Lucas und der Zauberschatten - Stefan Gemmel - E-Book
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Lucas und der Zauberschatten E-Book

Stefan Gemmel

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Beschreibung

Eigentlich muss Lucas nur eine gemeine Mutprobe bestehen, zu der er herausgefordert wurde. Als ihn jedoch ein seltsamer alter Mann aufhält, gerät er in einen Strudel aus unglaublichen Ereignissen! Der Mann behauptet, ein Magier zu sein, und stellt sich ihm als Schüler Merlins vor. Lucas soll ihm helfen, einen uralten Fluch zu brechen, und muss dafür zurück ins Camelot der Zeit König Artus' reisen. Das klingt viel zu verrückt, um wahr zu sein ... Aber wenn doch etwas an der Geschichte dran ist?


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Seitenzahl: 162

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Inhalt

Cover

Über den Autor

Über den Illustrator

Titel

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Teste dein Wissen zu Artus’ Tafelrunde

Der Code der Tafelrunde

Welch ein Wirrwarr!

Doppelt hält besser

Meister der Zahlen

Lösungen

Über den Autor

Stefan Gemmel, geboren 1970 in Morbach, schreibt erfolgreiche Kinder- und Jugendbücher und leitet auch Literaturprojekte und Schreibwerkstätten für Kinder. Für seine ungewöhnlichen Lesungen, Lesenächte und Workshops, die er in Schulen und Büchereien durchführt, erhielt er zahlreiche Auszeichnungen. Er ist verheiratet, Vater von zwei Kindern und lebt in der Nähe von Koblenz.

Über den Illustrator

Timo Grubing lebt und arbeitet als freier Illustrator im Herzen des Ruhrgebiets, in Bochum. Dort ist er vor allem in den Bereichen Kinder- und Jugendbuch, Schulbuch, Familienspiele und Comics tätig. Daneben arbeitet er regelmäßig für verschiedene Agenturen und Magazine. Wenn ihn nicht gerade ein Knubbelgeist von der Arbeit abhält, dann übernimmt diese Aufgabe – meist erfolgreich – eine seiner beiden Katzen.

Stefan Gemmel

Mit Illustrationenvon Timo Grubing

BAUMHAUS

Vollständige eBook-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

BAUMHAUS Verlag in der Bastei Lübbe AG

Originalausgabe

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Castlegate Agency,

www.castlegate-agency.com

Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Umschlaggestaltung: Thomas Krämer unter Verwendung

einer Illustration von Timo Grubing

eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf

ISBN 978-3-7517-0131-0

www.luebbe.de/baumhaus

www.luebbe.de

www.lesejury.de

»Och nö!«

Wer hatte eigentlich diese Tage erfunden, an denen wirklich alles schiefging?

Erst als Lucas der Deckel seiner Wasserflasche aus den Händen fiel, auf die Schuhe sprang und von dort munter in den nächsten Gully hüpfte, bemerkte er, dass er heute Morgen zwei verschiedene Schuhe angezogen hatte. Nicht etwa zwei verschiedene Strümpfe, was an sich ja schon peinlich genug gewesen wäre. Nein, es waren gleich zwei verschiedene Schuhe. Er beschloss seine roten Sneaker zu Hause nicht mehr neben die blauen Jogging-Treter zu stellen. Dann würde er auch ab morgen nicht mehr wie ein bunter Hund in die Schule gehen. Ab morgen!

Das Ganze hatte beim Frühstück schon angefangen. Erst hatte ihm seine kleine Schwester ordentlich in den Kakao geniest, woraufhin Lucas vor Schreck das Brötchen aus der Hand geflogen war. Aber es landete nicht auf dem Boden, sondern auf der Krawatte seines Stiefvaters, der wohl gerade heute einen wichtigen Termin hatte und das neue Butter-Marmelade-Muster auf seinem Schlips nicht zu schätzen wusste.

Auf dem Weg zum Schulbus sah Lucas auf einer Wiese mehrere Äste, die sich wie kleine Wesen bewegten. Das lenkte ihn so sehr ab, dass Lucas einen Bordstein übersah und sich der Länge nach hinlegte, was natürlich seine Schwester Nele und ihre Freundinnen mit ansahen. Ihr Gelächter hatte er noch immer im Ohr.

