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Lotos-Sutra E-Book

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Beschreibung

Die Predigten Buddhas im Lotos-Sutra gehören zu den bekanntesten und populärsten Schriften im ostasiatischen Raum und bringen den Leserinnen und Lesern die buddhistische Idee näher, dass jeder Mensch sein Schicksal und Leben selbstbestimmt führen und gestalten kann. Durch Margareta von Borsigs exakte und gut lesbare Übertragung taucht man in die faszinierende Welt des Lotos-Sutras ein und kann die Weisheit und Menschenliebe Buddhas näher ergründen. Nun liegt die vollständige Übersetzung in hochwertiger und veredelter Ausgabe vor.

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Lotos-Sūtra

Das große Erleuchtungsbuch des Buddhismus Vollständige Übersetzung

Nach dem chinesischen Text von Kumārajīva ins Deutsche übersetzt und eingeleitet von Margareta von Borsig

Mit einem Geleitwort von Heinrich Dumoulin S.J.

Dieser Mann [Buddha] bildet ein großes Geheimnis.

Er steht in einer erschreckenden, fast übermenschlichen Freiheit, zugleich hat er dabei eine Güte, mächtig wie eine Weltkraft.

(Romano Guardini: »Der Herr«, Würzburg 1951)

Inhalt

Heinrich DumoulinGeleitwort

Margareta von BorsigEinleitung zum Lotos-Sūtra

Sūtra von der Lotosblume des wunderbaren Gesetzes

Erstes Buch

Kapitel I Einleitung

Kapitel II Geschicklichkeit

Zweites Buch

Kapitel III Ein Gleichnis

Kapitel IV Erkenntnis durch den Glauben

Drittes Buch

Kapitel V Das Gleichnis von den Kräutern

Kapitel VI Prophezeiung

Kapitel VII Das Gleichnis der Zauberstadt

Viertes Buch

Kapitel VIII Prophezeiung für die fünfhundert Schüler

Kapitel IX Prophezeiung für die lernenden und nicht mehr lernenden Menschen

Kapitel X Der Gesetzesmeister

Kapitel XI Die Erscheinung des Juwelen-Stūpa

Kapitel XII Devadatta

Kapitel XIII Ermutigung, (das Lotos-Sūtra) festzuhalten

Fünftes Buch

Kapitel XIV Wandel in friedvoller Festigkeit und Freude

Kapitel XV Hervorquellen (von Scharen von Bodhisattvas) aus der Erde

Kapitel XVI Des Tathāgata Lebensdauer

Kapitel XVII Die Unterscheidung der Verdienste

Sechstes Buch

Kapitel XVIII Die Verdienste der freudigen Annahme

Kapitel XIX Die Verdienste des Gesetzesmeisters

Kapitel XX Der Bodhisattva Sadāparibhūta

Kapitel XXI Die überirdische Kraft des Tathāgata

Kapitel XXII Das anvertraute Gut

Kapitel XXIII Die frühere Tat des Bodhisattva Bhaiṣsajya-rāja

Siebentes Buch

Kapitel XXIV Der Bodhisattva Gadgadasvara

Kapitel XXV Das universale Tor des Bodhisattva Avalokiteśvara

Kapitel XXVI Dhāraṇīs

Kapitel XXVII Die frühere Begebenheit mit dem König Śubhavyūha

Kapitel XXVIII Die Ermutigung des Bodhisattva Samantabhadra

Margareta von BorsigNachwort

Anhang

Erklärung der indischen Zahlenangaben

Abkürzungen

Zur Aussprache

Literaturverzeichnis

Inhaltsangabe der 28 Kapitel

Geleitwort

Geleitwort

Erfahrung und Wort sind in den großen Weltreligionen miteinander verknüpft. Religiöse Erfahrung findet Ausdruck im heiligen Wort.

Das heilige Wort verbürgt die Authentizität der Erfahrung.

Der Buddhismus ist seinem Wesen nach Religion der Erfahrung, gründend in der Existenzerfahrung des Stifters Śākyamuni, die allen Lebewesen den Weg der befreienden Erfahrung bis zur endgültigen Erlösung zeigt. Das Lotos-Sūtra hat die buddhistische Grunderfahrung zum Inhalt, es entfaltet die Kernlehre vom Einen Heilsweg für alle Lebewesen und von dem alle Grenzen von Raum und Zeit übersteigenden Buddha. Der Jünger vernimmt als Hörer (Śrāvaka) ehrfürchtig dieses Buddha-Wort, eignet es sich von Stufe zu Stufe emporsteigend in persönlicher Erfahrung an und erlangt so die verheißene Buddhaschaft.

Im Buddhismus, auch im Mahāyāna-Buddhismus, geht es nicht an, von einem Hauptsūtra zu sprechen, weil eine solche Qualifizierung die irrige Vorstellung wecken könnte, die anderen Sūtren seien dem Hauptsūtra untergeordnet oder auf dieses hingerichtet. Dies ist nicht der Fall. Vielmehr bezeichnen die verschiedenen Sūtren oder Sūtrengruppen im Mahāyāna bestimmte, je andere Ansätze für die Darstellung des Ganzen. Die großen Mahāyāna-Sūtren sind Kunstwerke von hohem Rang. Das Lotos-Sūtra verdankt seine herausragende Stellung der unvergleichlichen Anziehungskraft, die es jahrhundertelang auf buddhistische Fromme ausgeübt hat. Das in China und Japan lange Zeit vorherrschende mächtige Tendai-System stellte es zusammen mit dem Nirvāṇa-Sūtra an die Spitze der Sūtren. Der japanische Buddha-Mönch Nichiren (1222–1282) verschaffte während der Kamakura-Zeit, der religiös stärksten Epoche der japanischen Geschichte, dem Lotos-Sūtra eine herausragende Position. In unseren Tagen ließen sich zahlenstarke moderne japanische Volksreligionen von Nichiren inspirieren und für das Lotos-Sūtra begeistern.

Der volle Titel des Sūtra lautet »Sūtra der Lotosblume des guten (oder wahren oder wunderbaren) Gesetzes« (sanskr.: Saddharmapuṇḍarīıka-Sūtra, jap.: Myōhō-renge-kyō). Der Lotos offenbart dem Buddhisten im Symbol den Sinn und die Spannweite der menschlichen Existenz. Aus Sumpfwasser emporsteigend entfaltet die Blume in unbeschreiblicher Schönheit ihre weißen Blütenblätter, Sinnbild der irrenden Lebewesen, die aus den Trübungen der leidvollen Werdewelt zur endgültigen Befreiung, in buddhistischer Terminologie »Nirvāṇa« genannt, hinfinden. Das buddhistische Grundanliegen ist im Lotossymbol gültig dargestellt. Der Titel fügt die Bestimmung »des guten, wahren oder wunderbaren Gesetzes« hinzu. Die allzu wörtliche Übersetzung »Gesetz« wird der Bedeutung des »Dharma« in der buddhistischen Religion nicht gerecht. Wer im Buddhismus nach Ausdrücken für einen absoluten Wert sucht, stößt notwendig auf den »Dharma«. Der Dharma steht »für das Universalgesetz der menschlichen Existenz ... Das Sanskritwort dharma bedeutet etymologisch ›das, was hält‹. Gotama (Śākyamuni) wurde dharma-vādin genannt, d.h. ›einer, der gemäß der Wahrheit denkt‹« (Hajime Nakamura). Sad-dharma ist der »gute« oder »wahre«, gemäß dem sino-japanischen Übersetzungswort myō, der »wunderbare« Dharma. Das Wort myō (wunderbar) hat im chinesischen und japanischen Buddhismus eine lange Bedeutungsgeschichte. In mahayanistischer Sicht ist alles Sein »wunderbar«, selbstverständlich nicht im magischen Sinn, sondern wegen seiner Transzendenz auf die wahre Wirklichkeit hin. Der Ostasiate nimmt diese Konnotation im Text vom »Lotos des wunderbaren Dharma« wahr.

Die Reden des Lotos-Sūtra sind dem zur höchsten Erleuchtung gelangten Buddha in den Mund gelegt. Wie fast alle Mahāyāna-Sū-tren beginnt der ebenso volkstümliche wie wirkungsmächtige Text in stereotyper Weise: »So habe ich gehört. Zu einer Zeit wohnte der Buddha in der Stadt Rājagṛrha auf dem Geierberg ...« Scharen übersinnlicher Wesen und zahllose Jünger umgaben ihn. »Zu jener Zeit erhob sich der Welt-Erhabene aus der Versenkung und sprach ...«

Vor dem Hintergrund der mythischen Szenerie entfalten sich in den 28 Kapiteln des Sūtra grandiose Bilder. Parabeln veranschaulichen den Lehrgehalt. Die tiefsinnige Mahāyāna-Philosophie ist in symbolische Sprache gekleidet. Eine solche Form kann breite Volksmengen ansprechen, aber auch schwer ergründbare geheimnisvolle Wahrheiten übermitteln. Das Symbol ist die Sprache des Unaussprechbaren, von universaler Kommunikationskraft, über die Grenzen von Kulturen, Traditionen, Religionen hinausreichend. Die Bildsprache des Lotos-Sūtra mag den westlichen Menschen fremd und sonderbar berühren, sie wurzelt in der üppigen indischen Phantasie. Schon die Ostasiaten mussten sie in ihre eigene Geistigkeit überführen. Dies gelang leicht, nicht so sehr wegen der geistigen Nähe der asiatischen Nachbarn, sondern weil die Symbole die ewige Sprache der Menschheit sind.

Gerade wegen seiner Symbolsprache gehört das Lotos-Sūtra zu den religiösen Klassikern der Weltliteratur. Die bewegenden Parabeln vom brennenden Haus, aus dem ein liebender Vater seine Kinder rettet, und vom »verlorenen Sohn« ließen beim ersten Bekanntwerden christliche Leser aufhorchen. Sorgfältige Beschäftigung kann in den Bildern und Symbolen dieses klassischen Sūtra noch viel gültige Weisheit entdecken. Man sollte beim Lesen nie die zwei Grundwahrheiten aus dem Blick verlieren, von denen diese Schrift Zeugnis gibt, dass nämlich allen Menschen der Weg zur Erlösung geöffnet ist und dass die letzte, höchste Wirklichkeit, in der mensch-lichen Metapher als erleuchtetes und erleuchtendes Licht und als Mitleiden erfahren, dem Wesen nach Erlösung und Vollendung bedeutet.

Das Lotos-Sūtra hat wie keine andere buddhistische Schrift eine schier unabsehbare Kommentarliteratur geweckt. Die Kommentarwerke, vorab in chinesischer und japanischer Sprache, aber auch im Tibetischen und in indischen und mittelasiatischen Sprachen abgefasst, geben eine große Anzahl verschiedener Erklärungen und Deutungen. Das bunte Bild der zahllosen buddhistischen Schulen spiegelt sich in dieser teils gelehrten, teils volkstümlichen Literatur. Wir können auf diese erheblich voneinander abweichenden Erklärungen hier nicht eingehen; sie spiegeln die mannigfachen Schulen, denen sie ihre Entstehung verdanken.

