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»Liebe verkompliziert alles. Sie macht ängstlich und verwundbar.« **In diesem Moment gehört dir mein Herz** Dante Hawk würde für seine Freunde durchs Feuer gehen. Besonders Amanda, die nach dem Tod ihres Bruders schreckliche Dinge erfahren hat, will er um jeden Preis beschützen. Aber dafür muss sie ihn an sich heranlassen. Doch Amanda hatte viel Zeit zum Nachdenken. Sie zweifelt an ihren Gefühlen und dem Vertrauen, das sie für den arroganten und gleichzeitig so charmanten Frauenheld Dante entwickelt hat. Kann sie sich wirklich auf ihr Bauchgefühl verlassen oder trügt es sie wie einst bei ihrem Bruder? »Dieses Buch hat absolut fünf Sterne verdient, und wenn es mehr zu vergeben gäbe, dann würde ich noch fünf weitere geben.« Weitere Leserstimmen zur Reihe: »Love it!« »Ich bin dermaßen sprachlos und berührt.« »Einfach genial.« »Ein wahrer Geniestreich.« »Emotionsgeladen und Spannung pur!« »Ich liebe jede Zeile!« //Dies ist der dritte Band der gefühlvollen New Adult Romance von Lana Rotaru. Alle Bände der »Crushed Trust«-Reihe bei Impress: -- Kiss Me Never (Band 1) -- Hold Me Tonight (Band 2) -- Save Me Now (Band 3) -- Love Me Forever (Band 4)// Die »Crushed Trust«-Reihe ist eine überarbeitete Neuauflage von Lana Rotarus Reihe »Never and Forever«. Diese Reihe ist abgeschlossen.
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Impress
Die Macht der Gefühle
Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.
Wer nach Geschichten zum Mitverlieben in den beliebten Genres Romantasy, Coming-of-Age oder New Adult Romance sucht, ist bei uns genau richtig. Mit viel Gefühl, bittersüßer Stimmung und starken Heldinnen entführen wir unsere Leser*innen in die grenzenlosen Weiten fesselnder Buchwelten.
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Lana Rotaru
Save Me Now (Crushed-Trust-Reihe 3)
**In diesem Moment gehört dir mein Herz**Dante Hawk würde für seine Freunde durchs Feuer gehen. Besonders Amanda, die nach dem Tod ihres Bruders schreckliche Dinge erfahren hat, will er um jeden Preis beschützen. Aber dafür muss sie ihn an sich heranlassen. Doch Amanda hatte viel Zeit zum Nachdenken. Sie zweifelt an ihren Gefühlen und dem Vertrauen, das sie für den arroganten und gleichzeitig so charmanten Frauenheld Dante entwickelt hat. Kann sie sich wirklich auf ihr Bauchgefühl verlassen oder trügt es sie wie einst bei ihrem Bruder?
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Vita
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Lana Rotaru lebt zur Zeit mit ihrem Ehemann in Aachen. Der Lesewahnsinn begann bei ihr bereits in früher Jugend, die sie Stunde um Stunde in einer öffentlichen Leihbibliothek verbrachte. Nun füllen Hunderte von Büchern und E-Books ihre Wohnzimmer- und E-Reader-Regale und ein Ende ist nicht in Sicht. Eine Lesepause legt sie nur ein, wenn sie gerade selbst an einem neuen Roman schreibt.
In einem Spiel, bei dem du nur verlieren kannst, solltest du deinen Einsatz gut überdenken. Es kann dich so viel mehr als nur dein Leben kosten.
»Verdammt, ich seh überhaupt nichts!« Ich verengte meine Augen in dem verzweifelten Versuch, trotz der dicken Flocken, die der Schneesturm vor meinen Truck blies, die Straße zu erkennen. Aber das vom Scheinwerferlicht beleuchtete und umherwirbelnde Weiß blendete mich und ließ meine Bemühungen scheitern. Dafür entging mir nicht der steile und vermutlich tödliche Abhang, der sich links von uns befand. Für Leitplanken hatte die Stadt wohl kein Geld mehr gehaabt.
»Ich rufe Liz an. Sie kann noch nicht weit gekommen sein.« Van unterbrach meine Gedanken und kramte sein Handy aus der Hosentasche.
Ich nickte knapp und konzentrierte mich wieder auf die tanzende Schneewand vor mir. Die Tachonadel meines Trucks hatte sich während der gesamten Fahrt nicht ein einziges Mal oberhalb der Zwanzig-Meilen-Grenze bewegt, weshalb wir mit ziemlicher Sicherheit zu spät zu unserer Verabredung kommen würden.
Van hielt sich das Smartphone ans Ohr, hatte aber den Lautsprecher angemacht, damit ich mithören konnte. Das Freizeichen ertönte und es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis Liz’ Stimme erklang.
»Wo seid ihr?«, fragte sie ziemlich genervt.
»Das wollten wir dich gerade fragen!« Van klang nicht minder angepisst.
»Ich halte mich an den Plan!«
Ich konnte sie kaum verstehen. Ihre Worte wurden vom Knacken und Knirschen der Leitung übertönt.
»Der Plan lautete, dass wir dir nachfahren, Liz!«, wandte ich ein, ehe Van die Gelegenheit dazu hatte. Ich hatte keinen Bock auf einen weiteren Streit zwischen den beiden. »Aber ich kann deinen Wagen nicht mehr sehen!« Um meine Worte zu unterstreichen, betätigte ich mehrmals den Schalter für das Fernlicht. »Oder hast du das gerade mitbekommen?«
Einen Moment herrschte Stille.
»Was soll ich mitbekommen haben, Baby?« Liz stellte ihre Frage mit übertrieben säuselnder Tonlage.
Ich verdrehte die Augen und sparte mir eine Erwiderung. Zum einen hatte sie bestätigt, dass sie uns abgehängt hatte, und zum anderen wusste sie genau, wie sehr ich es hasste, wenn sie mich »Baby« nannte. Diesen albernen Spitznamen benutzte sie nur, um Van eifersüchtig zu machen. Aber das war vergebene Liebesmüh. Van wurde nicht eifersüchtig. Nie. Erst recht nicht meinetwegen.
»Liz, fahr rechts ran und warte, bis wir aufgeholt haben!« Van bellte seinen Befehl und ich warf ihm einen Seitenblick zu. Auch wenn wir alle seinen harschen Ton gewohnt waren, fragte ich mich unweigerlich, wie lange es wohl dauern würde, bis er endgültig die Kontrolle verlor und zum Amokläufer mutierte. Das Verschwinden seiner älteren Zwillingsschwestern Fabienne und Florentine lastete schwer auf dem Zeta-Anführer.
Liz schwieg.
Es musste sie viel Mühe kosten, den Mund zu halten. Ich wusste, wie sehr sie es hasste, wenn ihr Ex-Freund und gelegentlicher Partner für One-Night-Stands so mit ihr sprach.