Und nun das: Wasserflasche ohne Deckel und dazu Schuhe, die aussahen, als sei eine Fabrik für Nationalflaggen in seiner Nähe explodiert. Hoffentlich bemerkte das niemand in der Klasse.

Vor der Schule wartete er deshalb, bis die Schulglocke zum letzten Mal läutete. Kurz darauf waren fast keine Schüler mehr auf dem Schulhof zu sehen, und Lucas konnte blitzschnell über den Hof rennen und die Eingangstür zur Schule aufdrücken.

Das Lachen, das er aus der oberen Etage hörte, ließ ihn allerdings sein Schuhproblem schnell vergessen. Es war kein freundliches Lachen, das er hörte, sondern ein ziemlich gemeines Lachen. Und so beschlich Lucas eine Ahnung, dass die Probleme des heutigen Tages wohl noch lange nicht enden würden.

Als er die oberste Stufe erreichte, wurde ihm klar, woher das fiese Lachen kam: aus seinem Klassenraum. Als er die Klassenzimmertür erreichte, blieb ihm vor Schreck fast die Luft weg: Martin, einer seiner Mitschüler, war mit dem Hinterteil in den Papierkorb der Klasse gezwängt worden. Er war so eingequetscht, dass er sich nicht aus eigener Kraft befreien konnte. Und rundherum standen alle Mitschüler, lachten sich darüber schlapp und machten Fotos mit ihren Handys.

Lucas stürzte vor und wollte helfen, doch er wurde von Noah so heftig zur Seite gestoßen, dass er gegen die Wand donnerte.

»Lass ihn noch ein bisschen sitzen!«, lachte Noah. Doch nicht nur das. Er sah Lucas auf eine sehr merkwürdige Weise an. Auch die anderen wandten sich allesamt von Martin und dem Papierkorb ab und blickten zu Lucas.

»Oh, wir haben wohl eine Entscheidung!«, brüllte Noah.

Lucas stieß sich von der Wand ab. »Entscheidung?«

Bevor Noah etwas antworten konnte, trat Emma einen Schritt vor. »Du bist nominiert!«, schrie sie begeistert, und die ganze Klasse klatschte laut Beifall.

Lucas kam sich vor wie in einem Traum, in dem man es nicht erwarten konnte, endlich aufzuwachen. »Ich verstehe kein Wort«, sagte er, ahnte aber schon, worum es hier wirklich ging.

Und tatsächlich, Noah erklärte es ihm in einem Wort und bestätigte damit Lucas’ Verdacht: »Challenge!«, rief er über die lachende Klasse hinweg. Allerdings sprach er es »Schällänsch« aus, was irgendwie idiotisch klang. Und das war es ja auch.

»Das ist doch idiotisch«, antwortete Lucas daher. »Diese Challenge nervt doch nur noch.«

»Quatsch, das ist cool!«, rief einer aus der Gruppe.

»Das war mal cool«, widersprach Lucas. »Jetzt ist es nur noch idiotisch.«

Noah kam wieder auf ihn zu. »Wieso? Was hast du denn?«

Lucas suchte nach den richtigen Worten. Anfangs hatte er diese Challenge ja auch spaßig gefunden. Damals, als es darum ging, dass jede Woche ein anderer Mitschüler einem Lehrer einen Streich spielen musste. Angefangen hatte alles mit Achmed, der vor einer Mathestunde alle Namensschilder vertauscht hatte, die auf den Tischen geklebt hatten. Ihre Vertretungslehrerin hatte eine ganze Doppelstunde gebraucht, um herauszufinden, warum sich alle schlapp lachten.

Zu Beginn gab es auch witzige Einfälle: Achmed nominierte Lara, die in der darauffolgenden Woche die Kreidestücke für die alte Tafel an der Seitenwand durch identisch aussehende weiße Lakritzstücke ersetzte. Sie nominierte Luis, der alle Kabel des Smartboards versteckte. Danach folgte ein Schild am Smartboard, auf dem stand: »Außer Betrieb«, was die Lehrer über eine Woche daran hinderte, ihren Unterricht so zu gestalten, wie sie ihn vorbereitet hatten. Bis endlich einer von ihnen den Streich bemerkte.