Innerhalb des Buddhismus besitzt das Lotos-Sūtra eine differenzierte und komplexe Geschichte. Viele Wirkungen dieses Textes ziehen sich durch die Jahrhunderte hin. Ein Kapitel des Sūtra, aus dem Gesamtzusammenhang herausgelöst und nicht selten wie ein selbständiges Sūtra (jap.: Kannongyō) behandelt, erreichte von allem buddhistischen Schrifttum die weiteste Verbreitung in Ostasien. Es ist dies das 25. Kapitel, das von Bodhisattva Avalokiteśvara (chin.: Kuan-yin, jap.: Kannon) handelt. Nach buddhistischer Anschauung transzendiert ein Bodhisattva die geschlechtliche Differenzierung, aber Kuan-yin wurde in China weiblich aufgefasst und in die Mitte der buddhistischen Volksfrömmigkeit gerückt. Diskreter, aber genügend deutlich wiesen die Japaner dem beliebten Bodhisattva die gleiche Stellung zu. Es kommt hier die im Buddhismus unverkennbare Neigung zur Devotion zum Tragen, die wir ebenfalls, wenn auch in anderer Weise, im Amida-Buddhismus des Glaubens gewahren. Der Kult des Bodhisattva Kuan-yin oder Kannon erfreut sich in den traditionellen buddhistischen Schulen frühen Datums, aber auch im Zen-Buddhismus großer Beliebtheit. Das herrliche Korpus des Lotos-Sūtra tritt in der Wertung glühender Kannon-Verehrer gegenüber dem einen 25. Kapitel zurück.

Die in der Gegenwart hoch entwickelte Hermeneutik hat unseren Sinn für die schier unabsehbaren Möglichkeiten der Auslegung von Schriftzeugnissen geschärft. Diese Sensibilisierung hat die asiatischen Länder, in denen der Buddhismus heimisch ist, noch nicht im gleichen Ausmaß ergriffen, kündigt sich indes schon bei der jungen Generation der Intellektuellen an. Wir müssen davon ausgehen, dass ein religiöser Klassiker von der Art des Lotos-Sūtra von wechselnden Generationen immer neu und anders gelesen wird. Der moderne Buddhist wird in einer Zeit, in der sich in seiner Religion der Trend der Entmythologisierung auswirkt, für das durch die Mythen und Symbole des Lotos-Sūtra Durchscheinende in hohem Maße offen und empfänglich sein. Vielleicht kommt gar in seinem Verständnis die Botschaft des Sūtra zu neuem Leuchten.

Dann könnte sich die hier vorgelegte erste deutsche Übersetzung des chinesischen Originaltextes des Kumārajīıva als eine Verständnisbrücke zwischen Buddhismus und Christentum erweisen. Wenn wir mit einer so großen Hoffnung das Erscheinen dieses Werkes begleiten, so empfinden wir ganz schlicht Freude darüber, dieses wichtige Werk asiatischer Geistigkeit nun in deutscher Sprache lesen zu können.

Heinrich Dumoulin

Einleitung

Einleitung zum Lotos-Sūtra

Es besteht heute bei uns ein lebhaftes Interesse an den großen Religionen der Erde. Besonders der Dialog mit dem Buddhismus1ist in den letzten Jahren vorangeschritten, und der Zen-Buddhismus2 hat das Interesse weiter Kreise erweckt. Voraussetzung für eine Vertiefung des Dialogs mit dem Buddhismus in seiner breiten Fächerung ist eine zunehmende Kenntnis der buddhistischen Literatur.

So soll hier mit dem Lotos-Sūtra, wörtlich dem »Sūtra von der Lotosblume des wunderbaren Gesetzes« (skt. Saddharmapuṇḍarīka-Sūtra, chin. Miao fa lien hua ching, jap. Myo ōhō-renge-kyō), ein wichtiges Sūtra des Mahāyāna-Buddhismus (Buddhismus des Großen Fahrzeugs) vorgestellt werden. Das Lotos-Sūtra wird auch die »Bibel Ostasiens« genannt. »Niemand kann den Fernen Osten verstehen ohne einige Kenntnis der Lehren des Lotos-Sūtra, denn es ist die bedeutendste Schrift des Mahāyāna-Buddhismus, der sich über den ganzen Fernen Osten zieht«, schreibt Wing-tsit Chan.3

Das Lotos-Sūtra ist in Indien niedergeschrieben. Den Verfasser kennen wir nicht. Als Zeit der Abfassung werden die Jahrhunderte 200 vor bis 200 nach Christus angenommen.4 Der japanische Gelehrte Hajime Nakamura meint, dass der »Prototyp« des Sūtra im 1. Jh. n. Chr. abgefasst wurde und dass das Werk am Ende des 2. Jh. n. Chr. in der uns heute bekannten Form vorlag.5 Im Jahre 406 n. Chr. übersetzte der bekannte und bedeutende Mönch Kumārajīva (343– 413 n. Chr.) im Zuge eines großen Übersetzungswerkes des buddhistischen Kanons das Lotos-Sūtra aus dem Sanskrit ins Chinesische. Diese chinesische Übersetzung des Mönches Kumārajīva ist der Text, der in China und Japan benutzt wurde und der auch im heutigen Japan hochgeschätzt und gebraucht wird. Dieser chinesische Text ist in Japan der religiöse Grundtext für die Tendai-Schule, die Nichiren-Schule, 6 ferner die modernen buddhistischen Laienbewegungen Risshō-kōsei-kai (Gesellschaft zur Errichtung des wahren Glaubens und für Mitmenschlichkeit) und Sōkagakkai (Wertschaffende Gesellschaft). 7 Dieser chinesische Text Miao fa lien hua ching von Kumārajīva ist auch der Text, den ich hier zum ersten Mal vollständig ins Deutsche übersetze.

Kumārajīva 8 wurde im Jahre 343 n. Chr. im zentralasiatischen Königreich Kucha geboren. Sein Vater war Inder, seine Mutter eine Prinzessin von Kucha. Nach Studien des Hīnayāna (Kleines Fahrzeug) wandte er sich ganz dem Mahāyāna (Großes Fahrzeug)-Buddhismus der Schule des Nagarjuna zu. Im Jahre 383 wurde Kucha von China unterworfen, wobei Kumārajīva als Kriegsgefangener genommen und achtzehn Jahre in der heutigen Provinz Kansu festgehalten wurde. Zu dieser Zeit hatte Kumārajīva Gelehrte, die Meister der chinesischen Sprache waren, um sich versammelt. Im Jahre 401 wurde Kumārajīva als Staatslehrer in der Hauptstadt Ch’ang-an empfangen. Der König versammelte für ihn all die buddhistischen Gelehrten seines Königreiches und richtete unter ihrer Mitarbeit ein großes Übersetzungsprojekt auf Regierungskosten ein. Diese Gelehrtengruppe unter der Leitung von Kumārajīva übersetzte u. a. das Prajñāpāramitā-Sūtra, das Vimalakīrtinirdeśa-Sūtra und eben das Saddharmapuṇḍarīka-Sūtra, d. h. das Lotos-Sūtra, ins Chinesische. Es gibt noch zwei Übersetzungen des Lotos-Sūtra ins Chinesische von Dharmarakṣa mit dem Titel Cheng fa hua ching aus dem Jahre 286 n. Chr. und von Jñānagupta und Dharmagupta mit dem Titel T’ien p’in miao fa lien hua ching aus dem Jahre 601 n. Chr. Aber die Übersetzung von Kumārajīva ist über alle Jahrhunderte hinweg in China und Japan als die autoritative 9 angesehen worden.

Zum besseren Verständnis des Lotos-Sūtra mit seinen achtundzwanzig Kapiteln in sieben Büchern (in der japanischen Ausgabe acht Bücher) hat schon früh T’ien-t’ai Ta Shih, einer der bedeutendsten buddhistischen Mönche in China (6. Jh. n. Chr.), das Werk in zwei große Teile eingeteilt: Chi men (jap. shakumon) und pen men (jap. hommon), d. h. die Lehre von der irdischen Erscheinung Buddhas (Kap. I–XIV) und die Lehre vom ursprünglichen Wesen Buddhas (Kap. XV–XXVIII). Der erste Teil bezieht sich auf den historischen Buddha Śākyamuni, der von circa 560–480 v. Chr. gelebt haben soll. Er war Prinz des Śākya-Clans. Von seiner Gemahlin Yaśodharā hatte er den Sohn Rāhula. An das üppige Leben im Palast, an Wohlergehen und an Saitenspiel, gewohnt, schlugen ihm die vier Begegnungen mit einem Bettelmönch, einem Kranken, einem Beerdigungszug und einem Alten eine tiefe innere Wunde und konfrontierten ihn mit der Frage nach dem Sinn des Lebens. Er verließ den Palast und rang in der Einsamkeit um die Erleuchtung des Lebensgrundes, bis ihm diese schließlich unter dem Feigenbaum nahe bei Gayā zuteilwurde. Danach lehrte er in einer Jüngerschar unter den Menschen über vierzig Jahre bis zu seinem Eingang ins Nirwana im Alter von etwa 80 Jahren. 10Das Lotos-Sūtra beginnt mit einer großartigen Szene: Buddha Śākyamuni predigt vor einer unübersehbaren Schar von Lebewesen, Bodhisattvas (die die Buddhaschaft erstreben, Heilige des Großen Fahrzeugs) aus allen Himmelsrichtungen, Arhats (Heilige des Kleinen Fahrzeugs), der vierfachen Gemeinde (Mönche, Nonnen, Laienanhänger und Laienanhängerinnen), Göttern, Menschen, Drachen und Tieren auf dem Geierspitzberg (Gṛdhrakūṭa). Buddha eröffnet mit einem Strahl aus der Locke weißen Haares zwischen den Augenbrauen alle Welten von der Hölle bis zum Himmel. Und die gesamte Gemeinde wartet voller Spannung auf etwas Unerhörtes, bis-her nie Geoffenbartes.

