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Die Klimakatastrophe, die wir jetzt erleben, hätte verhindert werden können. Vor dreißig Jahren gab es die Chance, den Planeten zu retten – doch sie wurde verspielt. Nathaniel Rich schildert in dieser dramatischen Reportage, wie es zu diesem wahrhaft globalen Versagen kam. Wir folgen einer Gruppe von Wissenschaftlern, Aktivisten und Politikberatern rund um den Umweltlobbyisten Rafe Pomerance und den Nasa-Forscher James Hansen, die Ende der siebziger Jahre erstmals erkennen, dass sich die Erderwärmung desaströs beschleunigt, aber auch, was dagegen zu tun ist – beinahe alles, was wir heute darüber wissen, stammt aus dieser Zeit. Rich schildert ein Jahrzehnt erbitterter Kämpfe um Öffentlichkeit, Anerkennung, politische Maßnahmen – und wie diese 1989, kurz vor dem Durchbruch, tragisch scheitern. Eine historische Reportage, die aktueller nicht sein könnte: Wir bekommen in den kommenden Jahren das zu spüren, was vor drei Jahrzehnten versäumt wurde – so wie unser gegenwärtiges Scheitern das Schicksal des Planeten in naher Zukunft besiegelt. Die Erde in ihrer heutigen Gestalt ist bereits verloren, sie wurde damals verloren – und so erzählt Rich hier die Geschichte eines beispiellosen Menschheitsversagens.
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Seitenzahl: 237
Nathaniel Rich
Losing Earth
Aus dem Englischen von Willi Winkler
Ihr Verlagsname
Die Klimakatastrophe, die wir jetzt erleben, hätte verhindert werden können. Vor dreißig Jahren gab es die Chance, den Planeten zu retten – doch sie wurde verspielt. Nathaniel Rich schildert in dieser dramatischen Reportage, wie es zu diesem wahrhaft globalen Versagen kam. Wir folgen einer Gruppe von Wissenschaftlern, Aktivisten und Politikberatern rund um den Umweltlobbyisten Rafe Pomerance und den Nasa-Forscher James Hansen, die Ende der siebziger Jahre erstmals erkennen, dass sich die Erderwärmung desaströs beschleunigt, aber auch, was dagegen zu tun ist – beinahe alles, was wir heute darüber wissen, stammt aus dieser Zeit. Rich schildert ein Jahrzehnt erbitterter Kämpfe um Öffentlichkeit, Anerkennung, politische Maßnahmen – und wie diese 1989, kurz vor dem Durchbruch, tragisch scheitern.
Eine historische Reportage, die aktueller nicht sein könnte: Wir bekommen in den kommenden Jahren das zu spüren, was vor drei Jahrzehnten versäumt wurde – so wie unser gegenwärtiges Scheitern das Schicksal des Planeten in naher Zukunft besiegelt. Die Erde in ihrer heutigen Gestalt ist bereits verloren, sie wurde damals verloren – und so erzählt Rich hier die Geschichte eines beispiellosen Menschheitsversagens.
Nathaniel Rich, 1980 in eine Literatenfamilie hineingeboren, ist Journalist und Schriftsteller. Er studierte Literaturwissenschaft in Yale und schreibt heute Reportagen, Essays und Kritiken für das «New York Times Magazine», die «New York Review of Books» und den «Atlantic». 2018 erschien sein Roman «King Zeno». Nathaniel Rich lebt in New Orleans.
Für Roman
Die Weisheit schreit draußen;
auf den Plätzen lässt sie ihre Stimme erschallen.
Wo man am lautesten lärmt, ruft sie.
An den Eingängen der Tore, in der Stadt, spricht sie ihre Worte:
Bis wann, ihr Einfältigen, wollt ihr Einfalt lieben
und haben Spötter ihre Lust an Spott
und hassen die Toren die Erkenntnis?
Siehe, wendet ihr euch meiner Mahnung zu,
so will ich meinen Geist euch sprudeln lassen,
will euch kundtun meine Worte. –
Weil ich rief und ihr euch weigertet,
weil ich meine Hand ausstreckte und niemand aufmerkte
und ihr fahren ließet all meinen Rat
und meine Mahnung nicht wolltet,
so will auch ich bei euerm Unglück lachen,
will spotten, wenn der Schrecken über euch kommt,
wenn wie ein Unwetter der Schrecken euch naht,
euer Unglück hereinbricht wie ein Sturm,
wenn Bedrängnis und Angst über euch kommen.
Dann rufen sie mich, doch ich antworte nicht,
dann suchen sie mich, doch sie finden mich nicht.
Weil sie Wissen und Erkenntnis gehasst haben.