Zu diesem Zeitpunkt war das alles noch witzig, und man stritt sich untereinander darum, wer als Nächstes nominiert wurde. Doch dann wurde es unschön. Nachdem Clarissa die Smartboardstifte gegen schwarze Permanent-Schreiber ersetzt und damit echten Schaden angerichtet hatte, gab es den ersten großen Ärger. Danach stibitzte Pablo den Lehrerzimmerschlüssel und vertauschte alle Notenbücher der Lehrer, was wiederum für ordentlich Zorn im Kollegium sorgte. Florentine übertrieb es schließlich. Sie klaute Herrn Schlöter, dem Sportlehrer, die Jeans aus der Umkleide und band sie an den Fahnenmast. Das Video auf YouTube hatte bereits über eintausend Likes.

Die gesamte Klasse wurde zum Direktor zitiert, und es gab ein Donnerwetter von einer Dreiviertelstunde mit der Androhung, die Klasse aufzulösen, wenn das nicht aufhörte.

Lucas und viele Mitschüler hatten gehofft, die Challenge würde nun enden, doch Noah und einige andere hatten diese Mutproben einfach nach draußen verlegt. Auf die Zeit nach dem Unterricht. Und seither war diese Challenge ein echter Albtraum.

»Was ich habe?«, fragte Lucas und ging auf Noah zu. »Ich habe sie satt, diese bescheuerte Challenge. Lasst uns doch endlich damit aufhören.«

Aus den Augenwinkeln sah er einige nickende Köpfe und ein paar hoffnungsvolle Blicke. Doch Noah widersprach: »Das wäre unfair. Erst, wenn jeder einmal dran war, können wir aufhören. Sind ja nicht mehr viele.«

Lucas zeigte auf Martin, der noch immer vergeblich versuchte, aus dem Papierkorb zu klettern. »Und was soll das?«

»Strafe!«, klärte Emma ihn auf und schoss mit ihrem Handy noch einmal ein Foto von Martin. »Er weigert sich, nächste Woche dem Pastor Hundescheiße vor die Haustür zu legen. Deshalb muss er jetzt nachsitzen.«

»Hab ich doch jetzt!«, stieß Martin hervor. »Helft mir jetzt hier raus!«

»Nur noch ein bisschen«, antwortete Noah. »Nur so lange, bis Lucas seinen Auftrag erhalten hat. Wir haben ja noch Zeit, bis der Lehrer kommt.«

Lucas erschrak, weil er nun an der Reihe sein sollte, und er wunderte sich, wieso Herr Müller, der Mathelehrer, nicht längst in der Klasse war.

Emma schien Lucas’ Gedanken gelesen zu haben: »Wenn du dir Gedanken um Herrn Müller machst, das wird noch ein bisschen dauern, bis er kommt.«

»Fabio hat ihm vorhin seinen Orangensaft über das Hemd gekippt – aus Versehen natürlich«, erklärte Noah, und Emma rief auch schon wie zur Erklärung: »Challenge!«

»Aber nicht in der Schule«, fügte Florentine schnell hinzu. »Das hat er auf dem Lehrerparkplatz erledigt, denn Streiche in der Schule sind ja verboten!«

»Das sind keine Streiche mehr«, widersprach Lucas.

Wieder sah er nickende Köpfe und ärgerte sich, dass ihm niemand beistand.

»Das ist egal«, widersprach Noah. »Wir haben vorhin beschlossen, dass der Erste, der Martin helfen will, als Nächstes nominiert ist.«

Emma tippte Lucas mit dem Zeigefinger an. »Und das warst du!«

»Du bist nominiert!«, rief Florentine begeistert.

»Das ist bescheuert«, wehrte sich Lucas, doch Noah winkte ab.

»Du wärst sowieso dran gewesen«, sagte er. »Allein schon wegen deines beknackten Schuhgeschmacks.« Er zeigte auf Lucas’ Füße. »Was soll das denn darstellen?«

Lucas blickte auf seine Schuhe. Daran hatte er gar nicht mehr gedacht.

