Luise von Preußen - Johannes Thiele - E-Book

Luise von Preußen E-Book

Johannes Thiele

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Beschreibung

Luise von Preußen (1776 - 1810) war außergewöhnlich schön und hatte Charme; sie wurde durch ihre Heirat mit Friedrich Wilhelm III. zur preußischen Königin; und sie starb mit nur 34 Jahren: drei Gründe, warum die Nachwelt Luise zur Legende verklärt hat. In diesem Buch entwirft Johannes Thiele ein anschauliches Porträt von Luise, das dem besonderen Reiz dieser ungewöhnlichen Persönlichkeit Tribut zollt. Das Bildmaterial der Printausgabe ist in diesem E-Book nicht enthalten.

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Johannes Thiele

Luise von Preußen

 

 

 

Über dieses Buch

Luise von Preußen (1776–1810) war außergewöhnlich schön und hatte Charme; sie wurde durch ihre Heirat mit Friedrich Wilhelm III. zur preußischen Königin; und sie starb mit nur 34 Jahren: drei Gründe, warum die Nachwelt Luise zur Legende verklärt hat. In diesem Buch entwirft Johannes Thiele ein anschauliches Porträt von Luise, das dem besonderen Reiz dieser ungewöhnlichen Persönlichkeit Tribut zollt.  

 

Das Bildmaterial der Printausgabe ist in diesem E-Book nicht enthalten.

Vita

Johannes Thiele, geboren 1954. Studium der Germanistik, Geschichte und Philosophie an der Universität Paderborn. Seit 1983 freier Autor und Publizist sowie in Programmverantwortung für verschiedene deutsche Verlagshäuser tätig. Seit 2007 Verleger des von ihm gegründeten Thiele Verlags.

 

Als Autor und Herausgeber zahlreiche Buchveröffentlichungen, unter anderem: «Luise. Königin von Preußen. Das Buch ihres Lebens» (Biographie); «Luise. Königin von Preußen. Ihr Leben in Bildern» (Bildband).

Mädchenjahre einer Prinzessin

Sie war schön, sie war anmutig, und sie hatte Charme – aber diese Eigenschaften waren im fröhlich-sittenlosen Rokoko, in das Luise, Prinzessin von Mecklenburg, hineingeboren wurde, nichts Besonderes. Am 10. März 1776 erblickte sie in Hannover im Palais an der Leinestraße als sechstes Kind von Prinz Karl von Mecklenburg-Strelitz und Prinzessin Friederike von Hessen-Darmstadt das Licht der Welt.

Ihr Vater war der zweite Sohn des regierenden Hauses von Mecklenburg-Strelitz. Da sein Bruder, Herzog Adolf Friedrich IV., unverheiratet und kinderlos blieb, kam Karl als Herzog im Jahr 1794 an die Regierung. Zur Zeit der Geburt seiner kleinen Tochter Luise hatte er den Oberbefehl über die hannoverschen Truppen und war Generalgouverneur von Hannover. Schon als Kind war Karl vom englischen König, der auch Kurfürst von Hannover war, zum Hauptmann eines Regiments ernannt worden – aus politischem Kalkül, denn Mecklenburg sollte enger an England gebunden werden. Auch die Heirat seiner Schwester Charlotte mit König Georg III. von England ist für Prinz Karl entscheidend gewesen, denn sie verfolgte das Ziel, die traditionell engen Beziehungen noch zu festigen.

Im Jahr 1768 hatte sich Prinz Karl mit Prinzessin Friederike von Hessen-Darmstadt vermählt – es war eine Liebesheirat. Sie führten eine überaus glückliche Ehe, und Friederike schenkte zehn Kindern das Licht der Welt, von denen jedoch nur die vier Schwestern Charlotte, Therese, Luise und Friederike sowie der jüngste Sohn Georg am Leben blieben.

Über die frühe Kindheit der Prinzessin Luise sind nur wenige Details bekannt. Der wichtigste Einschnitt in ihrem jungen Leben ist die Tragödie des frühen Todes ihrer Mutter, die 1782, im Alter von nicht einmal dreißig Jahren, im Wochenbett starb.

