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»Sie haben dir nicht die Liebe geschenkt, die du verdient hast. Aber noch ist es nicht zu spät.« **Auf immer gehört dir mein Herz** Dante Hawk ist nicht das, was er zu sein scheint. Einen winzigen Moment lang war Amanda sich ganz sicher gewesen, ihm endlich voll und ganz vertrauen zu können. Doch er scheint viel tiefer in die grausamen Machenschaften der »Delta Psi«-Studentenvereinigung verstrickt zu sein, als sie für möglich gehalten hätte. Aber nicht nur Amandas Herz tappt in eine Falle, sondern auch das von Dante. Nun muss er sich entscheiden – für die Liebe oder für seine Freunde. »Dieses Buch hat absolut fünf Sterne verdient, und wenn es mehr zu vergeben gäbe, dann würde ich noch fünf weitere geben.« Weitere Leserstimmen zur Reihe: »Love it!« »Ich bin dermaßen sprachlos und berührt.« »Einfach genial.« »Ein wahrer Geniestreich.« »Emotionsgeladen und Spannung pur!« »Ich liebe jede Zeile!« //Dies ist der vierte Band der gefühlvollen New Adult Romance von Lana Rotaru. Alle Bände der »Crushed Trust«-Reihe bei Impress: -- Kiss Me Never (Band 1) -- Hold Me Tonight (Band 2) -- Save Me Now (Band 3) -- Love Me Forever (Band 4)// Die »Crushed Trust«-Reihe ist eine überarbeitete Neuauflage von Lana Rotarus Reihe »Never and Forever«. Diese Reihe ist abgeschlossen.
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Impress
Die Macht der Gefühle
Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.
Wer nach Geschichten zum Mitverlieben in den beliebten Genres Romantasy, Coming-of-Age oder New Adult Romance sucht, ist bei uns genau richtig. Mit viel Gefühl, bittersüßer Stimmung und starken Heldinnen entführen wir unsere Leser*innen in die grenzenlosen Weiten fesselnder Buchwelten.
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Lana Rotaru
Love Me Forever (Crushed-Trust-Reihe 4)
**Auf immer gehört dir mein Herz**Dante Hawk ist nicht das, was er zu sein scheint. Einen winzigen Moment lang war Amanda sich ganz sicher gewesen, ihm endlich voll und ganz vertrauen zu können. Doch er scheint viel tiefer in die grausamen Machenschaften der »Delta Psi«-Studentenvereinigung verstrickt zu sein, als sie für möglich gehalten hätte. Aber nicht nur Amandas Herz tappt in eine Falle, sondern auch das von Dante. Nun muss er sich entscheiden – für die Liebe oder für seine Freunde.
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Vita
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Lana Rotaru lebt zur Zeit mit ihrem Ehemann in Aachen. Der Lesewahnsinn begann bei ihr bereits in früher Jugend, die sie Stunde um Stunde in einer öffentlichen Leihbibliothek verbrachte. Nun füllen Hunderte von Büchern und E-Books ihre Wohnzimmer- und E-Reader-Regale und ein Ende ist nicht in Sicht. Eine Lesepause legt sie nur ein, wenn sie gerade selbst an einem neuen Roman schreibt.
Dieses Buch ist dir gewidmet. Weil du unsere Geschichte ebenso sehr liebst wie wir.
Das Leben verlief selten so, wie man es sich wünschte. Man gewann nicht automatisch im Lotto, nur weil man es wollte, und man wurde nicht einfach befördert, nur weil man dem Chef ein paar Mal freundlich zulächelte. Vor allem jedoch konnte man nicht einfach losrennen und Arschlöchern ungestraft den Schädel einschlagen, nur weil man nach wochenlanger Suche endlich einen Beweis dafür gefunden hatte, dass sie mit der Entführung der kleinen Schwester des besten Freundes zu tun hatten. Dabei war es genau dieser Impuls, der wie glühende Lava durch meine Adern floss, während ich gemeinsam mit meiner Freundin Amanda und meinen Kumpels Van, Bill und Liz in meinem Wohnheimzimmer saß. Bill, den ich liebevoll Struppi nannte, hatte uns mit Amandas Hilfe das fehlende Puzzlestück geliefert, dass es tatsächlich Jack Blackthrone war, der seine Finger bei Jennys Entführung im Spiel hatte.
Während ich noch unter Schock stand und darüber nachdachte, wie ich auf diese Wendung reagieren sollte, hatte Liz bereits eine Entscheidung getroffen. Wie ein Kesselflicker spie sie Flüche und Verwünschungen aus, die selbst mir neu waren.
»Warum ist dir das nicht früher aufgefallen, Bill?« Van schlug mit seiner Faust auf den kleinen Nachttisch neben dem Bett, sodass das Holz erschütterte. Sein Blick war auf Bill gerichtet, der bei dem Geräusch zusammengezuckt war, als erwarte er, der nächste Schlag würde ihm gelten.
»Ich, na ja, also, weil …« Bills Körper bebte, als würde er jeden Moment einen Herzkasper erleiden.
Mit beiden Handflächen fuhr ich mir seufzend über das Gesicht. Bill hatte schon immer Angst vor Van und seinem Temperament gehabt. Das war auch der Grund, weshalb er sich nie getraut hatte Jenny nach einem Date zu fragen.
»Schon gut, Struppi. Es ist nicht deine Schuld«, kam ich Vans nächstem Ausbruch zuvor. So wie er aussah, spielte er mit dem Gedanken, Bill eigenhändig zu erwürgen.
»Was?« Van riss seinen Kopf in meine Richtung und blickte mich an, als hätte ich soeben offenbart mit Jack gemeinsame Sache zu machen. »Natürlich ist es seine Schuld! Er hätte diese Verbindung viel früher erkennen müssen!« Mit vor Wut bebendem Körper wandte sich Van wieder an Bill. »Wir hätten Jenny schon lä…«
»Nein, V! Bill kann nichts dafür«, unterbrach ich meinen Kumpel, ehe er einen Schaden anrichtete, den wir womöglich niemals beheben konnten. »Ebenso wenig wie du, Liz oder ich! Verdammt, gib ihm nicht die Schuld, nur weil du einen Sündenbock brauchst!« Ich ballte meine Hände zu Fäusten. Die Situation war für keinen von uns leicht, aber das gab Van noch lange nicht das Recht, seinen angestauten Frust an Bill auszulassen.
Erneut schnellte Vans Kopf in meine Richtung. Doch diesmal folgte ihm sein gesamter Körper und ehe ich michs versah, stand Van vor mir. Seine Pranken hatte er zu Abrissbirnen geballt, seine kleinen, dunklen Augen verengt und den gehetzten Schlagrhythmus seines Pulses konnte ich an der pochenden Vene an seiner linken Schläfe erkennen.
