibt. Wie soll ich denn mit diesem Rest groß und stark werden? Ob meine Mami eigentlich geizig ist?

Zeit messen wir nicht in Tag und Nacht, sondern in Licht und Dunkel.

In Heiss und Kalt. Menschen sagen dazu Sommer und Winter, sagt Mami. Uns geht es mehr darum, wann wir viel zu essen finden, grünes und frisches, das ist heiss. Wenn wir das trockene Grüne essen müssen, ist es kalt. Nach drei Licht bin ich schon ganz schön gut zu Fuß. Nicht gut genug, um Menschen zu entkommen.

Unser Mensch ist eine Sie, so was wie meine Oma, hat mir Mami erklärt. Diese Oma macht mir was in den Popo, das ist ganz widerlich. Bis jetzt konnte ich noch nicht so gut diese Kugeln machen, wie Mami sie jeden Tag ins Stroh oder auf den Boden fallen lässt. Stroh ist das gelbe, das mich so piekt. Das Zeug von der Oma soll mir helfen, aber ich kann gut darauf verzichten. Mami sagt, das muss aber sein. So wie das Zeug, das ich ins Maul bekomme. Das ist gegen Würmer. Mama sagt viel, aber manchmal weiß ich gar nicht mehr, was.

So viele Wörter auf einmal! Der Unterschied zwischen Oma und Würmer zum Beispiel. Mama sagt, das ist der Mensch, bei dem sie schon lebt, seit sie so klein war wie ich jetzt bin. Meint sie damit nun Oma oder Würmer? Das ist ganz schön schwer und ich muss das alles lernen, damit ich mich in der Welt dieser Menschen zurecht finde...

Heute darf ich das erste Mal mit meiner Mami `raus! Als die Schachtel aufgeht und ich sehe, wie viel Platz dahinter ist, wird mir doch ganz schön mulmig. Die Stelzen werden ganz weich und ich kann gar nicht mehr laufen vor Angst. Die Mami ist klasse, so geduldig. Sie wartet an der nächsten Wand und zeigt mir, dass ich nicht umfallen kann, wenn ich es bis da schaffe. Aber am liebsten würde sie mich hier lassen und im Galopp weglaufen, das merke ich! Galopp? Das ist die schnellste Art von einem Ort zum anderen zu kommen, meint Mami. Hej! Schließlich bin ich nicht mehr so blöd wie am Anfang, im ersten Licht!

Mami will mir alles zeigen! Aber ich kann noch gar nicht so weit laufen und möchte lieber noch einmal an die Milchbar. Habe ich mir ausgedacht, diesen Namen! Milchbar! Klingt echt gut. Ich kann an gar nichts mehr denken, nur an dieses, die Milchbar. Aber da ist jetzt zu und das Ding ist auch schon ganz schön weit außer Reichweite.

Überall auf dem Weg zu Mama und zu der Milchbar sind Fallen.

Hindernisse, die für große Pferde nicht mehr zu sehen sind, aber für uns kleine. Schon allein aus dieser Schachtel heraus und gleich um die Ecke! Meine Stelzen vorne sind schon herum, aber die hinten kriege ich nicht gleichzeitig hinterher. Die sind in der Überzahl! Da, wo für Mami der Hügel ist, das ist für mich ein Berg! Aber das ist leichter, wenn ich einfach einen Hüpfer drüber mache. Irre! Puh.

Geschafft! Wohin jetzt?

Unter mir gibt der Boden plötzlich nach und ich brauche ganz viel Kraft, um die Hufe wieder heraus zu ziehen. Ich stecke echt in Schwierigkeiten. Ich sacke noch mehr ein! Können wir nicht eine Pause machen? Einmal Milchbar, bitte! Ist Mami denn nicht mit diesen langen Beinen geboren worden? Überall unter der Mami ist so Zeug, das knabbert sie, aber mein Hals ist zu kurz oder die Beine sind zu lang? Das übe ich alles später noch.

Wo wir jetzt sind, das heißt Draußen, sagt meine Mami. Hier kann ich besser laufen. Aber immer, wenn ich das will, ist Mami furchtbar aufgeregt und wiehert ganz wild. Sie springt in die Luft mit allen Stelzen, so wie ich eben! Zuerst zeigt sie mir, wo ich nicht hingehen darf, weil ich noch zu klein bin. "Siehst Du den Graben?", fragt sie.

Klar, bin doch nicht blöd! Wir laufen dahin. Die Menschen schreien.

