London Lovers - Verbotene Gefühle - Sandra Henke - E-Book
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London Lovers - Verbotene Gefühle E-Book

Sandra Henke

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Beschreibung

Eine Liebe gegen alle Widerstände: »London Lovers – Verbotene Gefühle« von Sandra Henke, der deutschen »Queen of Romance«, als eBook bei dotbooks. Wenn ein Schatten aus der Vergangenheit dir den Weg in eine schillernde Zukunft weist … Sienna ist außer sich: Die geliebte »Villa Foxgloves« ihrer Großmutter wurde an den skandalumwitterten Luke Marshall vermietet, der mit dem Bestseller über seine Zeit als Callboy berühmt geworden ist. Ausgerechnet er hat nun das geheime Notizbuch entdeckt, das Sienna dort vor vielen Jahren versteckt hat … und in dem sie schamlos offen bekennt, sich nach einem dominanten Liebhaber zu sehnen! Wird Luke dieses Geständnis veröffentlichen und für ein bisschen Publicity ihren guten Ruf ruinieren? Um dies zu verhindern, scheint es nur einen Weg zu geben: Sienna muss sich Luke als Liebesdienerin anbieten. Sie wird lernen, sich ganz und gar seiner Führung zu unterwerfen. Und sie ahnt nicht, wie dies ihr bisher so wohlgeordnetes Leben verändern wird … Jetzt als eBook kaufen und genießen: In »Verbotene Gefühle«, dem Höhepunkt ihrer Trilogie »London Lovers«, verwebt Bestsellerautorin Sandra Henke Romantik und prickelnde Erotik zu einem sinnlichen Lesevergnügen. Wer liest, hat mehr vom Leben! dotbooks – der eBook-Verlag.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 470

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Über dieses Buch:

Wenn ein Schatten aus der Vergangenheit dir den Weg in eine schillernde Zukunft weist … Sienna ist außer sich: Die geliebte »Villa Foxgloves« ihrer Großmutter wurde an den skandalumwitterten Luke Marshall vermietet, der mit dem Bestseller über seine Zeit als Callboy berühmt geworden ist. Ausgerechnet er hat nun das geheime Notizbuch entdeckt, das Sienna dort vor vielen Jahren versteckt hat… und in dem sie schamlos offen bekennt, sich nach einem dominanten Liebhaber zu sehen! Wird Luke dieses Geständnis veröffentlichen und für ein bisschen Publicity ihren guten Ruf ruinieren? Um dies zu verhindern, scheint es nur einen Weg zu geben: Sienna muss sich Luke als Liebesdienerin anbieten. Sie wird lernen, sich ganz und gar seiner Führung zu unterwerfen. Und sie ahnt nicht, wie dies ihr bisher so wohlgeordnetes Leben verändern wird…

Über die Autorin:

Sandra Henke, geboren 1973, gehört zu den Autorinnen, die sich nicht auf ein Genre beschränken, sondern ihre Leserinnen auf die unterschiedlichste Art begeistern – mit großen Liebesgeschichten, mit »Paranormal Romance« und erotischer Literatur. Unter dem Namen Laura Wulff veröffentlicht Sandra Henke außerdem erfolgreich Thriller. Sie lebt, glücklich verheiratet, in der Nähe von Köln. Mehr Informationen finden sich auf den Websites der Autorin (www.sandrahenke.de), auf Facebook (www.facebook.com/sandra.henke.autorin) und auf Instagram (www.instagram.com/sandra.henke.liebesromane).

Bei dotbooks veröffentlichte Sandra Henke die Hot-Romance-Romane »Jenseits aller Tabus«, »Flammenzungen«, »Die Maske des Meisters«, »Opfer der Lust«, »Loge der Lust«, »Lotosblüte« und »Gebieter der Dunkelheit«,

die Trilogie »London Lovers – Geheime Verführung«, »London Lovers – Gefährliche Küsse«, »London Lovers – Verbotene Gefühle«

und die Contemporary-Romance-Highlights »Wo mein Herz dich sucht«, »Wer mein Herz gefangen nimmt«, »Wenn mein Herz dich findet« und »Was mein Herz sich wirklich wünscht«

sowie den Sammelband »Fürstenkuss«, der die romantischen Romane »Verbotene Küsse«, »Prinzessin unter falschem Namen« und »Obwohl ich dich nicht lieben wollte« vereint.

Unter dem Namen Laura Wulff veröffentlichte Sandra Henke bei dotbooks die Thriller »Leiden sollst du«, »Nr.13« und »Opfere dich«.

Gemeinsam mit Kerstin Dirks verfasste Sandra Henke außerdem die erotische Trilogie über die Vampirloge Condannato, die ebenfalls bei dotbooks erschienen ist: »Die Condannato-Trilogie – Erster Band: Begierde des Blutes«, »Die Condannato-Trilogie – Zweiter Band: Zähmung des Blutes« und »Die Condannato-Trilogie – Dritter Band: Rebellion des Blutes«

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Originalausgabe Juni 2022

Copyright © der Originalausgabe 2022 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Michelle Landau

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von shutterstock.com

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)

ISBN 978-3-98690-285-8

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Sandra Henke

LONDON LOVERS –Verbotene Gefühle

Roman

dotbooks.

Kapitel 1

»Wie konntet ihr nur?«

Sienna Jones ließ fast die Kartoffelschalen fallen, die sie auf einer alten Ausgabe der Sunday Times gerade in den Küchenmülleimer bugsieren wollte, und sah ihren Vater fassungslos an. Sie war wütend, nicht nur wegen dem, was er und ihre Mutter getan hatten, sondern auch, weil ihre Eltern damit ein Geheimnis in Gefahr gebracht hatten, das sie seit ihrer Jugend sorgsam hütete.

Mit 18 Jahren hatte Sienna Jones es als witzige Idee empfunden, eine Zeitkapsel mit frivolem Inhalt im Garten ihrer Grandma Rosie zu vergraben. Jetzt, zehn Jahre später, bereute sie es, denn ausgerechnet Luke Marshall lief Gefahr, die Aluminiumkiste zu finden. Nicht auszudenken, was er damit tun würde, denn der berühmteste Callboy Großbritanniens schien nach Publicity zu gieren.

Sienna hatte erwartet, längst nicht mehr auf der Erde zu weilen, wenn jemand die Keksdose mit all den Dingen, die dem Finder die Röte ins Gesicht treiben sollten, entdeckte. Wie hätte sie ahnen können, dass alles ganz anders kommen würde?

»Wie könnt ihr Grannys Haus nur ohne ihr Einverständnis vermieten?«, fragte sie ihren Vater Oscar empört.

Ihre Eltern hatten die Vormundschaft für Oma Rosie und die Vermietung über deren Kopf hinweg bestimmt. Das hatte er seiner Tochter erst heute Morgen im Familiengeschäft mitgeteilt, doch während der Öffnungszeiten hatten sie nicht in Ruhe darüber reden können. Nun standen sie nach Feierabend in der Küche von Siennas Elternhaus, und Sienna konnte der Verärgerung, die sich den ganzen Tag über in ihr aufgestaut hatte, endlich Luft machen, während sie zusammen mit ihrem Vater bangers and mash kochte.

»Uns bleibt nichts anderes übrig.« Ihr Vater verzog das Gesicht und bat sie, leiser zu sprechen, indem er seinen Zeigefinger an die Lippen legte. Dann deutete er ins Wohnzimmer. Siennas Mutter Zelda lag mit einem Waschlappen über den Augen auf dem Sofa und sollte wohl nicht mitbekommen, dass sie sich über ihre Mutter unterhielten. Mit gedämpfter Stimme fuhr er fort: »Hast du eine Ahnung, wie teuer so ein Pflegeheim für Demenzkranke ist?«

Betreten schüttelte sie den Kopf.

»Noch teurer, als Altenheime es ohnehin schon sind, und du weißt doch selbst, dass wir Rosie nicht weiter zu Hause pflegen konnten. Wir müssen unseren Laden am Laufen halten, was so schon schwer genug ist«, sagte er zerknirscht über das Brutzeln der Cumberland-Würstchen hinweg. »Und schlafen müssen wir auch irgendwann.«

»Ja, ich weiß.« Sie seufzte vor Bedauern, auch wenn sie diese Entscheidung ihrer Eltern nachvollziehen konnte.

Ihre Eltern und sie hatten Grandma Rosie eine Zeit lang zu Hause gepflegt und sich mit der Betreuung abgewechselt. Aber die verschriebenen Medikamente hatten die 83-Jährige nicht ruhiger gemacht. Nächtelang hatte die ganze Familie kein Auge zugetan, weil Rosie dachte, der Morgen wäre bereits angebrochen, und alle fürs Frühstück weckte, obwohl es erst kurz nach Mitternacht war, oder weil sie ihre gewohnte Umgebung nicht mehr wiedererkannte, sich gefangen fühlte und mitten in der Nacht weglaufen wollte.

