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Sie bricht alle Rekorde der Musikgeschichte, füllt die größten Stadien der Welt und wird von Donald Trump gefürchtet: Taylor Swift ist das größte, einflussreichste Pop-Phänomen unserer Zeit. Wie wurde aus einem Mädchen mit Gitarre der Weltstar, dem heute Millionen von Fans zu Füßen liegen – und warum ist es eigentlich so cool, «Swiftie» zu sein? Bookfluencerin und Swiftie Anne Sauer untersucht ihre eigene Verbindung zu Taylor Swift und macht sich auf eine persönliche Reise durch die «Eras» der letzten zwei Jahrzehnte. In 13 Kapiteln zeichnet sie die Geschichte des Phänomens nach, widmet sich der musikalischen Entwicklung Swifts, nimmt die Rezeption des Popstars und das eigene Fantum kritisch in den Blick. Was heißt es, sich als Künstlerin ständig neu erfinden zu müssen? Woher kommt das Bedürfnis, einen so einzigartigen Erfolg kleinreden zu wollen? Und was sagt es über Kritiker:innen aus, die nur darauf warten, eine Frau scheitern zu sehen? Sauers Essay verbindet kenntnisreiche Analyse mit einer Liebeserklärung an die lebende Pop-Ikone der Gegenwart.
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Seitenzahl: 150
Anne Sauer
Über Taylor Swift
Sie bricht alle Rekorde der Musikgeschichte, füllt die größten Stadien der Welt und wird von Donald Trump gefürchtet: Taylor Swift ist das größte, einflussreichste Pop-Phänomen unserer Zeit. Wie wurde aus einem Mädchen mit Gitarre der Weltstar, dem heute Millionen von Fans zu Füßen liegen – und warum ist es eigentlich so cool, «Swiftie» zu sein?
Bookfluencerin und Swiftie Anne Sauer untersucht ihre eigene Verbindung zu Taylor Swift und macht sich auf eine persönliche Reise durch die «Eras» der letzten zwei Jahrzehnte. In 13 Kapiteln zeichnet sie die Geschichte des Phänomens nach, widmet sich der musikalischen Entwicklung Swifts, nimmt die Rezeption des Popstars und das eigene Fantum kritisch in den Blick. Was heißt es, sich als Künstlerin ständig neu erfinden zu müssen? Woher kommt das Bedürfnis, einen so einzigartigen Erfolg kleinreden zu wollen? Und was sagt es über Kritiker:innen aus, die nur darauf warten, eine Frau scheitern zu sehen?
Sauers Essay verbindet kenntnisreiche Analyse mit einer Liebeserklärung an die lebende Pop-Ikone der Gegenwart.
Anne Sauer ist freie Texterin, Podcasterin und Moderatorin in Hamburg. Geboren wurde sie, wie Taylor Swift, 1989, studierte Buchwissenschaft und Philosophie und absolvierte die Hamburg School of Ideas. Sie ist Teil von Literaturjurys, empfiehlt mit Tina Lurz Bücher im Podcast «MONATSLESE» oder als @fuxbooks auf Instagram. 2022 gewann sie für ihre Arbeit den Börsenblatt Young Excellence Award. Sie möchte nicht gefragt werden, welches Album von Taylor Swift ihr liebstes ist – aber antworten würde sie vermutlich mit reputation.
Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, August 2024
Copyright © 2024 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg
Covergestaltung Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich
Coverabbildung Shutterstock
ISBN 978-3-644-02224-9
Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation
Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp
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to all of my friends who loved before
It was rare, I was there
I remember it all too well
Taylor Swift – All Too Well
Was ist das für ein Glück, eine Verbundenheit dank eines einzigen Satzes zu fühlen? Das größte.
Ruth-Maria Thomas
Seit Jahren will ich ein Buch über Taylor Swift schreiben, und hier sitze ich plötzlich und soll wirklich ein Buch über Taylor Swift schreiben. Über eine Frau, deren Musik sich zum Soundtrack der wichtigsten Etappen meines Lebens entwickelt hat. Eine Songwriterin, die mich inspiriert, eine Businessfrau, die mir imponiert. Ein Buch über diese Ausnahmekünstlerin, die gefühlt alle 13 Minuten Rekorde bricht und spätestens 2023 einen Hype ausgelöst hat, den sich die meisten Menschen noch nicht so richtig erklären können. Wie wurde aus dem Mädchen mit Gitarre der Weltstar, dem heute Millionen von Fans zu Füßen liegen?