»Gut zu wissen, auf welcher Seite du stehst, Bruder! Offenbar ist dir Jenny doch nicht so wichtig, wie du ständig behauptet hast!« Mit jedem Wort kam Van näher, bis seine Knie meine berührten und er sich einschüchternd zu mir herunterbeugte.
Mich beeindruckte diese Show kein bisschen, aber Amanda schien das Ganze nicht so locker hinzunehmen. Mit einem leisen Schluchzen robbte sie rückwärts über die Matratze, bis sie in der hintersten Ecke des Bettes Schutz fand. Dabei ließ sie Van nicht eine Sekunde aus den Augen.
Alter?! Was soll das?!
Fassungslos blickte ich zwischen Van und Amanda hin und her. Es war eine Sache, einen anderen Kerl so anzufahren, aber Amanda zu verängstigen, nachdem sie bereits diesen Mist mit Jack hatte durchmachen müssen, ging definitiv zu weit!
In einer ruckartigen Bewegung erhob ich mich und presste meinen Oberkörper gegen Vans. Er war vielleicht ein paar Zentimeter größer als ich und besaß eine breitere Statur, aber das war mir egal. Ich hatte mich noch nie vor einer Auseinandersetzung gedrückt und würde jetzt auch nicht damit anfangen. Außerdem kannte ich Van. Ich wusste, seine provozierende Aggressivität beruhte einzig und allein auf Gedanken und Emotionen, die er im Augenblick nicht richtig zuordnen konnte. Und nun versuchte er diese Überforderung mit einem vertrauten Ventil zu kompensieren. Seinen Fäusten.
»Beruhige dich, Van, oder lass uns vor die Tür gehen. Wir klären das nicht vor den anderen!« Um meine Aussage zu unterstreichen, legte ich meinem besten Freund die Hände auf die Schultern.
»Du willst vor die Tür gehen? Wozu? Um dich mit mir zu prügeln?« Ein lautes, bellendes Lachen ertönte. »Willst du deiner Freundin beweisen, dass du dicke Eier hast? Dass du für die Schwachen einstehst?!« Vans Gesicht war so dicht vor meinem, dass sein heißer, hektischer Atem meine Haut streifte. In diesem Stadium erinnerte er mich an einen wild gewordenen Stier. »Du bist ein Heuchler, Hawk! Ständig predigst du von Familie und Zusammenhalt, denkst dabei aber nur mit deinem Schwanz! Jenny ist dir völlig latte! Seit Wochen bist du nicht mehr bei der Sache!«
Jedes seiner Worte war wie ein Boxhieb in den Magen, aber ich blockte die Vorwürfe ab, verbannte sie aus meinem Kopf.
Van wollte mich provozieren.
Er wollte, dass ich die Kontrolle verlor und mich meinen Emotionen hingab. Ebenso wie er es gerade tat.
Aber ich musste einen kühlen Kopf bewahren, um meinem Freund zu helfen.
Tut mir leid, V, das tue ich jetzt nur für dich!
Vor Spott triefend lachte ich Van ins Gesicht. »Du nennst mich einen Heuchler, der nur mit seinem Schwanz denkt?! Jenny ist mir egal und ich bin nicht mehr bei der Sache?! Das sagt der Richtige! Liz und du, ihr habt eure Augenringe sicherlich nicht davon, dass ihr jede Nacht gemeinsam über irgendwelchen Akten brütet und nach Jenny sucht! Aber hey, wenn du unbedingt einen Sündenbock brauchst, dem du die Schuld für Jennys Verschwinden geben kannst, dann nimm doch denjenigen, der tatsächlich daran schuld ist. Oder hast du nur Muskeln und keinen Arsch in der Hose?« Ich erwiderte Vans glühenden Blick, ohne mit der Wimper zu zucken, und setzte zum verbalen Todesstoß an. »Sag es, Van! Sprich aus, was wir alle bereits seit Monaten denken. Oder willst du es lieber von mir hören? Fein! Dann spitz mal die Ohren, Kumpel: Jenny wurde deinetwegen entführt! Du bist schuld, dass deine Schwester verschwunden ist. Und weil du mit dieser Last nicht klarkommst, machst du andere fertig!«
»Dante!« Amandas schrille, ängstliche Stimme drang an mein Ohr, aber ich ignorierte sie. Jetzt musste ich mich völlig auf Van konzentrieren. Dabei hoffte ich, dass Amanda nicht so dumm war und auf die Idee kam, sich einzumischen.
Vertrau mir, Amy Rose! Ich weiß, was ich tue!
Ohne auf Amandas Ruf zu reagieren oder meinen Blick von Van zu wenden, der mich mit einer Mischung aus Schmerz und einem Maß an Wut anstarrte, das alle bisher gekannten Grenzen sprengte, sprach ich ungerührt weiter. »Ich wollte von Anfang an nicht, dass Jenny mit auf Jacks Party kommt! Ich wollte allein dorthin, um mit Amanda zu reden! Aber nein, du musstest ja die ganze Truppe mitnehmen. Und als wäre das noch nicht dämlich genug gewesen, hast du dich auch noch von deiner kleinen Schwester um den Finger wickeln lassen! Denn du hast Jenny immer alles durchgehen lassen! Und weißt du wieso? Weil du dich wegen Fabi und Flo schuldig fühlst! Und weil du dich wegen Drew schuldig fühlst!«
Der Ausdruck in Vans Augen änderte sich. Die Wut schwand und hinterließ nichts als brennenden Schmerz. Eine unbändige Qual voller Selbsthass.
Er verzog seine Lippen zu einem wilden Fletschen. Van hatte ein Stadium erreicht, in dem er nicht mehr nachdachte, sondern nur noch agierte. Man konnte förmlich sehen, wie sich der Schleier blinden Grolls um seine Gehirnwindungen legte und den Teil seines Selbst verdeckte, das noch wusste, wer vor ihm stand.
In diesem Zustand würde Van alles und jeden töten, der das Pech hatte, unter seine Fäuste zu kommen. Und im Augenblick war ich derjenige, den er im Visier hatte.
***
Wenn man fast zehn Jahre lang miteinander befreundet war, wusste man, wie der andere tickte. Man kannte die Macken und Gedankengänge des anderen. Diesem Umstand hatte ich es zu verdanken, dass ich Vans Angriff erahnte, noch bevor er ihn ausführte. Dies wiederum verschaffte mir den kleinen Vorteil, den ich dringend benötigte, um die tickende Zeitbombe vor mir zu entschärfen.