Buch der Sprüche 1, 20–29
Fast alles, was wir über die Erderwärmung wissen, war bereits 1979 bekannt. Es war damals womöglich sogar besser bekannt. Heute wissen neun von zehn Amerikanern nicht, dass sich die Experten (und zwar in ihrer überwiegenden Mehrheit) einig sind, dass die Menschen durch das bedenkenlose Verbrennen fossiler Energieträger das globale Klima verändert haben. Doch bereits 1979 waren die wichtigsten Punkte unumstritten, und das Interesse wandte sich von den grundsätzlichen Erkenntnissen ab und einem genaueren Studium der angekündigten Folgen zu. Anders als die Stringtheorie oder die Gentechnik war der «Treibhauseffekt» – die Metapher stammt aus dem frühen 20. Jahrhundert – längst historisch, ein Phänomen, das in jedem Biologielehrbuch beschrieben war. Die zugrunde liegende Wissenschaft war nicht besonders kompliziert. Sie ließ sich auf ein schlichtes Axiom zurückführen: Je mehr CO2 sich in der Atmosphäre befindet, desto wärmer wird der Planet. Und mit dem Verbrennen von Kohle, Öl und Gas stießen die Menschen jedes Jahr immer obszönere Mengen von Kohlendioxid in die Atmosphäre.
Seit der Industriellen Revolution hat sich die Erde um mehr als ein Grad Celsius erwärmt. Das Pariser Klimaschutzabkommen – dieser nicht bindende, nicht strafbewehrte und schon jetzt nicht beachtete Vertrag, der 2016 am Earth Day (Tag der Erde) unterzeichnet wurde – sah vor, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Einer neueren Studie zufolge stehen die Chancen dafür eins zu zwanzig. Wenn wir es durch ein Wunder doch schaffen sollten, müssten wir uns nur mehr mit der Vernichtung der tropischen Korallenbänke und dem Ansteigen des Meeresspiegels um mehrere Meter beschäftigen und den Persischen Golf aufgeben. Der Klimaforscher James Hansen hat die Erwärmung um zwei Grad als «Anleitung für eine lang dauernde Katastrophe» bezeichnet. Eine lang dauernde Katastrophe ist das, was im günstigsten Fall auf uns zukommt. Eine Erwärmung um drei Grad ist die Anleitung für eine sehr kurzweilige Katastrophe: In der Arktis entstehen Wälder, die meisten Küstenstädte werden aufgegeben, der Hunger führt zu Massensterben. Robert Watson, ein ehemaliger Vorsitzender des Weltklimarats (IPCC), vertritt die Auffassung, dass eine Erwärmung um drei Grad das realistische Minimum darstellt. Vier Grad: In Europa herrscht permanente Dürre, große Teile von China, Indien und Bangladesch verwandeln sich in Wüsten, Polynesien ertrinkt im Meer, der Colorado River verkümmert zu einem Rinnsal. Die Aussicht auf eine Erwärmung um fünf Grad bringt manche der bekanntesten Klimaforscher, die sonst kaum zur Übertreibung neigen, sogar so weit, dass sie vor dem Ende der menschlichen Zivilisation warnen. Die Erderwärmung wäre dann gar nicht die eigentliche Ursache – wir werden nicht plötzlich zu brennen anfangen und zu Asche zerfallen –, sondern die Sekundärfolge. Das Rote Kreuz schätzt, dass schon heute mehr Menschen wegen Umweltkrisen auf der Flucht sind als wegen gewalttätiger Auseinandersetzungen. Hunger, Dürre, die Überflutung der Küsten und die erdrückende Ausbreitung der Wüsten werden Hunderte von Millionen zwingen, ihr Heil in der Flucht zu suchen. Die massenhafte Migration wird manchen prekären regionalen Waffenstillstand gefährden und den Kampf um die natürlichen Ressourcen beschleunigen sowie Terroranschläge und Kriegserklärungen fördern. Ab einem gewissen Punkt werden die beiden Großmächte, die unsere Zivilisation bedrohen, die Erderwärmung und die Atomwaffen, ihre Ketten abwerfen und zusammen gegen ihre Schöpfer rebellieren.
Eine Erwärmung um fünf oder sechs Grad kommt uns nur deshalb abseitig vor, weil wir überzeugt davon sind, dass wir rechtzeitig reagieren könnten. Schließlich bleiben uns noch Jahrzehnte, um den CO2-Ausstoß zu eliminieren, ehe wir bei den sechs Grad angekommen sind. Wir hatten allerdings bereits mehrere Jahrzehnte – Jahrzehnte, die zunehmend durch die klimabedingte Katastrophe gezeichnet waren – und haben in dieser Zeit fast alles unternommen, um das Problem sogar noch zu verschärfen. Inzwischen wirkt die Vorstellung, dass sich die Menschheit, wenn sie es mit einer existenziellen Bedrohung zu tun hat, tatsächlich von der Vernunft leiten ließe, überhaupt nicht mehr vernünftig.