Als sie dann auch noch von Angstzuständen geplagt mit einem Küchenmesser vor ihnen herumgefuchtelt hatte, waren Siennas Eltern gezwungen gewesen, den Rat ihres Arztes anzunehmen und Rosie in professionelle Hände zu geben.

Seitdem wohnte die alte Dame im Seniorenheim Hurst Park House auf der anderen Seite von Bushy Park, und ihr Haus im Stadtteil Teddington stand leer. Ihre Eltern hatten eine Putzfrau und einen Gärtner anstellen wollen, damit sie sich um Rosies Grundstück und Gebäude kümmerten, aber Sienna hatte das selbst übernehmen wollen. Seit Monaten hielt sie das zweistöckige Haus sauber und pflegte mit Hingabe den Garten, den ihre Grandma so sehr liebte. Als würde ihre Oma eines Tages nach Hause zurückkehren, obwohl Sienna wusste, dass das nicht passieren würde.

Während sie die Kartoffeln zerstampfte, murmelte sie: »Granny wäre nicht einverstanden damit, dass ein Fremder in ihrem Haus wohnt.«

»Aber leider können wir sie das nicht mehr fragen«, verteidigte sich ihr Vater, ein kleiner, rundlicher Mann mit erdbeerrotem Haar und einem Teint wie Clotted Cream.

»Natürlich nicht. Das weiß ich doch«, ruderte Sienna zurück, die mit ihrem krausen Blondschopf nach ihrer Mutter kam. Dazu war ihre Grandma bereits zu verwirrt. Sie erkannte nicht einmal mehr ihre eigene Familie. Das machte Sienna sehr traurig, aber inzwischen hatte sie sich damit abgefunden. Die Gartenarbeit hatte sie gelehrt, dass das Leben im steten Wandel war. Außerdem war ihre Oma ja noch da, und nur das zählte.

Siennas Mutter Zelda kam hingegen gar nicht mit der Situation klar. Sie mochte Veränderungen nicht und sähe es am liebsten, wenn alles immer so bliebe, wie es war. Darum konnte sie auch das Bild, das sie von ihrer Mutter hatte, nicht loslassen und akzeptieren, dass Rosie nun eine andere Version derselben Frau war.

Sienna tat es unglaublich leid, wie sehr ihre Mutter unter der Situation litt. Zelda weinte jedes Mal, wenn ihre Mutter sie wie eine Fremde behandelte. Sienna tat dann alles, um sie zu trösten, obwohl sie eigentlich selbst Trost brauchte.

»Außerdem war Rosie schon immer praktisch veranlagt«, fuhr ihr Vater fort, nahm die Würstchen aus der Pfanne und warf Zwiebeln und Knoblauch hinein. Würziger Duft breitete sich in der Küche aus. »Sie hätte eingesehen, dass es notwendig war, einen Mieter zu finden, um das Pflegeheim zu bezahlen. Die Kosten für ihr Haus laufen schließlich auch noch weiter.«

Damit hatte er recht, ebenso mit seiner Einschätzung von Grandma Rosie. Das hatte Sienna stets an ihrer Oma imponiert. Egal, wie hart ein Schicksalsschlag sie getroffen hatte oder wie groß ein Problem war, sie hatte stets die Ärmel hochgekrempelt und gesagt: »Es ist, wie es ist. Packen wir’s an!«

»Aber warum um alles in der Welt habt ihr das Haus ausgerechnet an Luke Marshall vermietet?«, fragte Sienna, während sie den Kartoffelstampf mit einem Stich Butter, Milch und Muskatnuss verfeinerte.

Verständnislos sah ihr Vater sie an. »Warum denn nicht?«

»Nun ja«, druckste sie herum. »Ich hätte erwartet, dass ihr ein Problem damit habt, dass er als Callboy arbeitet.«

»Gearbeitet hat. Er ist raus aus der Branche. Tja, da staunst du, dass ich das weiß, nicht wahr?« Lachend machte er sich daran, eine Mehlschwitze in der Pfanne zuzubereiten, die Basis seiner köstlichen Zwiebelsoße. »Deine Mutter liest doch immer die Yellow Press. Und selbst wenn er noch in dem Job arbeiten würde … Sein Geld ist so gut wie jedes andere. Außerdem zahlt er überdurchschnittlich viel für das Haus.«

Sienna horchte auf. Wieder einmal ertappte sie sich dabei, wie sie alles, was Luke Marshall betraf, in sich aufsog. Dabei wollte sie das gar nicht. Er war nicht der Typ Mann, der sie ernsthaft interessierte. Es war nicht so, dass sie ihn nicht anziehend fand, aber Kerle wie er hatten kein Interesse an bodenständigen Frauen wie ihr. Da machte sie sich keine Illusionen. Doch das schützte sie nicht davor, ein Kribbeln zu spüren, wann immer Lukes Name fiel. »Warum denn das?«

»Er wollte sofort einziehen und das Haus möbliert mieten, darum der Aufschlag.« Ihr Vater schaltete den Herd runter und rührte weiter in der Pfanne, in der die Soße mehr und mehr eindickte. »Uns hat das natürlich Arbeit und Geld erspart. So mussten wir die Möbel nicht wegschaffen und einlagern.«

Sie zog eine Augenbraue hoch. »Das klingt ja fast so, als würde Luke Marshall vor irgendwas fliehen.«

»Keine Ahnung, das geht mich nichts an«, sagte ihr Vater, rechtschaffen, wie er war. »Wir haben schnell einen Mieter gesucht, und er brauchte wohl schnell eine neue Bleibe. Alles hat gepasst, also haben deine Mutter und ich nicht lange gezögert und sofort den Vertrag mit ihm unterzeichnet. Solange er sich benimmt, kann er gern unter Rosies Dach wohnen.«

»Wie lange will er denn dort bleiben?«, hakte sie neugierig nach.

Er legte die Würstchen zurück in die Pfanne. »Erst einmal bis Ende des Jahres.«

Es war Anfang September, also würde Sienna noch vier Monate bangen müssen, ob Luke Marshall auf ihre unanständige Zeitkapsel stieß und seinen Zufallsfund in den sozialen Netzwerken postete. C-Promis wie er taten doch alles, um Aufmerksamkeit zu erregen.

Bestimmt würde er mindestens eine Instagram-Nachricht daraus machen, vielleicht sogar ein witziges TikTok-Video drehen oder sich darüber lustig machen, wenn er von einem Influencer zum Talk auf dessen YouTube-Kanal eingeladen wurde. Das Risiko, dass sein Fund viral ging und ihr Name dadurch in die Presse geriet, war groß, denn sie hatte neben Sextoys auch ein Tagebuch in die Box gelegt und in ihrer Naivität sogar ihren vollen Namen hineingeschrieben.

Hatte sie die Keksdose wenigstens tief genug vergraben? Das Ganze lag zehn Jahre zurück, sie konnte sich nicht mehr genau daran erinnern. Sie musste das überprüfen oder besser noch, die Dose selbst ausgraben und verschwinden lassen.

»Luke Marshall hat uns die gesamte Miete im Voraus überwiesen, obwohl wir das gar nicht verlangt haben.« Zufrieden lächelnd reichte ihr Vater ihr drei Teller.

Dennoch gab sie zu bedenken: »Grandma würde es nicht wollen, dass ein Fremder in ihrem Bett schläft.«

»Das wird er doch gar nicht.« Ihr Vater holte Messer und Gabeln aus der Besteckschublade und legte sie auf die Teller in Siennas Händen. Dann fuhr er fort: »Er wird das Gästezimmer beziehen.«

»Mein Zimmer?«, fragte sie entrüstet. In dem kleinen, gemütlichen Raum hatte sie als Kind geschlafen, wenn ihre Eltern ausgegangen waren und Sienna bei ihrer Oma übernachtet hatte. In dem Einzelbett hatte sie mittags ein Nickerchen gemacht, wenn sie nach der Schule die Müdigkeit übermannt hatte. Erst vorgestern hatte sie sich auf die weiche Matratze gelegt, als die Sehnsucht nach den guten alten Zeiten sie in das Haus ihrer Oma gezogen hatte. Und nun würde bald dieser attraktive Mann darin schlafen?