»Schön, aber beeilt euch! Ich will nicht erfrieren, während ich auf euch warte!« Ohne weitere Worte legte sie auf.
Anstatt auf Liz’ zickigen Ton einzugehen, steckte Van das Smartphone zurück in seine Tasche und verschränkte anschließend die massigen Arme vor der Brust. Seine dunklen Augen waren dabei auf das Schneetreiben vor uns gerichtet.
Ich beobachtete meinen Kumpel weiter aus den Augenwinkeln. Seine Stirn war gefurcht, seine Augen zu Schlitzen verengt. Die Kapuze seines dunkelblauen Hoodies verdeckte seine drei Millimeter kurz rasierten hellbraunen Haare und seinen breiten Stiernacken. Dennoch konnte ich seine zuckenden Kiefermuskeln und die zusammengepressten Lippen erkennen. Ja, uns allen waren die Gefahr und das Risiko unserer heutigen Mission bewusst, doch Van machte sich wohl am meisten Gedanken. Wie immer.
Wäre Andrew im Wagen gewesen, hätte er sicherlich irgendeinen blöden Spruch vom Stapel gelassen, um die Stimmung aufzulockern. Aber er war nicht da und ich hatte keine Lust, diesen Job zu übernehmen. Ich war noch nie ein Freund großer Worte gewesen, besonders nicht, wenn es sich dabei um leere Versprechen oder sinnlose Floskeln handelte, daher entschied ich mich die Klappe zu halten und mich wieder auf die Straße zu konzentrieren. Dabei glitten meine Gedanken zurück zu dem Treffen im Gewächshaus, das wir vor nicht einmal einer halben Stunde abgehalten hatten.
***
Van hatte Andrew und mich in den Gartenbau bestellt, um ein letztes Mal mit uns über den geplanten Ablauf des Abends zu sprechen. Doch so weit war es nicht gekommen, denn Van und Andrew hatten sich mal wieder in eine hitzige Diskussion verstrickt und dann war auch noch Amanda, Andrews jüngere Schwester, aufgetaucht. Sie hatte weiße Jeans, hellbraune Fellstiefel und einen rosafarbenen Rollkragenpullover getragen. Ihre Haare, eine Mischung aus Blond und Kupfer, die Jenny einmal als »Erdbeerblond« bezeichnet hatte, waren ihr in großen Locken über die Schultern gefallen und hatten sie unglaublich jung, weich und unschuldig aussehen lassen. Doch wenn man den Gerüchten glauben durfte, die an unserer alten Highschool umgingen und die Andrew verzweifelt im Keim zu ersticken versuchte, trog der Schein.
Deshalb war ich auch nicht sonderlich überrascht gewesen, als sich Amanda vor ihrem Bruder aufgebaut, die Hände in die Seiten gestemmt und mit lauter und gut angetrunkener Stimme verkündet hatte, dass sie mir – der nur knapp einen Meter neben ihr stand, was ihr jedoch offenbar gar nicht bewusst war – endlich ihre Gefühle gestehen wollte. Laut ihren Worten ertrug sie es nicht länger, mit ihrem Freund Brian zusammen zu sein, nur um mich eifersüchtig zu machen.
Ihre Worte hatten mich grinsen lassen. Natürlich war ich das Interesse von Frauen gewohnt, dennoch war es eine sehr angenehme und willkommene Überraschung, dass ausgerechnet die kleine Amanda King zu meinem Fanclub gehörte. Meine Freude über diese Offenbarung basierte insbesondere darauf, dass ich bereits selbst vor Monaten ein Auge auf sie geworfen hatte. Leider hatte ich meine Pläne und Absichten für dieses Mädchen im Keim ersticken müssen, da ich ansonsten die Freundschaft zu Andrew gefährdet hätte. Und kein Mädchen – egal wie niedlich sie aussehen und dabei verdorben sie in ihrem Inneren sein mochte – war es wert, meinen besten Freund gegen mich aufzubringen.
Aber wenn Amy Rose in mich verknallt war, konnte Drew gar nicht Nein sagen, wenn ich sie anmachte. Er vergötterte seine Schwester und wollte ihrem Glück sicher nicht im Weg stehen.
Bei der Vorstellung, doch noch die Wahrheit über Amandas angebliche Freizügigkeit im Bett herauszufinden, hatte sich mein Lächeln in ein breites Grinsen verwandelt.
Leider war mir keine Chance geblieben, die Gunst der Stunde zu nutzen und sie gleich zu einem Date einzuladen, denn Van hatte mal wieder den Chef raushängen lassen.
»Genau aus diesem Grund musst du hierbleiben, Drew! Du siehst doch, man kann die beiden keine Sekunde lang allein lassen.« Mit seinem grimmigen Standardblick hatte sich Van in meine Richtung gewandt und mit einem stummen Kopfnicken zur Tür gedeutet, ehe er sich selbst auf den Weg gemacht hatte, das Gewächshaus zu verlassen.
Amanda, die Van und mich jetzt erst zu registrieren schien, hatte sich überrascht zu uns herumgedreht. Ihr verdutzter Gesichtsausdruck war unglaublich süß gewesen.
»Dan!« Van war im Türrahmen stehen geblieben und hatte mich wütend angesehen. Er hasste es, wenn man seinen Befehlen nicht sofort Folge leistete.
Ich hatte die pochende Ader an seiner Stirn ignoriert, Amanda zugezwinkert und mich in Bewegung gesetzt, um Van zu folgen. Doch weit war ich nicht gekommen. Van hatte noch immer den Ausgang blockiert, nur dass er sich nun Andrew zugewandt hatte, der wiederum seine Schwester mit erbostem Blick angestiert hatte, als verfluchte er den Tag ihrer Geburt.
»Drew, vergiss nicht, was wir abgemacht haben. Wenn mir was passiert, kümmerst du dich um Jenny!«
Andrews Miene hatte sich schlagartig verhärtet, als er den Kopf hob und Vans Blick erwiderte. Der Groll, der soeben noch in seinen Augen gefunkelt hatte, war blankem Schmerz gewichen.
»Ich habe unseren Deal nicht vergessen, V. Aber das wird nicht nötig sein. Verstanden?!« Sein Blick war zu mir gewandert. »Nos in aeternum!«
Für immer uns.
»Nos in aeternum«, hatte ich mit einem ernsten Nicken erwidert. »Bis später, Bruder!«
***
»Scheiße! Was ist das für ein Vollidiot?!«
Vans Stimme riss mich aus meinen Gedanken und ich sah zu ihm rüber. Er hatte sich zum Seitenfenster gedreht und nahm mir mit seinem breiten Kreuz die Sicht.
»Was ist los? Was meinst du?« Information suchend blickte ich in den Rückspiegel, aus dem heraus mich grelles Scheinwerferlicht blendete. Sofort sah ich wieder nach vorne auf die Straße und kippte gleichzeitig den Abblendhebel am Spiegel.