Paradies mit Schattenseiten

Nach dem Tod seiner Frau heiratete Prinz Karl 1784 die Schwester der Verstorbenen, Prinzessin Charlotte. Aber auch die zweite Gemahlin starb früh, nur ein Jahr später, nach der Geburt ihres Sohnes Karl. Der Vater nahm daraufhin seinen Abschied von Hannover und suchte Trost und Vergessen auf diversen Reisen.

Seine älteste Tochter Charlotte war schon ein Jahr zuvor mit dem Herzog Friedrich von Sachsen-Hildburghausen vermählt worden und hatte das Elternhaus verlassen. Die beiden Söhne Georg und Karl ließ der Prinz zunächst in Hannover; Luise und ihre beiden Schwestern Therese und Friederike vertraute er für die nächsten acht Jahre seiner Schwiegermutter, der damals fast sechzigjährigen verwitweten Prinzessin «George» (wie sie nach dem Tod ihres Gemahls genannt wurde), an. Die rüstige und unkomplizierte Großmutter Marie sorgte in dem am Markt in Darmstadt gelegenen Alten Palais voller Liebe und Aufmerksamkeit für ihre Enkelinnen, sodass Luise in einer heiteren und glücklichen Kindheit aufwachsen konnte.

Das Leben mit der Großmutter war von bürgerlicher Schlichtheit, ohne jegliches höfisches Zeremoniell. In diesem kleinen, sorglosen Familienkreis verlebte Luise ungezwungen und fröhlich ihre Mädchenjahre. Die in Darmstadt außerordentlich populäre und für ihren originellen Humor bekannte Großmutter erzog die Mädchen mit lebhaftem Temperament und nachsichtiger Strenge. Später erschienen Luise die sorglosen Jahre in Darmstadt oft wie das verlorene Paradies. Bei jedem Wiedersehen mit ihren Geschwistern schwelgte sie mit ihnen in glücklichen Erinnerungen.

Jungfer Husch und ihre Geschwister

Für die Erziehung von Luise und ihrer Schwester Friederike hatte die Großmutter Suzanne de Gélieu (auch «Salomé» genannt), die Tochter eines Predigers aus dem damals noch preußischen Neuchâtel, gewonnen. Die französische Sprache stand zu dieser Zeit im Mittelpunkt des Unterrichts und überhaupt der höfischen Erziehung, die sich ganz auf die charakterliche und religiöse Ausbildung konzentrierte und den übrigen Lehrinhalten nur geringe Bedeutung beimaß. Ein paar Grundkenntnisse in den klassischen Fächern mussten genügen. Als Kind nahm Luise den Unterricht kaum ernst; sie war stets zu lustigen Streichen aufgelegt und für Ablenkungen aller Art zu gewinnen. Doch als Erwachsene beklagte sie sich später oft über ihre Bildungslücken, die sie durch eifrige Lektüre und das Studium von Vorlesungsschriften aufzufüllen suchte.

Zwar streifte Luise mit der Zeit ihre kindlichen Unarten ab, doch war und blieb sie ein wildes Mädchen voller Übermut und Ausgelassenheit. Für Spiel und Tanz ließ sie jede ernsthafte Beschäftigung stehen und liegen. Die Prinzessin war so unbändig und quirlig, dass sie von ihren Geschwistern und von der Großmutter «Jungfer Husch» genannt wurde.

Wie sorglos und unbekümmert sie war, zeigen auch ihre Schulhefte. Luise ließ auch hier die Zügel schleifen: Inhalt geschmiert, den 22. April, 13 Jahre alt; Schand über alle Schande. 1789. In solchen Heften für die Aufsätze, die mehr als zwölf Fehler haben,[1] lockerte sie die vollgeschriebenen Seiten bisweilen mit Modekarikaturen und frechen Zeichnungen von Damen mit hohen Frisuren und Stöckelschuhen auf.

Es gelang Luise nie, ihre Schwierigkeiten mit der Orthographie zu überwinden und völlig fehlerfrei zu schreiben, weder im Deutschen noch im Französischen. Doch sie konnte gut zeichnen und schön malen und war – wie auch ihre Schwestern – musikalisch begabt. Das Klavierspiel ging ihr leicht von der Hand, ja, sie vermochte ihre kleinen, selbstkomponierten Lieder sogar auf der Harfe zu begleiten.