»Und außerdem kannst du mal beweisen, dass du auch außerhalb von Mathe und Rätselraten was draufhast!«, sagte Noah. »Mach dich bereit, du bekommst die coolste Aufgabe von allen bisher.«

»Genau«, stimmte Emma zu. »Schon morgen Mittag ist es so weit! Weil Martin ja ausscheidet, muss diese Woche nochmal jemand ran. Wir kommen sonst mit dem Zeitplan durcheinander.«

Während Lucas nun erst recht den heutigen Tag aufs Heftigste verfluchte, erklärten ihm Emma und Noah die Mutprobe, die sie für ihn geplant hatten. Und mit jedem Wort, das sie sagten, wurde Lucas blasser im Gesicht und bekam weichere Knie.

Das Zittern in den Knien wollte gar nicht mehr aufhören. Lucas ging zögernd auf das große Einkaufszentrum zu. Äußerlich wirkte er ruhig, beinahe gefasst. Doch innen drin war er total aufgekratzt. Warum war er nicht schon früher nominiert worden? Zu Beginn des Schuljahres, als so kleine Streiche wie das Tauschen von Frau Steinmeiers Apfel gegen einen Plastikapfel ausgereicht hatten? Ausgerechnet jetzt, da alles aus dem Ruder lief, sollte er sich beweisen.

»Mist!«

Am liebsten wäre er davongerannt. Weit weg. So weit, dass er seine Challenge nicht durchführen musste, und so weit, dass er nicht gefunden und für Fotos auf Instagram in den Papierkorb oder die Toilettenschüssel gesteckt werden konnte. Die Bilder von Martin diese Woche und die von Lena neulich mit den Füßen im Klo waren beide über einhundert Mal geliked worden.

So weit wollte Lucas es nicht kommen lassen. Doch eine Flucht war aussichtslos, denn er wusste, dass Emma, Noah, Florentine und einige andere ihn beobachteten. Sie saßen auf den Bänken vor der Dönerbude und blickten ihm gerade nach. Lucas glaubte, ihre Blicke wie Nadelstiche in seinem Rücken spüren zu können.

Doch dann fiel sein Blick auf etwas ganz anderes: Da lag irgendetwas unter der Sitzbank von Noah und seinen Kumpel. Was war das? Äste? Doch sie lagen nicht auf dem Boden. Nein, es sah aus, als stünden sie. Und vor allem wirkten sie, als würden sie Lucas beobachten.

Drehte er vor der Challenge jetzt völlig durch?

»Was ist los?«, brüllte ihm Noah zu. »Hast du schon die Hosen voll?«

Lucas zuckte zusammen. Ein paar Passanten drehten sich nach ihm um. Also riss er sich zusammen und ging ein paar Schritte weiter auf das Einkaufszentrum zu. Nur ein paar Schritte.

Als er sich erneut zu der Bank umdrehte, waren die merkwürdigen Äste verschwunden. Lucas verscheuchte alle Gedanken aus seinem Kopf und starrte auf das riesige Gebäude vor ihm. Da fiel ihm ein Mädchen auf, das ebenfalls gerade auf die Laden-Passage zuging. Aber es war nicht das Mädchen, das seine Aufmerksamkeit erregte, es war ihre Frisur.

Lucas ging ihr einige Schritte hinterher und riss die Augen auf, um alles besser sehen zu können.

Doch, klar: Er hatte sich nicht getäuscht. In den hochgesteckten schwarzen Haaren dieses Mädchens steckte irgendetwas – war das etwa eine Steinschleuder?

In diesem Moment drehte sich das Mädchen um, und Lucas staunte: Er kannte sie. Zumindest ein wenig, denn sie ging auf seine Schule. Sie musste in der Stufe über ihm sein, also war sie etwa ein Jahr älter als Lucas. Irgendwann war sie ihm einmal aufgefallen, weil sie in den Pausen stets für sich blieb.

Jetzt blickte sie Lucas fragend aus ihren dunklen Augen an. Lucas fühlte sich ertappt, denn ihr Blick war so durchdringend, als wüsste sie, was er vorhatte.