Einfühlsam, aber direkt stellte ihr Vater klar: »Es war nie dein Kinderzimmer, auch wenn du das anders siehst.«

»Und ob ich das tue!« Alles andere hätte nämlich bedeutet, dass sie ein Gast im Hause ihrer Granny gewesen war. Auch wenn das faktisch zutraf, so hatte es sich doch anders angefühlt. Bis heute betrachtete sie es als ihr zweites Zuhause, als ihren sicheren Rückzugsort, ihr behagliches Nest. »Ihr hättet mich vorwarnen müssen, dass Luke Marshall dort einziehen wird.«

»Das habe ich doch gerade getan. Es ging nicht früher. Alles ist so furchtbar schnell passiert. Wir haben uns an einen Makler gewandt, und der hat sofort den Kontakt hergestellt, weil er wusste, dass Luke Marshall ein Haus sucht. Mr Marshall ist noch am selben Tag vorbeigekommen, hat es sich angeschaut und gleich Interesse bekundet.« Er zeigte auf den Tisch und fragte augenzwinkernd: »Willst du da noch länger herumstehen oder doch den Tisch decken?«

»Natürlich, sorry.« Eben noch hatte ihr Magen vor Hunger geknurrt, doch die Aufregung darüber, dass Luke Marshall in die vier Wände ihrer Oma ziehen würde, raubte ihr den Appetit. »Sollen wir im Garten essen?«

Er winkte ab. »Zu viel Ungeziefer.«

Sienna verdrehte die Augen und verteilte die Teller auf dem Küchentisch. Mit Grandma Rosie hatte sie immer draußen gegessen, entweder auf der Terrasse oder unter ihrem alten Apfelbaum. Selbst im Frühjahr und Herbst, wenn es kühl war, hatten sie sich ins Freie gesetzt und Wolldecken über die Beine gelegt. »Ist Grannys Haus für ihn nicht viel zu schlicht eingerichtet? Er ist doch bestimmt Luxus gewohnt.«

»Mr Marshall fand das Haus urig und gemütlich. Seine einzige Bedingung war, dass wir niemandem verraten sollen, dass er dort wohnt.« Während ihr Vater drei Gläser auf den Tisch stellte, erzählte er: »Er meinte, die Paparazzi würden noch früh genug herausfinden, dass er sich dorthin zurückgezogen hat. Wahrscheinlich hat er uns darum die ganze Miete im Voraus bezahlt. Er wollte sichergehen, dass wir dichthalten.«

»Also ist er doch nicht so selbstlos, wie du ihn dargestellt hast«, bemerkte sie spitz.

»Er hat einen sehr sympathischen und großzügigen Eindruck gemacht«, entgegnete ihr Vater und nahm ihr damit den Wind aus den Segeln. »Kommendes Wochenende will er einziehen. Den Schlüssel haben wir ihm schon ausgehändigt. Du solltest also nicht mehr ins Haus gehen. Mr Marshall möchte in Ruhe gelassen werden.«

Es war Mittwochabend. Also hatte Sienna noch zwei Tage, um ihre Zeitkapsel auszugraben. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. »Wird er denn Rosies Blumen gießen? Wird er den Rasen schneiden? Wird er im Herbst das Laub zusammenrechen und im Winter die Vögel füttern? Was wird denn aus den Cox-Orange-Äpfeln? Die sind doch bald reif. Rosie hat sie immer zu Apfelkuchen mit Orangenmarmelade und Quitten-Apfel-Crumble verarbeitet.«

Ihr Vater nahm sie an den Schultern und sagte einfühlsam: »So traurig, wie es ist, wir müssen der Realität ins Auge blicken. Rosie wird den Garten nicht wiedersehen. Es ist egal, wie er aussieht.«

»Sag so etwas bitte nicht«, brachte sie mit dünner Stimme hervor. Ihr Magen zog sich zusammen, und ihre Augen wurden feucht.

Ihr Vater sah sie ernst an. »Ich möchte auf keinen Fall, dass du Luke Marshall anbietest, das Grundstück für ihn zu pflegen«, machte er klar. »Am Ende wirft er uns sonst noch Vertragsbruch vor, zieht wieder aus und verlangt sein Geld zurück. Ich habe bereits einen Großteil der Summe an das Pflegeheim überwiesen, könnte es ihm also nicht zurückzahlen.«

Bedrückt nickte Sienna. Ihr Vater kannte sie einfach zu gut. Es tat ihr in der Seele weh, dass der Garten über kurz oder lang verkommen würde. Rosie hatte so viel Herzblut hineingesteckt. »Verstanden.«

»Es ist nur ein Haus, Liebes.« Er ließ sie los und öffnete erst den Kühlschrank und dann den Vorratsschrank, um festzustellen, dass ihnen die Getränke ausgegangen waren. Mit hängenden Mundwinkeln füllte er ihre Gläser mit Wasser aus dem Hahn.

»Ist es nicht«, widersprach sie heftig, denn sie verband unzählige schöne Momente mit dem Haus ihrer Oma.

Besorgt spähte ihr Vater ins Wohnzimmer zu seiner Ehefrau, weil Zelda seufzend den Waschlappen umdrehte, der über ihren Augen lag, und sagte dann leise zu seiner Tochter: »Lass uns das Thema wechseln. Es würde den Kummer deiner Mutter bloß verschlimmern, wenn sie mitbekommt, dass wir über deine Grandma reden. Es nimmt sie sehr mit, dass die Demenz Rosie vollkommen verändert hat. Es vergeht kaum noch ein Tag, an dem sie keine Migräne hat.«

»Ich würde gern etwas mit Mum unternehmen, um sie aufzumuntern. Was meinst du? Ich könnte sie zum Afternoon Tea ins Sketch Glade einladen. Sie wollte doch schon immer mal in diesem surrealen Märchenwald-Ambiente sitzen. Als sie das erste Mal Fotos davon gesehen hat, hat sie gesagt, dort müsse man das Gefühl haben, in die Tim-Burton-Verfilmung von Alice im Wunderland geraten zu sein, und jeden Moment käme der verrückte Hutmacher um die Hecke.«

»Ja, das hat sie gesagt. Aber wenn du mich fragst, will sie sich in dem Lokal doch nur Johnny Depp nahe fühlen. Auf den steht sie seit Fluch der Karibik. Warum finden den alle Frauen nur so süß? Ich kann das nicht nachvollziehen. Als Captain Sparrow war er heruntergekommen und ständig betrunken und als Hutmacher völlig gaga.« Ihr Vater lächelte nachsichtig.

»Es macht ihn interessant, dass die Figuren, die er verkörpert, anders und nicht perfekt sind.« Johnny Depp war auch in der schrägsten Rolle noch sexy, aber das brachte Sienna nicht als Argument hervor.

»Er ist in seinen Filmen alles andere als langweilig«, gestand ihr Vater ein. »Das muss man ihm lassen.«

»Wer will schon einen aalglatten Kerl ohne Ecken und Kanten?« So einen wie Luke Marshall. Der war einfach zu schön, um wahr zu sein. Verächtlich rümpfte sie die Nase, spürte aber gleichzeitig Nervosität in sich aufsteigen, bei der Vorstellung, ihm in Teddington über den Weg zu laufen. »Was ist nun mit dem Sketch Glade?«

»Das Lokal ist doch viel zu teuer. Wir müssen alle drei jeden Cent zweimal umdrehen.« Er strich ihr über die Wange. »Aber trotzdem lieb von dir.«

Es machte ihre finanzielle Situation noch schwieriger, dass sie alle von den Einnahmen aus Richmond Curtains and Blinds leben mussten. Jetzt rächte es sich, dass Sienna sich dazu hatte überreden lassen, ins Familiengeschäft einzusteigen, um es eines Tages zu übernehmen, obwohl sie eigentlich keine Lust dazu hatte. Aber das behielt sie für sich, denn ihr Vater hatte schon genug Kummer. Da musste sie ihm nicht auch noch Vorwürfe machen. Außerdem hatte sie letztes Jahr nach langer Diskussion schließlich selbst zugestimmt, sich jetzt schon einarbeiten zu lassen und alles von der Pike auf zu lernen. Sie hatte also kein Recht, sich zu beschweren.

Sie hakte nach: »Bist du sicher, dass ich Mum den Ausflug nicht vorschlagen soll?«

»Sie isst doch kaum noch etwas. Deswegen habe ich dich auch gebeten, heute zum Dinner zu kommen. Ich habe die Hoffnung, dass sie in deinem Beisein etwas mehr Appetit hat«, sagte er und lächelte zuversichtlich. Dann ging er hinüber ins Wohnzimmer, um Siennas Mutter zum Abendessen zu holen.

Sienna nahm schon einmal Platz und hing ihren Gedanken nach. Sofort kam ihr wieder die Zeitkapsel in den Sinn.

Mit achtzehn Jahren war ihre Lust auf Sex groß gewesen, und viele Spielarten hatten einen Reiz auf sie ausgeübt. Sie hatte allerdings nur einen Bruchteil davon mit ihren festen Freunden ausgelebt, weil ihr der Mut gefehlt hatte, mit ihren Partnern über ihre erotischen Wünsche zu sprechen. Also hatte sie ihre geheimsten Sexfantasien stattdessen einem Tagebuch anvertraut. Darin hatte sie auch ihre tatsächlichen Erlebnisse notiert. Ihre intime Beichte hatte sie neben all den frivolen Gegenständen als besonderes Bonbon in die Keksdose gelegt. Nun bereute sie es.

Die Zeitkapsel war bloß als Scherz gedacht. Sienna hatte sich einen Spaß daraus gemacht, eine Box mit Inhalten zu füllen, die den Finder im ersten Moment vielleicht schockieren, danach aber hoffentlich erregen würden. Außerdem hatte sie zeigen wollen, wie schön und vielfältig Erotik war.