Im Darmstädter Alten Palais war der «gute Onkel Georg», ein Bruder der Mutter, für Unterhaltung, Zerstreuung und Amüsement zuständig. Er organisierte für seine Mutter und ihren kleinen Anhang Ausflüge und Feste; so brach der um die Großmutter vereinte Familienkreis 1791 zu einer Reise nach Holland auf. Schon 1787 hatte sich auch der Vater, Prinz Karl, mit seinen beiden Söhnen Georg und Karl in Darmstadt eingefunden, sodass nun alle jüngeren Geschwister glücklich vereint waren. Der Vater allerdings unternahm oft Fahrten zu seiner Tochter Charlotte nach Hildburghausen, an deren kleinem Hof er sich am liebsten aufhielt.

Im Winter vergnügte Luise sich bei ausgelassenen Schlittenpartien, turbulenten Maskenfesten und abwechslungsreichen Theateraufführungen, im Sommer standen Ausflüge und Reisen in die Umgebung Darmstadts, nach Schloss Broich, nach Mannheim, nach Baden und ins Elsass auf dem Programm. Als die Familie 1790 zur Kaiserkrönung nach Frankfurt fuhr, fanden Luise und Friederike bei Katharina Goethe, der Mutter des Dichters, Quartier. «Frau Rath» bewirtete sie mit Specksalat und Eierkuchen und erlaubte ihnen – zum ausgelassenen Vergnügen der Schwestern, jedoch zum Entsetzen der Erzieherin –, am alten Ziehbrunnen im Hof Wasser zu pumpen: eine Szene, die zu den beliebtesten Episoden der Luisen-Legende gehört. Das grandiose Schauspiel einer mit mittelalterlichem Prunk gefeierten Kaiserkrönung machte auf Luise einen großen Eindruck.

Zwei Herzen und eine Krone

Luise war von zarter Konstitution und des Öfteren krank – im Januar 1792 hatte sie zum ersten Mal eine ernsthafte Krankheit zu überstehen. In das Frühjahr dieses Jahres fielen auch die Vorbereitungen zu ihrer Konfirmation. Stadtpfarrer Johann Wilhelm Lichthammer, der für ihre religiöse Unterweisung verantwortlich war, schloss Luises Herz für das religiöse Gefühl auf, und so erlebte sie den Tag ihrer Einsegnung am 15. Juni 1792 mit großer innerer Anteilnahme. Heute ist der wichtigste Tag meines Lebens, der Tag meiner Konfirmation, schrieb sie in das kleine Erbauungsbuch, das ihr die Großmutter geschenkt hatte. Gott gebe mir die Stärke, alle die Versprechungen zu erfüllen, die ich ihm gemacht habe, ihm, dem Zeugen meiner Schwüre.[1]

«Im Hinblick auf die Umstände waren die Feste und Feierlichkeiten der Krönung vielleicht noch imposanter als die vorhergehenden Krönungen. Fürst Anton Esterházy, der als erster Gesandter des Kaisers fungierte, beauftragte mich freundlichst mit der Leitung des Festes, das er nach der Krönung gab. Ich eröffnete den Ball mit der jungen Prinzessin Luise von Mecklenburg […].»

Fürst Clemens Metternich

Noch im selben Jahr war Luise wiederum Zeugin eines Ereignisses von großer politischer Bedeutung: der am 14. Juli in Frankfurt stattfindenden Krönung Franz’ II. zum deutschen Kaiser. Wie schon zwei Jahre zuvor bei der Krönung seines Vaters Leopold II. durften Luise und Friederike die prunkvollen und imposanten Zeremonien miterleben – obwohl sich der Vater anfangs etwas gegen die Reise gesträubt hatte, wegen des Aufwands, der seine bescheidenen Einkünfte eigentlich überstieg. Die beiden Schwestern – nun im gesellschaftsfähigen Alter – wurden in Frankfurt in die große Welt eingeführt: Ihr Charme und ihre Schönheit erregten nicht geringe Aufmerksamkeit, als sie mit strahlendem Lächeln ihre ersten Erfolge feierten.

Die Ideen der Französischen Revolution von 1789 hatten das feudale Europa zwar beunruhigt, doch erst als die Armeen der jungen Republik die Grenzen Frankreichs überschritten, fanden sich die deutschen Fürsten zur Gegenwehr zusammen. Die Gefahr rückte rasch näher – bald schon waren die Städte Worms, Speyer, Mainz und Frankfurt erobert, ohne dem Ansturm nennenswerten Widerstand entgegengesetzt zu haben.