Der wichtigste Teil der Predigt ist das Kapitel II »Geschicklichkeit« (chin. Fang pien p’in, jap. Hōbenbon), in dem Buddha verkündet, dass alle Menschen ohne Ausnahme die Erlösung erlangen und Buddha werden können. Im Kapitel II zeigt Buddha Śākyamuni dies bei den Śrā akas (Zuhörer, Schüler Buddhas) und den Pratyeka-Buddhas (sie suchen die Erlösung nur für sich und teilen sie anderen nicht mit), im Kapitel XII, »Devadatta« (chin. T’i p’o ta to p’in, jap. Daibadattahon), an der Gestalt des Devadatta, des Vetters und Gegenspielers Buddhas, 11 der drei schwere Vergehen begangen hatte (Spaltung der Buddhagemeinde, Anschlag auf Buddhas Leben und Totschlag einer Nonne) und ein böser Mensch par excellence war. Buddha Śākyamuni nennt Devadatta im Kapitel XII seinen Meister in vergangener Zeit und prophezeit ihm, Tathāgata Devarā a (Himmelskönig) zu werden. Nach dem Beispiel Devadattas können also auch die Bösen, die gefehlt haben, auf Grund von Buddhas Erbarmen die Erlösung erlangen. Das ist das wunderbare Gesetz des Lotos-Sūtra. Im Kapitel XII wird an der Verwandlung der Tochter des Drachenkönigs gezeigt, dass auch die Frauen die Buddhaschaft erreichen können.

Im zweiten Teil des Lotos-Sūtra, der Lehre des ursprünglichen Wesens Buddhas (pen men, hommon), offenbart der Buddha Śākyamuni im Kapitel XVI, »Des Tathāgata Lebensdauer« (chin. Ju lai shou liang p’in, jap. Nyoraijuryōhon), den Urgrund seines Wesens, der irdisch-historische Dimensionen übersteigt: »Ihr alle hört die Wahrheit! (Hört) von der geheimen, geheimnisvollen, magisch durchdringenden Kraft des Tathāgata! Alle die Welten von Göttern (Devas), Menschen und Asuras, sie alle sagen, dass Buddha Śākya-muni jetzt den Palast der Familie der Śākya verlassen habe, nicht fern der Stadt Gayā auf dem Platz der Erleuchtung gesessen sei und die höchste vollkommene Erleuchtung erlangt habe. Aber, ihr guten Söhne, seitdem ich in Wahrheit Buddha geworden bin, sind unermessliche, unbegrenzte Hunderte von Tausenden von Zehntausenden von Koṭis von Nayutas von Kalpas (Weltzeitalter) vergangen.« In Kapitel XVI wird geoffenbart, dass Buddhas Leben unermesslich, unbegrenzt ist. Es ist eine »Überhöhung des geschichtlichen Śākyamunis ins Übermenschliche«. 12 Buddha wird zum kosmischen Prinzip aller Wirklichkeit. »Der Buddha ist die Wahrheit des Universums, d. h. das fundamentale Prinzip oder die fundamentale Macht, die Ursache des Lebens und aller Bewegung der Erscheinungen des Universums, einschließlich der Sonne und anderer Sterne, der Menschen, Tiere und Pflanzen usw. Deshalb hat der Buddha überall im Universum seit seinem Anfang existiert. Dieser Buddha wird der ›Ursprüngliche Buddha‹ (jap. hombutsu) genannt«, schreibt Nikkyō Niwano, 13 der Präsident der Rissh ō kōsei-kai.

Der überzeitliche, transzendente Buddha ist die große Erlösergestalt für die Menschen. Buddha selbst zeigt sich im Lotos-Sūtra als Vater, der sich um die Menschen wie um seine Kinder sorgt und sie retten will. Wie Jesus gebraucht auch Buddha Gleichnisse, um den Menschen seine Lehre nahezubringen.

»Wisse, Kāś apa!

Mit verschiedenen Karma-Erzählungen

Und vielerlei Gleichnissen

Eröffne und zeige ich den Buddha-Weg«,

sagt Buddha Śākyamuni gegen Ende des Kapitels V »Das Gleichnis von den Kräutern« (chin. Yo ts’ao yü p’in, jap. Yakusōyuhon). Da ist das »Gleichnis vom brennenden Haus« (Kap. III »Ein Gleichnis«, chin. P’i yü p’in, jap. Hiyuhon), das darstellt, dass die Menschen, die in Leidenschaft (Brand) verstrickt sind, durch Buddhas Kraft in ein neues Leben geholt werden können. Buddha ist der Vater, der die im brennenden Haus spielenden Kinder durch verlockendes Versprechen herausholt und rettet. Kapitel IV, »Erkenntnis durch den Glauben« (chin. Shin chiai p’in, jap. Shingehon), enthält das »Gleichnis vom verlorenen Sohn«. Man kann nicht umhin, an das Gleichnis in der Bibel (Lukas 15, 11–32) zu denken. 14 Hier, im Lotos-Sūtra, ist es allerdings ein langer Prozess, bis der verarmte und auch innerlich fremd gewordene Sohn, der den reich und mächtig gewordenen Vater gar nicht wiedererkennt, durch die unaufhörliche Zuneigung des Vaters persönliches Vertrauen zu diesem gewinnt und schließlich, aus dem Knechtsdasein befreit, als Sohn das Erbe des Vaters antreten kann. Kapitel V enthält das Pflanzengleichnis (chin. Yo ts’ao yü p’in, jap. Yakusōyuhon). So wie die Wolke allen Pflanzen in ihrer großen Mannigfaltigkeit ohne Unterschied Regen und Leben spendet, so schenkt Buddha als der Vater aller Menschen diesen ohne Unterschied sein Wort und seine Erlösung. Im Kapitel XVI, »Des Tathāgata Lebensdauer«, sieht sich Buddha in der Rolle des Arztes, der die in Leiden, Verwirrung und Verblendung lebenden Menschen heilt. Seine große und wunderbare Tat ist es, wenn er Gift, das die Menschen zerstört, in heilsame Medizin verwandelt. Buddhas Gleichnisse enthalten eine große Erfahrung menschlichen Lebens. Zu ihnen müssten auch Europäer ohne Schwierigkeit Zugang finden.

Das Erbarmen des überhöhten Buddha mit den Menschen hat einen besonderen Ausdruck in der im Mahāyāna-Buddhismus geprägten Gestalt des Bodhisattva gefunden. Bodhisattva bedeutet wörtlich »Erleuchtungswesen« oder »auf Erleuchtung hingerichtetes Wesen«. »Der Bodhisattva wird als ein Erleuchtungswesen verstanden, das aus großem sympathetischen Mitleiden (mahākaruṇā) auf das Eingehen ins Nirvāṇa verzichtet, um allen Lebewesen zur Errettung aus dem leidvollen Kreislauf der Wiedergeburten zu helfen. Charakteristisch für den Bodhisattva ist die Verbindung von ›Großer Weisheit‹ (mahāprajñā) und ›Großem sympathetischem Mit-Leiden‹ (mahā-karuṇā, jap. dai-jihi)«15. Im Lotos-Sūtra treten Scharen von Bodhisattvas auf, eine Hauptgestalt ist der Bodhisattva Avalokiteśvara (chin. Kuan shih yin p’u sa, jap. Kanseonbosatsu oder Kannon bosatsu), d.h. der Bodhisattva, der die Rufe der Welt beachtet. Im Kapitel XXV des Lotos-Sūtra wird dessen erbarmendes Wirken beschrieben: Tausende von Myriaden von Lebewesen, die in dieser Welt unter Schwierigkeiten leiden, werden von diesen befreit werden, wenn sie den Namen des Bodhisattva Avalokiteś-vara (Kannon bosatsu) anrufen. Dieser hilft, wenn man ins Feuer gerät, in Seenot ist, sich unter dem Schwert des Henkers befindet. Stets hilft Kannon denen, die ihn anrufen: dem Kaufmann, der unterwegs von Räubern überfallen wird; wer ein Gefangener des Hasses ist, wird von Hass befreit werden, wenn er diesen Bodhisattva anbetet; wenn eine Frau einen Knaben ersehnt und zu Kannon betet, wird sie einen Sohn von schöner Gestalt gebären; wenn sie eine Tochter ersehnt, wird sie eine Tochter erhalten. Dieses Kapitel XXV des Lotos-Sūtra »Das universale Tor des Bodhisattva Avalokiteś-vara« (chin. Kuan shih yin p’u sa p’u men p’in, jap. Kanseonbosatsufumonbon) gibt vielen Menschen Trost und Hilfe und Hoffnung auf die hilfreiche, andere Kraft, tariki.

Nachdem ich nun das Wesentliche des Lotos-Sūtra im Großen dargestellt habe, möchte ich noch auf den Titel des Lotos-Sūtra zu sprechen kommen. Es stellt sich die Frage, warum angesichts der hohen Bedeutung des Buddha Śākyamuni im Lotos-Sūtra das Sūtra nicht »Sūtra vom Buddha des wunderbaren Gesetzes« genannt wird, sondern »Sūtra von der Lotosblume des wunderbaren Gesetzes«. Welche Rolle spielt die Lotosblume in diesem Text?

Die Lotosblume ist eine uralte Pflanze auf dieser Erde. Man kann vermuten, dass sie schon 3000 v. Chr. in Ägypten bekannt war. Die Lotosblume stieg in herrlicher Gestalt neben Papyrus aus dem Wasser des Nil auf. Sie muss ein Lebenssymbol in Ägypten gewesen sein. Man findet sie auf ägyptischen Sarkophagen aus der Zeit 2000 v. Chr., z.B. auf dem Sarkophag der Kawit »An Lotosblüte riechend« (XI. Dyn., 2100–2000 v. Chr., Ägyptisches Museum, Kairo) oder am Grabe des Menna in Theben, wo auf dem Fresko die Dame einer Festgesellschaft Lotosblüten in ihrer Rechten hält und auch die Stirn damit geschmückt hat. Dass der Lotos auch im Hohen Lied vorkommt, hat Othmar Keel16 überzeugend gezeigt. Ihm zufolge bezeichnet das hebräische Wort Šūšan, das man gewöhnlich mit Lilie übersetzt (»Lilie im Tal«), den ägyptischen Lotos, der auch hier ein Lebenssymbol ist. In Indien wächst die Pflanze in verschiedenen wunderbaren Farben mit roter, weißer und blauer Blütenkrone. Im Buddhismus ist in erster Linie die weiße Lotosblume von Bedeutung. Die Lotosblume (Nelumbo nucifera Gaertner) ist dem Wässrigen verhaftet und steigt auf hohem Stengel aus dem sumpfigen Boden auf, um die reine, weiße Blüte dem Licht, der Sonne, zuzuwenden. Die kreisförmigen Blätter stoßen wie imprägniert jeden Wassertropfen ab. Die weiße Lotosblüte ist ein Symbol für das Lebendige. So wie die Lotosblüte sich öffnet, ist es, wenn neues Leben aufspringt, wenn aus Buddhas Erbarmen neues Leben aufspringt, beim verlorenen Sohn (Kap. IV), bei Buddhas gefährlichem, bösen Vetter Devadatta (Kap. XII) und bei den vergifteten Söhnen (Kap. XVI). Im alten China wurden die Füße der Frauen Lotos- oder Lilienfüße genannt. Wenn die Füße einer Frau die Erde berühren, entsteht neues Leben und auf ihren Spuren wachsen Lotosse.17 Die Lotosblume ist das Symbol des Lebens in den drei Stadien der Knospe, der voll geöffneten Blüte und der Samenkapsel. Die weiße Lotosblume ist das Symbol des Buddhismus: Symbol der Reinheit in der schmutzigen Welt, Symbol des Nirwana im Saṃsāra

(irdische Erscheinungswelt). Die Lotosblume wächst im Morast, aber die Blüte erhebt sich auf einem schlanken, hohen Stengel, leuchtend weiß und unberührt vom Morast. Der Malermönch Sengai dichtet: »Wie sumpfig auch das Wasser ist, der Lotos behält seine Reinheit. Ja, er blüht so herrlich, gerade weil er aus dem Sumpf wächst.«

So heißt es im Lotos-Sūtra, dass alle Menschen, auch die Bösen, die Buddhaschaft erlangen.