In der Schule hatten sie damals George Orwells Roman »1984« gelesen. In der Dystopie durften die Mitglieder der Sozialistischen Partei Englands nur miteinander schlafen, um sich fortzupflanzen, und selbst das sollte durch künstliche Befruchtung unnötig werden. Sex wurde tabuisiert, was Sienna als eine verdammte Schande empfand.

Sollte es in der Zukunft tatsächlich so kommen, dann wollte sie mit ihrem Behälter voller Schamlosigkeiten die Menschheit daran erinnern, wie wundervoll körperliche Nähe und Intimität waren. Und vielleicht würde ihre Zeitkapsel ja sogar der Funke sein, der eine Rebellion entfachte.

Doch nun war die Kapsel zu einer Bombe geworden, die Siennas Leben in einen Scherbenhaufen verwandeln konnte. Schließlich könnte der Deckel unter der Last des regennassen Gartenbodens jederzeit einbrechen, die Erde könnte absacken oder eine Baumwurzel die Kiste an die Oberfläche drücken. Und dann würde der Behälter ausgerechnet Luke Marshall in die Hände fallen.

Sollte er den Fund öffentlich machen, um in die Schlagzeilen zu kommen, würde er Sienna der Lächerlichkeit preisgeben. Manche Bekannte würden sie bestimmt als Flittchen bezeichnen, andere würden sie vielleicht auslachen oder mit dem Finger auf sie zeigen. Sollten die Einwohner von Richmond upon Thames daraufhin sogar vor lauter Missbilligung das Gardinengeschäft ihrer Eltern meiden, würde die ganze Familie darunter leiden. In dem Fall würden sie sich auch das Pflegeheim für Grandma Rosie nicht mehr leisten können. Es wäre eine Katastrophe!

Natürlich musste es nicht so kommen, aber das Szenario war auch nicht vollkommen abwegig. Luke Marshall konnte eine Abwärtsspirale lostreten, und zumindest aus der Ferne wirkte er wie jemand, der alles dafür tat, damit die Medien und seine Fans ihn nicht vergaßen.

Sienna musste die Zeitkapsel unter allen Umständen ausgraben, bevor er am Wochenende Rosies Haus bezog.

Kapitel 2

»Du willst heute schon zu Ted fahren?«, fragte Maddy überrascht und ging zur Kasse, wo sich eine Schlange von Kunden gebildet hatte. Ihr schulterlanges braunes Haar war im Nacken kunstvoll hochgesteckt.

Luke ahnte, dass sie Teddington absichtlich abgekürzt und so dargestellt hatte, als würde es sich um einen Freund von ihm handeln, damit die Besucher ihrer Buchhandlung nicht mitbekamen, in welchem Stadtteil er untertauchen würde. Er trat zu ihr hinter die Theke, damit er leise antworten konnte. »Ich weiß, es ist erst Donnerstag, und ich habe den Eigentümern gesagt, ich würde am Wochenende umziehen. Aber worauf soll ich warten? Ich habe den Mietvertrag unterschrieben und auch schon den Schlüssel bekommen.«

»Das klingt, als wolltest du nur noch weg«, sagte Jared, der mit einem freundlichen Lächeln kostenlosen Tee an die Kundschaft ausschenkte.

Luke sagte bedrückt: »Die Fans belagern die Straße, in der ich wohne. Ich kann mein Apartment nicht mehr betreten oder verlassen, ohne dass sie sich auf mich stürzen und mich belagern.«

»Andere würden sich gebauchpinselt fühlen, wenn sie um Autogramme und gemeinsame Selfies gebeten würden«, warf Maddy von der Seite ein. Sie kassierte ein Buch nach dem anderen ab, doch die Schlange vor der Theke wurde trotzdem immer länger.

Luke hatte nicht erwartet, dass es in der Heart of Soho so voll sein würde. Er war extra zur Mittagszeit gekommen, um seinen Freunden Bescheid zu geben, dass er vorerst nicht mehr unter seiner alten Adresse zu erreichen war, weil er gedacht hatte, dass die Buchhandlung leer wäre, während die Londoner zu Mittag aßen. Doch das Gegenteil war der Fall. Viele Menschen schienen in ihrer Pause Dinge zu erledigen, wie zum Beispiel ein Buchgeschenk oder neuen Lesestoff für sich selbst zu besorgen.

Was wusste er schon von Alltag? Er hatte nie einen gehabt. Als Callboy waren seine Arbeitszeiten flexibel gewesen, und er war meistens abends und nachts gebucht worden. Als Autor konnte er sich seine Zeit frei einteilen, abgesehen von Interviews und anderen Terminen. Routine kannte er nicht, und das war auch gut so. Im Alltag wie beim Sex mochte er es, spontan zu sein.

Wenn er vorhatte, eine Sub zu dominieren, plante er den Ablauf der Session nicht im Voraus, sondern folgte seinem Bauchgefühl und reagierte schnell und einfühlsam auf feine Nuancen in der Stimmung seiner Lustdienerin.

Er spürte, wie dieser Gedankengang ihn erregte. Viel zu lange hatte er keine Frau mehr unterworfen. Sein Leben hatte sich in den vergangenen Jahren fast ausschließlich um seine Karriere gedreht. Eine Karriere, für die er dankbar war, die er aber niemals angestrebt hatte. Er arbeitete zu viel und hatte zu wenig Spaß. Das musste sich wieder ändern!

Weil Luke sah, dass seine Freunde im Stress waren, schlug er vor: »Ich kann auch ein andermal wiederkommen.«

»Nein, nein. Der Samowar ist ohnehin leer.« Als Jared gegen den Edelstahlteekocher klopfte, klang das Geräusch hohl.

»Nimm Luke doch mit in den Pausenraum! Dort könnt ihr ungestört weiterreden«, schlug Maddy vor. Ihr Gesicht war durch die Schwangerschaft voller geworden, und ihre Wangen leuchteten rosa. »Ich komme nach, sobald ich kann.«

Jared warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Wie wäre es, wenn Luke und ich in der Carnaby Street etwas zu essen für uns drei besorgen?«

»Eine ausgezeichnete Idee!« Sie warf ihm einen Luftkuss zu und strich liebevoll über ihren Babybauch, der sich unter ihrem pastellgrünen Umstandskleid wölbte. Dann wandte sie sich an Luke. »Hast du schon Hunger?«

Luke horchte in sich hinein. Er ahnte, dass größere Veränderungen auf ihn zukamen, als bloß für einige Monate in Schreibklausur zu gehen, und die Aufregung darüber schlug ihm auf den Magen. Doch mit seinen Freunden offen über seine Probleme reden zu können, linderte seine Sorge, er könnte falsche Entscheidungen treffen, und er spürte tatsächlich ein leises Magenknurren. »Lunch wäre toll. Sollen wir mal etwas Neues ausprobieren, zum Beispiel pakistanisches Essen?«

»Oder ihr holt einfach Fish and Chips.« Sie schenkte ihm ein einvernehmendes Lächeln.

Jared seufzte. »Seit Maddy schwanger ist, will sie kaum noch etwas anderes essen.«

»Also gut.« Luke schmunzelte. »Dann entscheidet wohl euer Baby, was wir essen werden.«

»So kann man es auch sehen.« Jared zuckte lachend mit den Achseln. »Dann muss es wohl dominant veranlagt sein, denn es setzt sich mittags fast immer durch.«

Aus den Augenwinkeln sah Luke, dass sie bereits komische Blicke von den Kunden auf sich zogen, und räusperte sich. Amüsiert meinte er: »Langsam wird diese Unterhaltung etwas merkwürdig.«

»Du hast recht«, pflichtete sein Freund ihm grinsend bei, kam hinter der Theke hervor und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Lass uns gehen!«

»Wenn es nur darum ginge, Autogramme und Selfies zu machen …«, nahm Luke das Gespräch wieder auf, als er neben Jared die Buchhandlung Heart of Soho verließ. Er hatte das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen. Auf keinen Fall wollte er, dass die Bemerkungen über seine Fans herablassend klangen. Er wusste ihre Unterstützung sehr zu schätzen. »Aber nicht wenige Frauen grapschen mir ungeniert an den Hintern oder stecken mir Geld zu, um mich für Sex zu bezahlen. Sie behandeln mich, als wäre ich Freiwild oder ein Stricher.«

»Tatsächlich?« Überrascht zog Jared eine Augenbraue hoch. »Ich dachte, alle würden dich auf Händen tragen. Aber was du da erzählst, ist respektlos!«

»Du sagst es. Selbstverständlich sind nicht alle so, aber eindeutig zu viele für meinen Geschmack.« Luke befürchtete, dass das auch an den Fernsehsendungen lag, bei denen er mitgewirkt hatte. Die waren nicht gerade bekannt für ihre Qualität. Er hätte wählerischer sein sollen, aber im Nachhinein war man eben immer schlauer. »Die anderen Bewohner des Miethauses, in dem ich wohne, haben sich schon beschwert, weil meine Fans auch ihnen auflauern.«

Jared gab ein zackiges Tempo vor, als sie über den Bürgersteig liefen, vielleicht weil er Maddy nicht länger als notwendig allein lassen wollte. »Warum denn das?«

»Sie fragen sie nach mir aus und versuchen, durch sie ins Treppenhaus zu gelangen. Die Situation ist kaum noch tragbar.« Luke raufte sich die Haare, die so schwarz waren wie die dunkelste Stunde der Nacht. Die helleren Strähnen hatte er schon vor einiger Zeit rauswachsen lassen.