Auch im nicht weit entfernten Darmstadt führte der rasche Siegeszug der Franzosen zu panikartigen Reaktionen: Der kleine Hof befürchtete, dass die Truppen auch hier einrücken und die Stadt besetzen würden. Gerüchte schwirrten durch die Gassen, und von ihrem Fenster aus sah Luise Scharen von Flüchtlingen und adligen Emigranten am Marktplatz vorbeiziehen. Schleunigst ließ Prinzessin George die Koffer packen und machte sich mit ihren Enkelinnen und deren Erzieherin, Mademoiselle de Gélieu, sowie den beiden Brüdern Georg und Karl auf den Weg nach Hildburghausen, wo der Hof Charlottes, ihrer ältesten Enkelin, ihnen Schutz und Zuflucht bot.

Der Herbst in Hildburghausen verlief friedlich und unbeschwert, zumal Nachrichten von der erfolgreichen Rückeroberung Frankfurts durch preußische und hessische Truppen die Gemüter rasch wieder aufhellten. Im Frühjahr 1793 trat die kleine Hofgesellschaft die Rückreise nach Darmstadt an. Als sie Mitte März im Frankfurter «Weißen Schwan» Station machte, ahnte noch niemand, dass hier für Luise und Friederike die Entscheidung über ihre Zukunft fallen sollte.

Der preußische König Friedrich Wilhelm II. hatte in der Mainstadt sein Hauptquartier aufgeschlagen, begleitet von seinen beiden Söhnen, Kronprinz Friedrich Wilhelm und Prinz Ludwig. Es war vor dem Eingang zum Theater, als der König Luise und ihre Schwester zum ersten Mal sah, gleich so entzückt von ihrem Charme, dass er der Großmutter am Tag darauf seine Aufwartung machte und sie bat, die beiden jungen Prinzessinnen seinen Söhnen vorzustellen. Der vom offensichtlichen Liebreiz der mecklenburgischen Prinzessinnen entzückte königliche Schürzenjäger wünschte nichts Eiligeres, als dass sich seine Söhne in die beiden verliebten.

Vielleicht hatte er die Verlobung des Kronprinzen und seines Bruders bereits fest im Visier: «Wie ich die beiden Engel [Luise und Friederike] zum erstenmal sah, es war am Eingang der Komödie, war ich so frappiert von ihrer Schönheit, daß ich ganz außer mir war, als die Großmutter sie mir präsentierte. Ich wünschte sehr, daß meine Söhne sie sehen möchten und sich in sie verlieben. Den andern Tag sahen die Prinzen sie auf einem Ball und waren ganz entzückt von ihnen. Ich tat mein möglichstes, daß sie sich oft sahen und sich recht kennen lernten. Die beiden Engel sind, soviel ich sehen kann, gut und schön.»[2]

Schüchtern, aber doch rasch von gegenseitiger herzlicher Zuneigung erfasst, begegneten sich Kronprinz Friedrich Wilhelm und Prinzessin Luise. Die Entscheidung füreinander ließ nicht lange auf sich warten und wurde mit allseitiger Zustimmung aufgenommen. Ludwig hingegen brachte für Friederike kaum näheres Interesse auf, stimmte aber ebenfalls einer Verlobung zu.

Wir wußten beide sofort und ohne Umschweife, woran wir miteinander waren[3], hat Luise nach ihrer ersten Begegnung mit dem preußischen Kronprinzen bekannt, den sie außerordentlich gut, gerade und erstaunlich wahr fand. Friedrich Wilhelm konnte sein Glück kaum fassen: Dieser unentschlossene, kühle und spröde Mann fühlte sich durch die Nähe des ungewöhnlich schönen, munteren, unterhaltsamen und anregenden Mädchens wie verwandelt.

Zärtlichkeit und Übermut

Bereits am 21. März, wenige Tage nachdem sie sich kennengelernt hatten, mussten die Verlobten schon wieder Abschied voneinander nehmen. Die Prinzen wurden zur vor Mainz stationierten Belagerungsarmee beordert, und Luise kehrte mit Großmutter und Schwester nach Darmstadt zurück – als künftige Kronprinzessin von Preußen.