»Der Wichser in dem Jeep versucht uns zu überholen, weiß aber anscheinend nicht, dass er dazu Gas geben muss!«
Ich sparte mir einen Kommentar und konzentrierte mich stattdessen weiter auf die Straße. Was interessierte mich ein Vollidiot, der zu dämlich zum Fahren war?
»Verdammt! Der hat eine Knarre!«
Vans Ausruf lenkte mich ab. Doch nicht so sehr, wie es seine Hand tat, die plötzlich auf meinem Unterarm landete und mich wie einen Schraubstock umklammerte. Von seiner Geste überrumpelt drehte ich mich zu meinem Kumpel herum, der sich hinter dem Armaturenbrett verschanzte und ununterbrochen an meinem Arm zog. »V, wovon red…« Weiter kam ich nicht.
Der erste Schuss ertönte und ließ mich erschrocken zusammenfahren. Mein rechter Fuß landete reflexartig auf der Bremse, während meine Hände das Lenkrad hin und her rissen, was meinen Truck dazu animierte, unkontrolliert über die verschneite Straße zu rutschen.
Mein lautstarker Fluch mischte sich mit Vans überraschtem Schrei.
Der Wagen vollführte eine Pirouette, die vermutlich unsere Rettung gewesen war, denn auf diese Art trafen die nächsten zwei Schüsse das Heck anstatt uns.
»Scheiße, wir müssen hier weg!« Van wagte einen Blick aus dem Fenster.
Ich folgte seinem Beispiel und verschaffte mir ebenfalls einen schnellen Überblick über unsere Lage. Wir standen quer auf der Straße, der unbekannte Jeep ein paar Meter vor uns. Zu gerne hätte ich einfach gewendet und wäre in die entgegengesetzte Richtung abgehauen, aber für ein zügiges Wendemanöver war die Straße zu schmal. Uns blieb nichts anderes übrig, als an dem haltenden Geländewagen vorbeizurasen und ihn abzuschütteln. Und das am besten, bevor der Fahrer die Gelegenheit ergriff, uns zu erschießen – was offensichtlich sein Plan war, da er sich gerade aus dem geöffneten Fenster lehnte und den Lauf seiner Pistole auf uns richtete.
Fuck!
Sofort gab ich Gas.
Die Räder meines Trucks drehten durch, der Motor heulte protestierend auf. Leider war das Dröhnen nicht laut genug, um den nächsten Schuss zu übertönen.
Erneut warfen Van und ich uns Schutz suchend hinter die Armaturen.
Verdammter Bastard!
Ich wusste nicht, wer auf uns schoss, aber ich war auch nicht sonderlich scharf darauf, es herauszufinden.
Als nach wenigen, schier endlos erscheinenden Sekunden keine weiteren Schüsse ertönten, wagte ich einen erneuten Blick durch die inzwischen gesprungene Windschutzscheibe.
Fuck! Fuck! Fuck!
Der Fahrer hatte sich wieder hinters Steuer geklemmt, den Rückwärtsgang eingelegt und kam immer näher. Abermals gab ich Gas und endlich setzte sich mein Wagen in Bewegung. Gerade als ich nach dem Funken Hoffnung tief in meinem Inneren greifen wollte, heulte ein weiterer Motor auf, und zwar eindeutig hinter uns. Ohne die Geschwindigkeit meines Trucks zu drosseln, drehte ich den Kopf ruckartig zur Seite. In dem finsteren Blaugrau der Nacht war ein einzelner Scheinwerfer zu erkennen, der in einem halsbrecherischen Tempo auf uns zuraste.
Was zum Teufel?!
»Verdammt, das kann nicht wahr sein! Der Arsch ist uns nachgefahren!« Auch Van hatte sich nach hinten gewandt.
Stumm drehte ich mich wieder nach vorne. Es wunderte mich nicht, dass uns Andrew trotz mehrfachen Verbots gefolgt war. Der Vollidiot war mindestens genauso stur wie Van. Außerdem ging es heute Abend um die Möglichkeit, Florentine, Andrews Verlobte, wiederzufinden. An seiner Stelle wäre ich auch nicht Däumchen drehend zu Hause geblieben.
Meine Konzentration auf die Straße gerichtet beschleunigte ich, als ich bemerkte, dass der Jeep neben uns ebenfalls wieder in Fahrtrichtung unterwegs war und sich der Fahrer große Mühe gab, mit uns auf einer Höhe zu bleiben.
Ich muss diesen verfluchten Wichser abhängen!
Wie ein beschissenes Motivationsmantra sagte ich mir diesen Satz immer wieder in Gedanken auf. Zu gerne hätte ich herausgefunden, wer der Fahrer war, aber der Mistkerl trug eine Sturmhaube.
Feiges Schwein!
Van unterstützte meine Gedanken mit Flüchen und Befehlen, die er lauthals durch die Kabine schrie.
Ich ignorierte seinen Ausbruch.
Erst nach einigen Sekunden registrierte ich, dass er gar nicht mich meinte, und wandte mich zur Seite.
Andrew hatte uns eingeholt und befand sich nun genau zwischen dem Jeep und meinem Truck. Er versuchte durch das geöffnete Fenster des Nachbarwagens zu greifen, ohne dabei die Kontrolle über sein Motorrad zu verlieren.
Verdammt, waren wir hier bei »Mission Impossible«? Was machte der Idiot da?
Van schien das Gleiche zu denken, denn er kurbelte sein Fenster herunter und streckte seinen halben Oberkörper heraus. Er fuchtelte wild mit den Armen und schrie: »Verschwinde, Drew! Hau ab!«
Aber Andrew schenkte ihm keine Beachtung.
Von Panik erfasst unterstützte ich Vans Plan mit lautstarkem und andauerndem Hupen, aber auch diese Geräusche wurden vom peitschenden Wind und den heulenden Motoren geschluckt.
Mein Puls trommelte mir in den Ohren und mein Blick huschte abwechselnd von dem suizidgefährdeten Idioten neben uns zurück auf die Straße und wieder zur Seite. Es war unmöglich, mich auf eines der beiden Szenarien zu konzentrieren.
Plötzlich hörte ich einen lauten, markerschütternden Fluch und riss meinen Kopf erneut nach rechts. Dort sah ich, dass der Fahrer des Jeeps sich verbissen gegen Andrews Angriffe wehrte, während er gleichzeitig versuchte die Kontrolle über seinen Wagen zu behalten. Leider gelang ihm das nicht so gut, wie ich es gehofft hatte, denn der Geländewagen geriet immer wieder ins Schliddern und kam meinem Truck dabei gefährlich nah.
Wenn der Wichser nicht aufpasste, rammte er uns, während Drew sich dazwischen befand!