»Aber glaubst du wirklich, dass es reichen wird, ein paar Monate unterzutauchen?«, fragte Jared und bog in die Carnaby Street ein. Es war brechend voll. Busladungen voller Touristen schoben sich durch die berühmte Einkaufsstraße. Dazwischen holten Einheimische sich Lunch oder machten Besorgungen. Alle möglichen Sprachen waren zu hören.

Luke hoffte, dass ihn niemand wiedererkennen würde. Immerhin lag sein letzter Fernsehauftritt schon einige Monate zurück, und er war nicht aufgestylt, sondern trug Alltagskleidung.

»Nein«, antwortete er seinem Freund, aber der Schreiburlaub würde ihm zumindest eine Atempause verschaffen. Er fühlte sich wie ein Getriebener und musste dringend zur Ruhe kommen. Nur dann konnte er wieder einen klaren Kopf kriegen. »Immerhin werden sie merken, dass ich nicht mehr dort anzutreffen bin, und hoffentlich wegbleiben.«

»Aber wenn du irgendwann zurück nach Hause ziehst, könnte das ganze Theater wieder von vorne losgehen«, gab sein Kumpel zu bedenken, während sie an den ersten Souvenirshops, Lokalen und Pubs vorbeigingen.

Luke nickte. »Ja, ich weiß. Ich werde die Auszeit in Richmond upon Thames auch dazu nutzen, darüber nachzudenken, wie es weitergehen soll.«

Jared blieb vor einem Imbiss stehen. »Hier sind wir zurzeit Stammkunden. Die Speisen sind und bleiben Fast Food, aber wenigstens sind die Pommes selbst gemacht.« Jared betrat den Laden und kehrte dann zu ihrem Gesprächsthema zurück. »Was genau meinst du mit: ›wie es weitergehen soll‹?«

Ob ich mein Leben so weiterleben will, dachte Luke und stellte sich mit seinem Freund in die Schlange vor der Kasse. »Vielleicht muss ich umziehen, ich meine endgültig, nicht bloß für einige Monate.«

»Bist du verrückt geworden?« Jared lächelte entschuldigend, kaum, dass er ausgesprochen hatte. »Sorry, aber deine Wohnung ist ein Traum. Sie ist zentral gelegen und modern geschnitten. Alles ist total schick, sogar das Treppenhaus mit seinen Marmorstufen und den Kunstdrucken an den Wänden. So eine Bleibe wirst du nie wieder finden.«

»Für mich ist sie zum Albtraum geworden.« Zwei jugendliche Mädchen mit ultrakurzen Schottenröcken hatten Luke offensichtlich erkannt, waren aber wohl zu schüchtern, um ihn anzusprechen. Sie beäugten ihn verstohlen, tuschelten und kicherten. Er wusste nicht, was andere Menschen daran fanden, berühmt zu sein. Ihm war es unangenehm, ständig unter Beobachtung zu stehen. »Ich halte mich nicht mehr gern zu Hause auf.«

»Man kann von dort sogar die Themse sehen«, sagte Jared mit leuchtenden Augen.

Luke wandte ein: »Nur an klaren Tagen.«

»Tiefstapler.« Sein Freund knuffte ihn. »Warum verbringst du deine Schreibklausur eigentlich in London und fährst nicht irgendwo aufs Land?«

»Für viele zählt Richmond upon Thames nicht mehr zu London«, bemerkte Luke ironisch.

»Das stimmt auch wieder. In dem Randbezirk hat man beinahe den Eindruck, auf dem Land zu sein. Trotzdem hätte ich mir an deiner Stelle einen etwas exotischeren Ort ausgesucht, um mich zurückzuziehen.« Jared zwinkerte. »Die Malediven zum Beispiel.«

»Da hätte ich nur den ganzen Tag am Strand gelegen und ab und zu geschnorchelt, aber ich muss wirklich mit meinem Manuskript vorankommen. Ich mache ja keinen Urlaub, sondern muss arbeiten. Oh, Mann! Das klingt so gar nicht nach mir, oder?« Luke schüttelte den Kopf.

»Wenn ich ehrlich sein soll, nein. Aber jeder entwickelt sich weiter.« Anerkennend boxte Jared ihn gegen den Arm. »Du bist jetzt eben Buchautor.«

»Bin ich das?«, fragte Luke zweifelnd und rückte wieder einen Schritt näher an die Theke heran.

»Aber klar!«, sagte Jared begeistert. »Du schreibst an deinem dritten Buch.«

»Ja, das schon. Genau genommen ist es mein zweites, weil das Buch über meine Zeit im Dschungelcamp im Grunde von meinem Co-Autor verfasst wurde. Mir fehlte damals die Zeit, ich habe nur die Details geliefert. Ich bereue es bis heute, mich überhaupt darauf eingelassen zu haben. Er war kein Ghostwriter, sondern sein Name stand mit auf dem Cover. Aber es war mein Buch, ich hätte es selbst verfassen müssen.« Als die Mädchen in den Schottenröcken mit ihrem Essen an ihm vorbeigingen, ignorierte Luke sie, damit sie ihn nicht doch noch ansprachen. Er wollte nicht unhöflich sein, aber auch vermeiden, dass weitere Gäste auf ihn aufmerksam wurden. »Und welcher ernst zu nehmende Autor schreibt immer nur über sich selbst? Außerdem habe ich nie einen Creative-Writing-Kurs besucht.«

Sein Freund winkte ab. »Das spielt doch keine Rolle. Du bist eben ein Naturtalent. Dein Erfolg bestätigt das.«

»Ich befriedige bloß die Sensationslust der Leser. Außerdem hatte ich nie vor, Autor zu werden. Das ist einfach so passiert, genauso wie meine Fernsehauftritte. Mir ist das alles zugeflogen, darum denken die Menschen …« Luke brach ab, weil es ihm plötzlich peinlich war, über seine Gefühle zu sprechen.

Behutsam hakte Jared nach: »Was denken sie?« Er wartete kurz. »Wenn du nicht weiter darüber reden möchtest, ist das in Ordnung.«

»Schon gut.« Luke war im Grunde froh, sich endlich jemandem anvertrauen zu können. Seit er einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt hatte, traute er nur noch wenigen Menschen, weil er befürchtete, sie könnten seine Geheimnisse an die Yellow Press verkaufen. Bei Jared hatte er diese Sorge nicht. Noch leiser als zuvor fügte er hinzu: »Alle gehen davon aus, dass ich glücklich bin.«

»Bist du das denn nicht?«, fragte Jared besorgt.

»Nein.« Verlegen strich sich Luke übers Gesicht. Manche Menschen fanden, dass sein Freund und er wie Brüder aussahen, nur dass Luke größer und breitschultriger war als Jared. Er selbst konnte das schlecht beurteilen, aber es spielte auch keine Rolle. Das, was sie eng verband, war ihre Vorliebe, devote Frauen zu unterwerfen. Jared war einer seiner besten und längsten Freunde. In den vergangenen Jahren hatte er wenig Zeit für ihn gehabt, und trotzdem war Jared immer für ihn da, das rechnete Luke ihm hoch an. »Ich weiß, wie das klingt. Nach Meckern auf hohem Niveau.«

»Red keinen Unsinn!«, sagte Jared bestimmt. »Auch ein Vogel, der in einem goldenen Käfig sitzt, ist gefangen.«

»Ich wusste, du würdest mich verstehen. In letzter Zeit frage ich mich oft, wer ich eigentlich bin. Ich arbeite nicht mehr als Callboy und habe meine Callboy-Agentur an einen Freund abgetreten. Aber als Schriftsteller sehe ich mich auch nicht und erst recht nicht als Promi.« Manchmal hatte Luke den Eindruck, sich in den letzten Jahren verloren zu haben.

»Du bist du, so einfach ist das.« Aufmunternd drückte Jared Lukes Schulter. »Seit wann denkst du denn in Schubladen?«

Nachdenklich nickte Luke.

Sie hatten das Ende der Schlange erreicht und gaben ihre Bestellung auf. Während sie auf ihr Essen warteten, sagte Luke: »Ich übernehme die Rechnung.«

Jared wiegelte ab. »Auf keinen Fall. Du bist unser Gast.«

»Ich bestehe darauf«, stellte Luke klar und baute sich vor ihm auf.

