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Komm mit auf ein neues teuflisches Abenteuer! Luzie und die anderen sind völlig aus dem Häuschen: Sie sind zu einem Besuch beim Bundespräsidenten eingeladen. Aber könnte das vielleicht eine Falle sein, wie Aaron vermutet? Als das Flugzeug landet, bestätigt sich sein Verdacht, und ein höllisch bedrohliches Abenteuer beginnt, das nicht nur unsere Freunde in Gefahr bringt.. Ein Teufel in der Schule – der Comic-Roman von Jochen Till um den Höllensohn Luzifer bietet Lesespaß und viel Grund zum lauthals lachen für Mädchen und Jungen ab 10 Jahren. Zahlreiche humorvolle Bilder von Raimund Frey illustrieren Luzifers Abenteuer in der Hölle und im strengen Jungeninternat. Wer Gregs Tagebuch mag, wird Luzifer junior lieben!
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Seitenzahl: 169
Inhalt
Ekelhaft süß
Höllenpfeffer
Die große Glocke
Ein bisschen aufdringlich
Kleine Zacken
Keine Lenkvorrichtung
Keine Hörner
Kleine Kleckse
Irreparabler Irrsinn
Geschichte schreiben
In Fetzen
Nicht so voll
Dinosaurier
Sich aufblasen
»STEVEN! STEEEEEEVEN! SOFORT IN MEIN BÜRO!«
Ekelhaft süß
»Moment, Chef! Bin gleich bei Ihnen!«
»DU WEISST, MEINE GEDULD HAT GRENZEN!«
»Wer wüsste das besser als ich, Chef! Sie haben mir gerade gestern den Kopf zweimal abgerissen, weil es Ihnen beim ersten Mal nicht schnell genug ging!«
»DAS GEHT AUCH DREIMAL, WENN DU NICHT SOFORT …«
»Nicht nötig, bin schon da, Chef! Was gibt’s denn so Dringendes?«
»Du solltest doch etwas herausfinden. Ich weiß nur nicht mehr genau, was es war. Aber es war wichtig.«
»Hm, mal überlegen. Sie fragen mich für gewöhnlich gefühlte 666 Sachen täglich. Was war denn … Ach ja, die Bananen-Frage ist noch offen, glaube ich. Ich habe das recherchiert und bin zu folgendem wissenschaftlichen Ergebnis gekommen: Die Banane wächst anfangs nach unten, dann streckt sie sich bei zunehmendem Wachstum dem Licht entgegen nach oben. Darum ist die Banane krumm, Chef.«
»Echt? Wie langweilig ist das denn? Du immer mit deiner Wissenschaft. Ich will keine wissenschaftlichen Erklärungen mehr! Ich will nur noch schöne, lustige oder spannende Erklärungen! Also, noch mal: Warum ist die Banane krumm?«
»Äh … Öh … Puh … Moment … Das ist gar nicht so …«
»WIRD’S BALD?! ICH WILL EINE ANTWORT! JETZT SOFORT! SONST ZÄHLE ICH BIS DREI! UND DU WEISST, WAS PASSIERT, WENN ICH BIS DREI ZÄHLE!«
»Ja, Chef. Dann zählen Sie immer nur bis eins und reißen mir den Kopf ab.«
»HAARGENAU! ALSO: EEEEIIIINS …«
»Die Banane ist ein Riesenfan von Ihnen und wäre am liebsten eins Ihrer Hörner! Deshalb gibt sie sich besonders viel Mühe, um krumm zu wachsen!«
»HA! ICH WUSSTE ES! Eine sehr gute Erklärung. Das ergibt auch viel mehr Sinn als deine blöde Wissenschaft. Natürlich ist die Banane ein Riesenfan von mir. Wer ist das nicht?«
»Äh … Mir würde niemand einfallen, Chef. Ich bin es jedenfalls, Ihr allergrößter Fan sogar. Wenn es hier unten Bananen gäbe, würde ich mir sofort zwei an den Kopf kleben.«