Um unser gegenwärtiges und künftiges Dilemma zu verstehen, müssen wir zuerst verstehen, warum wir dieses Problem nicht gelöst haben, solange wir die Gelegenheit dazu hatten. Denn in dem Jahrzehnt zwischen 1979 und 1989 bot sich reichlich Gelegenheit. Die Großmächte waren nur noch wenige Unterschriften von einem bindenden Rahmenvertrag entfernt, mit dem CO2-Emissionen verringert werden sollten – so nah wie seitdem nie mehr. In diesem Jahrzehnt gab es all die Hindernisse, die wir für unsere gegenwärtige Untätigkeit verantwortlich machen, noch gar nicht. Die Erfolgsaussichten waren so günstig, dass sie heute märchenhaft wirken, wo so viele langjährige Mitglieder der Klimaklasse – die Wissenschaftler, Diplomaten und Aktivisten, die jahrzehntelang gegen Ignoranz, Trägheit und die Bestechungen der Großindustrie gekämpft haben – an der Möglichkeit verzweifeln, dass sich wenigstens eine Verlangsamung erreichen ließe. Ken Caldeira, der führende Klimaforscher an der Carnegie Institution for Science im kalifornischen Stanford, hat es vor kurzem so ausgedrückt: «Wir sind inzwischen so weit, dass wir uns nicht mehr mit der Vorhersage dessen zu beschäftigen haben, was passieren wird, sondern erklären müssen, was bereits passiert ist.»
Was aber ist passiert? Die übliche Erklärung handelt von den Verheerungen durch die fossile Energieindustrie, die in den vergangenen Jahrzehnten bereitwillig die Rolle des großmäuligen Bilderbuch-Schurken gespielt hat. Zwischen 2000 und 2016 wandte die Industrie mehr als zwei Milliarden auf (oder zehnmal so viel, wie von Umweltorganisationen ausgegeben wurde), um gegen restriktive Klimagesetze vorzugehen. Eine umfangreiche Unterabteilung der Klimaliteratur hat die Intrigen der Industrielobbyisten, die Korruptheit willfähriger Wissenschaftler und die Einflusskampagnen dokumentiert, die bis heute die politische Debatte verderben, obwohl die törichte Farce des Abstreitens längst aufgegeben wurde. All das hat die Aussichten auf eine aggressive amerikanische Klimapolitik ungefähr so wahrscheinlich gemacht wie die Abschaffung des Second Amendment, dem Recht aller Bürger, Waffen zu tragen. Dabei hat der Angriff der Industrie mit aller Kraft erst Ende der achtziger Jahre begonnen. Im Jahrzehnt davor haben einige der größten Öl- und Gasfirmen, darunter Exxon und Shell, ernsthafte Anstrengungen unternommen, um das Ausmaß der Krise zu verstehen und Lösungsmöglichkeiten zu finden.
Heute verzweifeln wir an der Politisierung der Klimafrage, was aber nur eine höfliche Umschreibung für die Sturheit ist, mit der die Republikaner den Klimawandel leugnen. 2018 wussten nur zweiundvierzig Prozent der eingetragenen Republikaner, dass «die meisten Wissenschaftler von der Erderwärmung überzeugt sind», und dieser Prozentsatz sinkt beständig. Skepsis gegenüber dem wissenschaftlichen Konsens bei gleichzeitigem Zweifel an der Seriosität der experimentellen Methoden und daran, dass es um die Suche nach Wahrheit geht, hat sich zu einem Glaubensbekenntnis der Partei entwickelt. Dabei waren sich in den achtziger Jahren viele prominente republikanische Abgeordnete, Kabinettsmitglieder und Parteistrategen mit den Demokraten darüber einig, dass das Klimaproblem ein ungewöhnlicher politischer Sonderfall war: überparteilich anerkannt und von höchster Dringlichkeit. Zu jenen, die auf eine sofortige, weitreichende Klimapolitik drängten, gehörten damals: die Senatoren John Chafee, Robert Stafford und David Durenberger; William K. Reilly, Chef der amerikanischen Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency); sowie während seines Präsidentschaftswahlkampfs George H.W. Bush. 1981 erklärte Malcolm Forbes Baldwin, der kommissarische Leiter von Ronald Reagans Council on Environmental Quality, vor Industriemanagern: «Es gibt für Konservative kein wichtigeres Anliegen als den Schutz der Erde.» Das Thema war ebenso wenig umstritten wie die Unterstützung für das Militär und die Redefreiheit. Nur dass die Atmosphäre sogar eine noch größere Wählerschaft umfasst, denn es gehören alle Erdenbewohner dazu.