Die Lotosblume mit ihrer schneeweißen Blüte ist das Symbol himmlischen und wahren Lebens. Sie ist Symbol für den Menschen, der die Buddhanatur in sich verwirklicht hat und doch in der schmutzigen Welt lebt, für den Buddha gewordenen Menschen, der zwar in dieser Welt lebt, aber nicht von dieser Welt ist.

»Vom Gesetz der Welt sind sie (die Bodhisattvas) unberührt

Wie die Lotosblume im Wasser«,

>heißt es im Kapitel XV des Lotos-Sūtra.

Auch im heutigen Japan wird das so empfunden. Der Jesuitenpater Hubert Cieslik schreibt unter dem Titel »Neues Leben« in Erinnerung an das Atom-Desaster von Hiroshima: »An einem Morgen im Juni (1947) ging ich auf dem Weg zum Noviziat am Schlossgraben vorbei. Noch lagen die Trümmer des eingestürzten Schlossturmes im Schlamm; Schmutz und Unrat bildeten eine trübe Masse, ein trostloses Bild der Verwüstung. Aber mitten aus dem Schlamm und Unrat öffneten sich schneeweiße Blüten. Die Lotosblumen in Schlossgraben begannen wieder zu blühen. Neues Leben aus den Ruinen ...«21. So entfaltet sich mit dem Lebenssymbol der Lotosblume unter dem Titel »Sūtra von der Lotosblume des wunderbaren Gesetzes« das große Buddha-Geschehen.

Jeder möge nun in die Wasser und das Licht der Lotosblume eintauchen. Den Menschen in Asien wurde empfohlen, das Lotos-Sūtra so festzuhalten, wie eine Mutter ihr Kind in einem reißenden Fluss festhält, selbst um den Preis, dass sie dann mit ihm untergehen muss.

Sūtra von der Lotosblume des wunderbaren Gesetzes

Sanskrit: Saddharmapuṇḍarīka-Sūtra

Chinesisch: Miao fa lien hua ching

Japanisch: Myōhō-renge-kyō (Abkürzung: Hokekyō)

Erstes Buch

chinesisch

japanisch

Kapitel IEinleitung

Hsü p’in

Johon

Kapitel IIGeschicklichkeit

Fang pien p’in

Hōbenhon

Kapitel I: Einleitung

Also habe ich22 gehört. Einst weilte der Buddha23 in Rājagṛha24 auf dem Berg Gṛdhrakūṭa,25 mit einer Versammlung von großen Mönchen, im ganzen zwölftausend; alle waren Arhats26 und hatten ihre Befleckungen (Unruhedharmas) gelöscht; sie waren nicht mehr in Verblendung (gefangen), hatten das Wesentliche für sich selbst erlangt27 und die Verbindung zu allem, was es gibt, gelöst. Sie waren frei im Geist. Ihre Namen waren Ājñāta-Kauṇḍinya, Mahā-Kāś apa, Uruvilvā-Kāś apa, Gayā-Kāśyapa, Nadi-Kāś apa, Śāriputra, Mahā-Maudgalyāyana, Mahā-Kātyā ana, Aniruddha, Kapphiṇa, Gavāṃpati, Revata, Pilindavatsa, Bakkula, Mahā-Kauṣṭhila, Nanda, Sundara-Nanda, Pūrṇa, der Sohn von Maitrāyaṇi, Subhūti, Ānanda und Rāhula.28 Das sind die in der Schar bekannten großen Arhats. Weiter gab es zweitausend Personen, die teils noch übten, teils nicht mehr übten. Es waren da die Nonne29 Mahāprajā-patī30 mit einem Gefolge von insgesamt sechstausend Menschen, die Mutter von Rāhula, die Nonne Yaśodharā31 mit ihrem Gefolge. Ferner waren achttausend Bodhisattvas Mahāsattvas da.32 Sie waren im Zustand der höchsten Erleuchtung und auf dem Rang, von dem sie nicht mehr zurückfallen konnten (Avaivartins). Alle hatten die Kenntnis der Dhāraṇīs (Magische Sprüche)33 erlangt. Sie waren zu begeisternder Predigt und zum Gespräch begabt. Sie drehten das Rad des Gesetzes,34 bei dem es keinen Rückfall mehr gibt, verehrten die unermesslichen Hunderte von Tausenden von Buddhas, unter deren Führung sie die Wurzeln von mannigfaltigen Tugenden gepflanzt hatten und von denen sie beständig gelobt worden waren. Jene gaben sich ganz dem Mitleid hin, waren gut in das Buddha-Wissen eingedrungen und bis zur großen Weisheit durchgedrungen. Sie hatten das andere Ufer35 erreicht. Ihre Namen waren überall, in unermesslichen Welten, zu hören; unzählige Hunderte von Tausenden von Lebewesen waren sie fähig zu befreien. Ihre Namen sind: Bodhisattva Mañjuśrī,36 Bodhisattva Avalokiteśvara37 (Der die Rufe der Welt beachtet), Bodhisattva Mahāsthāmaprāpta38 (Der große Kraft erlangt hat), der Bodhisattva Satatasamitābhiyukta (Der immer voll Eifer),39 der Bodhisattva Anikṣiptadhura (Der nie nachlässt), der Bodhisattva Ratnapāni (Kostbare Handfläche), der Bodhisattva Bhaiṣajyarāja (Medizin-König), der Bodhisattva Pradānaśūra (Kühner Spender von Wohltaten), der Bodhisattva Ratnacandra (Kostbarer Mond), der Bodhisattva Candraprabha (Mondlicht), der Bodhisattva Pūrṇacandra (Vollmond), der Bodhisattva Mahāvikramin (Große Macht), der Bodhisattva Anantavikrāmin (Unbegrenzte Macht), der Bodhisattva Trailokyavikrāmin (Über der dreifachen Welt), der Bodhisattva Badrapāla, der Bodhisattva Maitreya,40 der Bodhisattva Ratnākara (Juwelen-Aufhäufung), der Bodhisattva Nāyaka (Leiter); solche Bodhisattvas Mahāsattvas gab es insgesamt achtzigtausend. Zu dieser Zeit war auch Śakra Devānāṃindra41 mit einem Gefolge von zwanzigtausend Devas (Himmels-Söhnen) zugegen. Ferner waren zugegen der Deva Herrlicher Mond (Candra-Deva), der Deva Allumfassender Duft, der Deva Kostbarer Glanz (Ratnaprābha Deva), die vier großen Himmelskönige42 (Devas) mit zehntausend Devas im Gefolge. Der Deva Īśvara,43 der Deva Maheśvara44 mit einem Gefolge von dreißigtausend Devas waren da, auch der König der Sahā-Welt45 (irdischen Welt), der Himmelskönig (Deva) Brahmā,46 der Groß-Brahmā Sikhin,47 der große Brahmā Yvotiṣprabha (Glanz-Brahmā)48 mit einem Gefolge von zwölftausend Devas. Es gab acht Nāga-(Schlangen- bzw. Drachen-) Könige,49 den Drachenkönig Nanda, den Drachenkönig Upananda, den Drachenkönig Sāgara, den Drachenkönig Vāsuki, den Drachenkönig Takṣaka, den Drachenkönig Anavatapta, den Drachenkönig Manasvin, den Drachenkönig Utpalaka, jeder mit einem Gefolge von einer Anzahl von Hunderten von Tausenden (von Drachen). Es gab die vier Kiṃnara-Könige,50 Kiṃnara-König Dharma (Gesetz), den Kiṃnara-König Saddharma (Wunderbares Gesetz), den Kiṃnara-König Mahādharma (Großes Gesetz), den Kiṃnara-König Dharmadhara (Gesetzhalter), jeder war da mit einem Gefolge an Zahl von Hunderten von Tausenden (Kimnaras). Es gab vier Gandharva-Könige,51 den Gandharva-König Manojña (Freude), den Gandharva-König Manojñasvara (Freudiger Ton), den Gandharva-König Madhurā (Gefälligkeit), den Gandharva-König Madhurasvara (Gefälliger Ton); jeder war zugegen mit einem Gefolge von Hunderten von Tausenden.

Es gab die vier Asura-Könige,52 den Balin-Asura-König, den Kharaskandha-Asura-König, den Vemacitri-Asura-König und den Rāhu-Asura-König; jeder war mit einem Gefolge von Hunderten von Tausenden (von Asuras) zugegen. Es gab die vier Garuḍa-Könige,53 den Garuda-König Mahātejas (Große Würde), den Garuḍa-König Mahākāya (Großer Körper), den Garuḍa-König Mahāpūrna (Große Fülle), den Garuḍa-König Maharddhiprāpta (Alles nach Wunsch); jeder war da mit einem Gefolge von Hunderten von Tausenden (von Garuḍas). Auch der König Ajātaśatru,54 Sohn von Vaidehi,55 war mit einem Gefolge von Hunderten von Tausenden von Menschen zugegen. Jeder verehrte Buddha zu dessen Füßen, zog sich dann zurück und saß auf der Seite.

Zu dieser Zeit predigte der von aller Welt Verehrte,56 als er von der vierfachen Gemeinde57 umgeben war, von ihr geehrt und verehrt worden war, als ihm hohe Achtung erwiesen und Lob gespendet worden war, für alle die Bodhisattvas das Sūtra des Großen Fahrzeugs58 mit dem Namen »Unermessliche Bedeutung« (Wu liang i ching, Muryōgikyō), das das Gesetz für die Bodhisattvas lehrt, das die Buddhas hüten und bedenken.

Nachdem der Buddha dieses Sūtra59 gepredigt hatte, saß er mit gekreuzten Beinen und ging in die Versenkung (Samādhi) von der unermesslichen Bedeutung60 ein. Körper und Geist bewegten sich nicht. Da ließen die Devas (Himmlischen) Mandārava-Blumen,61große Mandārava-Blumen, Mañjuṣaka-Blumen, große Mañjuṣaka-Blumen herabregnen und zerstreuten sie über Buddha und die große Versammlung. Alle Buddha-Welten wurden sechsmal62 erschüttert.