Oder bilde ich mir das nur ein?, dachte Lucas, so wie diese komischen Stöcke, die hier rumfliegen …

Doch schließlich wandte sich das Mädchen von ihm ab und ging weiter, als wäre nichts passiert. Lucas erinnerte sich wieder an die Aufgabe, die noch vor ihm lag.

Wie immer herrschte im Einkaufszentrum reges Treiben. Die Läden, die Gänge – alles war voller Menschen, die nur hierhergekommen waren, um zu beobachten, ob Lucas tatsächlich den Mut hatte, seine Challenge durchzuziehen. Zumindest kam es ihm so vor. In Wahrheit eilten die Menschen an ihm vorbei, ohne ihn groß zu beachten.

Der Ladenbereich mit den Elektronikartikeln befand sich ganz am Ende der Galerie. Noch nie war Lucas der Weg so lang vorgekommen.

Schweiß zeigte sich auf seiner Stirn. Die Knie wurden wieder so weich wie vorhin, als er vor der Passage gestanden hatte. Er spürte sogar, wie seine Hände zu zittern begannen.

Boah, stell dich nicht an, so schlimm kann das schon nicht werden, versuchte er, sich Mut einzureden, doch das half ihm kein bisschen.

Er trat zwischen den Sicherheitssensoren am Eingang hindurch und sah sich die schulterhohen, schmalen Scanner genau an. Hier musste er gleich hindurch. Irgendwie. Ohne den Alarm auszulösen. Irgendwie. Das Zittern in seinen Händen wurde stärker.

Lucas wandte sich nach rechts, in Richtung der Musikanlagen und Soundsysteme und entdeckte es sofort. Denn dort stand sie, aufgebaut auf einem Aktionstisch. Eigens angebrachte Strahler beleuchteten das Gerät, denn dieses Teil war die absolute Neuheit auf dem Markt.

»Frisch von der Messe, exklusiv in unserem Haus«, stand riesig groß auf einem Plakat geschrieben, das hinter dem Turm aus Kartons und den aufgestellten Geräten hing. Halbmeterhohe Buchstaben stellten das Gerät vor: »Die Boombastic 4.0 – die Musikbox der Zukunft!«

Lucas erinnerte sich daran, was Emma gesagt hatte: »Sowas können wir hier in der Klasse gut gebrauchen! Damit können wir in den Pausen unsere Handys verbinden und Musik hören.«

Diese Bluetooth-Box war überall das Thema, man sah sie ständig im Fernsehen und auf riesigen Werbeplakaten. Aber die Boombastic hatte auch ihren Preis: Über zweihundert Euro kostete das Teil in der Premium-Version.

Lucas war nicht der Einzige, der sich diese Box gerade ansah. Um ihn herum stand eine ganze Menschentraube und blickte sehnsüchtig auf die Boombastic 4.0. Immer wieder griffen Hände danach und zogen eine der Boxen unter den neidischen Blicken der anderen aus dem Stapel. Den meisten Leuten hier war sie zu teuer.

Lucas sah sich um und verlor den Mut. Wieder hörte er Emmas Stimme in seinem Kopf: »Deine Aufgabe für unsere Challenge ist ganz einfach: Klau das Ding!« Die meisten seiner Klassenkameraden hatten entsetzt zugeschaut, aber niemand war eingeschritten. »Bring uns so eine Box in die Klasse oder YouTube kann sich über ein weiteres Idioten-Video freuen!«

Und Noah hatte angefügt: »Aber nicht von dir. Wir werden deine kleine Schwester in eine Falle locken. Na, wie gefällt dir das?«

Und nun rasten in seinem Kopf die Sorge um seine Schwester und die Angst vor den Konsequenzen um die Wette. Wie sollte Lucas eine dieser Boxen stehlen, wenn sich die halbe Stadt hier versammelt hatte? Und vor allem: Wie sollte er das mit seinem Gewissen vereinbaren? Er hatte in seinem ganzen Leben noch nie etwas gestohlen. Wie kam er da nur wieder raus?