Ich biss die Zähne fest zusammen und schaltete gedanklich in den Autopilotmodus. Das Gaspedal klebte am Boden, der Gang sprang vom fünften in den dritten. Der Motor heulte auf und übertönte selbst das Dröhnen von Andrews Maschine. Die Tachonadel schnellte in den roten Bereich, ebenso wie die Anzeige des Drehzahlenmessers. Doch die Qualen, die mein Schätzchen gerade durchmachen musste, waren nichts im Vergleich zu meinem rasenden Herzschlag, der von den Horrorszenarien in meinem Kopf angefacht wurde. In meinem Verstand existierte in diesem Moment nur ein Gedanke: Ich musste hier weg, bevor Andrew zwischen uns eingequetscht wurde!
Auch wenn der Fahrer des Jeeps weiterhin versuchte sein Tempo dem meinen anzupassen, wurde er von Andrew zu sehr abgelenkt und es gelang mir, einen Vorsprung zu gewinnen. Erleichtert seufzte ich auf, als wir zur Hälfte an dem Jeep vorbei waren. Doch ich hatte mich zu früh gefreut. Unserem Feind war offenbar eine andere Idee gekommen, wie er den ungebetenen Gast an seiner Seite abwimmeln konnte. Er drosselte sein Tempo und manövrierte den Jeep hinter meinen Truck. Dabei drängte er Andrew gefährlich nah an den Abhang!
Im Rückspiegel verfolgte ich das Szenario mit geweiteten Augen, ohne irgendwie reagieren zu können.
Scheiße! Nein! Das …
Mir blieb keine Zeit, den Gedanken zu Ende zu führen, als mein schlimmster Albtraum wahr wurde. Der Fahrer riss mit einem höhnischen Lachen die schwarze Sturmhaube von seinem Kopf und präsentierte mir ein ziemlich irres Lachen. Seine blonden Haare standen ihm wirr vom Kopf ab, aber seine stechend blauen Augen fokussierten mich, als sich unsere Blicke trafen.
»Das ist die Rache für meine Schwester, Arschloch!« Mit einem Ruck lenkte Liam den Jeep näher an den Straßenrand und besiegelte damit Andrews Schicksal.
Im selben Moment, als mein bester Freund in den Tod stürzte, riss ich meinen Mund auf und schrie mir die Seele aus dem Leib, auch wenn kein einziger Ton zu hören war.
Mein Puls raste, meine Augen waren weit aufgerissen und kalter Schweiß rann mir über Gesicht, Nacken und Oberkörper. Erst nach mehrmaligem Blinzeln gelang es mir, die Reste des Albtraums abzuschütteln und diese gegen die vertrauten Schemen meines Zimmers im MSU-Wohnheim auszutauschen. Es musste noch früh am Morgen sein, denn das Zimmer war in ein diffuses Licht getaucht. Zu hell für die Nacht, zu dunkel für den Tag. Ich schätzte die Uhrzeit auf ungefähr sechs Uhr.
Mit bebenden Fingern fuhr ich mir über das Gesicht und strich mir die nassen Strähnen aus der Stirn. Mit ein paar tiefen Atemzügen gelang es mir, meinen Puls wieder unter Kontrolle zu bekommen, und ich ließ meine Arme sinken. Mein Blick huschte in dem knapp vierundzwanzig Quadratmeter großen Raum umher, den ich mir mit meinem Kumpel Bill Struppowski – von mir liebevoll Struppi genannt – teilte. Jeder verfügte über eine Zimmerhälfte, die er nach seinen Vorstellungen einrichten durfte. Gott sei Dank hatten wir einen ähnlichen Geschmack, sodass unsere beiden Zimmerhälften fast identisch aussahen. Ein schmales Bett mit Nachtschränkchen, ein schlichter dunkelbrauner Kleiderschrank mit dazu passendem Schreibtisch und Stuhl waren das einzige Mobiliar. Nur ein paar persönliche Dinge unterstrichen unsere jeweilige Individualität.
Bill liebte es ordentlich und aufgeräumt. Seine Klamotten lagen gefaltet im Schrank, auf seinem Tisch türmten sich neben einem großen Computerbildschirm einige Bücher und sein Bett war stets hergerichtet, wenn er nicht selbst darin lag. Auf dem Fensterbrett befand sich ein Struppowski-Familienfoto von seinen Eltern, seiner Großmutter, seinen zwei jüngeren Schwestern und seinem neugeborenen Bruder in einem kitschigen weißen Bilderrahmen mit goldenen Engeln. Ein Weihnachtsgeschenk seiner Oma, wie er einmal beteuert hatte.
Bei mir hingegen herrschte Chaos – sofern man bei den wenigen Dingen, die ich besaß, überhaupt ein solches erzeugen konnte. Ich sah einfach keinen Sinn darin, meine Klamotten wegzuräumen, wenn ich sie in absehbarer Zukunft doch wieder benötigte. Daher warf ich T-Shirts, Jeans und meine einzige Jacke immer achtlos auf die Stuhllehne. Auf dem Tisch, der vor dem Stuhl stand, lagen neben meinem Laptop ein paar Notizen aus dem letzten Semester und leer gefutterte Chipstüten, die ich noch nicht weggeschmissen hatte. An der Wand links neben meinem Bett hing ein signiertes Trikot von Aeris Williams, Runningback der 2014er Mississippi State Bulldogs. Ich war schon immer ein großer Fan gewesen und früher auch regelmäßig zu den Footballspielen gegangen, aber seit Andrews Tod konnte ich mich nicht mehr dazu überwinden, das Stadion zu betreten. Liz’ Meinung nach lag das daran, dass diese Besuche zu den wenigen Dingen gehörten, die Andrew und ich immer allein unternommen hatten. Vielleicht hatte sie damit recht. Aber eigentlich war mir der Grund egal. Fakt war: Ich hatte den Spaß daran verloren und wollte meine Zeit nicht mit etwas verschwenden, das mir nur schlechte Laune bereitete.
Nach und nach lichtete sich der Nebel in meinem Schädel und ich vernahm das leise Klackern einer Tastatur rechts neben mir. Träge drehte ich meinen Kopf zur Seite, auch wenn mein Nacken protestierend aufschrie.
Der sich mir bietende Anblick war nichts Neues, trotzdem konnte ich mir ein resigniertes Seufzen nicht verkneifen. Seit Wochen begrüßte mich dieses Bild, egal zu welcher Uhrzeit ich aufwachte. Bill saß in seinem Bett, die Beine angewinkelt, den Laptop dagegengelehnt. Sein Gesicht wurde vom Bildschirm beleuchtet und ermöglichte mir einen Blick auf seine verkniffene Miene. Seine karottenroten Haare standen ihm wirr vom Kopf ab, seine Brille saß schief auf seiner Nase und seine schmalen Lippen waren zusammengepresst. Seine Finger huschten in einem irrsinnigen Tempo über die Tasten. Zuckende Augenbrauen verrieten, wie konzentriert er arbeitete.
Aus den Augenwinkeln nahm ich das Fenster wahr, das sich an der Wand hinter uns befand. Wie bereits vermutet, war es früher Morgen. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, aber es würde nicht mehr lange dauern. Meine Schätzung bezüglich der Uhrzeit war also gar nicht so schlecht gewesen.