In der ein Dreivierteljahr dauernden Brautzeit entfaltete sich zwischen Luise und ihrem Bräutigam eine lebhafte Korrespondenz. Fast täglich wurden Briefe geschrieben. Übersprudelnd und einfallsreich, wie es ihre Art war, versuchte Luise, den etwas steifen und allzu nüchternen Kronprinzen für sich einzunehmen und ihn mit ihrem Charme zu bezaubern.

So legte sie gleich dem ersten, von der Großmutter überwachten Brautbrief ein separates Blatt bei, auf dem sie sich für den offiziellen Stil entschuldigte und ihren erwachten zärtlichen Gefühlen geradezu übermütig Ausdruck gab: Es wird Ihnen vielleicht auffallen, lieber Freund, daß ich viele Punkte Ihres Briefes schweigend übergehe. Wundern Sie sich darüber nicht; Papa und Großmama wollten, ich sollte ihnen meinen Brief an Sie zeigen, und letztere vor allem empfahl mir besonders, ich sollte Ihnen nicht zu zärtlich schreiben. Ein Glück, daß die Gedanken und Empfindungen zollfrei sind, darüber kann sie keine Etikette legen […]. Mir scheint, da wir vom ersten Augenblick unserer Bekanntschaft natürlich und ohne Scheu beisammen waren, mußte ich Ihnen den Grund sagen, weswegen in meinem Briefe ein gewissermaßen eingeschnürter Stil herrschte, der mir gar nicht natürlich ist; sonst könnten Sie glauben, ich hätte mich Ihnen gegenüber gewandelt; das ist nicht der Fall. Nein, im Gegenteil, Sie sind mir nicht gleichgültig, und meine Gefühle für Sie sind Ihnen bekannt, so brauche ich Ihnen nicht zu wiederholen, daß ich Ihnen recht herzlich gut bin. […] Ich bitte Sie, lieber Prinz, zeigen Sie dieses Billett keiner lebenden Seele, und wenn Sie darauf antworten, tun Sie es nicht in Ihrem Briefe, sondern auf einem kleinen Zettel nebenbei, damit Großmama es nicht bemerkt, sonst werde ich Kummer davon haben. Meinerseits aber behaupte ich, ich war es Ihnen schuldig, um Ihnen die Wahrheit zu sagen. […] Noch eines. Großmama wollte, ich sollte eine Kladde für den Brief an Sie machen, weil ich nicht korrekt und orthographisch schreibe. Ich gebe zu, das ist nicht schön; aber Sie müssen auch meine Fehler kennen. Wenn ich in der Kindheit fleißiger gewesen wäre, wäre ich vielleicht imstande, Ihnen fehlerlos die Gefühle meines Herzens auszusprechen, so kann ich es nur immer fehlerhaft […].[1]

Schon früh war Luise bestrebt, Friedrich Wilhelm gegenüber aufrichtig zu sein, und diese Ehrlichkeit, gepaart mit mitreißender Fröhlichkeit, war es wohl, die der Kronprinz an seiner künftigen Gemahlin besonders schätzen lernte. Trotz der kurzen Bekanntschaft hatte Luise seinen Charakter schon recht gut verstanden, zum Beispiel das Bedürfnis nach Geradlinigkeit und Unkompliziertheit. So schrieb sie ihm am 15. Mai 1793: My dear friend, I have a great friendship for you. Erschrecken Sie nicht über meine englischen Kenntnisse, glauben Sie auch nicht, ich hätte die Kribbelsucht, eine Krankheit, bei der man alle möglichen Sprachen braucht. Nein, nein, ich finde nur herzliches Vergnügen darin, wenn ich Ihnen sage und wiederhole, daß Sie der Mensch sind, den ich am meisten auf der Erde liebe.[2]