Sein Freund lachte amüsiert. »Bei mir wirkt deine Dominanz nicht.«

Daraufhin sah Luke ihn herzerweichend an. »Bitte.«

»Verdammt. Du weißt doch, dein Dackelblick trifft mich immer direkt ins Herz. Also gut, du zahlst.« Jared lachte, dann wurde er wieder ernst. Er kam dicht an seinen Kumpel heran und flüsterte: »Ich glaube, du arbeitest zu viel und brauchst dringend mal wieder eine geile Session, die dich auf andere Gedanken bringt.«

»Das sowieso«, gab Luke zerknirscht zu. »Hast du eine Ahnung, wie lange ich schon keinen Sex mehr hatte?«

Jared riss die Augen auf. »Das nehme ich dir nicht ab. Du kannst dich doch bestimmt vor Angeboten kaum retten.«

»Das stimmt, aber die Frauen, die sich mir anbieten, reizen mich nicht. Die möchten entweder durch mich berühmt werden oder sind nur an meinem Geld und nicht an mir interessiert, oder wollen einfach mal mit einem Callboy schlafen. Aber ich sehne mich nach echten Gefühlen«, gab er leise zu, damit die anderen Kunden ihn nicht hörten.

Jared grinste breit. »Das klingt ja beinahe, als wärst du auf der Suche nach der großen Liebe.«

»Warum nicht?«, gab Luke so leichtfertig wie möglich zurück, um seine Verlegenheit zu überspielen.

Die Fish and Chips waren fertig. Jared nahm die Papiertüte mit dem Essen an. »Du hast dich noch nie lange an eine Frau gebunden. Ich kenne niemanden, der so freiheitsliebend ist wie du. Und das sowohl im Beruf als auch in einer Partnerschaft.«

»Ich bin 34 Jahre alt, man verändert sich. Außerdem sehe ich, wie glücklich du mit Maddy bist. Reece und Paula strahlen auch um die Wette. Da wird man ganz neidisch«, gab Luke zu und bezahlte, bevor sie sich auf den Weg zurück zur Heart of Soho machten.

Maddy und Jared hatten im Sommer letzten Jahres in Reece’ Herrenhaus Brambly Manor geheiratet. Freitags hatten sie sich das Jawort im Park gegeben, und danach hatte die offizielle Feier im Ballsaal stattgefunden. Samstagnacht hatte das frisch getraute Paar noch einmal ganz unter sich gefeiert. Sie hatten sich in Reece’ privaten Spielzimmern amüsieren dürfen, was ein besonderes Geschenk war.

Luke hatte dieses BDSM-Paradies noch nie mit eigenen Augen gesehen, da es zuerst dem Herrenclub Noble Canes vorbehalten gewesen war und inzwischen eigentlich exklusiv von Paula und Reece genutzt wurde.

Es war eine große Ausnahme und ein Privileg, dass Maddy und Jared das Allerheiligste von Brambly Manor nutzen durften. Jared hatte nach der Hochzeitssession nichts ausgeplaudert, Luke gegenüber allerdings einmal fallen lassen, dass Reece sich eine BDSM-Ausstattung der Superlative unters Dach gebaut hatte.

Wenn ich in den Genuss von Reece’ BDSM-Reich kommen will, muss ich wohl auch heiraten, dachte Luke ironisch. Doch dazu fehlte ihm noch die passende Frau.

Zum Glück war es in der Buchhandlung während ihrer Abwesenheit etwas ruhiger geworden, sodass Maddy zusammen mit ihnen essen konnte. Luke hatte sie noch nie zuvor so schlingen sehen.

Aber sie isst ja auch für zwei, dachte er lächelnd und fragte sich, ob er jemals eigene Kinder haben würde. Aber was nutzte es, darüber nachzudenken, wenn man Single war? Er hatte sich in seinem Leben noch nie so einsam gefühlt wie in den letzten Monaten. Seine Fans belagerten zwar die Hotels, in denen er auf Reisen abstieg, aber auf seinem Zimmer war er stets allein. Viele Menschen machten sich falsche Vorstellungen vom Berühmtsein.

Am frühen Nachmittag verabschiedete er sich von seinen Freunden und fuhr nach Brambly Manor, um Paula und Reece seine neue Adresse mitzuteilen.

»Sobald ich mich eingelebt habe, lade ich euch zu mir ein«, versprach er und betrachtete Paula. Sie hatte ihre braunen Haare kurz und asymmetrisch schneiden lassen, was durch ihre Locken modern und frech aussah. »Deine neue Frisur steht dir unglaublich gut.«

Sie strahlte übers ganze Gesicht und wirkte rundum glücklich. »Danke.«

»Hast du dein Spielzeug auch eingepackt?«, wollte Reece leise wissen und blinzelte ihn verschwörerisch an.

Sie standen im Foyer seines Herrenhauses. Im Garten fand eine Feier statt, und das Restaurant war wie immer ausgebucht. Einige Gäste und Angestellte beobachteten sie heimlich, denn nicht nur Luke hatte einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt, sondern auch Reece, seit Paula ein Buch über ihn geschrieben hatte.

»Nein, ich werde mich dort einigeln, um zu arbeiten. Es sollen so wenige Menschen wie möglich wissen, dass ich dort wohne.« Luke konnte nur über seine Zukunft nachdenken, wenn er endlich Ruhe fand, und dazu musste er allein sein. »Ich werde keine Gelegenheit haben, Frauen zu treffen.«

»Man weiß nie. Warte hier!« Rasch stieg Reece die Treppe hoch und verschwand im Obergeschoss des Herrenhauses. Nach wenigen Minuten kam er mit einer schwarzen Sporttasche zurück und reichte sie Luke. »Eine Basisausstattung.«

Luke riss ablehnend die Hände hoch, doch sein Schwanz zuckte vor Freude. »Das ist wirklich nett von dir, aber ich werde in Teddington nichts davon brauchen.«

»Nun nimm das Geschenk schon an!« Reece’ Blick wurde eindringlich.

Seufzend nahm Luke die Tasche entgegen, bedankte sich und fragte dann Paula mit frivolem Unterton: »Ist er in euren Sessions auch so beharrlich?«

»Er bekommt immer, was er will.« Verliebt schmachtete sie Reece an, woraufhin der sie in seine Arme zog und zärtlich küsste.

Luke verspürte ein Ziehen im Bauch. Diese Sehnsucht, die so neu für ihn war, machte sich wieder bemerkbar. Er hatte sich nie eine Familie, ein Haus und einen Hund gewünscht. Dieses klassische Traumbild vieler Menschen war ihm zu konservativ, und er befürchtete, dass man BDSM und Ehe – ganz zu schweigen von Kindern – nicht so leicht unter einen Hut bringen konnte.

Inzwischen hatten Maddy und Jared und Paula und Reece ihn eines Besseren belehrt. Sie brachten Partnerschaft und BDSM problemlos in Einklang. Daher wollte er in seinem selbst gewählten Exil darüber nachdenken, ob er es nicht doch mal mit einer ernsthaften Beziehung versuchen sollte.

Von Brambly Manor aus fuhr er direkt weiter nach Teddington. Eigentlich fühlte er sich in der pulsierenden Innenstadt wohl, aber er hatte sich absichtlich dazu entschieden, seine Komfortzone zu verlassen und in einen ländlichen Bezirk Londons zu ziehen, um einen neuen Blickwinkel auf sein Leben zu erhalten. Er brauchte frischen Wind, um einen klaren Kopf zu bekommen.

Sein Zuhause auf Zeit lag in einer Sackgasse. Luke hoffte, dass das kein schlechtes Omen war. Hinter dem zweigeschossigen Haus befand sich ein namenloses Wäldchen. Alle anderen Gebäude in der Straße waren Reihenhäuser, nur das von Rosie Wilson war frei stehend.

Er parkte seinen Wagen in der Einfahrt und brachte seine Koffer hinein. Dabei konnte er nicht widerstehen, neugierig den Reißverschluss der schwarzen Sporttasche zu öffnen, um herauszufinden, was Reece ihm mitgegeben hatte. Doch im letzten Moment verbot er es sich und schloss die Tasche wieder. Er würde die Hilfsmittel ohnehin nicht brauchen, also stellte er die Tasche in den Stauraum unter die Treppe.

Auf dem Küchentisch fand er zu seiner Überraschung ein paar versiegelte Packungen English Breakfast Tea, Kaffee und Zucker vor. Im Kühlschrank standen ein Pint Milch und vier Flaschen Thatchers Cider, ansonsten waren alle Schränke leer. Man konnte ihn noch nicht erwartet haben, denn er hatte ja erst in zwei Tagen einziehen wollen, aber offensichtlich hatte man schon das ein oder andere vorbereitet. Er roch Putzmittel und sah auf der Arbeitsplatte eine leere Blumenvase. Vielleicht hatte Zelda Jones dort am Samstag frische Schnittblumen hineinstellen wollen, um ihn willkommen zu heißen. Ein leerer Korb stand auf einem der Stühle, als wäre er dort abgestellt und vergessen worden.