Da sahen in der Versammlung die Mönche und Nonnen, Laienanhänger und Laienanhängerinnen (bhikṣus, bhikṣunīs, upāsakas, upāsikās), Devas, Nāgas, Yakṣas,63 Gandharvas, Asuras, Garuḍas, Kiṃnaras, Mahoragas,64 Menschen und andere Lebewesen (Nicht-Menschen), die verschiedenen kleinen Könige, die raddrehenden heiligen Könige (Cakravartī-rāja),65 diese vielfältige große Versammlung in Erwartung von Dingen, die noch nie dagewesen, mit zusammengelegten Handflächen (Mudrā añjali) voll Freude und eines Herzens zu Buddha auf.

Der Buddha entließ nun aus dem Kreis von weißem Haar zwischen den Augenbrauen66 einen Lichtstrahl. Er erhellte im Osten achtzehntausend Welten, ohne einen Platz auszusparen. Nach unten reichte er bis zur Avīci-Hölle,67 nach oben bis zum Akaniṣṭha-Himmel.68 In dieser Welt sah man insgesamt die Lebewesen der sechs Stadien der Existenz,69 ferner sah man alle Buddhas, die in jenen Stadien gegenwärtig da waren; man hörte, wie alle Buddhas die Lehre des Sūtra predigten, man sah alle die verschiedenen Mönche und Nonnen, Laienanhänger und Laienanhängerinnen, die durch Praktizieren den Weg erlangten. Ferner sah man sämtliche Bodhisattvas Mahāsattvas, die auf Grund verschiedener Karmas70, in unterschiedlicher Befreiung durch den Glauben und unterschiedlicher Erscheinung den Bodhisattva-Weg wandelten. Ferner sah man alle Buddhas, die das vollkommene Nirwana71 erreicht hatten.

Ferner konnte man die Pagoden72 aus sieben Juwelen73 sehen, die man nach dem vollkommenen Nirwana der jeweiligen Buddhas für die Buddha-Reliquien errichtet hatte. Zu dieser Zeit stellte der Bodhisattva Maitreya folgende Überlegung an:

»Der in aller Welt Verehrte eröffnet jetzt eine so übernatürliche Verwandlung. Was ist der Grund dafür, dass es dieses günstige Zeichen gibt? Jetzt ist der Buddha, der in aller Welt Verehrte, in die Versenkung (samādhi) eingegangen. Darüber aber, dass er auf höchst verwunderliche Weise etwas so Besonderes zeigt, wen kann ich da befragen? Wer kann Antwort geben?«

Weiter stellte er diese Überlegung an: »Mañjuśrī hier, der Sohn des Gesetzes-Königs, war bereits in alter Zeit mit den vergangenen unermesslichen Buddhas allen in enger Beziehung und hat sie verehrt. Er muss zweifellos diese besondere Darstellung schon gesehen haben. Ich will ihn jetzt gleich fragen.«

Zu dieser Zeit stellten die Mönche und Nonnen, Laienanhänger und Laienanhängerinnen, die vielerlei Devas, Nāgas und anderen Geister insgesamt diese Überlegung an: »Wen sollen wir jetzt wegen des strahlenden, hellen, übernatürlich-durchdringenden Zeichens dieses Buddha fragen?«

Zu dieser Zeit, als der Bodhisattva Maitreya die Zweifel bei sich selbst zu lösen wünschte und er ferner das Herz der gesamten Versammlung von Mönchen und Nonnen, Laienanhängern und Laienanhängerinnen der vierfachen Gemeinde und der verschiedenen Devas, Nāgas und anderer Geister sah, richtete er an Mañjuśrī die Frage: »Was ist der Grund, dass man, da dieses Glückszeichen und die übernatürlich-durchdringende Erscheinung da ist und er (Buddha) einen so großen Lichtstrahl aussendet und die achtzehntausend Länder im Osten erleuchtet, den majestätischen Glanz der Reiche all jener Buddhas sieht?«

Darauf wünschte der Bodhisattva Maitreya die Bedeutung (dieser Frage) nochmals zu erklären, und deshalb fragte er mit Gāthās:74

Mañjuśrī!

Warum erleuchtet unser Meister

Aus dem weißen Haarkreis zwischen den Augenbrauen

Alles mit großem Lichtstrahl?

Der Regen von Mandārava-

Und Mañjuṣaka-Blumen,

Die Brise mit Duft von Sandelholz

Vermag das Herz von allen zu erfreuen.

Auf Grund dessen

Ist die Erde ganz strahlend und rein.

Und diese Welten

Wurden sechsfach erschüttert.

Nun ist die vierfache Gemeinde

Ganz voll Freude,

Im Körper und Geist sind die Menschen beglückt,

Etwas zu erlangen, was noch nicht dagewesen.

Weil der Lichtstrahl zwischen den Augenbrauen

Im Osten

Die achtzehntausend Länder erleuchtet,

Sind sie wie von goldener Farbe.

Von der Avīci-Hölle

Bis hoch zu den Gipfeln der Existenzen75

Kann man in den vielerlei Welten

Die Lebewesen der sechs Pfade

Auf dem Weg von Leben und Tod,

Im Karma von Gut und Böse,

In der Vergeltung, die gut oder von Übel, befindlich,

Auf all diesen sehen.

Ferner sieht man alle Buddhas,

Die heiligen Herrn und »Löwen des Gesetzes«,76

Die den Sūtrentext darlegen und predigen,

Der feinsinnig, wunderbar und der erste ist.

Ihre Stimme ist klar und rein

Und hat einen sanften, einfühlsamen Ton;

Sie lehren alle Bodhisattvas

In zahllosen Myriaden von Koṭis,77

Ihre Brahmā-Stimmen, die tief und wunderbar,

Rufen in den Menschen den Wunsch hervor, sie zu hören.

Jeder erklärt in seiner Welt

Das wahre Gesetz und predigt es.

Mit verschiedenen Darstellungen

Und unermesslichen Beispielen

Lassen sie Buddhas Gesetz erstrahlen

Und eröffnen den Lebewesen die Erleuchtung.

Wenn Menschen Leid tragen,

Vergrämt sind von Alter, Krankheit und Tod:

Für diese predigen sie das Nirwana,

Wo das Leid schließlich ein Ende haben wird.

Wenn sich die Menschen im Glück befinden,

Den Buddha verehren

Und das höchste Gesetz im Herzen erstreben:

Für diese predigen sie die Pratyeka-Buddhaschaft

(die Buddhaschaft für den Einzelnen).78

Wenn sie Buddha-Söhne sind,

Die verschiedene Übungen praktizieren

Und die Einsicht, über der es nichts mehr gibt, suchen:

Für diese predigen sie den reinen Weg.

Mañjuśrī!

Da ich hier weile,

Sehe und höre ich solches

Und tausend Koṭis von Dingen.

Im folgenden will ich die zahlreichen Dinge

Nun geradewegs beschreiben:

Ich sehe in jenen Ländern

Bodhisattvas wie der Sand am Ganges

Und in verschiedenen Karmas

Suchen sie den Buddha-Weg.

Einige gibt es, die praktizieren die Mildtätigkeit;

Gold, Silber und Korallen, Perlen und Juwelen,

Mondsteine und Achate,79

Diamanten und kostbare Steine,

Männliche und weibliche Sklaven,

Wagen und Gespann,

Fuhren und juwelengeschmückte vornehme Sänften

Geben sie freizügig und freudig.

Sich zum Buddha-Weg hinwendend,

Wünschen sie, dieses Fahrzeug (das Bodhisattva-Fahrzeug) zu erlangen,

Das das höchste in der dreifachen Welt ist

Und das von allen Buddhas gepriesen wird.

Außerdem gibt es Bodhisattvas,

Die geben freizügig kostbare Wagen mit Vier-Pferde-Gespannen,

Mit gedrechselten (Sitzen) und blumengeschmückten Decken

Und (andere) verzierte Wagen.

Ferner sehe ich Bodhisattvas,

Die geben ihren Körper, ihr Fleisch, ihre Hände und Füße,

Auch Frau und Kind als Gabe,

Um nach dem Weg, über dem es nichts mehr gibt, zu suchen.

Ferner sehe ich Bodhisattvas,

Die geben Kopf, Augen, Leib und Mark

Glücklich und freudig hin,

Um Buddhas Weisheit zu suchen.

Mañjuśrī!

Ich sehe die Könige alle,

Die sich aufmachen, den Buddha aufzusuchen,

Um nach dem Weg, über dem es nichts mehr gibt, zu fragen.

Das heißt: sie geben ihre hübschen Länder auf,

Ihren Palast, ihre Minister und Konkubinen,

Scheren Bart und Haare

Und legen das Kleid des Gesetzes an.

Ferner sehe ich Bodhisattvas,

Die überdies Mönche werden,

Allein in der Stille weilen

Und sich freuen, Sūtrentexte zu rezitieren.

Ferner sehe ich Bodhisattvas,

Die beherzt und ernst sind.

Sie gehen tief in die Berge

Und denken über den Weg Buddhas nach.

Auch trennen sie sich von Begierden

Und verweilen beständig in der Abgeschiedenheit unter freiem Himmel.

Tief praktizieren sie die Meditation

Und erlangen so die Kraft der fünf übernatürlichen Durchdringungen.80

Ferner sehe ich Bodhisattvas,

Die friedlich in Versenkung weilen,

Mit zusammengelegten Händen;

Mit Tausenden von Zehntausenden von Gāthās

Preisen sie den König aller Gesetze.

Ferner sehe ich Bodhisattvas,

Deren Wissen tief und deren Gesinnung fest ist.

Sie sind fähig, die Buddhas zu fragen

Und können, was sie hören, ganz aufnehmen und festhalten.

Ferner sehe ich Buddha-Söhne,

Die in Meditation und Weisheit vollkommen sind.

Mit unermesslichen Gleichnissen

Legen sie für die Lebewesen das Gesetz dar.

Glücklich und freudig predigen sie das Gesetz.

Sie verwandeln alle Bodhisattvas,

Sie zerschlagen das Heer Māras (des Bösen)81

Und schlagen die Trommel des Gesetzes.

Ferner sehe ich Bodhisattvas,

Die friedlich und schweigend sich in völliger Versenkung befinden

Und die, obwohl sie von Devas und Nāgas geehrt werden,

Dies nicht als Anlass zur Freude sehen.

Ferner sehe ich Bodhisattvas,

Die im Wald weilen und Licht aussenden.

Dies rettet vom Leid der Hölle

Und hilft, auf den Buddha-Weg zu gelangen.