Vans rechte Faust raste auf meinen Kiefer zu, doch ich konnte meinen Oberkörper gerade noch rechtzeitig nach hinten biegen, um seinem Schlag auszuweichen. Gleichzeitig packte ich mit beiden Händen seinen Arm und riss diesen herum. Van schrie überrascht auf, als seine Schulter unangenehm knackte und sein Arm bewegungsunfähig auf seinem Rücken lag.
Ich nutzte die kurze Ablenkung, um meinen Freund in Richtung Zimmertür zu drehen.
Van schrie, fluchte und versuchte sich zu befreien, während ich ordentlich Mühe hatte, ihn zu bändigen. Aber ich musste es schaffen. Wenn ich jetzt die Kontrolle über die Situation verlor, würde Vans Ausbruch ein Ausmaß an Verwüstung hinterlassen, das außerhalb meiner Vorstellungskraft lag.
Schritt für Schritt gelang es mir, den zappelnden Glatzkopf zur Tür zu bugsieren. Gleichzeitig betete ich dafür, dass sich gerade niemand auf dem Flur befand.
»Dante! Was hast du vor? Nein! Bleibt hier!« Amandas Stimme klang weinerlich. Belegt. Zu gerne hätte ich sie beruhigt und ihr gesagt, dass ich alles unter Kontrolle hatte. Aber ehrlich gesagt war ich mir dessen im Moment selbst nicht mehr sicher. So hatte sogar ich meinen Kumpel noch nicht erlebt.
»Amanda! Lass sie! Dan weiß, was er tut!« Liz zischte ihre Worte, trotzdem hatte ich sie gehört und dankte ihr im Stillen. Sie würde Amanda davon abhalten, uns zu folgen. Denn meine Freundin war wirklich die letzte Person, die ich jetzt in Vans Nähe haben wollte.
Mit einigem Kraftaufwand gelang es mir, die Tür aufzustoßen, Van und mich auf den Flur zu bugsieren und das Holz mit meinem Fuß wieder zu schließen, während ich Van von mir stieß.
Wir hatten tatsächlich Glück und der Flur lag verlassen da. Ich konnte nur hoffen, dass es so blieb und keine Schaulustigen ihre Köpfe aus den Zimmern steckten, wenn sie uns hörten. Unter normalen Umständen war ich ein Verfechter von Zivilcourage, aber in diesem Moment würden sie nur ihr eigenes Todesurteil unterschreiben.
Van stolperte ein paar Schritte von mir weg, drehte sich aber sofort wutschnaubend zu mir herum, als er sein Gleichgewicht wiederfand.
»Du beschissenes Arschloch!« Sein Atem ging hektisch und seine Lippen waren zu einer schmalen Linie zusammengepresst. »Du spielst dich hier als großer Held und Freund auf, dabei hast du keine Ahnung! Nicht deine Schwestern wurden entführt! Du weißt nicht, was dieser Verlust für meine Familie bedeutet!« Van lief auf mich zu, seine Fäuste auf Angriffshöhe gehoben.
Ich wich nicht zurück, versuchte jedoch auch seinem zweiten Kinnhaken auszuweichen. Doch diesmal war Van schlauer. Der Angriff war nur angetäuscht und anstatt meines Kiefers traf seine Faust meinen Magen.
Die Wucht raubte mir den Atem und mein Oberkörper klappte wie ein Taschenmesser nach vorne. Gleichzeitig taumelte ich ein paar Schritte zurück und umklammerte mit einem Arm meine Mitte, während ich mich mit dem anderen auf meinem Oberschenkel abstützte.
Ich hörte einen wilden Schrei und hob meinen Kopf. Van hatte mir den Rücken gekehrt, den Kopf in den Nacken gelegt und schrie sich voller Inbrunst seinen Frust von der Seele.
Nachdem Van verstummt war, wagte auch ich es, meinen Groll herauszulassen. »Ich habe keine Ahnung, wie sich der Verlust eines geliebten Menschen anfühlt? Wie eine Familie daran zerbricht, wenn jemand aus der eigenen Mitte gerissen wurde?« Keuchend und unter Schmerzen richtete ich mich auf. »Sorry, dann bilde ich mir die Albträume nur ein, in denen unser Bruder in den Tod fuhr! Tut mir leid, dass meine Fantasie so lebhaft ist und ich ernsthaft dachte, dieser Drecksack Liam hätte Andrew umgebracht! Aber wenn das alles gar nicht stimmt, dann täusche ich mich vermutlich auch in dem Wissen, dass Drews Tod uns alle innerlich zerstört hat!«
Van drehte sich ruckartig zu mir herum. Das diffuse Licht auf dem Flur hüllte ihn ein und gab seiner starren Miene etwas Serienmörderhaftes. Doch er hielt den Mund und ich nutzte den Moment und sprach weiter.
»Andrew war mein Bruder. Genauso wie du es bist! Und auch wenn ich Fabis Gefühle für mich nie erwidert habe, ist sie mir nicht egal! Sie gehört für mich zur Familie! Genauso wie Flo und Jenny. Und auch Bill, Liz und Amanda. Und ich stehe für meine Familie ein. Für jeden davon!«
Van schritt auf mich zu, immer noch lodernden Schmerz im Blick. Doch ich wich auch jetzt nicht zurück. Wenn er mich windelweich prügeln musste, um seinen Zorn loszuwerden, würde ich jeden einzelnen Schlag hinnehmen. Van war mein bester Freund und im Augenblick brauchte er mich mehr denn je.
»Ich hasse dich, Dan! Du bist genau wie Drew! Früher hast du deine Kämpfe mit Fäusten ausgetragen. Und was ist jetzt? Du lässt dich schlagen und wehrst dich nicht einmal. Stattdessen redest du!« Van schüttelte den Kopf. »Du hast dich verändert, Mann. Amanda hat dich verweichlicht. Aber glaub jetzt bloß nicht, dass ich mich deswegen bei dir entschuldigen werde. Du hättest eigentlich mehr als den einen Treffer verdient, du Wichser!« Vans Mundwinkel zuckten und seine stählerne Miene bröckelte.
Ich war überrascht, wie schnell er sich wieder unter Kontrolle hatte. Offenbar war ich nicht der Einzige, dessen Freundin gravierenden Einfluss auf das eigene Leben hatte.
Guter Junge!
Als ich mir sicher war, dass Van nicht vorhatte mich ein weiteres Mal zu schlagen, erlaubte ich mir tief durchzuatmen und ein schwaches Lächeln zu präsentieren.