Sie denken wohl, Mami will da `rüber. Sie sagen, sie ist ein altes Buschpferd. Deshalb. Aber so wird das bei uns gemacht. Meine Mami sagt immer, was ich tun soll und was gefährlich ist. Sie geht dann mit mir hin und ich kann mir alles in Ruhe ansehen. Meine Mami hat vor nichts, aber auch vor gar nichts Angst. So will ich auch mal sein.

Die Mami hat viel von der Oma gelernt, aber nicht den Instinkt. Sagt sie. Das wird von Herde zu Herde weitergegeben und lebt in uns, sagt Mami. Auch sie hat viel von ihrer Mama Yorabella gelernt und sogar von ihrer richtigen Oma, die hieß Ahnfrau. Oder sie war eine Ahnfrau? Weiß ich nicht so genau, das kann ich mir doch nicht alles merken. Die haben alle in einem Haus gelebt, erzählt Mama, nur die Väter nicht. Klasse! Die schicken einen doch immer zu früh ins Bett, diese Väter, oder wozu sind die da?

So wie die Sache mit dem Graben: Davor geht es ja ganz schlimm bergab, das würde ich sogar merken, wenn ich gerade beim Spielen bin! Menschen sind da anders, sagt Mami. Die haben ihre Instinkte verloren. Wenn im Stall kein Licht ist, wissen die Menschen gar nicht mehr, an welcher Stelle sie gerade sind. Sie torkeln dann Schritt für Schritt hilflos herum. Als Pferd würden sie mit so einer Leistung glatt durch jede Prüfung fallen! Menschen sind ganz unvollkommen?

Draußen ist es warm und windig. Wenn ich mich ganz stark fühle, dann spiele ich mit dem, den sie Wind nennen. Gerade, wenn ich richtig in Fahrt bin und den Wind hinter mir lassen will, ist Ende. Es ist fast dunkel und ich bin schon ganz müde, da müssen wir wieder zurück in die Schachtel, und ich glaube oft, das Leben ist ungerecht: `rein, `raus, `rein, `raus. Der anstrengende Weg ist immer viel länger, als die kurze Zeit draußen. Bleibt das so? Dauern die guten Sachen nie länger als die schlechten?

2. Krabbelgruppe im Garten

Es gibt noch welche, die aussehen wie meine Mami! Es gibt auch noch welche hier, die sehen so aus wie ich! Das habe ich gemerkt, als ich probiert habe, aus Mamis Tonne zu trinken! Da habe ich zum ersten Mal gesehen, wie ich aussehe. Natürlich habe ich nicht gleich gewusst, dass ich das bin und habe mich erschrocken, als mir was entgegen kam. Die Mami weiß ja viel! Sie hat mir das erklärt, dass ich das bin, und mich auch gewarnt, ich soll nicht so frech sein, wenn wir die anderen treffen. Vor allem vor den Damen soll ich mich benehmen. Was denn für Damen?

An dem Tag, als es passiert ist, wusste ich es: Die anderen sind viel größer und viel älter als ich. Aber ich war als erster draußen! Na, ich habe büschen doll angegeben! Da ist die Mama von dem einen, der so aussieht wie ich, hinter mir hergelaufen und hat ganz böse mit den Zähnen geklappert. Vor lauter Angst habe ich nach Luft geschnappt und konnte gar nicht nach meiner Mami rufen! Mama nennt das Instinkt, was ich gemacht habe. Das mit dem Maul klappern ist ein Zeichen, dass ich aufgeben will. Die alte Dame, Espe, hat aufgehört, mich zu verfolgen. Mami ist sofort bei mir gewesen und hat mich beschützt. Wenn ich die anderen geärgert habe und nicht mehr weglaufen kann, verstecke ich mich hinter Mami. Das klappt immer. Oder die Oma ist da und passt auf. Ich weiß jetzt schon den Unterschied zwischen Würmer und Oma! Würmer sind drinnen und Oma ist draußen!

Menschen sind gar nicht so schlau wie wir und deshalb können die auch nicht sprechen. Mami sagt, wir sind auf der Welt, um Menschen zu helfen, die Tiere etwas besser zu verstehen. Wir sind schon viel, viel länger da und haben uns angepasst, damit wir nicht aussterben, sagt Mami. Das verstehe ich noch nicht, aber ich weiß, dass Mami alles weiß. Es ist besser auf sie zu hören, deshalb nenne ich Licht von heute an auch so, wie es die Menschen sagen: Licht ist der Tag und am Tag sind wir draußen!