Die Karriere von Taylor Swift begann 2004 in Nashville, wo sie der Musikproduzent Scott Borchetta im legendären The Bluebird Café entdeckte und ihr einen Plattenvertrag in seinem Label Big Machine Records anbot, das sich damals noch in der Gründungsphase befand. Taylor war vierzehn Jahre alt, schrieb seit Jahren ihre eigenen Songs und träumte davon, auf den großen Countrybühnen des Landes zu performen. Aus dem Traum wurde eine alle Vorstellungen übertreffende Realität: Fast zwanzig Jahre, über dreihundertfünfzig Millionen verkaufte Platten und u.a. vierzehn Grammys später zählt die am 13. Dezember 1989 in Reading, Pennsylvania, geborene Taylor Alison Swift zu den erfolgreichsten Musikerinnen aller Zeiten. Sie gilt als eine der einflussreichsten Stimmen der Branche, nicht zuletzt wegen ihres konstanten Engagements für die Rechte von Musiker:innen. «Taylor Swift is the Music Industry»,[1] erklärte Bloomberg Businessweek bereits 2014. Seit März 2023 ist sie mit ihrer The Eras Tour unterwegs, einer Reise durch all ihre musikalischen Epochen der letzten achtzehn Jahre. In hundertzweiundfünfzig Shows performt sie weltweit in ausverkauften Stadien vor bis zu sechsundneunzigtausend Fans. Und während dieser Text entsteht, sucht das Victoria and Albert Museum in London einen «Super-Swiftie», um die Kurator:innen zu Taylor Swifts Bedeutung für die Kunst- und Designgeschichte der letzten Jahrzehnte zu beraten. Taylor Swift steht aktuell, 2024, auf dem Gipfel ihrer Karriere. Und ein Abstieg ist noch lange nicht in Sicht. Nachdem sie bereits 2017 als ein Teil der The Silence Breakers zur TIME Person of the Year gekürt wurde, erhielt sie diesen Titel im Dezember 2023 erneut. Es war das erste Mal, dass er eine:r Entertainer:in allein verliehen wurde. Für uns Swifties keine besonders große Überraschung, denn während endlich die ganze Welt begriff, dass sich die kulturelle Bedeutung dieses Pop-Phänomens nicht mehr ignorieren lässt, saßen wir nur stolz nickend zu Hause und gaben uns ein kollektives High Five auf Social Media. Ich schreibe selbstbewusst «wir», zähle mich also zu den Swifties – der Kategorie Fan, die immer ein bisschen mehr liebt. Zum aktuellen Zeitpunkt scheint es unmöglich, über Taylor Swift zu sprechen, ohne nicht auch die Swifties mitzudenken. Sobald man mit mir über Taylor ins Gespräch kommt, positioniert sich mein Gegenüber nicht nur zur Künstlerin, sondern auch zu dieser so besonderen, einflussreichen und ohne Zweifel eigenwilligen Fankultur. Und ich frage mich: Bin ich tatsächlich ein echter Swiftie? Was zeichnet «uns» aus, und wer entscheidet das eigentlich?
Es waren die Fans selbst, die sich diesen Namen gaben, ein Kosewort für die treue Fan-Community. Die Herleitung ist, denke ich, klar. Taylor Swift, Swiftie – you get the idea. Fast hätten «wir» sogar eine Auszeichnung abgestaubt, nämlich als Oxford Word of the Year 2023.[2] Die offiziellen Definitionen schwanken zwischen «enthusiastic fan» und «obsessed», also zwischen begeistert und besessen. Worüber sich allerdings kaum noch diskutieren lässt, ist die Macht, über die die Swifties verfügen. Wir sorgen für Erdbeben, den Einsturz von Onlineshops und für allerhand nervöse Verschwörungstheorien auf der Seite der Donald-Trump-Anhängerschaft. «Don’t mess with the Swifties» wurde zum geflügelten Motto, dem ich mich in diesem Buch ebenfalls widmen werde. Ich hatte diese Sentenz allerdings auch als erste Reaktion im Kopf, als sich abzeichnete, dass ich dieses Buch schreiben darf. Denn wie soll das gehen, dieses Pop-Phänomen und diesen scheinbar plötzlichen Hype auf wenigen Seiten zu erklären? Wie einen kurzen, erhellenden Einblick in diesen schillernden, komplexen Kosmos gewähren, in dem wir Swifties seit fast zwei Jahrzehnten schweben? Und was ist, wenn ich dabei auch etwas entdecke, das mich diese Liebe hinterfragen lässt?