»Fick dich, V. Das war doch kein Schlag. Du solltest wirklich mehr für deine Muskeln tun. Sogar Amanda hat mehr Power.« Ich boxte Van sanft gegen die Schulter, als er mir einen erbosten Blick zuwarf, jedoch keine Anstalten machte, darauf zu reagieren. »Aber ja, spar dir die Mühe und entschuldige dich bei jemandem, dem dieser Mist etwas bedeutet.« Unvermittelt wurde ich ernst. »Du weißt, dass es nicht Bills Schuld ist, V. Er liebt Jenny, auch wenn er dir das niemals sagen würde. Verdammt, er hat ohne Ende Schiss vor dir! Aber ich kenne ihn! Deswegen glaub mir, wenn ich dir sage, dass Struppi seit Jennys Entführung durch die Hölle geht. Er macht sich auch ohne deine Hilfe Vorwürfe. Aber genau aus diesem Grund braucht er eine Familie, die hinter ihm steht, und keinen durchgeknallten Hulk, der ihm die Eier abreißen will.«
Van funkelte mich lange Zeit an und ich war mir sicher, dass er noch etwas sagen wollte, doch er hielt den Mund und wandte mir den Rücken zu. Auf dem Weg zur Zimmertür jedoch brach er sein Schweigen. »Ich werde ihn aber nicht umarmen oder sagen, dass ich ihn liebe, verstanden?!«
Das musst du ihm nicht sagen, V. Wenn du ihn nicht tötest, reicht das als Geste.
***
Da mein Schlüssel noch im Zimmer lag, mussten wir anklopfen, damit man uns hineinließ. Ich hatte bereits damit gerechnet, dass Amanda vor der Tür stehen würde, und war daher überrascht und gleichzeitig erleichtert, dass es Liz war, die öffnete. Doch sie ließ uns nicht sofort herein. Mit vor der Brust verschränkten Armen musterte sie sowohl Van als auch mich von Kopf bis Fuß. Erst als sie sich sicher war, dass wir einander nicht umgebracht hatten und es auch nicht nötig war, einen Arzt zu rufen, trat sie zur Seite.
Kaum hatte ich das Zimmer betreten, suchte ich nach Amanda. Sie hatte sich keinen Zentimeter gerührt und saß immer noch zusammengekauert in der Ecke, ihre Beine vor den Körper gezogen, und blickte mit großen, ängstlichen Augen in unsere Richtung. Ihr stand die Erleichterung, dass ich keine sichtbaren Verletzungen davongetragen hatte, deutlich ins Gesicht geschrieben.
Liz hatte sich neben mich gestellt, um Van aus dem Weg zu gehen. Dabei warf sie mir einen knappen Blick zu, den ich als »blöde, idiotische Kindsköpfe« einordnete. Dennoch erkannte ich darin auch eine Spur Stolz. Vermutlich weil wir ohne blutige Wunden ausgekommen waren.
Van trat unschlüssig in die Zimmermitte und sah zwischen Amanda und Bill hin und her. Dann wandte er sich zu Amanda, die ihn mit immer größer werdenden Augen ansah, als fürchte sie, Van wollte sie auf der Stelle mit Haut und Haaren fressen.
»Ich wollte dir keine Angst einjagen. Tut mir leid.«
Die Worte waren nur ein leises Wispern, aber Amanda hatte sie wahrgenommen, das war das Wichtigste. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, aber sie brachte ein ehrliches Lächeln zustande.
»Schon okay, Van. Nichts passiert.«
Kaum hatte Van ihr den Rücken gekehrt, huschte ihr Blick zu mir und ich nickte lächelnd.
Ja, es ist wirklich nichts passiert. Alles okay.
Van hatte sich währenddessen zu Bill umgedreht, der die Präsenz vor sich offenbar gar nicht wahrnahm, da er mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern zu einer Statue erstarrt auf dem Bettrand saß.
»Hey, Mann! Brüder streiten sich. Aber sie bleiben Brüder, verstanden?!«
Bill hob den Kopf und sah mit tränenüberströmtem Gesicht zu Van hoch, der ihm nun seine zur Faust geballte Hand hinhielt.
»Brüder?« Der Unglaube stand Bill deutlich ins Gesicht geschrieben.
Van nickte. »Einmal Zeta, immer Familie.«
Bills Blick huschte Hilfe suchend in meine Richtung, doch meine Mimik blieb ausdruckslos. Diese Entscheidung musste er selbst treffen. Wenn er Van seinen Ausbruch verzieh, hatte er einen weiteren Freund in seinem Leben, der für ihn durchs Feuer gehen würde.
Auf Bills Gesicht breitete sich ein zögerliches Lächeln aus, als er seine zitternde Hand hob und die Faust gegen Vans stieß.
Liz seufzte auffällig laut und verdrehte theatralisch die Augen. »Schön. Da das jetzt geklärt ist, sollten wir uns Gedanken machen, was wir am Freitag zur Party anziehen! Denn dass wir diese Delta-Schweine unter die Lupe nehmen, steht außer Frage!«
In diesem Moment verfluchte ich Van für das schnelle Ende unserer Rauferei. Ein oder zwei weitere Schläge hätten mich vielleicht von der Anwesenheitspflicht auf der Party befreit.
Am Freitag hatten Amanda und ich uns zu einem DVD-Nachmittag verabredet. Die letzten zwei Tage waren der reinste Horror gewesen, weshalb ich diese Einladung nur zu gerne angenommen hatte. Seit meiner Auseinandersetzung mit Van hatte ich immer wieder an seine Vorwürfe denken und mir eingestehen müssen, dass er recht hatte. Ich hatte mich seit Amandas Rückkehr tatsächlich mehr auf sie und unsere kritische Beziehung konzentriert, als bei der Suche nach Jenny vollen Einsatz zu zeigen. Aber konnte er mir das verübeln? Van wusste, wie sehr ich Amanda liebte und dass ich mit ihr zusammen sein wollte. Außerdem hatte uns seit Wochen eine heiße Spur gefehlt, der wir hätten nachgehen können.
Aber jetzt ist alles anders!
Ich hatte mein Ziel erreicht, Amanda war meine feste Freundin und wir beide glücklicher denn je. Und auch bei der Suche nach Jenny hatten wir einen Kurs gefunden, dem wir nachgehen konnten und der sich hoffentlich nicht als Sackgasse entpuppen würde.
Über diese Dinge grübelte ich, während die ersten Minuten von Amandas ausgewählter Liebeskomödie liefen. Doch offenbar hatte meine Freundin ebenso wenig Lust auf den Film wie ich, denn kaum hatte Reese Witherspoon irgendeine Modenschau beendet und wurde mit Blumen und Applaus überhäuft, begann Amanda mich zu küssen und aus dem geplanten »DVD-Schauen« wurde eine Knutscherei, die darin endete, dass der gesamte Boden meines Wohnheimzimmers von unseren Klamotten übersät war. Nur meine Boxershorts und Amandas dünnes Spitzenhöschen mussten bleiben. Eine Art Mahnmal unserer Abmachung.