Man war sich weithin einig, dass dringender Handlungsbedarf bestand. Anfang der Achtziger prophezeiten Wissenschaftler der Bundesbehörden, dass sich die Erwärmung bereits am Ende des Jahrzehnts, wenn es zu spät sein würde, um die Katastrophe abzuwenden, in der globalen Temperaturentwicklung würde zweifelsfrei nachweisen lassen. Damals waren die Vereinigten Staaten der weltgrößte Produzent von Treibhausgasen, während dreißig Prozent der Weltbevölkerung noch nicht einmal über Strom verfügten. Diese Milliarden brauchten den «American way of life» gar nicht zu erreichen, um den CO2-Ausstoß katastrophal ansteigen zu lassen; dafür genügte bereits eine Glühbirne in jedem zweiten Dorf. In einem Gutachten, das die National Academy of Sciences 1980 im Auftrag des Weißen Hauses vorlegte, wurde der Vorschlag gemacht, dass «das Thema Kohlendioxid im Sinne größtmöglicher Zusammenarbeit und im Bemühen um Einigung bei Vermeidung von politischer Manipulation, Kontroverse und Spaltung auf die internationale Tagesordnung gesetzt werden» solle. Wenn die Vereinigten Staaten der Empfehlung gefolgt wären, die Ende der Achtziger breite Zustimmung fand – die CO2-Emissionen einzufrieren und bis 2005 um zwanzig Prozent zurückzufahren –, hätte sich die Erwärmung auf anderthalb Grad begrenzen lassen.
Auch auf internationaler Ebene war man sich weitgehend einig, wie sich das erreichen ließe: durch einen verbindlichen globalen Vertrag. Die Idee begann bereits im Februar 1979 Gestalt anzunehmen, als sich auf der Weltklimakonferenz in Genf Wissenschaftler aus fünfzig Ländern einmütig darüber verständigten, dass es «dringend erforderlich» sei zu handeln. Beim G-7-Treffen vier Monate später in Tokio unterzeichneten die Staatschefs der reichsten Nationen eine Erklärung mit der Absicht, den Ausstoß von Kohlenstoff zu reduzieren. Zehn Jahre später wurde in den Niederlanden ein Diplomatentreffen einberufen, um die Rahmenbedingungen für einen Vertrag zu verhandeln. Delegierte aus mehr als sechzig Ländern nahmen daran teil. Wissenschaftler und Staatschefs kamen überein, dass gehandelt werden musste und den Vereinigten Staaten dabei die Führungsrolle zukam. Die USA übernahmen diese Rolle aber nicht.
Das erste Kapitel in der unendlichen Geschichte vom Klimawandel ist damit vorbei. In diesem Kapitel – man könnte es «Besorgnis» überschreiben – haben wir die Bedrohung und das, was daraus folgt, formuliert. Wir haben über die Maßnahmen gesprochen, die erforderlich sind, um den Planeten als Heimat für die Menschen zu erhalten: ein Übergang vom Verbrennen fossiler Energieträger zu erneuerbarer und nuklearer Energie, eine vernünftigere Landwirtschaft, Wiederaufforstung, Steuern auf Kohlenstoff. Mit wachsender Dringlichkeit und zunehmender Selbsttäuschung sprachen wir von der Möglichkeit, am Ende doch über die trüben Aussichten zu triumphieren.
Nie jedoch haben wir ernsthaft die Möglichkeit des Scheiterns ins Auge gefasst. Wir haben begriffen, was ein Scheitern für Küstenregionen, die landwirtschaftlichen Erträge, die Temperaturen, Wanderbewegungen und die Weltwirtschaft bedeuten würde, doch haben wir uns nicht klargemacht, was ein Scheitern für uns bedeuten könnte. Wie wird es unser Bild von uns selbst verändern, wie die Erinnerung an die Vergangenheit, wie unsere Vorstellung von der Zukunft? Wie sehr hat unser vielfältiges Scheitern uns bereits verändert? Warum haben wir uns das angetan? Das sind Fragen, die im zweiten Kapitel des Klimawandels behandelt werden. Man kann es «Abrechnung» nennen.
Dass wir als Zivilisation so knapp davor waren, den Selbstmordpakt zu brechen, den wir mit fossilen Brennstoffen eingegangen sind, ist der Arbeit einer Handvoll Menschen zu verdanken – Forscher aus mehr als einem Dutzend Disziplinen, Amtsträger, Kongressabgeordnete, Ökonomen, Philosophen und anonyme Bürokraten. Angeführt wurden sie von einem hyperkinetischen Lobbyisten und einem arglosen Atmosphärenphysiker, die sich unter großen persönlichen Opfern bemühten, die Menschheit vor dem, was ihr droht, zu warnen. Ohne Angst um ihre Karriere versuchten sie in einer schmerzhaften und immer weiter ausgreifenden Kampagne das Problem erst in wissenschaftlichen Abhandlungen, später in der traditionellen Form politischer Überzeugungsarbeit und schließlich mit einer Strategie der öffentlichen Anklage zu lösen. Diese Versuche waren geschickt, leidenschaftlich und hartnäckig, und sie scheiterten. Im Folgenden wird ihre Geschichte erzählt, die auch die unsre ist.
Wir schmeicheln uns gern mit der Annahme, dass wir, hätten wir die Möglichkeit, noch einmal anzufangen, anders handeln würden – oder überhaupt erst handeln würden. Man sollte doch glauben, dass vernünftige Menschen, die in gutem Glauben verhandeln, nach gründlicher Bewertung der wissenschaftlichen Erkenntnisse und einer aufrichtigen Abschätzung der sozialen, ökonomischen, ökologischen und moralischen Weiterungen des planetarischen Erstickungstodes sich auf einen gemeinsamen Weg verständigen könnten. Mit anderen Worten, man sollte doch denken, dass wir, wenn wir reinen Tisch machen würden, uns durch einen Zaubertrick des politischen Gifts und des Agitprops der Konzerne entledigen könnten, in der Lage sein müssten, dieses Problem zu lösen.