Ferner sehe ich Buddha-Söhne,

Die niemals schlafen,

Im Wald wandeln

Und so eifrig den Buddha-Weg suchen.

Ferner (gibt es solche), die die Moralvorschriften erfüllen,

Ihre würdevolle Rechtschaffenheit ist ohne Fehl,

Sie sind rein wie kostbare Perlen,

Die so den Buddha-Weg erstreben.

Ferner gibt es Buddha-Söhne,

Die in der Kraft der Geduld (auch bei schmachvoller Behandlung) verweilen.

Menschen, die, von Hochmut aufgeblasen,

Sie mit bösen Worten schmähen und schlagen,

Sind sie fähig, geduldig zu ertragen.

So erstreben sie den Buddha-Weg.

Ferner sehe ich Bodhisattvas,

Die sich von den verschiedenen scherzhaften

Und albernen Genossen trennen

Und mit weisen Menschen eine enge Beziehung anknüpfen,

Mit ganzem Herzen die Zerstreuung aufgeben

Und in Berg und Wald den Geist sammeln.

In Tausenden Myriaden von Koṭis von Jahren

Suchen sie den Weg Buddhas.

Oder ich sehe Bodhisattvas,

Die geben Esswaren und Trink- und Essbares

Und hunderterlei von Medikamenten

Als Almosen dem Buddha und den Mönchen.

Der Preis von berühmten Kleidern und Obergewändern

ist tausend und zehntausend;

Oder, sie geben unbezahlbare Gewänder

Dem Buddha und den Mönchen als Almosen.

Tausende Myriaden von Koṭis von Arten

Von kostbaren Gebäuden aus Sandelholz,

Die mit allerlei wunderbaren Liegen ausgestattet sind,

Geben sie Buddha und den Mönchen als Almosen.

Fleckenlos reine Parks,

In denen Blumen und Früchte üppig wachsen und reifen,

Mit sprudelnden Quellen und Badeteichen,

Die geben sie Buddha und den Mönchen als Almosen.

Ich sehe solche, die dergleichen Almosen,

Die mannigfach feinsinnig und wunderbar,

Mit Freuden und ohne Missmut geben

Und den Weg, über dem nichts ist, erstreben.

Oder es gibt auch Bodhisattvas,

Die predigen das Gesetz der Ruhe und des Erloschenseins.

In mannigfacher Weise lehren und verkünden

Sie dieses zahllosen Lebewesen.

Oder ich sehe Bodhisattvas,

Die sehen die Natur aller Daseinselemente (Dharmas)

Nämlich, dass sie nicht zwei Gestalten hat,82

Sondern leer ist.

Ferner sehe ich Buddha-Söhne,

Deren Herz an nichts haftet.

Und mit dieser wunderbaren Einsicht

Erstreben sie den Weg, über dem es nichts mehr gibt. Mañjuśrī!

Ferner gibt es Bodhisattvas,

Die nach dem Erlöschen und Hinübergehen von Buddhas

Deren Gebeine verehren.

Ferner sehe ich Buddha-Söhne,

Die errichten verschiedene Grab-Pagoden,

Unzählige, wie der Sand am Ganges,

Die glänzend deren Reiche schmücken,

Juwelen-Stūpas, deren Höhe wundervoll,

Fünftausend Yojanas,83

Deren Länge und Breite ausgewogen ist,

Zweitausend Yojanas.

Jede einzelne Grabpagode

Hat je tausend Banner und Flaggen.

Es gibt Vorhänge, die mit Perlen bestickt sind,

Kostbare Glöckchen läuten harmonisch.

Alle Devas, Nāgas und Geister,

Menschen und Nicht-Menschen

Verehren sie beständig

Mit Duft, Blumen und Musik.

Mañjuśrī!

Die Buddha-Söhne alle

Schmücken, um die Reliquien zu verehren,

Die Grabpagoden glänzend.

Und die Reiche selbst

Werden so besonders wunderbar und schön.

Es ist, wie wenn der Baum-König des Himmels

Seine Blüten öffnet und voll entfaltet.

Als der Buddha einen einzigen Lichtstrahl aussandte,

Sahen ich und die ganze Versammlung,

Dass diese Reiche

Auf mannigfache Weise besonders wunderbar waren;

Die überirdische Kraft aller Buddhas

Und ihre Weisheit sind einzigartig.

Er entließ einen einzigen reinen Strahl

Und erleuchtete so unermessliche Länder.

Wir sehen diesen

Und erfahren Dinge, die noch nie gewesen.

Sohn Buddhas, Mañjuśrī!

Möchtest du die Zweifel von uns lösen!

Die vierfache Gemeinde, glücklich aufblickend,

Schaut auf dich und auf mich.

Aus welchem Grund hat der in aller Welt Verehrte

Einen solchen hellen Lichtstrahl entsandt?

Sohn Buddhas! Gib jetzt Antwort!

Erfreue uns, indem du die Zweifel löst!

Um welch reicher Zuwendungen willen

Zeigte er diesen hellen Lichtstrahl?

Wünscht der Buddha,

Das Wunderbare Gesetz, das er erlangte,

Als er auf der Terrasse der Erleuchtung saß,

Zu predigen?

Oder gibt er eine Prophezeiung?84

Dass er zeigt, dass alle Buddha-Länder

Kostbar, strahlend und rein sind,

Und dass wir alle Buddhas sehen,

Das ist nicht wegen einer geringen Ursache.

Mañjuśrī, du musst wissen,

Die vierfache Gemeinde, die Nāgas und Geister

Blicken auf dich,

Ob du nun nicht etwas sagst.

Zu dieser Zeit sprach Mañjuśrī zum Bodhisattva Mahāsattva Maitreya und allen großen Meistern:85 »Ihr guten Söhne! Wie ich urteile, wünscht jetzt der Buddha, der in aller Welt Verehrte, das große Gesetz zu predigen, den Regen des großen Gesetzes regnen zu lassen, die Muschel des großen Gesetzes zu blasen, die Trommel des großen Gesetzes zu schlagen und die Bedeutung des großen Gesetzes darzulegen. Ihr guten Söhne alle, als ich bei den vergangenen Buddhas dieses günstige Zeichen sah, dass sie einen solchen Lichtstrahl entsandten, so bedeutete dies, dass sie das große Gesetz predigten. Deshalb muss man wissen: Wenn der Buddha jetzt den Lichtstrahl erscheinen lässt, so zeigt er auf Grund dessen, dass er wünscht, dass man das Gesetz, das in allen Welten schwierig zu glauben ist, zu hören und zu kennen erlangt, dieses besondere Zeichen.

Ihr guten Söhne! In vergangenen, unermesslichen, unbegrenzten, unvorstellbaren Asaṃkhyeya-Kalpas86 gab es einen Buddha, mit Namen Tathāgata87 Candrasūrya-pradīpa (Sonnen-Mond-Lampen-Leuchte), dem Verehrung angemessen, der allerorts das Wahre weiß (von universaler Kenntnis), der vollkommen in einem reinen Wandel der Erkenntnis, der gut hinüberkommt (an das Ufer des Jenseits), der in Bezug auf die Welt frei ist, der unübertreffliche Meister, der Mann, der zu respektieren,88 Meister über Devas und Menschen, ein Buddha, der von aller Welt Verehrte. Er legte dar und predigte das wahre Gesetz, das am Anfang gut ist, in der Mitte gut ist und am Ende gut ist. Dessen Bedeutung, die tief und weitreichend, und dessen Wortlaut, der geschickt und wunderbar, einfach und unzweideutig, sind vollkommen und klar und der Ausdruck von makellosem Wandel.89 Für die, die die Śrāvakaschaft90 erstrebten, predigte er entsprechend das Gesetz der Vier edlen Wahrheiten91 zur Befreiung von Geburt, Alter, Krankheit und Tod und zur Erlangung des Nirwanas; für die, die die Pratyeka-Buddhaschaft erstrebten, predigte er entsprechend das Gesetz der zwölf Nidānas;92 für alle Bodhisattvas predigte er entsprechend die sechs Pāramitās,93 um zu veranlassen, dass sie die höchste vollkommene Erleuchtung (Anuttara-samyak-saṃbodhi) und schließlich das Allwissen erlangen.

Im Folgenden gab es einen Buddha, der auch den Namen Sonnen-Mond-Lampen-Leuchte (Candra-sūrya-pradīpa) hatte, ferner gab es einen Buddha, der wieder den Namen Sonne-Mond-Lampen-Leuchte hatte, und wie diese gab es zwanzigtausend Buddhas; alle trugen denselben Namen: Sonnen-Mond-Lampen-Leuchte (Candrasūrya-pradīpa), ferner denselben Nachnamen Bharadvāja. Maitreya, du musst wissen: Vom ersten bis zum letzten Buddha trugen alle denselben Namen, nämlich Sonnen-Mond-Lampen-Leuchte (Candra-sūrya-pradīpa) und hatten vollständig die zehn Beinamen. Das Gesetz, das sie predigen konnten, war am Anfang, in der Mitte und am Ende gut. Als der letzte der Buddhas sein Haus noch nicht verlassen hatte, hatte er acht Königs-Söhne. Der erste mit Namen ›Starker Sinn‹, der zweite mit Namen ›Guter Sinn‹, der dritte mit Namen ›Unermesslicher Sinn‹, der vierte mit Namen ›Edler Sinn‹, der fünfte mit Namen ›Reifender Sinn‹, der sechste mit Namen ›Zweifelsfreier Sinn‹, der siebte mit Namen ›Offener Sinn für andere‹, der achte mit Namen ›Gesetzes-Sinn‹. Diese acht Königs-Söhne, in würdevoller Tugend souverän, standen jeweils an der Spitze von vier Reichen. Als diese verschiedenen Königs-Söhne hörten, dass der Vater in den hauslosen Stand eingetreten und die höchste vollkommene Erleuchtung erlangt habe, verließen sie alle den Königsthron und traten auch, ihm folgend, in den hauslosen Stand ein und lenkten ihren Sinn auf das Große Fahrzeug (Mahāyāna), praktizierten beständig den Brahmā-Wandel und wurden alle Meister des Gesetzes. Unter Tausenden Myriaden von Buddhas hatten sie bereits vielfache gute Grundlagen gelegt.

Zu dieser Zeit predigte der Buddha Candra-sūrya-pradīpa das Sūtra des Großen Fahrzeugs mit dem Namen ›Unermessliche Bedeutung‹, das das Gesetz der Bodhisattvas lehrt und das die Buddhas behüten und bedenken.