Gerade strich ich Amanda mit trägen Bewegungen über die nackte Haut ihres Rückens, während sie ihren halben Oberkörper auf meiner Brust platziert hatte und mit dem Zeigefinger einen Teil meiner Tattoos nachfuhr.
»Wann verrätst du mir endlich das große Geheimnis hinter diesen Motiven?«
Ich hatte die Augen geschlossen und genoss den inneren Frieden, den mir dieser intime Moment bescherte – auch wenn ein Teil von mir sich wünschte, dass wir mit dem Rummachen nicht aufgehört hätten. Dabei war ich mal wieder derjenige gewesen, der die Notbremse hatte ziehen müssen. Wenn es nach Amanda gegangen wäre, hätten wir nicht aufgehört. Zu gern hätte sie auch auf die verbliebenen Kleidungsstücke verzichtet und endlich die letzte Grenze überschritten, wie sie mir auf teuflische Art gezeigt hatte. Ihre Verführungsmethoden basierten dabei auf einfachen, aber sehr wirkungsvollen Mitteln. Besonders die Augenblicke, in denen sie an meinem Brustpiercing gespielt und es anschließend in den Mund genommen hatte, während sie mit ihren Fingern am Saum meiner Boxershorts entlanggefahren war, hatten meine Selbstbeherrschung ordentlich herausgefordert. Und ehrlich gesagt war ich auch bereits kurz davor gewesen, meine guten Vorsätze über Bord zu werfen und Amanda auf der Stelle zu nehmen! Aber Bill würde in ungefähr einer Stunde wiederkommen und ich wollte beim ersten Mal mit Amanda nicht auf die Uhr sehen müssen und sie stattdessen auf alle möglichen Arten verwöhnen.
Doch dafür benötigte ich Zeit.
Viel Zeit.
»Keine Ahnung. Irgendwann. Aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür«, antwortete ich auf ihre Frage und hoffte, dass sie das Thema ruhen lassen würde.
»Wieso ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt dafür? Ist die Geschichte, die dahintersteckt, etwa so peinlich?« Amanda hatte ihr Kinn auf meinen Rippenbogen gestützt und sah mich mit ihren großen grauen Augen völlig offen an. Sie wirkte dabei sehr verletzlich.
»Nein, die Geschichte ist nicht peinlich. Eher traurig.« Ich hob meinen freien Arm und schob ihn angewinkelt hinter meinen Kopf, um Amanda besser ansehen zu können. »Ich will die Stimmung nicht versauen. Es ist gerade so schön.«
Amanda betrachtete die dunkle Tinte auf meiner Haut eingehender, bis ihre Finger, die zuvor noch die Konturen der Taube nachgezeichnet hatten, langsam, aber zielstrebig wieder zu meinem Piercing wanderten.
»Es ist gerade so schön, hm? Heißt das etwa, du hast es dir anders überlegt?« Ein scheuer Blick in meine Richtung, ein unschuldiges Lippenkauen und gleichzeitig ein sanftes Ziehen an dem Ring in meiner Brustwarze und schon zuckte mein kleiner Freund hyperaktiv in meinen Shorts.
Ich schloss stöhnend die Augen und fuhr mit meinem Zungenpiercing zwischen meinen geschlossenen Lippen hin und her.
Dieser Teufel!
Amandas sinnliches Raunen drang an mein Ohr, als würde sie ihre Worte hineinwispern. »Es liegt bei dir. Entweder du gibst deinen Widerstand auf oder du erzählst mir von deinen Tattoos.« Mit ihrer anderen Hand glitt sie über meine Taille, zu meinem Bauch und weiter Richtung Boxershorts. Als ihre Fingerspitzen über die feinen Härchen unterhalb meines Bauchnabels strichen, zuckten meine Hüften, als würden sie Amanda regelrecht dazu animieren wollen, auf einen Besuch vorbeizukommen. Ihre Finger glitten weiter bis zum Bund meiner Shorts. Das war die magische Grenze, die nicht überschritten werden durfte. Das wusste Amanda. Dennoch machte sie sich einen Spaß daraus, sich immer ein paar Zentimeter weiter vorzutasten, nur um mich zu quälen.
Und ich war zu schwach sie davon abzuhalten.
Denn genau hiervon träumte ich seit Nächten. Es gab nichts, was ich mir in diesem Moment sehnlicher wünschte, als dass sie ihre Hand tiefer schob und mich von meiner Latte erlöste, damit ich mich nicht erneut selbst darum kümmern musste.
»Du weiß, wieso ich warten will, Amanda.« Ich biss fest auf den schmalen Metallstab zwischen meinen Zähnen und legte den Kopf in den Nacken. Diese bittersüße Folter war der Wahnsinn. Amanda wusste, wie weit sie gehen konnte, um mich aufzugeilen, ohne dabei unsere Abmachung zu brechen.
Amanda seufzte ergeben, zog ihre Hand zurück und legte sie auf meinen Bauch. Als ich flatternd die Lider öffnete, sah ich, dass sie ihren Kopf auf der Handfläche abstützte und mich mit gerunzelter Stirn und deutlichem Unmut im Blick ansah.
»Ja, ich weiß, weshalb du warten willst. Und ich weiß das auch wirklich zu schätzen, Dante. Aber ich sagte dir doch schon, dass ich dir vertraue. Du musst mir nichts mehr beweisen.« Sie schob schmollend ihre Unterlippe vor, was sie unglaublich sexy aussehen ließ. »Du weißt gar nicht, wie anstrengend es ist, seinen Freund um Sex anbetteln zu müssen und trotz aller gezogenen Register einen Korb zu kassieren.«
Ich konnte mir ein leises Lachen nicht verkneifen. Sie war einfach so unheimlich süß, wenn sie sauer sein wollte, aber keinen Grund dazu hatte.
»Du hast recht. Bisher habe ich nie einen Korb bekommen, wenn ich meinen festen Freund um Sex angebettelt habe.«
Amanda sah mich mit großen Augen, roten Wangen und einem unterdrückten Lachen an.
Ich schenkte ihr ein Augenzwinkern, nahm aber gleichzeitig den Gesprächsfaden wieder auf. »Mal im Ernst, Amy. Was glaubst du, wie schwer es mir fällt, deinem nackten Körper so nah zu sein und dich trotzdem nicht auf jede erdenkliche Art berühren zu können? Doch jetzt ist weder der richtige Moment noch ist hier der richtige Ort dafür. Oder willst du, dass wir wieder mittendrin erwischt werden wie neulich in deinem Zimmer von Minako?«
Amanda prustete los, ihre Wangen wurden noch eine Spur dunkler und sie vergrub ihr Gesicht an meiner Schulter. Vermutlich dachte sie ebenfalls an letzte Woche, als wir den Abend in ihrem Zimmer verbracht hatten, während ihre Mitbewohnerin zum Chortreffen gegangen war.