Obwohl die Verlobten oft getrennt waren und nur immer für ein paar Tage zusammen sein konnten, erlebte Luise ihre Brautzeit als sehr glücklich. Ausflüge nach Marienborn und nach Schloss Braunshardt bei Darmstadt, die sie zusammen mit ihrem Verlobten unternahm, brachten etwas Abwechslung und trugen dazu bei, dass das Brautpaar sich besser kennenlernte. Erstaunt entdeckten sie, dass sie beide Freude am Zeichnen hatten. Luise erinnerte sich später in einem Brief, den sie an den abwesenden Gemahl im polnischen Feldzug schrieb, an gemeinsame Zeichnungen: Ich habe mich vor den Schreibtisch gesetzt, den ich Deiner Güte verdanke, und ich habe die Soldaten und die Offiziere betrachtet, die Du gemalt hast, Deine und meine, und ich habe mich recht lebhaft daran erinnert, wo der eine und der andere gemalt wurde. Es gibt Braunshardter und Darmstädter darunter, einige in meinem eigenen Zimmer gemalt, andere in den Zimmern Großmamas. Einige sind auch in Marienborn entstanden, in dem reizenden Hagebusch, wo wir den angenehmen Nachmittag verlebten, der etwas heiß war, aber wo wir doch so glücklich und zufrieden waren.[3]

Die Kriegsbraut

Eifrig, ja fast rührend war Luise schon in ihrer Brautzeit bemüht, den Wünschen und Bedürfnissen Friedrich Wilhelms entgegenzukommen. Sie verschwieg ihm gegenüber auch nicht die kleinen weiblichen Schwächen, mit denen sie bisweilen kokettierte, die sie aber auch zu überwinden suchte. Ihr quirliges Temperament (Je serai die tolle Luise, votre chère petite promise) bezauberte den Kronprinzen vom ersten Augenblick an («Sie sind gemacht, alle Herzen zu gewinnen», Briefwechsel vom August 1793).

Mit der Zeit wuchs die Vertrautheit. Luise und Friederike wurden sogar ins Feldlager bei Bodenheim in der Nähe von Mainz eingeladen – wo sie insgeheim von Johann Wolfgang von Goethe, der sich als Schreiber im Gefolge des Herzogs Karl August von Weimar befand, belauscht wurden. Die Anwesenheit der künftigen preußischen Kronprinzessin bei der Truppe – als «Kriegsbraut» – sorgte bei den Soldaten Friedrich Wilhelms II. naturgemäß für einiges Aufsehen und für nicht unerheblichen Wirbel.

Waren die ersten Briefe noch von vorsichtig angedeuteter Verliebtheit bestimmt, so ließ die Braut in ihrer weiteren Korrespondenz bei allem Optimismus auch ernstere Gedanken anklingen. Luise spürte genau, dass bald ein neuer Lebensabschnitt für sie beginnen sollte, und das Gefühl der Verantwortung, die sie mit ihrer Entscheidung für Friedrich Wilhelm auf sich genommen hatte, begann sie zunehmend zu beunruhigen. Würde sie überhaupt in der Lage sein, die große Aufgabe, die vor ihr lag, zu bewältigen? Wie würde es in Berlin sein, im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit? Unaufhörlich dachte Luise an die Zukunft, mit bangen Gefühlen: Ein wenig Nachsicht auf beiden Seiten, und alles wird gut gehen; ich habe meine Fehler, Sie kennen mich noch recht wenig; deshalb bitte ich Sie im voraus, haben Sie viel Nachsicht mit mir, verlangen Sie nicht zu viel von mir; ich bin sehr unvollkommen, ich bin sehr jung, ich kann mich oft irren; aber wir werden doch glücklich sein.[1]

Doch dann gewann Zuversicht die Oberhand, dass – mit Friedrich Wilhelm an ihrer Seite – alles gut werden würde: Ich finde immer mehr, daß wir vortrefflich zueinander passen, und ich verspreche mir eine recht glückliche Zukunft. Ja, mein teurer Prinz, ich werde glücklich mit Ihnen; denn Sie sind gut, schrieb sie ihm im August 1793.[2]

Gespannte Erwartung

Je näher die Reise nach Berlin rückte, desto mehr verlor Luise ihre Unbekümmertheit: Wegen unserer Ankunft in Berlin geht es mir ebenso wie Ihnen, ich denke unaufhörlich daran, und ich habe dazu so viele, viele, viele Gründe. Aller Augen warten auf die armselige Luise, wird es da heißen, und schon der Gedanke, so von allem und jedem beobachtet zu werden, ist ganz erschrecklich.[1] Sie war gespannt auf das neue Leben, das sich vor ihr auftat, und doch konnte sie das Gefühl ängstlicher Erwartung nicht unterdrücken.