Nachdem er dieses Sūtra gepredigt hatte, saß er inmitten der großen Gemeinde mit gekreuzten Beinen und ging in die Versenkung (samādhi) ›Unermessliche Bedeutung‹ ein. Körper und Geist bewegten sich nicht. Da ließen die Devas vom Himmel Mandārava-Blumen, große Mandārava-Blumen und große Mañjuṣaka-Blumen regnen und zerstreuten sie über Buddha und die vielfache große Gemeinde, und alle Buddha-Welten erbebten in sechsfacher Weise. Es freuten sich in der Schar die Mönche und Nonnen, Laienanhänger und Laienanhängerinnen, Devas, Nāgas, Yakṣas, Gandharvas, Asuras, Garuḍas, Kiṃnaras, Mahoragas, Menschen und Nicht-Menschen und die verschiedenen kleinen Könige und die raddrehenden heiligen Könige, diese ganze große Gemeinde, dass sie etwas erfuhren, was noch nie dagewesen, und mit zusammengelegten Handflächen schauten sie eines Herzens zu Buddha auf.

Zu dieser Zeit entsandte der Tathāgata einen Lichtstrahl aus dem Kreis weißer Haare zwischen den Augenbrauen, und als er im Osten die achtzehntausend Buddha-Länder erleuchtete, erstreckte sich dieser (Strahl) überallhin, so wie jetzt die verschiedenen Buddha-Länder gesehen werden können. Maitreya, wisse! Zu dieser Zeit waren in der Versammlung zwanzig Koṭis von Bodhisattvas, die freudig wünschten, das Gesetz zu hören. Als diese verschiedenen Bodhisattvas sahen, dass dieser Lichtstrahl weit und breit die Buddha-Länder erleuchtete und sie etwas erfuhren, was noch nie gewesen, wünschten sie die Ursache dieses Strahls zu wissen.

Damals gab es einen Bodhisattva mit Namen Varaprabha (Wunderbares Licht). Er hatte achthundert Schüler. Als nun der Buddha Candra-sūrya-pradīpa aus der Versenkung emporkam, predigte er für den Bodhisattva Varaprabha das Sūtra des Großen Fahrzeugs, das man als ›Lotosblume des wunderbaren Gesetzes‹ bezeichnet, das den Bodhisattva-Weg lehrt und das die Buddhas hüten und bedenken. Sechzig kleine Kalpas erhob er sich nicht vom Sitz. Auch die Zuhörer der damaligen Versammlung saßen an ein und demselben Platz, und sechzig kleine Kalpas lang bewegten sich deren Körper und Geist nicht. Die Zeit, in der sie hörten, wie Buddha predigte, erschien ihnen von der Dauer eines Mahles. Während dieser Zeit gab es in der Versammlung keinen einzigen Menschen, der – sei es körperlich oder geistig – unaufmerksam oder (der Predigt) überdrüssig geworden wäre.

Als der Buddha Candra-sūrya-pradīpa (Sonnen-Mond-Lampen-Leuchte) während sechzig kleiner Kalpas dieses Sūtra gepredigt hatte, wandte er sich an Brahmā,94 Māra, die Śramaṇas,95 Brahmanen,96 die Devas (Götter), Menschen und Asuras in der Versammlung und sprach: ›An diesem Tage, um Mitternacht, will der Tathā-gata in das Nirwana, das frei von Spuren (des Karma des Leidens) ist,97 eingehen.‹ Damals gab es einen Bodhisattva mit Namen Śrigarbha (Tugendschatz). Der Buddha Candra-sūrya-pradīpa machte diesem eine Prophezeiung und verkündete sie allen Mönchen: Dieser Bodhisattva ›Tugendschatz‹ soll im Folgenden Buddha werden. Sein Name wird sein Tathāgata Vimala-kāya (Reiner Körper), Arhat, Samyaksambuddha. Als der Buddha diese Prophezeiung gegeben hatte, ging er um Mitternacht in das Nirwana, das frei von Spuren (des Karma des Leidens) ist, ein. Als der Buddha erloschen und hinübergegangen war, legte der Bodhisattva Varaprabha (Wunderbares Licht), der das Sūtra vom Lotos des wunderbaren Gesetzes (im Gedächtnis) behalten hatte, während voller kleiner achtzig Kalpas für die Menschen dieses dar und predigte es. Die acht Söhne des Buddha Candra-sūrya-pradīpa hatten alle als Meister den Varaprabha. Varaprabha lehrte und verwandelte sie und bewirkte, dass sie in der vollkommenen Erleuchtung gefestigt und unbeirrbar wurden. Als diese Königs-Söhne unermessliche Hunderte von Tausenden von Zehntausenden von Hunderttausenden Koṭis von Buddhas verehrt hatten, erfüllten sie alle den Buddha-Weg. Der letzte, der Buddha geworden war, hatte den Namen Dīpaṃkara (Brennende Lampe). Er hatte achthundert Schüler, einen unter ihnen mit Namen Yaśaskāma (Streber nach Ruhm). Gierig haftete er daran, seinen Vorteil zu mehren; obwohl er wiederholt eine Menge Sūtren las und rezitierte, durchdrang er sie doch nicht, und viele waren es, die er vergaß. Auf Grund dessen hatte er den Namen »Streber nach Ruhm«, Yaśaskāma. Auch dieser Mensch war auf Grund dessen, dass er mannigfache gute Wurzeln gepflanzt hatte, fähig, mit den unermesslichen Hunderten von Tausenden von Zehntausenden von Hunderttausenden Koṭis von Buddhas zusammenzutreffen, er verehrte und ehrte sie, pries und lobte sie. Wisse, Maitreya! War der damalige Bodhisattva Varaprabha eine andere Person? Nein! Ich selbst hier bin es. Der Bodhisattva Vaśaskāma (Ruhm-Streber) bist du selbst. Jetzt, wo ich dieses besondere Zeichen sehe, (erkenne ich,) dass es von dem ursprünglichen nicht verschieden ist. Auf Grund dessen urteile ich, dass der Tathāgata an diesem Tag das Sūtra des Großen Fahrzeugs lehren wird, das ›Sūtra von der Lotosblume des wunderbaren Gesetzes‹ genannt ist, das Gesetz, das die Bodhisattvas lehrt und das die Buddhas hüten und bedenken. «

Zu dieser Zeit wünschte Mañjuśrī in der großen Versammlung nochmals diese Bedeutung darzulegen, er lehrte die Gāthās und sprach:

Ich erinnere mich an eine vergangene Epoche,

Vor unermesslichen, unzähligen Kalpas,

Da gab es einen Buddha,

Geehrt unter den Menschen,

Mit dem Namen Candra-sūrya-pradīpa (Sonnen-Mond-Lampen-Leuchte).

Der in aller Welt Verehrte legte dar und predigte das Gesetz

Und befreite unermessliche Lebewesen.

Unzählige Koṭis von Bodhisattvas

Veranlasste er, in die Buddha-Weisheit einzugehen.

Als der Buddha noch nicht das Haus verlassen hatte,

Hatte er acht Königs-Söhne gezeugt.

Als diese sahen, dass der große Heilige das Haus verließ,

Folgten sie ihm auch und praktizierten den Brahmā-Wandel.

Zu dieser Zeit setzte der Buddha das Sūtra des Großen Fahrzeugs,

Das man als »Unermessliche Bedeutung« bezeichnet,

Inmitten der mannigfaltigen großen Schar

Für diese ausführlich auseinander.

Als der Buddha dieses Sūtra gepredigt hatte,

Saß er in dem Gesetzes-Sitz

Mit gekreuzten Beinen in der Versenkung (Samādhi),

Die man den »Zustand der unermesslichen Bedeutung« nennt.

Vom Himmel herunter ließ man Mandārava-Blumen regnen,

Die Himmelstrommeln erklangen unmittelbar,

Und die verschiedenen Devas, Nāgas, Geister und Götter

Brachten dem unter den Menschen Verehrten Huldigung dar.

Die vielerlei Buddha-Länder alle

Erbebten zu dieser Zeit heftig.

Der Buddha entsandte einen Lichtstrahl aus der Mitte zwischen den

Augenbrauen

Und zeigte mannigfache, besondere Dinge.

Dieser Strahl ließ im Osten

Die achtzehntausend Buddha-Länder erstrahlen,

Von allen Lebewesen

Zeigte er den Zustand des Karma und die Vergeltung in Leben und Tod.

Sämtliche Buddha-Länder

Waren mit jeglicher Art von Juwelen majestätisch geschmückt.

Man sah die Farben von Lapislazuli und Kristall

Dadurch, dass dieser Buddha den Lichtstrahl leuchten ließ.

Und man sah, dass die verschiedenen Devas (Götter) und Menschen,

Nāgas, Geister und Yakṣas alle,

Die Gandharvas, Kiṃnaras,

Jeder diesem Buddha Verehrung darbrachte.

Auch vollendeten die verschiedenen Tathāgatas

Von selbst den Buddha-Weg.

Ihr Körper war wie ein Berg von goldener Farbe,

In ihrer herrlichen Majestät waren sie äußerst feinsinnig und wunderbar.

Wie wenn man inmitten von reinem Lapislazuli

Eine Gestalt aus reinem Gold sieht,

So legte der in aller Welt Verehrte inmitten der großen Schar

Die Bedeutung des tiefen Gesetzes dar.

In all den jeweiligen Buddha-Ländern

War die Schar der Śrāvakas unzählbar.

Auf Grund dessen, dass der Buddha diesen Strahl leuchten ließ,

Konnte man jene große Schar insgesamt sehen.

Ferner gab es Mönche, die sich in Berg und Wald befanden,

Mit Eifer voranschritten und die reinen Bestimmungen hielten,

Als ob sie eine hell glänzende Perle hüteten.

Ferner sah man alle Bodhisattvas,

Die die Mildtätigkeit (dāna) und Geduld (auch bei Schmach, kṣānti) praktizierten,

Und ihre Zahl war wie der Sand am Ganges.

Dies war, weil der Buddha den Lichtstrahl leuchten ließ.

Ferner sah man alle Bodhisattvas,

Die tief in verschiedene Meditationsweisen eingedrungen waren.

Ihr Körper und Geist waren ruhig und bewegten sich nicht.

Auf diese Weise erstrebten sie, den Weg zu erlangen, über dem es nichts mehr gibt.

Ferner sah man verschiedene Bodhisattvas,

Die die Gestalt des Erlöschens der Daseinselemente kannten.

Jeder predigte in seinem Reich

Das Gesetz und erstrebte den Buddha-Weg.

Zu dieser Zeit, als die Mitglieder der vierfachen Gemeinde sahen,

Dass der Buddha Candra-sūrya-pradīpa

Die große, überirdisch durchdringende Kraft zeigte,

Waren sie in ihrem Herzen alle hocherfreut,

Und sie fragten einander von sich aus:

»Aus welchem Grund geschehen diese Dinge?«

Der, dem von Göttern und Menschen Verehrung dargebracht wird,

Kam bald aus der Versenkung empor.