Die beiden anderen sind schon viel länger auf der Welt. DeVito ist geboren worden, als es noch ganz, ganz kalt war. Es heißt Winter.

Das ist aber dumm, weil er da immer nur in der Schachtel oder auf dem harten Boden, herumlaufen durfte. Diesen Boden nennen die Menschen Stallgasse. Wie das klingt! Ganz krumme Beine hat DeVito da gehabt. Der andere ist Dario. Der ist schon später geboren. Aber nicht so wie ich. Als ich auf die Welt kam, hat gerade Frühling angefangen. Das ist genau die richtige Zeit für Fohlen, sagt Mami. Frühling ist zwischen Kalt und Heiss. Einen Tag nach der Geburt durfte ich schon `raus, meine krummen Beine strecken.

Gleich am zweiten Tag, als ich mit darf, sehe ich so viele Dinge, die ich nicht kenne. Meine Mami ist schon ganz nervig von meinen vielen Fragen: "Was ist das denn? Und das? Und das?". Aber ich will alles wissen, damit ich nie Furcht haben muss vor irgendwas. Nicht vor Geräuschen, wie sie um uns sind, und nicht vor Sachen, die viel größer sind als ich. So wie Dario und DeVito. Vor denen habe ich nie wirklich Angst gehabt. Nur ein ganz bisschen und nur ganz zuerst.

Bis ich gemerkt habe, dass Größe nicht entscheidend ist.

Als ich mit Mami allein draußen bin, da habe ich vor lauter Freude über meine Beine und die Geschwindigkeit, die ich drauf habe, gar nicht gemerkt, dass ich auf den Zaun zugelaufen bin. Erst, als ich dieses wahnsinnig laute Geräusch gehört habe, war mir klar, da ist was Gefährliches. Mami ist mit mir geradewegs auf dieses Geräusch zugelaufen. Ein bisschen mulmig ist mir schon gewesen! Als wir ganz dicht dran waren und nur noch der Zaun dazwischen war, ist das Ding viel leiser geworden und hat angehalten. Das war ein Trecker. Der lebt nicht richtig. Nur, wenn ihn Menschen bewegen.

Dann kann der ganz schwere und große Sachen hin- und hertragen oder den Boden aufreißen. Früher haben Pferde wie wir das alles gemacht. Aber dann hat der Mensch den erfunden und viele Pferde wurden dadurch ersetzt, weil das Ding nicht soviel Hafer braucht. Sagt die Mami.

Wenn die Menschen sich nicht eine neue Aufgabe für uns ausgedacht hätten, dann wäre auf der Welt vielleicht schon gar kein Platz mehr für uns? Da bin ich aber froh, dass es so ist. Was ist das für eine Aufgabe? Im Stall steht ein Pferd, das ist nicht so groß wie Mami und die, aber nicht so klein wie wir. Es sieht ganz anders aus, hat einen viel kräftigeren Körper und einen dünnen Hals. Erst haben wir getuschelt und gelacht, als wir Bronco beobachtet haben, aber dann hat er uns Geschichten aus dem Westen erzählt, wo die Arbeit mit dem Vieh noch von Pferden wie Bronco erledigt wird. Der hat ja Sachen drauf!

Ob das wohl alles so stimmt? Bronco hat gesagt, Pferde werden auf der anderen Seite vom Teich für das Treiben von Rindern gebraucht.

Unsere Mütter glauben das auch nicht. Die wissen aber auch, was Rinder sind. Seit heute wissen wir das selbst! Espe und Mami und Dario und ich waren ohne DeVito und seine Mutter draußen. Die sind zur Auktion mit dem Chef. Das ist unser Futtermeister, der bringt uns den Hafer, das Heu und Stroh. Seine Frau macht immer so witzige Sachen, wenn er weg ist. Heute hat sie zwei Kühe mit Kälbern zu uns auf die Wiese gestellt. Espe und Mami haben gleich Jagd auf die Rinder gemacht. Kuh ist ein anderer Name für Rinder. Unsere Mütter sind richtig hinter denen her und haben sie durch die ganze Weide getrieben!

Einmal hat sich das Bullenkalb an Mamas Seite verirrt, weil es dachte, die Mami wäre seine Mutter. Da habe ich den ganz mutig im Galopp geschubst. Aber der Kleine ist dadurch genau vor Espes Füße gestolpert und die hat nach ihm geschlagen. Der hat vielleicht ein Salto gemacht! Als er nicht aufgestanden ist, haben wir aber Angst gekriegt! Das haben wir ehrlich nicht gewollt. Es war doch nur ein Spiel! Die Menschen kamen sofort angerannt und haben bei dem kleinen Bullen Rettungsdienst gemacht. Irgendwann ist der dann wieder auf die Beine gekommen und hat sich ordentlich geschüttelt.

Als der Chef auf einmal da stand, hat er ganz laut und böse mit seiner Frau geschimpft. So böse war er mit uns zum Glück noch nie! Dem Bulli geht es am nächsten Tag schon viel besser. Der torkelt noch, aber zu uns darf er nicht wieder zum Spielen.

Mit den anderen kann ich prima spielen. Dario und DeVito sind beide größer als ich und vielleicht auch stärker. Aber ich bin klüger.

Manchmal schlendere ich an sie ´ran und tue so, als ob ich dieses grüne Zeug esse. Gras. Gräser. Dabei ist mein Hals noch viel zu kurz dafür! Leider. Dann mache ich zwei Sätze und springe auf DeVito zu. Ich bin der Schattenmann! Ich habe das nur zwei- oder dreimal gemacht, da hatte Dario gleich Angst vor mir! Dario schnappe ich immer am Fliegenwedel. Wenn er hauen will, stelle ich mich ganz dicht hinter ihn, dann trifft er mich nie. Oder ich packe ihn am Mähnenkamm. Oder es klappt, ihn in die Brust oder ins Vorderbein zu schnappen, bis er einen Knicks machen muss. Der ist ein bisschen doof. Träge, meint Mami. Doof sagt man nicht. Stört mich gar nicht, dass DeVito schon viel größer ist, wenn ich auf ihn drauf springe oder ihn an der Mähne packe, kann er nichts mehr gegen mich machen. Wenn er nach mir schlagen will, stelle ich mich einfach ganz dicht hinter ihn, dann trifft der mich auch nicht.

Mein Lieblingsspiel ist aber Beinkneifen bis zum Knicks! Oft stelle ich mich vor die Badewanne mit dem Wasser, das unsere Mamis immer trinken. Dann lasse ich Dario und DeVito nicht dahin. Die ärgern sich dann, weil sie sich nicht im Wasser begucken können. Wenn Mami das sieht, schimpft sie mit uns: Sich im Wasser bewundern ist Eitelkeit. Das ist, wenn sich einer so schön findet. Was schön ist, bestimmen bei uns aber die Menschen. Ob die das wohl wissen?

Die kleinen Menschenkinder im Stall bewundern immer DeVito, weil er schon so groß ist. Und schwarz. Rappen sind das. So heißen schwarze Pferde. Alle kleinen Mädchen finden Rappen schön. Aber es ist doch viel wichtiger, was drin steckt! Das sagt Mami jedenfalls.

Schön sein reicht nicht. Zum Glück ist die Oma ganz anders. Für die ist immer ihr eigenes Pferd das Beste. Sie hat der Mami schon ganz früh als Fohlen gesagt, dass Mami für sie das schönste Pferd der Welt ist. Wenn Mami das erzählt, hat sie immer ein ganz glückliches Gesicht: "Unser Mensch sagt," erinnert mich Mami immer wieder, "ich bin wohl nicht das schnellste Pferd der Welt, aber schnell. Nicht das schönste, aber schön. Ich springe nicht höher als alle anderen Pferde, aber hoch und elegant. Ich bin nicht das beste Dressurpferd der Welt, aber für Deine Oma, Lirón, bin ich das schon. Wir können so froh sein, dass sie unser Mensch ist". Hoffentlich kann ich bei Mama und Oma bleiben. Wenn ich brav bin? Ich bin also Lirón?

Einmal war Mama ganz traurig, weil ich keine Stute bin. Die würde meine Oma bestimmt behalten. Aber ich bin ein Hengst. Alles das habe ich noch nicht verstanden. Nur den Sinn. Vielleicht... ist Oma ja kein richtiger Mensch, sie ist eine von uns? Sie lacht immer über alles, was ich so anstelle, und sagt, so ist Mami als Fohlen auch gewesen! Und Oma auch. Was ist Oma denn jetzt?