»Bist du noch von gestern wach oder hast du ein paar Stunden geschlafen?« Gähnend kratzte ich mir über die nackte Brust.
Anstatt mir zu antworten, griff Bill nach einer Getränkedose, die auf seinem Nachttisch stand, und trank einen Schluck.
Ein Energydrink. Natürlich.
Ich nickte stumm. Inzwischen hatte ich mich an sein untypisches Schweigen gewöhnt. Trotzdem gefiel mir diese Verhaltensänderung kein bisschen. Normalerweise war Bill einer dieser Leute, die einen bereits vollquatschten, kaum dass man die Augen aufgeschlagen hatte. Aber seit Jenny entführt worden war, hatte sich mein Kumpel in einen Einsiedlerkrebs verwandelt. Dabei konnte ich ihm seine Lethargie nicht einmal vorwerfen. Wir alle wussten, dass Bill über beide Ohren in Jenny verknallt war. Deswegen verstanden wir auch seine Besessenheit, sie wiederzufinden. Bis zu einem gewissen Grad teilten wir seine Obsession sogar. Denn wir alle wollten Jenny retten.
Van, weil sie seine kleine Schwester war.
Liz, weil sie Van liebte.
Und ich, weil Jenny für mich fast wie eine Schwester war.
Aber Bill war mein Kumpel und ich ertrug es nicht, ihn so leiden zu sehen. Deswegen hatte ich anfangs noch alles darangesetzt, ihn abzulenken. Doch egal wie oft und ausgiebig ich ihm beteuert hatte, dass er nicht an Jennys Entführung schuld sei und dass er sowieso nichts dagegen hätte ausrichten können, war ich immer wieder auf taube Ohren gestoßen. Irgendwann hatte ich meine Bemühungen eingestellt und zähneknirschend akzeptiert, dass Bill erst wieder mehr als drei Stunden am Stück schlafen würde, wenn wir Jenny gefunden hatten. Ein Umstand, der uns in den letzten drei Monaten nicht gelungen war und der mit jedem Tag, den unsere Suche im Sand verlief, immer unwahrscheinlicher wurde.
Das wiederum hatten wir diesem elenden Hundesohn Liam zu verdanken. Mit seinem viel zu schnellen und gnädigen Tod hatte er die letzte Spur zu Jennys Aufenthaltsort erkalten lassen. Dabei hatten wir alles versucht, um seinen Mörder ausfindig zu machen, in der Hoffnung, dass uns dieser zu Jenny führen würden. Doch der Täter, der Liam die Drogen injiziert hatte, die sein Herz zum Stillstand führten, war völlig unsichtbar vorgegangen. Ein Profi!
Ich wäre beeindruckt gewesen, hätte ich nicht einen derartigen Hass verspürt. Denn abgesehen davon, dass man mir die Freude geraubt hatte, Liam eigenhändig umzubringen, traten wir seit seinem Tod auf der Stelle. Dabei waren wir uns sicher etwas Wichtiges zu übersehen. Nur wussten wir nicht, was dieses Etwas sein sollte. Dass der Mörder von derselben Organisation geschickt worden war, für die Liam zuvor gearbeitet hatte, war eindeutig, half uns aber kein bisschen weiter. Auch unsere Vermutung, dass man Liam aus dem Verkehr gezogen hatte, damit er nach seinem Komaschläfchen kein ausführliches Geständnis bei seinem Onkel, dem Polizisten, ablegen konnte, war keine Hilfe, sondern schürte nur weiter unsere Anspannung und Sorge, Jenny ebenso wie Florentine und Fabienne wiederzufinden.
Flo und Fabi …
Wehmütig dachte ich an die Zwillinge. Ob sie noch am Leben waren? Oder musste ich mich mit dem Gedanken arrangieren, dass sie ebenso wie Andrew und Liam tot waren?
Die Überlebensstatistik für Zeta-Mitglieder sieht echt nicht gut aus.
Ein trockenes, stummes Lachen bildete sich in meiner Brust, aber ich ließ es nicht raus.
Wir waren mal sieben.
Van, Liz, Andrew, Fabienne, Florentine, Liam und ich. Wir hatten die Zetas gegründet und bis auf den Verräter Liam waren wir zu einer Familie geworden, zu der ich inzwischen auch Bill, Jenny und Amanda zählte.
Für jeden Einzelnen würde ich durchs Feuer gehen!
Das war auch der Grund, weshalb es mir nicht gelang, die Bilder jener verhängnisvollen Nacht aus meinem Kopf zu verbannen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit würde ich bis an mein Lebensende mit den Erinnerungen an eine halb nackte Amanda leben müssen, die in der Finsternis auf Liams bewusstlosem Körper hockte und völlig apathisch mit einer Polizeitaschenlampe auf ihn eindrosch. Sie hatte ihn umbringen wollen, das hatte ich in ihrem verängstigten und zugleich entschlossenen Blick gesehen, nachdem ich sie gefunden hatte.
Dabei konnte ich ihr den Wunsch nicht verübeln. Zu gerne hätte ich diese Tat selbst übernommen, als meine kranke Fantasie mir in sämtlichen Details vorgespielt hatte, was dieser Drecksack alles mit ihr hätte anstellen können. Deswegen wusste ich bis zum heutigen Tag auch nicht, wie es mir gelungen war, meine Aufmerksamkeit auf das unter Schock stehende Mädchen zu konzentrieren, anstatt den auf der Straße liegenden bewusstlosen Bastard zu erwürgen.
Er hat sie nicht vergewaltigt! Er hat ihr nicht auf diese Art wehgetan!
Dieses Mantra hatte mir geholfen meine Wut unter Kontrolle zu halten, als ich Amanda in den Tagen danach im Krankenhaus besucht hatte, stets in dem Wissen, dass sich dieser Mistkerl im selben Gebäude befand wie sie.
Dennoch wurde meine Selbstbeherrschung jedes Mal aufs Neue herausgefordert, wenn ich Amanda berühren wollte, und sei es nur, um ihre Hand zu halten oder ihr über die Wange zu streichen. Denn sobald ich, ein Arzt oder gar ihr Vater sich ihr näherte, zuckte sie zusammen, als erwartete sie Schläge.
Leider hatte sich Amanda trotz mehrfachen Nachfragens geweigert mir zu verraten, was im Detail während ihrer Entführung passiert war. Und genau diese Sturheit war der Grund, weshalb zwei faustgroße Löcher die Rigipswand neben meinem Bett zierten, die ich mit dem Bulldog-Trikot verdecken musste, bis ich Gelegenheit hatte, den Schaden zu beheben.
Ungelenk schlug ich die Decke zurück und kletterte aus dem Bett. Ich durfte nicht länger an diese Dinge denken. Sie vernebelten nur meinen Verstand und erschwerten meine Konzentration, was nach einer Nacht mit diesem Albtraum sowieso eine ziemliche Herkulesaufgabe war.