Dieses Buch ist eine Einladung, mich in 13 Kapiteln auf eine persönliche Reise durch die «Eras» der letzten zwei Jahrzehnte zu begleiten. Dafür braucht es nichts als Neugierde. Ich will herausfinden, was mir Taylor Swift wirklich bedeutet und warum so viele Swifties sie so bedingungslos verehren. Was es ist, das uns mit ihr und untereinander verbindet. Und da ich weder Musik- noch Kulturwissenschaftlerin bin, bleibt mir dafür nur der Weg, den Taylor Swift selbst wählen würde: mitten durch die pure Emotion.
I’ll show you every version of yourself tonight
I’ll get you out on the floor
Shimmering beautiful
And when I break, it’s in a million pieces
Taylor Swift – mirrorball
Gerade spaziere ich durch mein Viertel, als sich das Swift-Universum mal wieder verschiebt. In einer Hand halte ich einen Salted Caramel Latte mit Hafermilch, das Getränk, dem ich den Aberglauben angedichtet habe, dass es mich zu Höchstleistungen antreibt. Und die brauche ich jetzt sehr dringend, denn ich denke darüber nach, wie ich diesen Text über Taylor Swift beginnen soll. Es ist Freitag, bereits nach zwölf Uhr, und ich habe immer noch keine Zeile geschrieben. Ich schlendere also gedankenverloren und mit einem Funken Panik im Hinterkopf durch meine Nachbarschaft, als es in meiner Jackentasche vibriert. Eine Nachricht von irgendwem, denke ich, doch es ist eine Eilmeldung von Instagram: «Taylor Swift geht jetzt live.»
Sofort bleibe ich stehen, öffne die App, drehe die Lautstärke meiner Kopfhörer voll auf. Ich sehe Taylor an ihrem blumenumrankten Klavier sitzen. Es ist ein Livestream aus Sydney, dem aktuellen Stopp ihrer The Eras Tour. Schnell suche ich mir einen ruhigen Platz zwischen Altpapiercontainern und Bordsteinkante, um diesem historischen Moment mit voller Aufmerksamkeit beizuwohnen. Mein Puls schießt nach oben, alles kribbelt, und ich lache mich selbst ein bisschen dafür aus, dass ich hier so herumstehe wie ein absolutes Fan-Klischee. Aber ich weiß, dass für unzählige Menschen weltweit gerade ebenfalls die Zeit stehen bleibt. Im Stream befinden sich bereits hundertsiebenundvierzigtausend, als ich mich dazuschalte, etwa zehn Sekunden später schon doppelt so viele. Und alle schauen wir auf unsere Bildschirme, halten den Atem an, während Taylor eine Ansprache hält. Wenn sie live geht, muss etwas passieren. Unsere Gehirne laufen auf Hochtouren: Spielt sie gleich einen Song vom neuen Album? Kündigt sie endlich reputation (Taylor’s Version) an? Verrät sie uns einen ihrer liebsten Katzenwitze? Dann die Auflösung: Sie eröffnet uns, dass es eine weitere Sonderedition zu ihrem bald erscheinenden Album The Tortured Poets Department geben wird inklusive des Bonustracks «The Albatross». Auf dem überdimensional großen Screen hinter ihr erscheint jetzt das Bild dazu – und die zweiundachtzigtausend Swifties in Sydney rasten komplett aus.