Er pries den Bodhisattva Varaprabha:

»Du bist das Auge dieser Welt,

Alle wenden sich dir im Glauben zu,

Du bist fähig, den Schatz (Korb) des Gesetzes festzuhalten.

Ein Gesetz, wie ich es gepredigt habe,

Bist nur du allein fähig zu bezeugen und zu wissen.«

Als der in aller Welt Verehrte ihn belobigt hatte

Und in Varaprabha Freude hervorgerufen hatte,

Predigte er dieses Sūtra von der Lotosblüte des Gesetzes.

Volle sechzig kleine Kalpas

Erhob er sich nicht aus diesem Sitz.

Das höchste, wunderbare Gesetz,

Das er so gepredigt hatte,

War dieser Gesetzesmeister Varabrabha fähig,

Ganz aufzunehmen und festzuhalten (im Gedächtnis).

Als der Buddha diese Blüte des Gesetzes gepredigt

Und in der Schar Freude erweckt hatte,

Verkündete er schließlich an diesem Tag

Der Schar von Göttern und Menschen:

»Die Bedeutung der wahren Gestalt aller Gesetze

Ist euch gepredigt worden.

Ich muss jetzt um Mitternacht

In das Nirwana eingehen.

Ihr müsst, mit ganzem Herzen vorwärtsstrebend,

Euch trennen von Laschheit und Müßigkeit.

Den Buddhas allen zu begegnen, ist äußerst schwer.

In Koṭis von Kalpas trifft man nur einen von ihnen.«

Als alle Söhne des in der Welt Verehrten hörten,

Dass er (Buddha) ins Nirwana eingehe,

Fühlte ein jeder Trauer und Kummer:

»Dass der Buddha erlischt, wie plötzlich ist das!« (dachten sie).

Der heilige Herr, der König des Gesetzes,

Tröstete die unermessliche Schar:

»Wenn ich erloschen und hinübergegangen bin,

Müsst ihr nicht traurig und bekümmert sein!

Dieser Bodhisattva Śrīgarbha

Hat erlangt, dass er ohne Befleckung und mit wahrer Gestalt

Im Herzen bereits (zur Erkenntnis) durchgedrungen ist.

Im Folgenden wird er Buddha werden.

Sein Name wird sein Vimalakāya (Reiner Körper).

Auch er wird unermesslich viele Lebewesen befreien.«

Als der Buddha in der Nacht erlosch und hinüberging,

War es, wie wenn, sobald das Brennholz verbraucht ist, das Feuer erlischt.

Man verteilte seine Reliquien

Und errichtete unermessliche Stūpas.

Mönche und Nonnen,

Zahlreich wie der Sand am Ganges,

Verdoppelten ihren Eifer,

Um den Weg, über dem es nichts gibt, zu erstreben.

Dieser Varaprabha, der Gesetzesmeister,

Der den Korb des Gesetzes Buddhas festhielt,

Verkündete während achtzig kleiner Kalpas

Weithin das Sūtra von der Lotosblüte des Gesetzes;

Die betreffenden acht Königs-Söhne

Wurden durch Varaprabha (im Sinn) geöffnet und verwandelt.

Fest und unbeirrbar auf dem Weg

Konnten sie die zahllosen Buddhas sehen.

Als sie die Buddhas alle verehrt hatten,

Folgten sie ihnen nach und wandelten den großen Weg.

Dass sie Folgendes erlangten – Buddhas zu werden –,

Das wurde ihnen nacheinander prophezeit.

Der letzte, ein Deva unter den Devas,98

Hatte den Namen Buddha »Brennende Lampe«.99

Er, der Führer und Meister aller Asketen,100

Befreite und rettete eine unermessliche Schar.

Der Gesetzesmeister Varaprabha, nun,

Hatte zu der Zeit einen Schüler,

Der beständig im Geiste müßig und nachlässig war

Und nach Ruhm und Vorteil gierte.

Er wurde nicht müde, nach Ruhm und Vorteil zu streben,

Und vergnügte sich in vielen bekannten Familien.

Er gab das, was er gelernt und rezitiert hatte, auf,

Vergaß alles und durchdrang nichts.

Auf Grund dieser Dinge nannte man ihn

Streber nach Ruhm.

Sogar er, der dann verschiedene gute Werke vollbrachte,

Erlangte es, die zahllosen Buddhas zu sehen,

Er verehrte die Buddhas alle,

Folgte ihnen und wandelte auf dem großen Weg.

Er vollendete die sechs Vollkommenheiten

Und sah jetzt den Löwengleichen der Śākyas.

Später wird er Buddha werden

Und den Namen Maitreya haben,

Weithin wird er die verschiedenen Lebewesen befreien,

Und deren Zahl kann nicht ermessen werden.

Derjenige, der nach dem Erlöschen und Hinübergehen jenes Buddha

Müßig und nachlässig war, das warst du.

Der Gesetzesmeister Varaprabha,

Das war ich selbst hier.

Nachdem ich den Buddha Lampen-Leuchte101 gesehen habe

Und ein ursprüngliches Lichtzeichen wie dieses,

So weiß ich durch dieses, dass der jetzige Buddha

Wünscht, das Sūtra vom Lotos-Gesetz zu predigen.

Das jetzige Zeichen ist wie das ursprüngliche Omen

Und das geschickte Mittel aller Buddhas.

Dass der jetzige Buddha einen Lichtstrahl entsandt hat,

Das ist, weil er die Bedeutung der wahren Gestalt (Wirklichkeit) herausstellen will.

Ihr Menschen alle, müsst dies jetzt wissen!

Mit zusammengelegten Handflächen eines Herzens sollt ihr warten!

Der Buddha lässt den Gesetzes-Regen regnen

Und will zufriedenstellen alle die, die den Weg suchen.

Wenn die Menschen, die nach den drei Fahrzeugen streben,

Zweifel und Bedauern in sich tragen.

So wird der Buddha sie sicher davon befreien,

So dass kein Rest davon bleibt.

Kapitel II: Geschicklichkeit102

Zu dieser Zeit kam der in aller Welt Verehrte ruhig und klar aus seiner Versenkung empor und wandte sich an Śāriputra: »Die Weisheit aller Buddhas ist sehr tief und unermesslich. Die Lehre dieser Weisheit ist schwer zu begreifen, und es ist schwer, in sie einzudringen. Alle Śrāvakas und Pratyeka-Buddhas können sie nicht begreifen. Warum ist es so? Ein Buddha ist seit langer Zeit in enger Verbindung mit Hunderten von Tausenden von Zehntausenden von Hunderttausenden, all den unzähligen Buddhas, praktiziert bis zum letzten die unermesslichen Weg-Gesetze aller Buddhas. Mutig voranschreitend verkündet er deren Namen, dass sie allgemein gehört werden, und vollendet das äußerst tiefe Gesetz, das noch nicht dagewesen. Entsprechend der passenden Weise lehrt er das, dessen Sinn zu begreifen schwierig ist. Śāriputra, seitdem ich Buddha geworden bin, lege ich anhand mannigfaltiger Ursachen und Wirkungen (Karmas) und mannigfaltiger Gleichnisse die Lehre weithin dar, mit unzähligen geschickten Mitteln führe ich die Menschen und veranlasse sie, sich von den verschiedenerlei Dingen, denen sie verhaftet sind, abzutrennen. Warum ist es so? Die Tathāgatas sind in den geschickten Mitteln und in der vollkommenen Tugend (Pāramitā) der Weisheit vollendet. Śāriputra, die Weisheit des Tathāgata ist weit und groß, tief und weitreichend, unermesslich und kennt kein Hindernis. Kraft,103 Furchtlosigkeit,104 Versenkung,105 Befreiung106 und Meditation reichen tief bis ins Unbegrenzte. Er hat die Gesetze (Dharmas), die zu erfüllen man bisher nicht vermochte, erfüllt. Śāriputra, der Tathāgata ist fähig, das Vielfältige zu unterscheiden, und er predigt geschickt alle Gesetze (Dharmas). Mit seinen Worten, die sanft und leicht, erfreut er das Herz von allen. Śāriputra, um das Wesentliche zu sagen: Die unermesslichen, unbegrenzten Gesetze (Dharmas), die zu erfüllen man bisher nicht vermochte, hat Buddha alle erfüllt. Genug, Śāriputra, wir müssen nicht weitersprechen! Warum ist es so? Das Gesetz, das Buddha vollendet hat, ist das höchste Gesetz, das noch nie dagewesen und das schwierig zu verstehen ist. Nur ein Buddha mit einem Buddha zusammen kann diese erschöpfen: die wahre Natur aller Gesetze (Dharmas),107 d.h. aller Gesetze (Dharmas) Erscheinung wie sie ist, Natur wie sie ist, Substanz wie sie ist, Kraft wie sie ist, Funktion wie sie ist, Ursache wie sie ist, Bedingungen wie sie sind, Frucht wie sie ist, Vergeltung wie sie ist, Folgerichtigkeit von Anfang bis zum Ende wie sie ist.

Zu dieser Zeit wünschte der in aller Welt Verehrte, die Bedeutung noch einmal darzulegen, und er sprach die Gāthās:

Die Helden in der Welt können nicht gezählt werden

Durch alle Götter und die Menschen der Welt.

Die Reihe aller Lebewesen

Ist nicht so, dass sie die Buddhas kennen können.

Die Kraft Buddhas, der nichts fürchtet,

Alle Samādhis der Befreiung

Und alle übrigen Gesetze Buddhas

Kann niemand ermessen.

Von allem Ursprung folgte ich den zahllosen Buddhas,

In Vollkommenheit wandelte ich alle Wege

Des äußerst tiefen, feinsinnigen und wunderbaren Gesetzes,

Das schwierig wahrzunehmen und zu erfüllen.

Während unermesslicher Koṭis von Kalpas

Wandelte ich auf allen diesen Wegen,

Auf dem Platz der Erleuchtung erlangte ich die Vollendung der

Frucht.

Und nun sah und erkannte ich alles,

Die große Frucht und Vergeltung, wie sie ist,

Die Bedeutung von den mannigfaltigen Wesen und Formen.

Ich und die Buddhas der zehn Richtungen

Können diese Fakten wissen.

Dieses Gesetz, es kann nicht gezeigt werden.

Die Gestalt der Worte verschwindet.

Die Reihe aller übrigen Lebewesen,

Sie kann es nicht zu begreifen erlangen,

Ausgenommen die Schar aller übrigen Bodhisattvas,

Die fest ist in der Glaubenskraft.

Alle Buddha-Schüler,

Die seit alter Zeit alle Buddhas verehren,

Die ihre Befleckungen bereits erschöpfen

Und die sich in ihrer letzten körperlichen Existenz befinden,

Alle Menschen wie diese: deren Kraft reicht nicht aus.

Wenn zum Beispiel die Welt voll wäre

Von Menschen wie Śāriputra: