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Dreißig Jahre lang hat Bernhard Bueb die Eliteschule Schloss Salem geleitet. Der renommierte Pädagoge gilt als einer der bekanntesten Kritiker des deutschen Erziehungswesens. In Lob der Disziplin hat er seine provokanten Thesen erstmals zusammengestellt. Ein richtungsweisendes und engagiertes Plädoyer für eine Erziehung zu mehr Selbstdisziplin und Verantwortung. Lernen Sie auch da Hörbuch zu diesem Titel kennen!
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Das Buch
Es gibt keinen Konsens mehr darüber, wie man Kinder und Jugendliche erzieht, mit der fatalen Folge, dass viele Eltern verunsichert sind. Sie haben Skrupel, klare Regeln vorzugeben und Grenzen zu ziehen, und leiden gleichzeitig darunter, dass ihnen die Kinder auf der Nase herumtanzen. Bernhard Bueb, langjähriger Schulleiter der Internatsschule Salem und Vater von zwei Töchtern, schreibt der Disziplin eine zentrale Rolle bei der Kindererziehung zu: Sie ist in seinen Augen die Voraussetzung für Glück und Freiheit. Nur wer früh gelernt hat, Verzicht zu üben, Autoritäten anzuerkennen und Verantwortung zu übernehmen, kann später sein Leben selbstbestimmend in die Hand nehmen. Lob der Disziplin ist ein provokanter Beitrag zum Thema »richtige Erziehung« und ein engagiertes und überzeugendes Buch für Eltern und Pädagogen.
Der Autor
Bernhard Bueb, 1938 geboren, studierte Philosophie und katholische Theologie. Von 1974 bis 2005 leitete er die Internatsschule Schloss Salem. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter.
Von Bernhard Bueb ist in unserem Hause bereits erschienen:
Von der Pflicht zu führen
Für Heike, Valerie und Leonie
Freiheit freilich. Aber zum Schlimmen
Führt der Masse sich selbst Bestimmen.
Und das Klügste, das Beste, Bequemste
Das auch freien Seelen weitaus Genehmste
Heißt doch schließlich, ich hab’s nicht Hehl:
Festes Gesetz und fester Befehl.
Theodor Fontane
Vorwort
Wir brauchen wieder Mut zur Erziehung
Freiheit erwirbt man durch Disziplin
Alle Macht den Eltern
Disziplin wirkt heilend
Man muss nicht immer über alles diskutieren
Unordnung bringt frühes Leid
Wer gerecht erziehen will, muss bereit sein zu strafen
Die Familie ist nicht alles
»Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt«
Begabung allein genügt nicht
Nachwort
Dank
Mit dieser Streitschrift ziehe ich die Summe meines beruflichen Lebens. Ich möchte einer interessierten Öffentlichkeit die Schlussfolgerungen vortragen, die ich als Vater, Erzieher und Lehrer nach 33 Jahren gezogen habe. Ich werde nicht die Geschichte eines pädagogischen Siegers erzählen. Ich werde von Erkenntnissen berichten, die ich aus meinem Leiden an unserer beschädigten deutschen Erziehungskultur gewonnen habe.
Der Erziehung ist vor Jahrzehnten das Fundament weggebrochen: die Anerkennung von Autorität und Disziplin. Wer heute als Erziehender tätig wird, kann einer erziehungsfeindlichen Umwelt, geprägt von einem aggressiven Materialismus, wenig entgegensetzen. Viele irren ziel- und führungslos durchs Land. Denn der Konsens, wie man Kinder und Jugendliche erziehen soll, ist einem beliebigen, individuell geprägten Erziehungsstil gewichen. Es gibt keine Übereinkunft über die Notwendigkeit, die Legitimation und die praktische Ausübung von Autorität und Disziplin.
Unsere pädagogische Kultur in Deutschland wurde durch den Nationalsozialismus in ihren Grundfesten erschüttert. Die Werte und Tugenden, die das Herz der Pädagogik ausmachen, haben sich bis heute nicht vom Missbrauch durch den Nationalsozialismus erholt. Die deutsche Variante der Jugendrevolte nach 1968 war selbst nur eine Folge der deutschen Katastrophe. Wir dürfen nicht hinnehmen, dass der Nationalsozialismus weiterhin unsere pädagogische Kultur beschädigt.
Das 20. Jahrhundert war pädagogisch ein Jahrhundert der Extreme. Die pervertierte Disziplin der kaiserlichen Kadettenanstalten und der nationalsozialistischen Praxis kontrastierte mit dem Laisser-faire der antiautoritären Erziehung der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. Maßlosigkeit war das Kennzeichen beider Erziehungsmuster; Maßlosigkeit ist der Feind aller Pädagogik.
Mit dieser Streitschrift will ich einen Beitrag leisten, das rechte Maß zu finden, Autorität und Disziplin in der Erziehung wieder zu Ansehen verhelfen, und dadurch Kindern und Jugendlichen eine neue Zukunft eröffnen.
Für den Weg zum rechten Maß borge ich von Thomas Mann das Bild des Schiffers, der sich nach rechts neigt, wenn das Schifflein sich nach links neigt, um das Gleichgewicht wieder herzustellen. Dieses Bild möge den Leser bei der Lektüre meines Buches begleiten.
Bernhard Bueb
Im Herbst 2006
Der Bildungsnotstand in Deutschland ist die Folge eines Erziehungsnotstandes. Kinder und Jugendliche werden heute nicht mehr aufgezogen, sondern wachsen einfach auf. Sie sind umgeben von ungewollt aggressiv präsenten Erziehern: vom Fernsehen, vom plakativen Wohlstand unseres Landes, von den Verführern der Konsumgesellschaft, von den Vorbildern eines geistigen und charakterlichen Mittelmaßes, das unsere »Eliten« repräsentieren. Zukunftserwartungen, die Jugendliche zu Taten beflügeln könnten, sind Zukunftsdrohungen gewichen: die strukturbedingte Arbeitslosigkeit, die Sinnentleerung unseres Daseins, auch verursacht durch den Verlust der Religion, die Vergreisung der Gesellschaft, die Ausbeutung der Lebensgrundlagen der Menschen, die Herrschaft des Geldes als letzter sinngebender Instanz – die Aufzählung ließe sich fortsetzen. Wem die Zukunft verloren geht, der wird nicht an sich arbeiten, sich nicht mehr anstrengen und keinen Idealen nachstreben. Den mangelnden Zukunftsaussichten treten wir nicht durch Erziehung entgegen. Die Kunst der Erziehung haben wir verlernt, gemeinsame Maßstäbe sind verloren gegangen, der Glaube hat sich breitgemacht, das Aufwachsen der Kinder werde schon irgendwie gelingen. Alle meinen es gut. Von Gottfried Benn haben wir jedoch gelernt, dass das Gegenteil von Kunst nicht Natur ist, sondern gut gemeint. Wir fahren auf einem Schiff ohne Kompass.
Was heißt Erziehung? Wie können wir durch Erziehung und Bildung Jugendliche zu Zuversicht und Lebensmut führen und wie können wir sie überhaupt erreichen?
Der Trainer führte seine Schüler mit harter Hand durch die hohe Schule des Handballs. Zügig flog der Ball von Mann zu Mann, ein atemberaubendes Tempo ließ auch den Zuschauern das Herz schneller schlagen, präzise und wie nach einem geheimen Plan bewegten sich die Spieler. Intellektuell und körperlich verlangte der Trainer höchste Anstrengung. Handballtraining hieß bei ihm, eine Gruppe durchtrainierter junger Menschen zu strategischem Denken, taktisch wendigem Zusammenspiel und zu einer Haltung des Fair Play zu führen. Was zunächst wie eine Folge schneidender Befehle klang, wurde von den Spielern als fortlaufende Liebeserklärungen erlebt. Die Führung seiner Schüler mit Disziplin und Liebe bildete das Geheimnis seines Erfolges. Mit jedem Handballtraining demonstrierte er, was Erziehung bedeuten kann.
Dieser Trainer war Lehrer und Erzieher am Internat Salem, er war Argentinier, sein Anspruch an sich und die Schüler erinnerte eher an Preußen als an Südamerika. Wie er die Handballmannschaft trainierte, so erzog er seine Schüler im Internat. Die Schüler liebten und verehrten ihn. Wir anderen Lehrer und Erzieher bewunderten, wie er mit Konsequenz und Fürsorge die Jugendlichen erreichte; wir beneideten ihn auch ein wenig, dass er so unbefangen mitten im Deutschland der Jahre nach 1968 Disziplin forderte.
Sein Erziehungsstil fand erstaunlicherweise allgemeine Zustimmung in einem Umfeld, das Erziehung eher als verständnisvolle Begleitung aufwachsender junger Menschen propagierte, weil die Leidenschaft seiner Zuwendung und sein pädagogischer Eros jeden Einwand theoretisch und dürr erscheinen ließen. Es gibt geborene Lehrer und Erzieher, er war so einer.
Zur gleichen Zeit arbeitete an der Schule eine Lehrerin, deren Erziehungsstil gegensätzlicher nicht hätte sein können, die aber denselben Anspruch auf Führung der Schüler erhob, nur tat sie es mit anmutiger, stiller Autorität, aber keinem geringeren pädagogischen Eros als der Argentinier und mit derselben Gefolgschaft der Schüler.