Als wir schon groß sind - finde ich jedenfalls, dass wir das schon sind - kommen böse Wölfe, die ganz furchtbar riechen. Sie sind groß und stark, das kann ich an ihren Stimmen hören, und ganz anders als die Menschen, die Mami bis jetzt an sich herangelassen hat. Mami ist auch ganz erschrocken, sie zittert und spannt ihre Muskeln an. Aber sie will mir nicht sagen, was los ist. Dann würde ich nur bange, sagt sie. Die riechen wirklich schrecklich! Sie haben die anderen festgehalten und was mit denen getan. Es hat so gezischt und gestunken! Meine arme Nase! Dann haben die bösen Wölfe mich ganz, ganz fest gehalten. Sie greifen nach dem Schweif, meinem Fliegenwedel, und ich kann zappeln und nach ihnen treten wie ich will, sie lassen nicht los. Es stinkt jetzt ganz schlimm und einer von denen kommt und macht was auf mein Hinterbein! Die Oma ist da und hilft denen! Verrat! Sie sagt, dass alles ganz schnell vorbei ist, aber ich verstehe sie nicht. Mami sagt, ich soll mich nicht so anstellen, aber sie zittert ja selber!

Den Großen glaube ich nie mehr. Das tut so weh! Der Geruch, die Schmerzen, das Festhalten und dass Oma und Mami gelogen haben! Mami sagt, Menschen geben uns den Brand, damit jeder sehen kann, wo ich herkomme. Also deshalb hätten die mich nicht so quälen müssen! Ist doch egal, wo ich herkomme, ist doch viel wichtiger, alle sehen, dass ich hier bin, oder? Das kriegen die noch irgendwann wieder... spätestens, wenn ich groß und stark bin! Zuerst muss der büßen, der uns abends das gelbe Zeug in die Boxen streut.

Nach dem haue ich kräftig. Das ist auch ein böser Wolf. Der sagt zu Oma, ich wäre ein schönes Früchtchen, und er sagt, ich hätte eine schnelle Handschrift. Was hab` ich? Den treffe ich schon viel besser als die, die mich verbrannt haben. Hat mich gar nicht getröstet, dass Oma noch ganz lange im Stall bleibt und uns eine Geschichte erzählt, die ich sowieso nicht verstehe. Oder mich ganz lange krault.

Das vergesse ich denen nie! So lange ich lebe!

Mit Mami und Oma kann ich nicht so lange böse sein. Vor allem mit Oma. Die kann fast besser kratzen als Mama! Dafür, dass Oma nicht als Pferd zählt, weiß sie wirklich gut, wo sie kratzen soll! Die ist auch ganz praktisch, wenn ich eine Schramme habe. Da macht Oma dann was drauf, das gar nicht weh tut. Die spielt auch mit mir, aber ich muss dann immer aufpassen, dass ich sie nicht ins Bein zwicke, was die nicht so mögen wie wir. Mit Oma spielen ist nicht so gut wie mit den anderen aus meinem Kindergarten, aber doch eine Klasse besser als mit dem Wind! Immer, wenn Oma auf die Wiese kommt, gehe ich gleich hin. Mal gucken. Die hat immer was Neues mit. Das wird nie langweilig mit der.

Erst, als Oma meine Mami und mich für viele Tage und Nächte nach draußen bringt, wo wir immer was zu essen haben und immer spielen können, wann wir wollen, da habe ich dann vergessen, wie schrecklich das war mit den Wölfen. Ab und zu hat mein Bein noch gejuckt. Dann habe ich mich da nicht anfassen lassen und lieber gehauen. Von Oma habe ich dafür einen Klaps bekommen. Sie will nicht, dass ich ein Schläger werde. Die tragen dann eine rote Schleife an ihrem Schweif. Es klingt albern. Dann lasse ich das mit dem Schlagen mal, wenigstens bei meiner Oma. Die ist ja ganz lieb.

Wir Hengste toben jeden Tag ganz wild und beißen uns in die Beine, um herauszufinden, wer am schnellsten zu Boden geht. Das ist wichtig. Wir sind alle Jungs und müssen lernen, zu kämpfen. Es gibt auch Stutfohlen. Irgendwo. Aber die spielen Mähnekraulen und Schubbern. Ist langweilig. Nichts für Jungs. Für eine, die mal ein Mädchen war, ist Mami total gut. Nicht alle Mädchen sind also gleich doof. Neulich mussten wir auf die andere Seite vom Graben. Weil wir nicht alle drüber springen können und davor noch ein Zaun ist, der uns schlägt, wenn wir dem zu nahe kommen, ist da so ein Ding, über das wir gehen können. Wir Kleinen wissen das ja noch nicht. Wir haben nur gesehen, wie dieser Weg gebaut wurde. Das war total laut. Die beiden Damen aus Muttis Kaffeekränzchen wollen da jetzt nicht `rüber. Da nimmt einer von denen aus dem Stall meine Mami am Kopf und führt sie zu dieser Brücke. "Das ist doch `n Buschpferd, die geht da bestimmt drüber!", sagt die Stimme, die bei Oma war, als ich aus Mamis Bauch kam. Klar geht Mami. Die hat eben keine Angst. So will ich auch werden. Deshalb gehe ich mit ihr.

3. Schulstunde unter Eichen

Mitten auf der Wiese sind riesige Bäume, unter denen wir Pause machen oder unter die wir uns bei Regen stellen. Bäume sind gut.

Die kann ich sogar essen! Nicht viel auf einmal, sonst haben wir keinen Schatten, wenn es heiß ist, und kein Dach, wenn es nass wird. Zuerst habe ich mich erschrocken, als mir der Regen auf mein Fell getropft ist. Es regnet so oft, dass ich mich schnell daran gewöhne. Der Regen fließt schön ab von meinem Fell und macht mir nichts aus. Mami freut sich immer, wenn die Oma uns besucht. Das macht die fast jeden Tag und oft ganz lange! Doch, das gefällt mir auch. Wenn die Oma da ist und krault, das ist fast so gut wie essen, schlafen und spielen. Aber nur fast.

Die Oma ist gar nicht so doof – dafür, dass sie ein Mensch ist und doch kein Pferd. Es dauert gar nicht lange, da versteht sie, wie wir das alles machen hier unter uns. Neulich habe ich gesehen, wie Mama forsch auf die Oma los ist und ihr den Hals hingehalten hat.

Oma hat da drauf geklatscht und eins von diesen widerlichen Dingern erschlagen, die uns immer zwicken und Blut saugen. Das habe ich dann gleich probiert und die Oma hat ganz vorsichtig zugehauen. Erst hat sie einen Satz gemacht, weil sie wohl dachte, ich ziele auf ihre Füße mit meinen Hufen, aber dann hat sie das Vieh entdeckt und pariert. Oma ist klasse! Manchmal bringt sie prima Sachen mit zum Essen. Schon längst probiere ich alles, was Mama isst. Wir knabbern gerne an den Eichen und an der Rinde, obwohl wir genug Gras haben. Die Menschen verstehen das nicht, die haben diesen Instinkt ja nicht. Aber die essen ja auch nicht jeden Tag Eichensuppe. Mami erklärt mir das immer, wenn sie was anderes isst. Eichen zum Beispiel. Die isst sie, wenn sie Würmer hat. Eichen helfen da. Oder Wurzeln ausgraben. Nicht die vom Gras, sonst wächst das nicht mehr.

Wurzeln von Bäumen und Büschen sind für die Verdauung gut, sagt Mami. Das hat sie auch alles von ihrer Mutter gelernt, bevor die nach England umgezogen ist. Also ist das nicht die Oma, die hier bei uns ist? England ist ganz weit weg, mit viel Wasser dazwischen, und da gibt es keinen Weg drüber wie bei uns. Aber grüne Wiesen für uns Pferde. Da möchte ich gern hin! „Dahin fährst Du mit der Oma, wenn Du groß bist“, tröstet Mama mich. Sie erzählt mir eine Geschichte von den Menschen, die sich alle vier Sommer treffen und mit ihren Pferden gegen den Wind laufen. Zusammen springen sie über große Bäume und andere Zäune. Mama sagt, das heißt Olympische Spiele.

Wenn ich groß bin, sind die in London, und das liegt in England. Da möchte ich gern hin. Mit der Oma zusammen und mit Mami.

Es ist immer viel los bei uns auf der Wiese. So viel, dass wir ganz die Zeit vergessen. Die ist für uns nicht wichtig. Keine von unseren Müttern muss arbeiten. Sie sind immer bei uns. Das ist wichtig. Nicht nur, weil wir die Milchbar noch brauchen. Von unseren Müttern lernen wir alles ganz genau. Die erziehen uns zu anständigen Pferden. Meinen Vater habe ich noch nie gesehen. Mami kennt ihn auch nicht. Mich hat der Tierarzt gebracht - und die Oma. Nicht der Storch, wie die Menschen immer sagen. Papi ist mir nicht so wichtig, denn Mami ist immer da, und ich beobachte ganz genau, was sie macht, damit ich alles von ihr lerne. Oma sagt ihr oft, dass ich genau aussehe wie sie. Nicht wie Oma, wie meine Mami! Mein Fell ist inzwischen so dunkel geworden wie ihres. Die Mami sagt, dass Oma sagt, von meinem Vater habe ich wohl nicht viel. Nur die Nerven und die Rittigkeit. Was? Iiigittigitt, das klingt aber komisch. Oma sagt, ich habe von Mami und Papi nur die besten Gene. Zum Glück! Was das wohl bedeutet? Gene.

Heute kommt Oma auf einmal mit einer schwarzen Nase. Also gehe ich hin und sehe mir das an. Mami ruft, ich soll mich benehmen, die Oma hat eine Kamera dabei. Eine was? Ach, die schwarze Nase! Die ist gar nicht so aufregend, das summt nur manchmal wie eine Sumsum. Wenn etwas summt, halte ich immer ganz still, wie Mami es macht. Der glitzernde Kasten, in dem die Nase war, ist viel wichtiger. Den muss ich doch gleich untersuchen. Gut erzogen, wie ich bin, nehme ich dazu erstmal meine Nase. Riecht nicht besonders.

Von allen Seiten betrachtet und beschnüffelt, versuche ich, das Ding zu drehen. Erst, als das alles nicht klappt, nehme ich die Hufe. Ich weiß doch, was sich gehört! Oma kriegt einen Schrecken und kommt angelaufen. Sie schimpft aber nicht und ist auch nicht böse. Ich glaube, sie ist sogar stolz, dass ich nicht aufgebe, das Ding zu untersuchen. Klingt jedenfalls so. Oma klingt sanft und leise.

Als ich die Kiste untersuche, höre ich Mami reden. Sie sagt, die Menschen nennen es "Fressen", wenn Pferde ihr Futter aufnehmen.

Menschen glauben, Pferde sind nicht so vornehm wie sie, weil sie fürs Essen Werkzeuge benutzen. Die haben Mami wohl noch nicht essen sehen! Die teilt sich das ganz genau ein: Die Körner auf die linke Seite, den Hafer manierlich auf die rechte. Alles in einer bestimmten Reihenfolge. Sie kann prima mit ihrer Schnute umgehen und damit das kleinste Haferkorn aufsammeln! Nie nimmt sie die Hufe dazu, auch nicht, wenn sie das Heu teilt oder das Stroh. Oder draußen, wenn sie ganze Grasbüschel schüttelt. Mami isst wirklich vornehm! Die Oma nimmt manchmal ein ganz kleines Stück Essen zwischen ihre Lippen und Mami schnappt das ganz vorsichtig, ohne die Oma richtig zu berühren. Das ist wie ein Kunststück!

Die beiden mögen sich wirklich, das merkt jeder. Also vertraue ich der Oma nun wieder. Als sie bei uns im Gras sitzt, plumpse ich einfach daneben. Wenn die Oma da ist, kann ich ganz beruhigt ein Nickerchen machen. Die passt auf, wie Mami. Heute habe ich fest geschlafen und geträumt. Meine Augen waren richtig zu, da lag ein Schimmer aus ganz vielen Farben drauf. So bunt habe ich noch nie gesehen! In meinem Traum war ich schon groß, fast so groß wie Mami. Die ist mit Oma und mir in die weite Welt geritten und hat mir alles gezeigt. Es war aufregend da draußen und ich will ganz schnell groß sein, damit ich alles sehe. Dann gehe ich mit Oma und Mami durch dick und dünn, so wie meine Mami in ihrem Leben mit der Oma. Vor lauter Freude wiehere ich in meinem Traum. Die sanfte Hand von Oma weckt mich. Sie streicht mir über den Hals und will wissen, ob bei mir alles in Ordnung ist. Klar, ich freu´ mich nur auf das Leben!

Jedes Mal, wenn Oma auf die Wiese kommt, ruft sie Mami und mich mit einem Pfiff. Sie nennt mich "Lirón", und weil das so ähnlich klingt wie "Komm", gehe ich auch gleich zu ihr. Dann lobt sie mich und freut sich, weil ich drauf höre. An einem Tag im Mai - ich bin im April geboren - ist Oma mit ihrem weißen Kasten da, mit ganz vielen PS.