Es hatte ebenso wie heute harmlos mit einem Film begonnen und hatte genau an der gleichen Stelle, an der wir uns heute befanden, geendet. Wir beide, fast nackt, auf ihrem Bett. Nur war ich letzte Woche so willensschwach gewesen und hatte mich für ihre süße Folter revanchieren wollen. Denn Amanda war an ihren Brustwarzen ebenso empfindlich wie ich an meinen, was ich ausgenutzt hatte, um sie mit meinem Mund an den Rand der jugendfreien Ekstase zu bringen. Leider war genau in dem Moment Minako ins Zimmer spaziert und wäre beinahe an einem Herzinfarkt gestorben. Die kleine Asiatin war kreischend aus dem Zimmer geflohen und hatte mir seitdem nicht mehr in die Augen gesehen, wenn wir uns begegnet waren.
Amanda antwortete nicht und ich nutzte den Moment, um mein Gewicht zu verlagern und sie in eine engere Umarmung zu ziehen. »Ich möchte einfach nur vermeiden, dass Bill uns bei etwas unterbricht, das uns beiden viel bedeuten wird.«
Amandas Körper bebte leicht, aber nach und nach schien sie sich wieder unter Kontrolle zu haben. Dann hob sie den Kopf und sah mich voller Liebe an.
»Das versteh ich, Dante. Und ich will ja auch nicht dabei gestört werden. Aber wenn wir warten müssen, bis einer von uns ›sturmfrei‹ hat, kann das ewig dauern.«
In dem Punkt hatte sie nicht ganz unrecht. Bills Eltern wohnten nicht weit weg, weshalb er gelegentlich für einen kurzen Besuch zu ihnen fuhr. Minako hingegen besuchte ihre Familie nur alle zwei Monate, wenn ich Amanda richtig verstanden hatte. Wir mussten also noch ungefähr sechs Wochen warten. Das ist zu lange!
Ich räusperte mich, hob meinen Oberkörper und stützte mich auf meinen Armen ab. Mir kam eine Idee, aber ich hatte Sorge, wie Amanda sie auffassen würde.
»Was hältst du davon, wenn wir uns irgendwo ein Hotelzimmer buchen? Ich meine nichts Großes, Protziges. Nur eine kleine Pension oder so.«
Amandas Augen weiteten sich und strahlten mich an, was mich erleichtert ausatmen ließ. »Oh, Dante! Das wäre toll! So richtig schön mit Kerzenschein und romantischer Musik.«
Ich verbiss mir ein Stöhnen und erwiderte stattdessen ihr Lächeln. Dieser ganze Kitsch konnte mir persönlich gestohlen bleiben, aber wenn Amanda so etwas wollte, würde ich ihr den Wunsch nicht verwehren. Verdammt, wenn sie darauf bestand, würde ich sie sogar in einem Meer aus Rosenblättern und Seidenbettwäsche vögeln.
»Gut, dann ist das geklärt. Ich schaue mal, was ich so finde. Und du hast bis dahin Dante-Aufgeil-Verbot. Haben wir uns verstanden, junges Fräulein?« Ich betonte meine Aussage mit einem grimmigen Blick, den Amanda mit einem unschuldigen Lächeln kommentierte.
»Das kommt darauf an, wie lange du dir mit der Suche Zeit lässt.« Amanda streckte mir die Zunge raus und kicherte. Doch dann wurde sie wieder ernst. »Aber jetzt will ich wirklich endlich die Bedeutung deiner Tattoos erfahren. Deine Heimlichtuerei macht mich ganz nervös.«
Ich schluckte und senkte den Blick. Sie war nervös? Was sollte ich dann sagen? Seit sie mich im Sommer auf dieses Thema angesprochen hatte, fürchtete ich mich vor diesem Gespräch. Dabei war mir bewusst, dass ich es ihr nicht ewig verheimlichen konnte. Hoffentlich hält sie mich nicht für einen kranken Stalker!
Ich atmete tief durch und sah Amanda wieder an. »Okay, du hast gewonnen. Aber sag mir hinterher nicht, ich wäre schuld, weil du traurig bist.« Um mich auf meine nächsten Worte vorzubereiten, richtete ich mich auf und setzte mich in einen Schneidersitz. Ohne Amanda aus den Augen zu lassen, griff ich nach ihrer Hand und legte sie auf meine linke Brust, genau auf die Taube mit dem Rosenkranz im Schnabel. »Ich war nie sonderlich religiös. Das bin ich auch jetzt nicht wirklich. Aber in der Silvesternacht, als ich sah, wie Andrew diesen Abhang hinunterfuhr, weil Liam ihn von der Straße gedrängt hatte, betete ich zum ersten Mal bewusst. Ich flehte sämtliche Götter an, dass Andrew, wenn sie mir meinen Bruder schon entreißen mussten, wenigstens nicht hatte leiden müssen. Ich wünschte mir für ihn einen schnellen, schmerzlosen Tod.«
Wie ich befürchtet hatte, wurden Amandas Augen feucht, doch sie schwieg, wofür ich ihr dankbar war.
»Deswegen habe ich Ray nach Andrews Beerdigung gebeten mir das hier zu zeichnen und anschließend zu stechen.« Ich fuhr mit Amandas Fingern von der Taube zu dem Gewitter. »Aber die Taube allein reichte mir nicht. Ich wollte keine Erinnerung, die ausschließlich für Andrews Todesnacht stand. Ich wollte etwas, das sein oder besser gesagt das Leben im Allgemeinen symbolisiert. Deswegen habe ich mir dazu noch das hier stechen lassen. Denn für mich ist das Leben wie ein Gewitter. Es ist voller Energie, Spannungen und Druck. Hast du schon mal während eines Gewitters auf einer großen weiten Wiese gestanden?«
Amanda schüttelte den Kopf und ich musste lächeln.
»Drew und ich haben es mal getan und ich habe mich noch nie lebendiger gefühlt. Du spürst das Knistern, die Spannung, die in der Luft liegt. Du kannst sie fast schmecken. Und dieser Moment war so unbeschreiblich, weshalb es mir irgendwie passend erschien.«
Amandas Augen füllten sich mit Tränen, bis ihr zwei salzige Rinnsale über die Wangen liefen, doch sie wischte sie nicht weg. Stattdessen setzte sie sich ebenfalls auf, ihre Beine unter den Po geschlagen. Die Bettdecke bauschte sich um ihre Hüften, doch es schien sie nicht zu kümmern, dass sie entblößt vor mir saß. Mit zittrigen Fingern fuhr sie hinauf zu meiner Schulter und weiter, bis sie auf meinem Bizeps lagen.
»Und wofür steht der Flügel?« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Wispern.