Die Übertragung endet. Und ich bin genervt. Noch eine Sonderedition zu dem Album, das ich mir natürlich direkt nach der Ankündigung vorbestellt habe. Ein weiteres, gar nicht mal so günstiges Paket, das es jetzt nur für kurze Zeit zu kaufen gibt, bloß mit anderem Cover und nur einem weiteren neuen Song. Ich schicke einen Screenshot vom Livestream an M. Er antwortet sofort: «Die macht mich fertig!»Er hat vollkommen recht.Es hat einen Preis, Swiftie zu sein. Der eine kostet Geld, der andere vor allem Nerven. Ich bin eine erwachsene Frau Mitte dreißig, die gerade mit Herzrasen in der Gegend rumstand, die Welt um sie herum ausgeblendet und einer anderen erwachsenen Frau dabei zugesehen hat, wie diese einfach nur ein Foto von sich auf einem Bildschirm präsentiert hat. Aber weil es nicht nur irgendeine Frau, sondern eben Taylor Mother Swift ist, weiß ich auch, dass sich meine Genervtheit in wenigen Minuten in vollkommene Faszination verwandeln wird. Ich weiß, dass genau in diesem Moment ebenjene unzähligen Swifties in allen möglichen Ländern hinter ihren Computern kleben und nach Hinweisen, Easter Eggs und Erklärungen suchen. Sie werden twittern und reagieren, analysieren und mystifizieren. Warum denn jetzt ein Albatros? Welche Bedeutung hat dieses Tier, dieses Wort? Wen meint sie damit? Nichts ist gerade so sicher wie die Tatsache, dass wir Swifties die Antwort auf diese Fragen zu kennen glauben, noch bevor ich meinen Salted Caramel Latte ausgetrunken habe. Taylor Swift ist die Maschine, die in einer Tour Alben produziert. Dabei sind wir es, die Swifties, die die Maschine am Laufen halten. Millionen Zahnräder, die sofort zu rotieren beginnen, die ineinandergreifen und regelmäßig beinahe durchdrehen, wenn ein noch so kleines Häppchen an Information zur Schaltzentrale durchdringt. Sie lebt von uns und wir von ihr. Wir kennen ihr Gesicht aus jedem Kamerawinkel, wir interpretieren ihre Blicke, Grimassen, Gesten. Wenn uns jemand fragt: «Hast du schon gesehen, dass Taylor …», unterbrechen wir sofort mit «Ja». Das weltweit geknüpfte Netz zwischen uns Swifties ist so stark, dass wir nahezu in Echtzeit wirklich, ganz ehrlich, alles voneinander und Taylor Swift mitbekommen. Wir wissen, dass sie auf der Bühne in Singapur gehustet hat, noch bevor es Stunden später auf den Promi-Seiten im Internet auftaucht. So gerne ich Taylor jeden Tag auf meinem Smartphone sehe: Diese Frau kann keinen Schritt mehr tun, ohne dass ihr die ganze Welt dabei auf den Fersen ist.
Einer, der daraus ein moralisch fragwürdiges Hobby gemacht hat, ist Jack Sweeney. Ein Informatikstudent und Jungunternehmer, der aus seinem Studentenwohnheim heraus die Flugrouten prominenter Privatjets trackt. Seine Faszination für Luftfahrt und Softwareentwicklung hat ihn dazu verleitet, Daten aus der privaten Luftraumüberwachung zu sammeln und sie mithilfe eines eigens programmierten Bots über Social Media zu verbreiten. Er will, «dass frei verfügbare Informationen auch dann frei bleiben, wenn mächtige Menschen etwas dagegen haben».[3] Auf seiner Liste dieser mächtigen Menschen stehen Elon Musk, Kylie Jenner, Joe Biden, Mark Zuckerberg und eben auch Taylor Swift. Die Tatsache, dass eine Frau, auch wenn sie der größte Popstar des Planeten ist, in Echtzeit getrackt wird, ist verstörend und enorm gefährlich. Schon in der Vergangenheit hatte Taylor Swift Probleme mit Stalkern, von denen einer sogar eine Weile unbemerkt in ihrem Apartment schlief.[4] Und mit der Veröffentlichung ihrer Reiserouten gefährdet Sweeney ihre Sicherheit potenziell extrem.
Für eine Flugroute interessierten sich im Februar 2024 plötzlich nicht nur Sweeney und die Swifties, sondern auch die ganze Welt: Tokio – Las Vegas, knapp 13 Stunden Flugzeit. Schafft es Taylor Swift pünktlich zum Super Bowl?, lautete die Frage der Stunde, auch in den deutschen Medien. Der Hintergrund: Sehr zum Ärger einiger NFL-Anhänger (hier muss nicht gegendert werden) besuchte Taylor in den Monaten davor die Football-Matches der Kansas City Chiefs, um ihren Freund Travis Kelce und sein Team anzufeuern. Und wenn Taylor Swift plötzlich in der NFL mitmischt, steht Amerika komplett Kopf. Es wurde sich also vor allem beschwert: über die Screentime von Swift, über ihren Schmuck (Armbänder und Anhänger mit der Kelce-Nummer 87), über ihre Begleiter:innen in der Loge (und deren Schmuck), über die Tatsache, sie würde ihren Freund ablenken.