Im Frühling des Jahres 1979 hatten wir tatsächlich so etwas wie einen reinen Tisch. Präsident Jimmy Carter, der auf dem Dach des Weißen Hauses Solarzellen hatte installieren lassen und über einen Beliebtheitsgrad von sechsundvierzig Prozent verfügte, überwachte die Unterzeichnung des Friedensvertrags zwischen Israel und Ägypten. «Wir haben endlich den ersten Schritt zum Frieden getan», verkündete er, «den ersten Schritt auf einem langen, mühsamen Weg.» Der erfolgreichste Film in den USA war «Das China-Syndrom», die Bee Gees hatten eine Nummer eins mit «Tragedy», Barbara Tuchmans «Der ferne Spiegel», die Geschichte der Schicksalsschläge, die das mittelalterliche Europa nach einem gewaltigen Klimawandel erlitt, stand das ganze Jahr über weit oben auf der Bestseller-Liste. Vor der Golfküste von Mexiko explodierte eine Ölquelle, das Öl sprudelte neun Monate lang und verunreinigte die Küsten bis hinauf zum texanischen Galveston. Im Atomkraftwerk Three Mile Island im Stadtgebiet von Londonderry in Pennsylvania versagte ein Wasserfilter. Und in Washington, D.C., im Hauptquartier der «Friends of the Earth», kämpfte sich ein dreißig Jahre alter Aktivist, der sich als «Umweltlobbyist» bezeichnete, durch einen trockenen amtlichen Bericht, mit dem sich sein Leben ändern sollte.
1979–1982
Das irre Mädchen mit den stieren Augen und langen knochigen Fingern
In die Steine der Mauer gekrallt,
Das Haar sturmverfilzt und gellend der Mund: Ist es wichtig, Kassandra,
Ob die Menschen
Deinem bitteren Quell glauben? Wahrlich, sie hassen die Wahrheit, lieber
Würden sie auf der Straße einem Tiger begegnen.
Robinson Jeffers, Kassandra (1948)
Frühjahr 1979
Den ersten Hinweis darauf, dass die Menschheit ihre eigenen Lebensbedingungen zerstören könnte, entdeckte Rafe Pomerance auf Seite 66 der regierungsamtlichen Veröffentlichung mit der Bezeichnung EPA-600/7-78-019. Es war ein technischer Bericht über Kohle mit einem kohlschwarzen Einband und der Schrift in Beige – einer von vielen ähnlichen Berichten, die in unterschiedlich großen Haufen in Pomerances fensterlosem Büro im Erdgeschoss eines Hauses in Capitol Hill lagen, das den Friends of the Earth als Washingtoner Hauptquartier diente. Im letzten Absatz eines Kapitels über Umweltschutzmaßnahmen hielten die Autoren des Kohleberichts fest, dass die unverminderte weitere Nutzung fossiler Brennstoffe innerhalb von zwei oder drei Jahrzehnten zu «erkennbaren und schädlichen» Veränderungen der Erdatmosphäre führen würde.
Der bestürzte Pomerance blieb an diesem isolierten Abschnitt hängen. Er schien aus dem Nichts zu kommen. Er las ihn noch einmal. Das ergab keinen Sinn. Pomerance war kein Naturwissenschaftler; elf Jahre zuvor hatte er die Universität Cornell mit einem Abschluss in Geschichte verlassen. Er war das Inbild eines Bücherwurms, ein unterernährter Doktorand, der im Morgengrauen mit Hornbrille und einem buschigen Schnurrbart, der in den Mundwinkeln voller Missbilligung herabhängt, zwischen den Regalen auftaucht. Sein charakteristisches Merkmal war seine unnötige Länge, fast zwei Meter, die ihm peinlich zu sein schien; er bückte sich, um es seinen Gesprächspartnern leichter zu machen. Sein lebhaftes Gesicht konnte jederzeit in ein breites, fast manisches Grinsen ausufern, doch in seiner ganzen Haltung, auch als er den Kohlebericht las, drückte er Sorge aus. Mit technischen Berichten hatte er seine Not. Er ging vor wie ein Historiker: überstürzte nichts, untersuchte das Quellenmaterial, las zwischen den Zeilen. Als ihn das nicht weiterbrachte, rief er mehrere Leute an, mehrmals die Autoren, die ihrerseits überrascht waren, dass er sich meldete. Naturwissenschaftler sind nicht darauf eingestellt, die Fragen von politischen Lobbyisten zu parieren. Politik fand für sie außerhalb ihres Gesichtsfelds statt.