Ich blickte auf meinen Arm und lächelte schwach. »Der symbolisiert meine Hoffnung auf ein Wiedersehen mit Drew. Ich glaube zwar nicht an Himmel, Hölle, Gott oder den Teufel, aber ich hoffe, dass es irgendwo einen Platz gibt, an dem ich deinen Bruder wiedersehen werde. Denn die gemeinsame Zeit, die wir miteinander hatten, war viel zu kurz und es gibt noch vieles, was ich mit meinem besten Kumpel nachholen will, wenn wir beide wieder vereint sind.«
Nun gab es für Amanda kein Halten mehr. Sie schlang ihre Arme um meinen Hals, presste ihren Körper an meinen und weinte leise an meiner Brust.
Meine Arme schlossen sich um ihren bebenden Körper. Ihre warme, weiche Haut fühlte sich unbeschreiblich an und ich vergrub mein Gesicht in ihrem Haar. Trotz der melancholischen Stimmung genoss ich diese Nähe.
Einen langen Moment hielt ich sie fest, bis Amanda sich wieder beruhigt hatte und sich von mir löste. Dabei setzte sie sich auf ihre Beine, legte ihre Hände in den Schoß und sah mich mit einer Mischung aus Angst und Neugier an.
Ich kannte diesen Blick und seufzte leise. Sie hatte noch nicht genug.
»Lass mich raten, Amy Rose. Du willst auch wissen, was das hier bedeutet, oder?« Ich deutete auf die drei Textzeilen auf meiner rechten Brust und Amanda nickte.
»Ja, aber wehe, das macht mich noch trauriger.« Sie streckte mir die Zunge raus, doch ihr Versuch, die drückende Stimmung zu lockern, scheiterte an ihren tränennassen Wangen und der belegten Stimme.
»Vielleicht sollte ich es dir dann lieber nicht verraten. Denn ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wie du darauf reagieren wirst, und das Risiko ist mir persönlich zu groß.«
Amanda runzelte die Stirn und verschränkte ihre Arme vor der Brust, was ihr Dekolleté verführerisch betonte. »Okay, jetzt hast du mich am Haken. Schieß los. Ich bin bereit.«
Abermals seufzend ließ ich den Kopf hängen und fuhr mir mit einer Hand durch die Haare. Sie war bereit? Und was war mit mir? Aber ich wusste, dass mir keine Wahl blieb. Früher oder später musste ich es ihr sagen. Also wieso nicht jetzt?
»Schön, da ich aus der Nummer nicht mehr rauskomme, verlange ich im Gegenzug, dass wir uns wieder unter die Decke legen. Dich so ansehen, aber nicht anfassen zu können, ist die reinste Qual.« Zur Bekräftigung meiner Worte glitt mein Blick über Amandas perfekt geformte Brüste und mein Zungenpiercing machte sich wieder selbstständig.
Amanda lachte verlegen, kam meiner Bitte aber nach. Sie legte sich brav auf das Kissen, schob einen Arm unter ihren Kopf und zog sich die Decke bis über die Brust. Dabei ließ sie mich nicht eine Sekunde aus den Augen.
Nach einem weiteren tiefen Atemzug legte ich mich neben sie. Meinen Kopf stützte ich auf einer Hand ab und erwiderte ihren Blick, der voller Erwartung und Freude war.
Mein Puls beschleunigte sich und ich schluckte hart.
Jetzt gibt es kein Zurück mehr.
»Du erinnerst vermutlich, dass ich dir von meinen Eltern erzählt habe? Damals, als meine Mom abgehauen ist und mein Studiengeld verprasst hat. Dad dachte, sie sei tot.«
Amanda nickte und das Mitgefühl, das sie mich spüren ließ, versetzte mir einen Stich, weshalb ich den Blick auf die Mulde unter ihrem Hals lenkte. Ich konnte ihr nicht in die Augen sehen, während ich ihr davon erzählte.
»Meine Eltern hatten sich an dem Tag so heftig gestritten, dass ich einfach abhauen musste. Ich wusste nicht, wohin ich sollte, aber auf einmal stand ich bei euch vor der Tür. Kimberly sah mir sofort an, dass etwas Schlimmes passiert war, aber sie stellte keine Fragen, sondern nahm mich einfach in den Arm und hielt mich fest.« Bei der Erinnerung wurde mein Herz schwer und meine Kehle schnürte sich zu. »Kurz darauf kam Drew aus seinem Zimmer und wir gingen raus.
Zu der Zeit hingen wir mit den anderen immer auf diesem alten Spielplatz hinter der Schule ab, der nachts von Junkies belagert wurde, weshalb sich dort keine Kinder zum Spielen hinwagten. Dort hatten wir unsere Ruhe. Ich erzählte Drew nicht, was los war, aber das war auch nicht nötig. Er wusste, dass ich Ablenkung brauchte, und die verschaffte er mir.« Ein trockenes Lachen war zu hören. »An dem Tag rauchte ich meine letzte Zigarette und meinen letzten Joint.« Nachdenklich runzelte ich die Stirn, als ich mich auf die Erinnerung fokussierte. »Ich weiß noch, dass es spät war, als wir zu eurem Haus zurückgingen. Deine Eltern sollten nicht mitbekommen, dass wir wieder gekifft hatten, also gingen wir gleich in Drews Zimmer.«
Amanda legte mir ihre Hand an die Wange und strich mir zärtlich, aber schweigsam mit dem Daumen über die Barthaare.
»Wir haben die ganze Nacht rumgealbert und Quatsch gemacht. Dabei habe ich mich absichtlich wachgehalten, denn ich wollte nicht einschlafen, weil dann irgendwann ›morgen‹ gewesen wäre und ich nach Hause gemusst hätte.« Es fiel mir ungemein schwer, die Worte auszusprechen. Die damalige Zeit war hart für mich gewesen und nur die Zetas kannten Bruchstücke der Wahrheit. Das Ganze jetzt Amanda, der Frau, die ich liebte, zu erzählen erschien mir falsch. Sie sollte diese Seite von mir nicht kennen. Sie sollte mich nicht für schwach halten.
Gott! Ich bin so ein Weichei!
Um meine nächsten Worte etwas weniger dramatisch erscheinen zu lassen, zuckte ich mit den Schultern und räusperte mich. »Auf jeden Fall schlief ich irgendwann doch ein. Am nächsten Morgen wollte ich mich aus dem Haus schleichen, während ihr euch alle noch im Land der Träume befandet. Ich hatte keine Lust auf mitleidsvolle Blicke, die unweigerlich beim Frühstück auf mich gewartet hätten. Also zog ich mich an und wollte gerade abhauen, als ich in meiner Jeans einen Zettel fand.
Er war rosa und hatte in der rechten oberen Ecke ein Monogramm. AK.« Meine Mundwinkel zuckten bei der Erinnerung. Damals hatte sich Amanda zum ersten Mal bewusst in meine Gedanken geschlichen. »Auf dem Zettel standen nur diese drei Zeilen. Keine Unterschrift oder Sonstiges. Ich hatte keine Ahnung, woher du sie kanntest, aber in dem Moment gaben sie mir Kraft und Hoffnung.« Ich atmete tief durch, um den Text wiederzugeben, aber Amanda kam mir zuvor.
»Wir ertragen Schmerz, weil wir stark sind.
Wir überwinden Angst, weil wir tapfer sind.
Wir erleben Hoffnung, weil wir geliebt werden.«
Ich hob meinen Kopf und blickte in Amandas große, von Tränen verschleierte Augen. »Du kannst dich daran erinnern?«
Sie nickte stumm, ihre bebenden Lippen fest zusammengepresst. Ich war mir nicht sicher, ob ich wissen wollte, woran sie gerade dachte.
Um meine Erzählung schnell zu beenden, räusperte ich mich abermals und senkte erneut den Kopf. »Na ja, auf jeden Fall bedeuteten mir diese Zeilen so viel, dass ich beschloss bis zum Frühstück zu bleiben, um mich bei dir zu bedanken. Aber als ich mit Drew am Tisch in der Küche saß und du dann runterkamst, verließ mich der Mut. Ich meine, du warst so rein, perfekt und unschuldig, dass ich mich schämte. Du solltest nicht erfahren, in welchen kaputten Verhältnissen ich lebte. Aber den Zettel habe ich all die Jahre aufgehoben. Nach Andrews Tod haben mir diese Zeilen geholfen nicht durchzudrehen. Deswegen …«
»… hast du dir die Worte tätowieren lassen«, beendete Amanda meinen Satz.
Mit einem Nicken bestätigte ich. »Ich habe Ray gebeten den Text in eine Form zu bringen, die man nicht so einfach lesen kann. Ich wollte nicht, dass jeder, der das Tattoo sieht, erkennt, was dort steht, und mich nach der Bedeutung fragt. Das wäre mir irgendwie unangenehm gewesen.«
Amanda nahm ihre Hand von meinem Gesicht, legte ihre Finger unter mein Kinn und hob meinen Kopf an. Unweigerlich blickte ich ihr in die Augen.
Einen langen Moment sahen wir uns schweigend an, dann drehte sie sich auf einmal zur Seite und kletterte aus dem Bett.
»Was hast du vor?« Meine Stimme klang rau und belegt. Ich ließ Amanda nicht aus den Augen und rechnete bereits damit, dass sie sich anziehen und gehen würde. Doch zu meiner Überraschung ließ sie den Kleiderhaufen auf dem Boden unbeachtet und trat zielsicher auf die Zimmertür zu.
Was treibt sie da?
Amanda blieb mir eine Antwort schuldig, als sie nach etwas griff, das auf meinem Schreibtisch lag und sich eine Sekunde später als mein Schlüsselbund herausstellte. Mit einer verblüffenden Selbstverständlichkeit steckte sie den passenden Schlüssel ins Schloss und drehte ihn zweimal herum. Das laute Klicken dröhnte in der angespannten Stille.
Als Amanda sich wieder zu mir herumdrehte, ihre Arme hinter dem Rücken verschränkt, die Hüfte zur Seite ausgestellt und ein Bein an dem anderen reibend, verschlug mir ihr Anblick abermals die Sprache. Auch wenn ich ihren Körper bereits unbekleidet gesehen hatte, war dieser Moment doch anders.
Das hier hatte nichts Zufälliges an sich. Sie wollte sich zeigen. Sie wollte, dass ich sie ansah.
Wie von einer fremden Macht gelenkt, schob sich mein Zungenpiercing zwischen meine Lippen, worauf Amandas Blick aufloderte. Erregung, Liebe und Nervosität waren deutlich zu erkennen.
Dann kam sie langsam zurück.
Zuerst dachte ich, sie würde mich nur wieder ärgern wollen, mir zeigen, was ich mir so sehr ersehnte und mir doch selbst verbot. Doch sie überraschte mich ein weiteres Mal, indem sie sich in der Zimmermitte auf den Boden hockte und in unseren Klamotten wühlte. Als sie ihre Jeans in den Händen hielt, setzte mein Herzschlag für einen Moment aus.
Was hat sie verdammt noch mal vor?
Auf einmal hielt sie ihr Handy in der Hand und ihre Finger huschten zielsicher über das Display, während sie auf ihrer Lippe kaute. Dann steckte sie das Telefon wieder weg, ließ die Jeans fallen und trat auf das Bett zu, ohne mich anzusehen.
Ich verfolgte jede ihrer Bewegungen ganz genau. Besonders als sie sich, anstatt sich zu mir auf die Matratze zu legen, vor mein Nachtschränkchen kniete und die einzige Schublade aufzog, die sich darin befand.
»Was suchst du?« Meine Stimme klang rau und heiser.
Es gab nur eine Sache, die ein Kerl neben seinem Bett aufbewahrte.
Das wusste ich.
Das wusste Amanda.
Und genau deshalb verstand ich nicht, weshalb sie diese Schublade öffnete und zielsicher ihre Hand darin versenkte.
Amanda verharrte mitten in der Bewegung. Nur ihr Kopf drehte sich zu mir herum.
»Ich suche nicht, ich habe bereits gefunden.« Als würde sie ihre Worte beweisen wollen, zog sie betont langsam ihre Hand aus der Schublade und legte die Packung Kondome obenauf.
Ich schluckte hart, als sich Amanda, ohne den Blickkontakt zu lösen, wieder neben mich auf die Decke legte, anstatt ihre sinnlichen Rundungen darunter zu verbergen.
»Was ist mit Struppi?«
Amanda lächelte sanft, legte mir eine Hand auf das Tattoo, vom dem ich ihr gerade erzählt hatte, und blickte mir dabei unumwunden in die Augen.
»Ich habe ihm geschrieben und unter Androhung von körperlicher Gewalt verboten sich diesem Zimmer zu nähern. Mindestens für die nächsten fünf Stunden.«
Meine Augen weiteten sich und ihre Worte entfachten in mir den Wunsch zu lachen. Doch ich war zu erstaunt, um diesem Impuls nachzugehen.
»Und wieso hast du das getan? Ich dachte, wir wollten uns ein Hotelzimmer nehmen und …«
Amanda fuhr mit ihrer Hand von meiner Brust hinauf zu meinem Hals, weiter zu meinem Kinn, bis ihr Daumen auf meinen Lippen lag und mir signalisierte, ich solle den Mund halten.