[5] Ah, da ist sie wieder, die alte Leier: Haltet die Frauen mit ihren aufreizenden Lippen und Brüsten fern, wir können uns sonst nicht konzentrieren! Ich glaube, ich muss nicht näher ausführen, warum ich bei der Berichterstattung über Taylor beim Football nicht mehr aus dem Augenrollen herauskam. Dann war er endlich da, der Super Bowl, das mediale Riesenspektakel der USA. Und mit ihm auch eine rechtzeitig gelandete Taylor Swift (und mein heimlicher Wunsch, die Chiefs mögen bitte verlieren, damit Taylor nicht zu sehr im Hasszentrum der Medien und Fans stünde und der ganze Football-Trubel dann bitte endlich vorbei sei). Natürlich hatten die Chiefs gewonnen, und natürlich fluteten am Morgen danach Fotos vom sich küssenden Paar meinen Instagram-Feed. Dass wir Swifties diesem filmreifen Moment zwischen Travis und Taytay auch gleich den passenden Soundtrack aus hauseigenen Swift-Lyrics verpassten, ist selbstredend. Plötzlich ergaben Zeilen wie «She’s Cheer Captain, and I’m on the bleachers!» einen völlig neuen Sinn. Dass die Medien darüber berichten, wie Taylor Swift den Super Bowl beeinflusst, mit ihrem Glückszahl-13-Wahnsinn verhext und gekapert habe, ist eine Entscheidung. Sie beschweren sich über einen Hype, den sie selbst befeuern. Denn wo sonst vor allem Spielzüge, Mannschaftsaufstellungen und millionenschwere Spielerdeals im Mittelpunkt stehen, sieht man nun also auch Taylor, wie sie einen Becher Bier wegext, mit ihren Freund:innen wegen eines Touchdowns ausrastet und beim euphorischen «Viva las Vegas!»-Siegesgegröhle ihres mit Adrenalin aufgepumpten Freundes versucht, ihr Gesicht nicht komplett entgleisen zu lassen. Die Welt ist dem Anblick von Taylor Swift verfallen. Und es gibt sehr viele Menschen, die von der medialen Aufmerksamkeit, die ihr zuteilwird, profitieren. Bilder des Weltstars generieren Klicks, also Geld. Viel Geld. Taylor Swift hat sich vor unseren Augen von der Teenagerin zur scheinbar unbesiegbaren Gladiatorin entwickelt, an deren übergroßer, schimmernder Fassade sofort abprallt, was einen Schaden hinterlassen will. Wir feiern jeden noch so kurzen Moment, in dem sie sich selbst der Öffentlichkeit zeigt, auch wenn es nur knapp zwei Meter Fußweg zwischen Autotür und Tonstudio sind. Wir himmeln sie an, hängen an ihren Lippen und glauben, in jeder Geste eine Offenbarung zu erkennen. Taylor Swift ist dafür bekannt, dass sie nahezu nichts dem Zufall überlässt, wenn es um ihre Arbeit geht. Sie hat die Regeln der Musikbranche für sich neu definiert. Sie hat die Rechte an ihrer Musik zurückerworben, veröffentlicht nun, wann und was so oft oder selten, wie sie will, ohne sich dem Willen von großen Labels beugen zu müssen. Und es ist genau diese Unberechenbarkeit, die bei ihren Fans ein solches Begehren auslöst. Wenn Taylor Swift die Bühne betritt, wissen wir nie genau, was passiert. Ob sie ein neues Album ankündigt, ein Video oder eben nur einen Bonustrack. Es ist die wertvollste Währung in der gegenwärtigen Aufmerksamkeitsökonomie: Wer nicht hinschaut, könnte etwas verpassen. Und wer nicht über Taylor Swift berichtet, wer sie nicht abbildet, verpasst nicht nur die Möglichkeit, Geld zu verdienen, sondern auch – als Swiftie gesprochen – die Chance, einen Anteil von ihrem Strahlen zu ergattern – ein klitzekleines, funkelndes Stück von dieser irrisierenden Discokugel namens Taylor Swift. Die Frage ist nur: Warum warten so viele darauf, dass der seidene Faden reißt, dass sie herunterfällt und zerbricht? Dass der Hype endlich vorbei ist? Warum rechnen wir insgeheim mit einem Scheitern, statt uns zu fragen: Was kommt da als Nächstes?
State the obvious – I didn’t get my perfect fantasy
Taylor Swift – Picture To Burn
Als Taylor Swift im Oktober 2006 ihr Debütalbum veröffentlichte, war ich zum ersten Mal richtig verliebt. Und zwar nicht auf die «Wir üben knutschen hinter dem Tennisplatz»-Art, sondern auf die «Wie sollen unsere Kinder heißen»-Weise. Ich war damals sechzehn, genau wie Taylor. Aber anstatt meine Gefühle in ein Tagebuch zu schreiben und sie danach in Countrysongs zu verpacken, kippte ich sie in subtile MySpace-Beiträge oder affektierte ICQ