Pomerance beschäftigte eine große Frage: Wenn das Verbrennen von Kohle, Öl und Naturgas zu einer globalen Katastrophe führte, warum hatte ihm das dann keiner gesagt? Wenn in Washington, wenn in den Vereinigten Staaten überhaupt jemand auf diese Gefahr aufmerksam geworden wäre, dann doch Pomerance. Als stellvertretender Geschäftsführer der Friends of the Earth, dieser gewieften, kämpferischen gemeinnützigen Institution, die zehn Jahre zuvor mit Hilfe von David Brower nach dessen Abgang vom Sierra Club gegründet wurde, war Pomerance einer der am weitesten vernetzten Umweltaktivisten, er verfügte über beste Kontakte zu allen Bereichen der Legislative und der Exekutive. Dass er in den Fluren des Dirksen Senate Office Building ebenso willkommen war wie bei den Veranstaltungen zum Earth Day, hatte sicher nicht zufällig damit zu tun, dass er ein Morgenthau war – der Urenkel von Henry Morgenthau, Sr., den Woodrow Wilson als Botschafter in die Türkei geschickt hatte, und der Großneffe von Henry Morgenthau, Jr., dem Finanzminister Franklin D. Roosevelts; schließlich ein Cousin zweiten Grades von Robert Morgenthau, dem Bezirksstaatsanwalt von Manhattan. Vielleicht war es aber auch einfach sein Charisma: Pomerance konnte bescheiden und doch ungestüm sein, redegewandt und besessen, mit seinem angeborenen Talent, mitreißend zu monologisieren, schien er überall zu sein und sehr laut mit allen gleichzeitig zu sprechen. Nichts beschäftigte ihn mehr als das Thema Luft. Nach einer Zeit, in der er sich für Sozialreformen eingesetzt hatte, verbrachte er die zweite Hälfte seiner zwanziger Jahre mit dem Schutz und der Erweiterung des Clean Air Act, des großangelegten Gesetzes, mit dem die Luftverschmutzung reguliert werden sollte, wobei er persönlich einige Ergänzungen formulierte. So stieß er auf das Problem mit dem sauren Regen und den Kohlebericht.
Er zeigte den verstörenden Absatz Betsy Agle, die mit ihm in seinem Büro arbeitete. Hatte sie je etwas vom «Treibhauseffekt» gehört? War es tatsächlich denkbar, dass die Menschen den Planeten aufheizten?
Agle zuckte mit den Schultern, auch sie hatte noch nie davon gehört.
Damit hätte es sein Bewenden haben können, wenn Agle Pomerance nicht ein paar Tage später mit einer Zeitung begrüßt hätte, die ihnen aus dem Büro der Friends of the Earth in Denver geschickt worden war.
«Hast du nicht erst vor kurzem genau davon gesprochen?», fragte sie und deutete auf einen Artikel.
Der Artikel handelte von einem Geophysiker namens Gordon MacDonald. Pomerance hatte bis dahin noch nie von MacDonald gehört, aber er kannte die Jasons, jene geheimnisvolle, elitäre Gruppe von Wissenschaftlern, zu der auch MacDonald zählte. Die Jasons waren so etwas wie diese Teams von mit Extrakräften begabten Superhelden, die sich zusammenfinden, wenn es zu einer Krise in der Galaxis kommt. Sie waren vom US-Geheimdienstkomplex rekrutiert worden, um neue wissenschaftliche Methoden für die verzwicktesten Probleme der nationalen Sicherheit zu entwickeln: Wie erkennt man einen feindlichen Marschflugkörper? Wie lässt sich der Fallout einer Atombombe vorhersagen? Wie entwickelt man unkonventionelle Waffen wie hochkonzentrierte Laserstrahlen, einen Überschallknall oder mit Pestbazillen infizierte Ratten? Unter den Jasons gab es Wissenschaftler mit Staatsaufträgen oder alten Verbindungen zum Geheimdienst, andere hatten es auf einen angesehenen Lehrstuhl an einer der großen Forschungsuniversitäten geschafft. Sie alle einte die Überzeugung, die sie mit ihren Auftraggebern in der Regierung verband, dass die amerikanische Staatsmacht der Führung durch die Klugheit ihrer besten Forscher bedurfte. Die Jasons trafen sich jeden Sommer heimlich, und schon dass es sie überhaupt gab, war ein nachlässig gewahrtes Geheimnis gewesen. Erst die Veröffentlichung der Pentagon-Papiere machte ihren Plan bekannt, den Ho-Chi-Minh-Pfad mit Bewegungsmeldern auszurüsten, die Bomber anfunken sollten. Nachdem Vietnamkriegsgegner seine Garage angezündet hatten, plädierte MacDonald bei den Jasons dafür, dass sie ihre Fähigkeiten für den Frieden einsetzten und nicht mehr für den Krieg.
MacDonald hatte die Hoffnung, die Jasons könnten ihre Kräfte vereinen, um die Welt zu retten. Seiner Ansicht nach drohte der menschlichen Zivilisation eine existenzielle Krise. In seinem Aufsatz «Wie man die Umwelt ruiniert» aus dem Jahr 1968, als er zu den wissenschaftlichen Beratern Lyndon Johnsons gehört hatte, prophezeite MacDonald eine nahe Zukunft, in der «Nuklearwaffen praktisch verboten und die Massenvernichtungswaffen die der Umweltkatastrophe» sein würden. Bald, so seine Warnung, würden die avanciertesten Militärs in der Lage sein, das Wetter zur Waffe umzufunktionieren. Wenn sie den industriellen CO2-Ausstoß beschleunigten, könnten sie in das Wettergeschehen eingreifen und damit Massenflucht, Hunger, Dürre und den Zusammenbruch der Wirtschaft verursachen.
Im darauffolgenden Jahrzehnt beobachtete MacDonald mit wachsender Sorge, wie die Menschheit nicht aus bösem Willen, sondern unbeabsichtigt ihr Streben nach dieser besonderen Massenvernichtungswaffe weiter vorantrieb. Die Initiative Präsident Jimmy Carters, kohlenstoffreichen synthetischen Treibstoff zu entwickeln – Gas und Flüssigtreibstoff aus Schiefer- und Teersand –, war ein erschreckender Missgriff. Es war nichts anderes, als wollte man eine neue Generation thermonuklearer Bomben entwickeln. Zwischen dem Frühjahr 1977 und dem Sommer 1978 trafen sich die Jasons im National Center for Atmospheric Research in Boulder, um sich darüber klarzuwerden, was geschehen würde, wenn die CO2-Konzentration in der Atmosphäre doppelt so hoch wäre wie vor der Industriellen Revolution. Diese Verdoppelung war ein willkürlicher, aber gewichtiger Meilenstein, mit dem der Punkt bezeichnet wurde, an dem die Menschheit genauso viel CO2 in die Atmosphäre blasen würde wie in den 4,6 Milliarden Jahren davor. Dass sich die CO2-Konzentration verdoppeln würde, war gar keine Frage, das hätte jeder Oberschüler ausrechnen können. Abhängig vom künftigen Verbrauch an fossilen Brennstoffen würde die Grenze vermutlich 2035 und nicht später als 2060 erreicht sein.
Der Bericht, den die Jasons für das Energieministerium verfassten, «Die langfristigen Umweltfolgen von CO2 für die Atmosphäre», war in einem so nüchternen Ton formuliert, dass seine albtraumhaften Befunde nur noch schärfer zutage traten: Weltweit würden die Temperaturen um durchschnittlich zwei bis drei Grad ansteigen, Bedingungen wie in der dust bowl der dreißiger Jahre würden «weiten Teilen Nordamerikas, Asiens und Afrikas drohen», Ernteerträge würden dramatisch zurückgehen, der Zugang zu Wasser so erschwert, dass es zu massenhaften Migrationsbewegungen komme. Das «vermutlich verhängnisvollste Phänomen» aber zeige sich in der Auswirkung auf die Polkappen. Bereits eine geringfügige Erwärmung könne «zu einem raschen Schmelzen» der Eisdecke in der Westantarktis führen, die genug Wasser enthält, um den Spiegel der Weltmeere um mehr als fünf Meter steigen zu lassen.
Die Jasons schickten ihre Studie an Dutzende von Wissenschaftlern in den USA und im Ausland, an Industrieverbände wie die National Coal Association und das Electric Power Research Institute sowie im Bereich der Exekutive an die National Academy of Sciences, das Handelsministerium, die Umweltbehörde, die National Aeronautics and Space Administration (NASA), die National Security Agency (NSA), das Pentagon, an alle Teilstreitkräfte des Militärs, das National Security Council und das Weiße Haus.
Als Pomerance all das las, erlitt er einen Schock, der jedoch, wie bei ihm nicht ungewöhnlich, sofort in Empörung umschlug: «Das ist ein Riesending», sagte er zu Betsy Agle.
Er musste sich unbedingt mit Gordon MacDonald treffen. In dem Artikel hieß es, der Forscher arbeite bei der Mitre Corporation, einer mit Bundesmitteln finanzierten Denkfabrik, deren Angehörige sich mit Landesverteidigung und der Technologie für den Nuklearkrieg beschäftigten. Er führte die Bezeichnung Leitender Forschungsanalytiker, was mit anderen Worten bedeutete, dass er als wissenschaftlicher Berater für den Geheimdienst fungierte. Nach einem Anruf setzte sich Pomerance, der gegen den Vietnamkrieg demonstriert und den Wehrdienst aus Gewissensgründen verweigert hatte, in sein Auto und fuhr mehrere Meilen auf dem Autobahnring in Washington bis zu einer Ansammlung anonymer weißer Bürogebäude, die eher der regionalen Zentrale einer Sparkasse glichen als dem Solarplexus des amerikanischen militärisch-industriellen Komplexes. Er wurde an das Büro eines muskulösen, leise sprechenden Mannes mit einer großen, eckigen Hornbrille verwiesen, der eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Football-Verteidiger Alex Karras zeigte, ein Geophysiker im Körper eines Offensivspielers. Die Hand, die der Mann ausstreckte, war bärenhaft.
«Ich freue mich, dass Sie an diesem Thema interessiert sind», sagte MacDonald zu dem jungen Aktivisten.
«Aber das muss ich doch sein», erwiderte Pomerance. «Das geht doch jeden an.»
Als Prophet des Weltuntergangs wirkte MacDonald fehlbesetzt, dafür war er in seiner ganzen Erscheinung zu eindrucksvoll und zu anständig. Mit neun Jahren war er an Kinderlähmung erkrankt. Ihr verdankte er ein chronisches Hinken und eine leidenschaftliche wissenschaftliche Neugier, die in den Monaten erwachte, die er zur Rehabilitation in einem Krankenhaus in Dallas verbrachte, wo er sich in medizinischen Fachzeitschriften über seine Krankheit informierte. Trotz seiner Behinderung begann er als Guard bei den San Marcos Academy Bears und bekam von der Rice University ein Football-Stipendium angeboten. Harvard bot ihm sogar ein uneingeschränktes Stipendium. Kaum auf dem Campus angekommen, galt er schon als Wunderkind. Mit noch nicht dreißig Jahren beriet er Dwight D. Eisenhower in Fragen der Weltraumerforschung, mit zweiunddreißig wurde er in die National Academy of Sciences berufen, mit vierzig wurde er in das erste Council on Environmental Quality aufgenommen, das Richard Nixon über die Umweltschäden unterrichtete, die durch Kohlenutzung drohten. Inzwischen näherte er sich seinem fünfzigsten Geburtstag und konnte Pomerance erzählen, dass er sich das erste Mal mit CO2 befasst hatte, als er in Pomerances Alter war – 1961, als Berater John F. Kennedys. Das Thema hatte ihn seitdem nicht mehr losgelassen, gleichzeitig war seine Sorge gewachsen.
MacDonald redete zwei Stunden lang. Er referierte die ganze Geschichte, wie das Problem erkannt wurde, und erläuterte dabei die zugrunde liegende Wissenschaft, während Pomerance mit zunehmendem Schrecken zuhörte.
«Wenn ich Ihnen Termine bei einigen Leuten im Kongress besorge», fragte Pomerance, «können Sie das denen dann auch erzählen?»
Und so begann die CO2-Tournee von Gordon und Rafe. Pomerance organisierte informelle Treffen mit allen einflussreichen Leuten auf dem Capitol Hill, die ihm einfielen. Bald pegelte sich ein Wechselspiel ein, bei dem MacDonald mit methodischer Gründlichkeit die wissenschaftliche Seite erklärte und Pomerance an geeigneter Stelle die Ausrufezeichen anbrachte. Zu ihrer Überraschung mussten sie feststellen, dass zwar in den meisten Büros ein Exemplar des Jasons-Berichts lag, aber von den höheren Beamten nur die wenigsten dessen Ergebnisse wahrgenommen, geschweige denn die dystopischen Folgen der Erderwärmung begriffen hatten. Nachdem sie mit der EPA, der «New York Times», dem Energieministerium (in dem, wie Pomerance erfuhr, auf MacDonalds Drängen bereits zwei Jahre zuvor eine Abteilung für die Auswirkungen von CO2 eingerichtet worden war), dem National Security Council (Jessica Mathews, eine leitende Angestellte, war eine entfernte Cousine von Pomerance) und dem Council on Environmental Quality des Weißen Hauses gesprochen hatten, waren sie bei Frank Press angelangt, dem obersten wissenschaftlichen Berater des Präsidenten.
Bevor sie die Räumlichkeiten von Press im Old Executive Office Building betraten, dieser Granitfestung auf dem Gelände des Weißen Hauses, wo es sich neben den West Wing drängte, war Pomerance gar nicht klar gewesen, in welchem Ansehen MacDonald selbst auf den höchsten Regierungsebenen stand. MacDonald und Press kannten sich seit den Jahren der Kennedy-Regierung, als Press eine Methode entwickelt hatte, wie mit Geigerzählern das unterirdische Atomtestprogramm der Sowjetunion ausfindig zu machen war. Press wusste beim Thema CO2 genau Bescheid. Im Juli 1977, sechs Monate nach dem Amtsantritt von Carter, hatte er ein Memorandum an den Präsidenten gerichtet und ihm dargelegt, dass der ungebremste Verbrauch fossiler Brennstoffe eine «globale Klimaerwärmung» um fünf Grad Celsius und «erhebliche Ernteausfälle» zur Folge haben könnte. «Wie Sie wissen», so schrieb er an Carter, «ist das kein ganz neues Problem.» Doch Press war zu dem Schluss gekommen, dass der «gegenwärtige Wissensstand» keineswegs rasches Handeln notwendig mache. Seit damals war Press für das von Carter initiierte Programm synthetischer Brennstoffe verantwortlich.