Er erinnerte sich daran, was Noah gesagt hatte: »Und außerdem kannst du mal beweisen, dass du auch außerhalb von Mathe und Rätselraten was draufhast!«

Ja, er liebte es, Rätsel zu knacken und nach Lösungen zu suchen. Doch ausgerechnet jetzt und hier fiel ihm zu seinem bisher größten Problem keine Lösung ein.

Auf dem Weg zum Laden hatte er schon daran gedacht, nur so zu tun, als würde er die Box klauen, aber Emma und Noah beobachteten ihn ganz genau, das würde ihnen nicht entgehen.

Er hatte auch überlegt, mit seinen Eltern zu sprechen und sie einzuweihen. Doch wenn das herauskommen würde, wäre er erst recht geliefert. Wenn man Challenge-Verweigerer schon mit den Füßen im Klo fotografierte, was passierte dann wohl mit Verrätern? Seine Schwester war vier Jahre jünger. Kaum auszudenken, wie das für sie wäre, wenn jemand …

»Vorsicht!«, ertönte eine tiefe Stimme, und Lucas blickte auf. Genau in diesem Moment donnerte er auch schon gegen jemanden.

»Ups … ’tschuldigung«, brachte Lucas hervor. Als er aufblickte, traute er seinen Augen kaum. Vor ihm stand ein älterer Mann, der aussah wie ein falsch zusammengesetztes Puzzle. Nichts an ihm passte zusammen: Er trug ein kariertes Hemd unter einer gestreiften Jacke. Darunter eine lila Hose, die aussah, als stamme sie aus dem letzten Jahrtausend, während seine quietschgelben Schuhe topmodern waren. Die Kappe auf seinem Kopf wirkte, als sei sie völlig aus dem zeitlichen Rahmen gefallen, und der Zopf im Bart des Mannes ließ ihn wie ein Künstler wirken.

Lucas blickte den Mann mit einer Mischung aus Faszination und Überraschung an. Erst von oben nach unten, dann von unten nach oben und dann wieder zurück.

»Alles gut, mein Junge?«, fragte der Alte in einem freundlichen Ton.

Endlich schaute Lucas dem Mann ins Gesicht – in das offenste und sympathischste Lächeln, das ihm bisher je begegnet war.

»Entschuldigung«, sagte Lucas rasch und wollte schon weiter, als der Alte ihn ansprach: »Du scheinst mir ganz schön durcheinander, was ist denn los? Kann ich dir irgendwie helfen?«

Diese Frage war ernst gemeint und ehrlich interessiert, das merkte Lucas sofort. Aber dennoch: »Gar nichts. Muss weiter!«, brachte er hektisch hervor.

»In Ordnung«, antwortete der Alte. »Aber wenn was ist, ich bin hier.«

Dieser Mann war wirklich seltsam, sie kannten sich doch gar nicht. »Äh, danke. Das ist … nett … äh, irgendwie …«, stotterte Lucas hilflos. Er machte kehrt und ging in die andere Richtung, bis er erneut stehen blieb und direkt auf die Lösung seines Problems starrte. Sie war einfach da, die Lösung. So, als habe sie nur auf ihn gewartet. Hier und jetzt.

Lucas blickte auf die schwere Metalltür, über der groß das Schild mit dem Wort »Lager« angebracht war. Die Tür war geöffnet, denn ein Mitarbeiter kam gerade heraus. Lucas konnte in den dahinterliegenden Raum blicken und entdeckte Regale, in die Hunderte von verschiedenen Artikeln einsortiert waren. Vor allem aber: Auf den ersten Regalen standen unzählige Pakete mit der Boombastic 4.0!

Während der Mitarbeiter aus der Tür trat, fasste Lucas einen Drei-Punkte-Plan:

Erstens: Er musste durch die Tür huschen und sich im Lager verstecken.

Zweitens: Er musste eine Boombastic 4.0 aus ihrer Verpackung nehmen und sie gegen einen anderen, günstigen Artikel tauschen. Die Musikbox in die Verpackung des billigen Teils und das billige Teil in die Boombastic-Schachtel.

Und drittens: Warten, bis ein Mitarbeiter wieder die Lagertür öffnet, mit der Boombastic in der billigen Verpackung zur Kasse rennen und dort den günstigeren Preis bezahlen.

Das war’s! So einfach, so klar.