Nur in Boxershorts gekleidet streckte ich mich ausgiebig und ließ meine Gelenke geräuschvoll knacken. Morgens war echt nicht meine Zeit. Ich brauchte erst meine tägliche Joggingrunde und eine heiße Dusche, ehe ich zu funktionieren begann. Doch ich konnte den Anblick meines Kumpels nicht länger ertragen und startete einen weiteren, wenn auch ziemlich kläglichen Versuch, ihn aus seinem Zombiedasein zu befreien.
»Du brauchst Schlaf, Struppi! Du bist völlig übermüdet! In diesem Zustand machst du mehr Fehler, als dass du uns hilfst.« Um meine Worte zu unterstreichen, baute ich mich mit vor der Brust verschränkten Armen vor Bills Bett auf und sah mit ernstem Blick auf ihn herab.
Doch Bill reagierte nicht auf meine Darbietung, sondern starrte weiter auf seinen Bildschirm. »Wenn es Amanda wäre, die man entführt hätte, würdest du mich persönlich an den Rechner ketten und mit einer schwingenden Peitsche hinter mir stehen!« Bills Finger erstarrten mitten in der Bewegung und er sah zu mir auf. Sein Gesicht war blass, die Sommersprossen auf seinen Wangen kaum zu sehen. Dafür strahlten seine grünen Augen intensiv, was die dunkelblauen Balken darunter noch deutlicher hervorstechen ließ.
Seine Worte waren ein Schlag unter die Gürtellinie, aber er hatte recht. Wenn es Amanda nicht gelungen wäre, sich selbst zu befreien, hätte ich Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um sie zu finden.
»Schon klar, trotzdem solltest du dir eine Pause gönnen. Du kennst Van. Wenn er irgendwann mitkriegt, wie labil dein Zustand ist, und er in dir eine Gefahr für unsere Mission sieht, wirst du schneller in den Urlaub geschickt, als du packen kannst. Und wir beide wissen, dass wir hier nicht von den sonnigen Bahamas reden.« Ich löste meine Arme, klopfte Bill auf die Schulter und wandte ihm den Rücken zu.
Als ich mich zu meinem Schreibtisch begab, um meine Sportklamotten anzuziehen, hörte ich wieder das rhythmische Klackern der Tastatur.
Ich ersparte mir ein Seufzen. An seiner Stelle hätte ich es nicht anders gemacht.
Wenige Minuten später stand ich in Jogginghose, T-Shirt und Laufschuhen auf dem Gang des Wohnheims. Der Flur lag einsam und verlassen vor mir. Ich steckte mir die Stöpsel meines iPods in die Ohrmuscheln und drehte die Musik laut auf. Die Band »Flyleaf« begann mitten in ihrem Stück »All around me«, genau an der Stelle, wo ich gestern aufgehört hatte, aber ich wählte einen Song, der besser zu meiner aktuellen Stimmung passte. Nach wenigen ruhigen Tönen begann der Leadsänger von »Linkin Park« mit Reibeisenstimme die erste Zeile des Songs »Crawling« zu brüllen und ich lief los.
Anfangs versuchte ich mich noch auf den Text zu konzentrieren, aber ich kannte ihn auswendig, weshalb mein Verstand sich irgendwann unweigerlich auf andere Dinge fokussierte. Meine Gedanken huschten erneut zu Bill. Ich kannte den Kerl inzwischen seit über einem Jahr, aber so hatte ich ihn noch nie erlebt. Automatisch dachte ich an unser Kennenlernen im vorletzten Sommer zurück.
***
Mein ehemaliger Mitbewohner Steve hatte die Uni geschmissen und war ausgezogen. Es dauerte keine zwei Tage, da war das Zimmer bereits wieder vergeben worden und Bill hatte vor meiner Tür gestanden. Anfangs hatte ich ihn für einen grauenvollen Langweiler gehalten. Seine Nase steckte ständig in irgendwelchen Büchern oder vor dem Bildschirm seines Rechners. Doch irgendwann erwischte ich ihn dabei, dass er gar nicht für eine Hausarbeit recherchierte, wie ich angenommen hatte, sondern sich in den Zentralrechner der Universität gehackt hatte. Daraufhin hatte er mir mit panischem Blick und gehetzter Sprache eine fadenscheinige Ausrede aufgetischt. Vermutlich hatte er befürchtet, ich würde ihn an den Dekan verpfeifen oder so. Er hatte mir sogar für mein Stillschweigen angeboten die Fragen für meine nächste Wirtschaftsklausur zu organisieren.
Sein Angebot hatte mich hart getroffen und ich hatte tatsächlich einen Moment darüber nachgedacht, ihn in dem Glauben zu lassen, dass er in Gefahr schwebte. Doch mein Mitleid gewann schnell die Oberhand und ich hatte dankend abgelehnt. Gleichzeitig versicherte ich ihm, dass er sich keine Gedanken machen müsse. Andere Leute in die Pfanne hauen war nicht mein Stil.
Anfangs hatte ich das Gefühl, als würde mir Bill nicht glauben. In den darauffolgenden Wochen war er extrem zurückhaltend gewesen und noch ruhiger als sonst. Doch nach und nach lernten wir uns besser kennen und freundeten uns an. Dadurch hatte ich auch von den Gefälligkeiten erfahren, die er für kleines Geld erledigte. Nichts wirklich Schlimmes, wie er immer wieder beteuerte. Er hatte strenge moralische Prinzipien und organisierte daher nur hin und wieder Handynummern oder strukturierte Wohnheimzimmer um, wenn Freundinnen zusammenziehen wollten, ihnen der offizielle Weg jedoch zu lange dauerte. Anfragen, die darüber hinausgingen, lehnte er kategorisch ab.
Während seiner Erzählungen hatte ich neidlos anerkennen müssen, dass ich ziemlich beeindruckt war. Auch wenn ich mühelos einen Achtzylindermotor auseinandernehmen und in Rekordzeit wieder zusammenbauen konnte, waren meine Kenntnisse, was diese Art von Technik anging, nicht existent. Daher sah ich unser Kennenlernen als Wink des Schicksals, als wir wegen Liams Knastaufenthalt einen neuen Hacker benötigten.
Van war anfangs nicht sonderlich davon begeistert gewesen, jemand Fremdes in unsere Reihen aufzunehmen, doch Bill hatte ihn mit seinen Fähigkeiten überzeugen können. Nachdem ich Van zudem auch noch versichert hatte ein wachsames Auge auf unseren Neuzugang zu haben, hatte er eingewilligt.
Einmal Zeta, immer Familie.
Das war auch der Grund, weshalb ich nicht mit ansehen wollte, wie mein neu gewonnener Bruder sein Leben hinter einem Bildschirm vergeudete. Ich hatte es mir zur persönlichen Aufgabe gemacht, Bill davon zu überzeugen, dass das wahre Studentenleben außerhalb unseres Zimmers stattfand. Er sollte endlich lernen, wie man sich amüsierte und das Leben in allen Facetten genoss.
Um ihm beim Start zu helfen, hatte ich Bill auf ein paar Partys mitgenommen, ihm einige Mädchen vorgestellt und ihn mehrmals die Woche mit ins Fitnessstudio geschleppt. Leider hatte sich schnell gezeigt, dass Bill keinen Draht zu solchen Dingen hatte, und ich gab irgendwann auf. Doch das tat unserer Freundschaft keinen Abbruch und seitdem zählte ich den nerdigen Karottenkopf zu meinen engsten Freunden.
***
Da ich bei dem Bill-Thema in den letzten Wochen nicht weitergekommen war und mir auch nicht vorstellen konnte, dass sich dieser Umstand in nächster Zeit ändern würde, widmete ich mich einem anderen Thema, das mein Leben zurzeit ordentlich auf Trab hielt.
Amanda King.
Das Mädchen von nebenan.
Genau vor zwölf Wochen, vier Tagen und achtzehn Stunden hatte ich sie das letzte Mal gesehen.
Das letzte Mal ihre Stimme gehört.
Sie das letzte Mal berührt.
Geküsst.
Doch heute würde sich das ändern.
Heute zog Amanda an den Campus der MSU und ich würde sie endlich wiedersehen.
Bei dem Gedanken begann mein Magen zu rebellieren, anstatt sich vor Freude zu überschlagen. Dabei freute ich mich sie endlich wieder in den Arm nehmen, sie berühren und küssen zu können. Doch dann erinnerte ich mich an den verrückten Deal, den wir vor ihrer Abreise geschlossen hatten, und meine Euphorie platzte wie ein zu prall gefüllter Luftballon.
Dates? Eine richtige feste Beziehung?
Wie hatte ich dem nur zustimmen können?
Ich war nicht der Typ für solche Dinge!
Anonymer, gefühlloser Sex mit Frauen, deren Namen ich teilweise nicht einmal kannte? Ja! Aber Monogamie, tiefschürfende Gespräche über Gefühle, Wünsche und Hoffnungen? Allein bei der Vorstellung stellten sich mir die Nackenhaare auf.
Wieso also hatte ich mich darauf eingelassen?
Als würde mir eine höhere Macht die Antwort liefern wollen, erschien vor meinem geistigen Auge Amanda. Ihr kinnlanges, blond gesträhntes Haar fiel ihr in weichen Wellen um das Gesicht, ihre stahlgrauen Augen, die von dichten, hellen Wimpern umrandet waren, strahlten mich an und ihre Stupsnase mit den winzigen, kaum erkennbaren Sommersprossen zuckte, als würde sie niesen müssen. Dabei verzogen sich die vollen rosafarbenen Lippen zu einem Schmollmund, der mich regelrecht dazu einlud, ihn zu küssen.
Sofort zuckte mein kleiner Freund und verbeulte meine Jogginghose. Ja, Amanda King war heiß. Verboten heiß! Besonders wenn sie in ihrem Bikini ein Sonnenbad nahm.
Nein! Nicht schon wieder!
Mein Zungenpiercing schob sich zwischen meine Lippen und eine viel zu vertraute Lust durchströmte meinen Körper, um sich wie eine geladene Kanone in meinen Lenden zu sammeln. Alles in mir schrie danach, mein Training abzubrechen und es mir mit dieser Erinnerung unter der Dusche gemütlich zu machen. Doch ich ignorierte den Ruf und konzentrierte mich auf meine Laufrunde. Meistens gelang es mir auf diese Weise, meine primitiven Gelüste in Schach zu halten.
Dieses Mal leider nicht.
Aber bevor meine Hormone die Kontrolle über mein Handeln übernehmen konnten, lenkte ich meine Gedanken zurück auf mein Hauptproblem:
Wie wird es zwischen Amanda und mir weitergehen?
Dass ich sie wollte, stand außer Frage. Aber war ich auch bereit dafür eine feste Beziehung einzugehen, obwohl mir in meinem bisherigen Leben immer wieder demonstriert worden war, dass so etwas unweigerlich in Schmerz, Kummer und Leid endete?
Die Antwort kam, ohne dass ich darüber nachdenken musste.
Ja! Für Amanda würde ich dieses Risiko eingehen!
Aber wollte Amanda es ebenfalls noch? Oder hatte sie in den letzten zwölf Wochen, die sie bei ihrer Großmutter in Kentucky verbracht hatte, ihre Meinung geändert? Leider hatte ich darauf keine Antwort, da wir seit ihrer Abreise keinerlei Kontakt gehabt hatten. Diese unfreiwillige Kommunikationssperre hatten wir dem beschissenen Schicksal zu verdanken, das sich offenbar einen großen Spaß daraus machte, uns zu quälen. Denn natürlich war nicht nur Amandas Smartphone bei dem Entführungsversuch geschrottet worden, nein, Mrs King Senior war zudem eine Verfechterin des Antiken, weshalb sie nur ein altertümliches Schurtelefon besaß, das sich in der Küche befand und dadurch sämtliche Hoffnungen zum Thema »private Telefongespräche« im Keim erstickte.
Ich seufzte und beschleunigte meine Schritte. Vielleicht würde die körperliche Anstrengung helfen meine Gedanken zu sortieren. Aber natürlich war das nicht der Fall.
Egal wie schnell ich auch lief, ich konnte nicht vor den nagenden Fragen fliehen, die mich seit Wochen beschäftigten: Würde auch Amanda genau dort anknüpfen wollen, wo wir aufgehört hatten? Oder hatte sie es sich womöglich anders überlegt und würde mir aus dem Weg gehen? Vielleicht war das, was zwischen uns lief, oder irgendwann laufen könnte, gar nicht mehr das, was sie wirklich wollte.
Vielleicht war ich nicht das, was sie wirklich wollte.
Bei diesem Gedanken beschleunigte sich mein Puls auf ein zuvor ungekanntes Maß und ein schmerzhafter Druck bildete sich auf meiner Brust.
Verdammt! Diese Ungewissheit macht mich noch wahnsinnig!
Ich konzentrierte mich auf meine Atmung. Auf keinen Fall wollte ich mitten auf dem Campus wegen Sauerstoffmangels zusammenbrechen.
Nach einigen Augenblicken lockerte sich das krampfhafte Gefühl und ich atmete erleichtert auf. Gleichzeitig wagte ich es, meine Gedanken wieder schweifen zu lassen. Denn Amandas dreimonatige Abstinenz hatte auch einen gewaltigen Vorteil gehabt. Dank dieses Zwangsurlaubs war sie völlig von der Außenwelt abgeschirmt gewesen und hatte nichts von all den Reportern und Nachrichtendiensten mitbekommen, die wie Heuschrecken in Natchez eingefallen waren, um aus jeder noch so kleinen Information eine Riesenstory aufzubauschen. Aus diesem Grund waren wir anderen auch unnötig früh an den Campus zurückgekehrt. Wir hatten uns bestmöglich vor der medialen Schlammschlacht retten wollen, die nach Aufdeckung immer neuer Details zu einer wahren Hexenjagd mutiert war – besonders da der Haupttäter Liam nicht mehr für seine Taten zur Rechenschaft gezogen werden konnte und ein anderer Sündenbock gefunden werden musste. Die Wahl war schnell auf Brian Corner gefallen, der neben Liam an einigen Entführungsfällen beteiligt gewesen und trotz der Position seines Vaters, der als oberster Polizeichef in Natchez fungierte, nicht ungestraft davongekommen war. Mit dem Strafmaß zwei Jahre auf Bewährung konnte Brian seine Karriere als Profisportler vergessen, ebenso wie seinen Studienplatz an der MSU. Bill hatte herausgefunden, dass Brian seine schulische Zukunft an einer privaten Uni in Oregon weiterführen würde, wo das Geld seiner Eltern noch Wirkung zeigte.
Einmal quer durch die Staaten! Sehr gut!
Leider hatte mich dieser Gedanke nur eine gewisse Zeit ablenken können. Denn je näher der heutige Tag gerückt war, desto unruhiger war ich geworden. Vermutlich lag das an dem Wissen, dass Amanda seit letztem Mittwoch wieder in Natchez war. Das wiederum bedeutete, dass sie bereits vier Tage Zeit gehabt hatte, sich bei mir zu melden.
Was sie aber nicht getan hat!
Meine Brust verkrampfte sich abermals. Mit zusammengebissenen Zähnen legte ich weiter an Tempo zu, bis meine Waden vor Qual brannten.
Verdammt! Ich benehme mich lächerlich! Selbst wenn Amanda ihre Meinung geändert haben sollte, werde ich damit schon klarkommen. Sie ist schließlich auch nur ein stinknormales Mädchen. Davon gibt es hier am Campus unzählige. Mir wird schon nicht langweilig werden, falls das mit uns nichts wird! Bisher musste ich keine Nacht allein verbringen, wenn ich es nicht wollte. Außerdem kann ich mich dann ganz auf die Suche nach Jenny konzentrieren, ohne mir Sorgen um Amanda machen zu müssen!
Einen Moment geriet ich aus dem Rhythmus, ehe ich den Takt wiederfand und mir innerlich einen Kinnhaken verpasste.
Was war ich doch für ein Loser! Glaubte ich ernsthaft mich mit diesem Scheiß beruhigen zu können?
Amanda King war kein stinknormales Mädchen.
Sie war das Mädchen.
Sie war mein Mädchen!
Und egal was ich mir einredete, ich würde mich immer um sie sorgen und sie beschützen wollen. Denn Amanda hatte mir völlig den Kopf verdreht. Dabei wusste ich nicht einmal, wie und wann ihr das gelungen war. Schließlich hatte mein Interesse an ihr völlig harmlos begonnen. Sexuelle Lust und die Neugier, was an den damals kursierenden Highschoolgerüchten dran war.
Nicht mehr.
Ihre Wildheit und das Gekeife hatten mich vom ersten Augenblick an angeturnt. Besonders als sie – verflucht! Ich konnte die Erinnerung an unsere Begegnung im Garten einfach nicht vergessen! –, nur in einen weißen Bikini gekleidet ihre Krallen ausgefahren hatte. In diesem Augenblick hätte ich sie am liebsten an Ort und Stelle vernascht.
Leider hatte ihre verbale kalte Dusche meine Lust ziemlich schnell im Keim erstickt und ich beschloss, ihr aus dem Weg zu gehen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie nämlich noch keinen blassen Schimmer, in welch gefährliche und illegale Machenschaften die Freunde ihres verstorbenen Bruders verwickelt waren. Und wenn es nach mir gegangen wäre, hätte sich das auch nicht geändert.
Doch bereits wenige Stunden später hatte ich meinen Vorsatz über den Haufen geworfen, als ich mitbekam, dass ihr Wagen einen Defekt hatte. Ich wusste, wie sehr sie den Beetle liebte, und wollte nicht, dass sie den Schaden verschlimmerte, indem sie immer wieder versucht, den Motor zu starten.
In meinen kühnsten Träumen hätte ich nicht gedacht, dass meine Hilfsbereitschaft die verzwickte Situation zwischen uns noch weiter verstärken würde. Denn als ich Amanda gesehen hatte, hatte ich dem drängenden Wunsch, sie zu berühren, kaum widerstehen können. Ein Wunsch, der sich auf Vans Party mit jedem ihrer Worte, jeder Geste und jedem ihrer Blicke verstärkt hatte.
An diesem Abend hatte ich mir etwas eingestehen müssen: Amanda King war wie eine Droge! Süchtig machend, aufputschend und gleichzeitig zerstörend. Und wie ein Junkie sehnte ich mich nach ihrer rebellischen Art, die sie offenbar nur in meiner Gegenwart ausleben konnte. Denn mit jeder unserer Streitereien hatte die Fassade des kleinen braven Mädchens nach und nach Risse bekommen, bis dieser unbeschreibliche Feuerengel zum Vorschein gekommen war!
O Mann! Allein bei dem Gedanken, wie ihre Augen vor Zorn gelodert hatten, wuchs die Beule in meiner Hose weiter an. Dabei war das noch nicht einmal das Highlight des Abends gewesen. Nein, das war eindeutig der Moment, als ich sie in meinem Auto mit dem Scotch übergossen und sich der dünne, weiße Stoff ihres Kleides um ihre nackten Brüste geschmiegt hatte.
So gerne ich auch an dieses Bild dachte, musste ich zugeben, dass Sex nicht immer ein Thema gewesen war, das ich mit Amanda King in Verbindung brachte. Im Laufe des Sommers hatte es genügend Situationen gegeben, in denen Begierde das Letzte gewesen war, das ich in ihrer Gegenwart verspürt hatte.
Das beste Beispiel dafür war eindeutig der Moment, als sie in ihren weißen, unschuldigen Baumwollshorts mit dem dazu passenden Top vor meiner Tür gestanden hatte. Sie war ungeschminkt und ihre Haare wirr gewesen. Ihre Wangen waren gerötet und eine unbändige Leidenschaft war in ihrem Blick zu sehen gewesen.
So muss sie nach dem Sex aussehen. Heiß!, war mein erster, wenn auch wenig erwachsener und hilfreicher Gedanke. Doch als sie kurz darauf begonnen hatte, erneut die Wahrheit über die schlimmste Nacht meines Lebens einzufordern, waren meine unanständigen und pubertierenden Fantasien vergessen gewesen. Dafür war mir in diesem Moment etwas anderes bewusst geworden. Ihr Anblick mochte noch so unschuldig und süß sein, doch tief in ihrem Inneren war sie unglaublich leidenschaftlich, loyal und eine Kämpferin.
Ein Teufel im Körper eines Engels.
Und ich war bereits rettungslos und Hals über Kopf in sie verliebt gewesen.