Luke beschloss, erst einmal Kaffee zu kochen und später auszupacken. Obwohl er das Haus erst vor Kurzem besichtigt hatte, machte er noch mal einen Rundgang, während der Kaffee durchlief. Dabei fiel ihm auf, dass die Terrassentür offen stand. Anscheinend hatten Zelda oder Oscar Jones nicht nur vergessen, ihren Korb wieder mitzunehmen, sondern auch, die Tür nach dem letzten Lüften wieder zu schließen.

Die Zimmer waren alle hell gestrichen und freundlich. Die meisten Schränke hatten nachträglich einen weißen Anstrich bekommen. Auf den Tischen und Schränken lagen rosafarbene Strickdeckchen, die Luke respektvoll und ordentlich in eine Schublade legte. Vor den Fenstern hingen hellblaue Schlaufenschals, die schon eher seinen Geschmack trafen. Getrocknete Rosensträuße standen hier und da in kleinen Tonvasen, und mehrere Stillleben mit Obst zierten die Wände.

Als Luke die Fotos von Rosie Wilson und ihrer Familie auf dem Sideboard im Wohnzimmer genauer betrachtete, wurde er sich bewusst, dass er nie ein richtiges Familienleben erfahren hatte.

Seine Mutter hatte seinen Vater während eines Frankreichurlaubs kennengelernt. Sie hatten einen One-Night-Stand am Strand von Deauville gehabt und ihn dabei gezeugt, kurz bevor seine Mutter wieder abgereist war. Luke war als Einzelkind bei seiner Mutter im Londoner East End aufgewachsen. Sie hatte ihn geliebt, aber durch ihre ständig wechselnden Partner hatte er kein wirklich stabiles Zuhause gehabt. Seinen französischen Vater hatte er nie kennengelernt.

Luke wollte seinen Eltern nicht die Schuld am Scheitern seiner Beziehungen geben, ahnte aber, dass sie zumindest teilweise ein Grund dafür waren.

Er wandte sich von den Schnappschüssen ab, die Rosie Wilson als Erinnerung an ihre Liebsten und an gemeinsame Feiern aufgestellt hatte. Zelda und Oscar Jones hatten bestimmt vorgehabt, die Bilderrahmen vor seinem Einzug wegzuräumen, es dann aber vergessen. Die beiden hatten bei der Besichtigung wirklich gestresst gewirkt. Es fühlte sich falsch an, sich im Haus einer Fremden auszubreiten, aber er hielt sich ja nicht unrechtmäßig hier auf, sondern hatte das Haus gemietet. Heute wollte er erst einmal ankommen und sich akklimatisieren.

Als der Kaffee durchgelaufen war, füllte er eine Tasse, gab einen Schuss Milch hinein und trat hinaus auf die Terrasse. Wie ruhig es in diesem Stadtteil war! Man konnte glatt vergessen, dass man sich in London befand. Ein Gefühl von Urlaub stellte sich bei ihm ein.

Genussvoll nippte er an seinem Kaffee und schaute sich im Garten um. Dieser war umgeben von einer alten Backsteinmauer, an der Rosen und Geißblatt hochrankten. Obwohl es schon Anfang September war, blühte noch recht viel. Astern, Fetthenne und Herbst-Anemonen schmiegten sich in Staudenbeeten aneinander. Sonnenblumen und Sonnenhut ragten neben Gräsern aus Rabatten empor.

Luke war zwar eine Großstadtpflanze, aber er liebte es, im Frühjahr bei einem ausgiebigen Spaziergang in den Kensington Gardens die Peter-Pan-Statue zu besuchen, wie er es schon als Kind getan hatte. Im Sommer ging er gern in den Hyde Park und schwamm dort in dem See, der als Serpentine bekannt war. In jedem Herbst genoss er die letzten schönen Sonnenuntergänge auf dem Primrose Hill im Regent’s Park. Im Winter joggte er gern durch den Battersea Park.

Plötzlich hörte er ganz in der Nähe jemanden fluchen und wurde abrupt aus seinen Gedanken gerissen. Eine junge Frau trat hinter dem alten Apfelbaum hervor, der in der hinteren Hälfte des Gartens stand. Wütend schwang sie einen Spaten und stieß ihn in den Rasen.

»Wen haben wir denn da? Eine Einbrecherin? Wie ungezogen von ihr, einfach so meinen Garten zu ruinieren«, murmelte Luke und spürte, wie Blut in seinen Schwanz schoss.

Kapitel 3

Noch vor einer Stunde war sich Sienna sicher gewesen, genau zu wissen, wo sie ihre Zeitkapsel vor zehn Jahren vergraben hatte, doch an der Stelle hatte sie sie nicht gefunden. Also hatte sie es ein Stück daneben probiert, aber wieder nichts zutage gefördert, außer Erde und Steine. Aufgeben war jedoch nicht infrage gekommen. Nun klafften schon drei Löcher im ansonsten gepflegten Rasen.

Bevor sie in die Tiefe gegangen war, hatte sie die Grasnarben jeweils vorsichtig hochgenommen, damit sie sie später wieder auf den aufgewühlten Boden legen konnte. Würde es Luke Marshall trotzdem auffallen, dass jemand an den Stellen gebuddelt hatte?

»Denk nach! Nun denk schon nach«, trieb sich Sienna an und starrte verzweifelt auf die Rasenfläche. Sie war ratlos.

Hatte sie nicht tief genug gegraben? Oder konnte es sein, dass sie damals nur vorgehabt hatte, die Aluminiumdose neben dem Apfelbaum zu vergraben, sich dann aber doch dagegen entschieden und stattdessen ein Staudenbeet gewählt hatte?

Es war wie verhext! Je angestrengter sie versuchte, sich den Tag ins Gedächtnis zu rufen, an dem sie heimlich den Behälter im Garten ihrer Grandma Rosie vergraben hatte, desto nebulöser wurde ihre Erinnerung. Ihre wachsende Aufregung machte es nur noch schlimmer. Das Bild, das sie von damals vor Augen hatte, verschwamm immer wieder. Es half nichts, sie musste den gesamten Boden um den Stamm herum durchgraben.

Plötzlich hörte sie ein Klappern hinter sich.

Sienna schrak zusammen. und spähte entsetzt zur Terrasse.

Dort stand Luke Marshall und beobachtete sie mit unverhohlener Neugier. Er hatte wohl seine Tasse auf den Gartentisch gestellt, denn von dort richtete er sich gerade wieder auf, ohne sie aus den Augen zu lassen.

Ihr Herz raste. Er sieht verboten gut aus, schoss es ihr durch den Sinn. Er hatte sie erwischt! Seiner Miene nach zu urteilen, war auch ihm das klar. Aber er konnte nicht wissen, wobei er sie überrascht hatte, und das durfte er auch niemals erfahren.

Sein Blick glitt von den Löchern im Rasen zu Siennas Spaten. Er zog eine Augenbraue hoch. »Auf die Erklärung bin ich wirklich gespannt.«

Fieberhaft dachte sie über eine Ausrede nach. Sie versuchte es erst einmal mit der Flucht nach vorn und ging auf ihn zu. Vielleicht konnte sie ihn ja von ihrem merkwürdigen Verhalten ablenken. »Hi. Ich bin Sienna Jones, die Enkelin von Rosie Wilson.«

»Ich bin Luke Marshall.« Er kam ihr entgegen und reichte ihr die Hand.

Als sie sie ergriff, prickelte ihr ganzer Arm wie elektrisiert. »Ich weiß.«

»Und nicht erst durch den Mietvertrag, nehme ich an«, sagte er und hielt ihre Hand weiterhin fest.

Nein, da hatte er recht, aber das musste sie ihm ja nicht auf die Nase binden. Das angenehme Kribbeln hatte inzwischen ihren Oberkörper erreicht. Bevor es sich weiter ausbreiten konnte, zog sie ihre Hand zurück.

Sienna hatte weder Lukes Buch Das geheimnisvolle Leben eines Callboys gelesen noch die Fernsehsendung I’m a celebrity, get me out of here verfolgt, durch die er erst richtig bekannt geworden war. Aber wenn sie an einem Plakat vorbeikam, das auf einen Auftritt von ihm hinwies, blieb sie immer einen Moment stehen und verlor sich in seinem attraktiven Gesicht.

In echt sah er noch viel charismatischer aus. Er war hochgewachsen, sportlich und strahlte eine coole Lässigkeit aus. Er war nicht so durchgestylt wie auf den Postern, sondern wirkte in seinen verwaschenen Jeans und seinem einfachen hellgrauen T-Shirt natürlicher – das gefiel ihr. Er sah müde aus und besaß dennoch eine Ausstrahlung, die man entweder hatte oder eben nicht.

»Wir können uns duzen, wenn du willst«, schlug er freundlich vor.

»Gern.« Ihre eigene Stimme kam Sienna fremd vor, sie klang viel weicher als sonst. Verärgert darüber, wie ihr Körper auf Luke reagierte, beschloss sie, dass es besser war, das Weite zu suchen. Sonst tat sie am Ende noch etwas, das sie später bereuen würde. »Aber ich muss jetzt gehen.«

Luke versperrte ihr den Weg und zeigte auf eine Stelle hinter ihr. »Was um alles in der Welt hast du da gemacht? Das musst du mir noch verraten.«

»Ich will dort Blumen einpflanzen«, improvisierte sie und befingerte nervös ihr störrisches krauses Haar. Um es zu bändigen, hatte sie zwei vordere Strähnen geflochten und im Nacken mit ihrem restlichen Haar hochgesteckt. Es war eine praktische Frisur und auch schick, zumindest hatte sie das bis jetzt gedacht. Doch nun, da Luke sie kritisch musterte, wünschte sie sich, ihr Styling sähe weniger nach Land und mehr nach Weltstadt aus.

Skeptisch runzelte er die Stirn. »Im Spätsommer?«

»Zwiebeln für Frühlingsblüher, um genau zu sein. Krokusse, Narzissen und Tulpen.« Die Worte kamen ihr nur schwer über die Lippen, weil sie es verabscheute, zu schwindeln. Eigentlich war sie ein ehrlicher Mensch. Sie verbuchte ihr Ausweichmanöver unter Notlüge, denn Luke Marshall war wirklich der letzte Mensch, dem sie von ihrer Zeitkapsel mit dem sehr persönlichen und delikaten Inhalt erzählen wollte.

»Wo hast du die Zwiebeln denn?« Er stemmte die Hände in die Seiten. »Ich sehe sie nirgends.«

Mit belegter Stimme behauptete sie hilflos: »Ich muss sie erst noch kaufen.«

»Und dann gräbst du jetzt schon die Löcher?« Er verschränkte die Arme vor dem Oberkörper. »Sind die nicht auch viel zu tief für Blumenzwiebeln?«

»Ich hatte erst überlegt, einige Stauden aus den Rabatten zu teilen und um den Baum herum zu pflanzen.« So lässig wie möglich zuckte Sienna mit den Schultern. »Habe mich dann aber umentschieden.«

Misstrauisch blinzelte er sie an. »Ja, was denn nun?«

»Ist das wirklich so wichtig?«, fragte sie kratzbürstig, um ihre Nervosität zu überspielen.

Plötzlich packte Luke ihr Kinn und sah sie intensiv an. »Für mich hat es so ausgesehen, als würdest du etwas suchen.«

Sienna wurde heiß. Ich sollte mich nicht von ihm berühren lassen, dachte sie alarmiert, denn dann wurde jedes Mal etwas in ihrem Inneren ganz weich und nachgiebig. Sie zischte: »Unsinn.«

»Was machst du überhaupt hier?« Als er seine Hand wieder wegnahm, strich er beiläufig über ihren Hals. »Ich hatte deinen Eltern gesagt, dass ich in Ruhe arbeiten will.«

»Du wolltest erst am Wochenende einziehen«, wandte sie ein und rammte den Spaten unmittelbar vor ihm in den Rasen.

Er zuckte nicht einmal mit der Wimper. »Das bleibt ja wohl mir überlassen. Der Mietvertrag gilt rückwirkend vom ersten September an.«

»Das wusste ich nicht«, ruderte sie zurück. Er stand inzwischen so dicht vor ihr, dass sie sein Männerparfüm riechen konnte. Es duftete warm und würzig, nach Zedernholz und Weihrauch, und ließ sie an heiße, exotische Nächte in Casablanca oder Marrakesch denken. »Entschuldigung«, murmelte sie etwas benebelt.

»So gefällst du mir schon besser.« Er schmunzelte anzüglich.

Sienna erinnerte sich wieder daran, gelesen zu haben, dass er als dominanter Callboy gearbeitet und seine devoten Kundinnen gekonnt unterworfen hatte. Prompt spürte sie ein Kribbeln zwischen ihren Schenkeln. Sie selbst hatte keine Erfahrungen mit BDSM, fand das Thema aber reizvoll. Allerdings hatte sie sich bisher nicht getraut, sich einem ihrer Freunde anzuvertrauen. »Ich habe noch mal durchgeputzt und dir einige Dinge gebracht, aber wie ich rieche, hast du den Kaffee schon gefunden.«

»Möchtest du eine Tasse? Ich habe versehentlich eine ganze Kanne gemacht.« Ohne arrogant zu klingen, fügte er hinzu: »Ich habe zu Hause nur einen dieser Vollautomaten, die auf Knopfdruck alle Kaffeevarianten ausspucken, und kenne mich mit den Filterkaffeemaschinen nicht aus.«

»Einen Vollautomaten, was auch sonst«, bemerkte sie spöttisch. Sie selbst kannte nur ihre Granny, die überhaupt eine Kaffeemaschine besaß. Alle ihre Freunde und Bekannten nutzten Instantpulver oder eine Presskanne, aber die meisten tranken ohnehin lieber Tee.

Luke kniff seine intensiv blauen Augen zusammen. »Du bist ganz schön frech für jemanden, der gerade bei einem Einbruch erwischt worden ist.«

»Ich bin nicht eingebrochen«, widersprach sie und wünschte sich, die schicke Kleidung, die sie im Geschäft trug, nicht gegen eine alte Jeans und ein ausgeleiertes T-Shirt getauscht zu haben, bevor sie hergefahren war, um zu putzen und zu graben. »Ich verwalte das Haus meiner Granny, seit sie im Pflegeheim ist, und werde es eines Tages erben, hat sie gesagt. Das macht mich zur Besitzerin in spe.«

»Mhm. Also, was ist nun mit dem Kaffee? Ich würde mich wirklich freuen, wenn du bleibst.« Amüsiert fügte er hinzu: »Du bist anregender als jede noch so große Dosis Koffein.«

»Nein danke«, sagte Sienna bedauernd, aber sie musste zurück in den Laden, um ihre Eltern zu unterstützen. Außerdem befürchtete sie, bei Luke schwach zu werden, und sie wollte nicht eine Eroberung von vielen sein. Abgesehen davon war sie ohnehin nicht nur für eine Nacht zu haben.

Schmunzelnd rieb er sich über sein Kinn. »Danach könnte ich dir auch bei deiner Suche helfen.«

»Suche?« Sie runzelte die Stirn, begriff, dass er auf die Löcher im Rasen anspielte, und wurde schon wieder rot.

»Unterm Apfelbaum«, erklärte er und zwinkerte. »Dann müsstest du mir aber verraten, was du so verzweifelt versuchst zu finden.«

»Nichts, gar nichts, du verstehst das alles falsch. Als Buchautor hast du natürlich eine ausschweifende Fantasie.« Sienna brach der Schweiß aus. Sie fühlte sich in die Ecke gedrängt. Sein Blick war so durchdringend, dass sie erschauerte.

Mit rauer Stimme warnte Luke sie: »Ich kenne Mittel und Wege, die Wahrheit aus dir herauszukitzeln.«

Meinte er etwa seine Vergangenheit als Dominus? Ihr Atem beschleunigte sich. Warnend hielt sie den Spaten hoch. »Ich weiß mich zu wehren.«

»Ich würde dich zu nichts zwingen. Meine Subs unterwerfen sich mir immer freiwillig«, stellte er so gelassen klar, als würde er von etwas Banalem wie Kochen reden und nicht von Sex.

Sienna bekam eine wohlige Gänsehaut. Doch sie glaubte, dass er sie bloß aufzog. Er machte sich einen Spaß daraus, sie anzubaggern, aber in Wahrheit hatte sie bestimmt keine Chance bei ihm. Wahrscheinlich stand er auf Frauen in Latexkleidern und mit manikürten Fingernägeln, nicht auf jemanden wie sie, die lieber Jeans trug und mit Gartenhandschuhen im Dreck wühlte. »Ich bin nicht dein Betthäschen.«

»Aber du könntest es dir vorstellen.« Langsam kam Luke auf sie zu. »Du schluckst ständig, als wäre dein Mund ganz trocken – vielleicht aus lustvoller Angst vor mir? –, und du sagst, du müsstest gehen, aber du bist immer noch hier.«

»Das hättest du wohl gern! Nicht jede Frau liegt dir zu Füßen.« Sie wich Richtung Haus zurück, bis sie über den Rahmen der Terrassentür stolperte und ins Taumeln geriet. Vor Schreck ließ sie die Schaufel los, die krachend zu Boden fiel.

Luke riss Sienna blitzschnell zurück. Er bog ihren Arm nach hinten und hielt ihr Handgelenk hinter ihrem Rücken fest. »Das stimmt, aber bei dir täusche ich mich nicht. Du fühlst dich zu mir hingezogen. Du willst es dir nur nicht eingestehen.«

Empört schnappte Sienna nach Luft. Wie unverschämt von ihm, ihr das direkt ins Gesicht zu sagen – und sie so festzuhalten! Aber er hatte sie durchschaut.