Das heißt Pferdestärken. Aber Pferde sehe ich da gar nicht. Typisch Mensch. Die sagen viele Sachen, die für uns nicht logisch sind. Hat die Mama gesagt. Oma hat Mamis Beine eingewickelt und mir mein Halfter an den Kopf gemacht. Wir wollen einen Ausflug machen, Mami muss zu einem Schmied. Keine Ahnung, was das ist. Mami sagt, ich soll mit, damit ich das mal sehe. Da muss ich später auch hin, damit meine Hufe gerade werden und ich immer gut laufen kann. Erstmal brav hinter Mami her.

Oma hat noch einen Menschen dabei. Das ist Jasmin. So heißen in unserer Welt die wunderschönen Blumen, die gut duften. Jasmin duftet auch gut und sie geht mit Mami in so einen Kasten, der hinter Omas Kasten steht. Oma riecht aufgeregt. Sie geht mit mir. Das ist ganz leicht. Jasmin bleibt bei uns, Oma nicht. Dann bewegen wir uns auf einmal, ohne dass wir die Beine benutzen! Das ist komisch.

Jasmin sitzt hinter einem Haufen Stroh und redet mit mir. Klingt nett.

Ich bin nun beschäftigt und merke zuerst gar nicht, wie schwer es ist, mich auf den Beinen zu halten, denn es wackelt alles ganz schön.

Manchmal rutsche ich richtig vor und zurück. Irgendwann hält dieses Ding und Jasmin steigt aus. Schade. Ich unterhalte mich mit Mami.

Ehrlich gesagt, sie unterhält mich. Sie erzählt mir eine Geschichte von ganz früher, als Pferde noch frei auf der Welt waren. Das muss ja schön gewesen sein! Das würde ich so gern erleben! Wenn ich hier wieder raus komme.

Der Kasten hält an und es wird heller. Jasmin ist da und Oma auch, als sich die Tür öffnet, und dann klettern wir aus dem Kasten heraus.

Mami rennt ziemlich schnell los. Dabei kann sie gar nicht mehr so gut auf dem rechten Vorderbein laufen. Sie hat eine Sportverletzung und ist ja schon älter. Wenn sie irgendwas sieht, wo sie hin will oder flüchtet - vor Oma, wenn die was gegen Würmer dabei hat - dann kann sie wieder ganz schnell laufen. Also renne ich hinterher, mit Oma am Strick, die ziehe ich gleich mit! Wir gehen über das Wasser.

Da ist was, wo wir drüber laufen, damit wir nicht durch das Wasser müssen. So wie das zwischen unseren beiden Weiden. Das auf der Weide ist weich, das war früher mal ein Baum. Das hier ist aber hart. Was war das wohl vorher?

Hier sind überall viele Menschenboxen und gar keine Tiere. Eine Box ist ganz dunkel und riecht wieder so komisch. Nach bösem Wolf.

Aber nach Pferd auch. Da müssen wir `rein. Die großen Wölfe sehe ich noch gar nicht. Mami wird angebunden, aber ich sehe gar nicht, was sie mit ihr machen, denn ich bin schon kreuz und quer in dem Haus unterwegs! Mami ruft ab und zu, ob ich noch da bin. Dann laufe ich kurz zu ihr. Einer der Wölfe versucht, mich am Bein hinten zu fassen. Peng! Dem habe ich aber eine verpasst! Leider habe ich nur die Kiste getroffen, die er an seinem Bauch trägt. Da ist so Zeug `raus gefallen und hat Lärm gemacht. Aber ich war tapfer und habe mich nicht erschrocken! Der eine Wolf hat gesagt, ich wäre ein Deubel und sie würden mit mir noch viel Spaß haben. Aber ich will keinen Spaß mit denen. Da hört der Spaß doch auf!

Als sie Mamas Hufe fertig haben, wollen sie sich meine ansehen.

Aber ich stehe nicht still, da packt mich der eine, der Riese, und hält mich einfach hoch! Der andere nimmt die harten und kalten Dinger und macht sich an meine Hufe. Das tut nicht weh, aber ich zappele trotzdem wild, damit die nicht denken, sie können mit mir machen, was sie wollen! Hinterher laufe ich ganz frech über die Gasse und schlage überallhin aus. Bis ich einen erwische. Die sollen nur nicht denken, die kennen mich! Läuft sich aber prima mit den neuen Schuhen. Sonst ist mir ab und zu das rechte Hinterbein ein bisschen abgehauen im Laufen. Geht schon besser. Gar nicht mal so schlecht.