»Sehr gut, sehr gut. Allerdings war das gar nicht die Frage, die ich meinte. Da war noch irgendetwas, das du herausfinden solltest.«
»Hm. Ich glaube, die Frage nach dem Regen und seiner Nässe war auch noch offen. Die korrekte, wissenschaftlich fundierte Antwort darauf lautet …«
»GRRRRRRRRRR!«
»… dass Regen nass ist, weil er aus den Tränen von Wolken besteht, die traurig sind, dass sie nicht hier unten bei Ihnen leben können.«
»Sehr gut, dann weiß ich das nun auch. Wenn ich Mitleid empfinden könnte, wäre ich jetzt sehr traurig für die Wolken. So kann ich ihnen nur zurufen: DUMM GELAUFEN, IHR WEINERLICHEN WATTEKLUMPEN!«
»Äh … Wolken sind nicht aus Watte, Chef.«
»ACH JA? WER SAGT DAS? DU? HAST DU MAL EINE ANGEFASST? SICHER NICHT! ICH SCHON! SIE SIND KLEBRIG UND EKELHAFT SÜSS UND GARANTIERT AUS WATTE!«
»Zuckerwatte, Chef. Das, was Sie meinen, ist Zuckerwatte. Das ist etwas ganz anderes.«
»ACH JA? DU BIST GLEICH AUCH WAS GANZ ANDERES! NÄMLICH EINE RAUCHWOLKE KURZ NACH DEINER EIGENEN EXPLOSION! UND DIE SIND DEFINITIV NICHT AUS WATTE!«
»Bitte keine Umstände, Chef. Es genügt vollkommen, wenn Sie mir den Kopf abreißen.«
»KANNST DU GERNE HABEN! Aber erst müssen wir noch herausfinden, was du für mich herausfinden solltest. Das mit dem Regen war es nämlich auch nicht. Verdammt, was war das bloß? DAS REGT MICH AUF, DASS MIR DAS NICHT EINFÄLLT!«
»Ja, das kenne ich. Das ist zum Aus-der-Haut-Fahren. Also, nicht, dass Sie das jetzt wörtlich nehmen. Ich möchte nicht aus der Haut fahren, das haben Sie ganz am Anfang mal mit mir gemacht, das war nicht …«
»FAHREN! GENAU! DAS IST ES! JETZT WEISS ICH ES WIEDER! Es geht um die Sache mit diesem seltsamen Chauffeur, den Luzie und die anderen oben getroffen haben. Der mit den lila Blitzen. Hast du herausgefunden, wer das war?«
»Äh … nein, Chef. Es war uns unmöglich, etwas über diesen Mann in Erfahrung zu bringen. Aaron hat oben im Netz recherchiert, aber es gab keinen einzigen Hinweis auf ihn. Und ich habe hier unten sämtliche Dämonendaten durchforstet, ebenfalls erfolglos. Es gibt keinen uns bekannten Dämon mit dieser Art von Kräften. Wir können nichts weiter tun, als abzuwarten, bis er wieder auftaucht. Aber das habe ich Ihnen bereits vor vier Wochen gesagt.«
»Aha, soso, vor vier Wochen schon. WILLST DU DAMIT ETWA SAGEN, ICH HÄTTE ES VERGESSEN? ICH VERGESSE NIE ETWAS!«
»Ähm … aber Sie haben doch gerade selbst zugegeben, dass Sie vergessen hatten, was Sie mich fragen wollten.«
»HAB ICH GAR NICHT! ES IST MIR NUR GANZ KURZ NICHT EINGEFALLEN! UND DAS WAR ALLEIN DEINE SCHULD! WEIL DU MICH MIT DEN BANANEN UND DEN WOLKEN ABGELENKT HAST! JAWOHL, SO WAR DAS NÄMLICH! ICH BIN DER FÜRST DER FINSTERNIS! ICH VERGESSE NICHTS! MERK DIR DAS!«
»Ja, Chef. Natürlich, Chef. Sie vergessen niemals etwas. War’s das dann? Ich hätte noch ein paar Sachen zu erledigen.«
»DANN MACH DAS! RAUS MIT DIR!«
»Uff. Er hat ganz vergessen, mir den Kopf abzureißen. Oh! Hab ich das etwa laut gesagt?«
»WAS WAR DAS? HAST DU WAS GESAGT?«
»Äh … Nichts Wichtiges, Chef. Vergessen Sie’s.«
Höllenpfeffer
»Wer kann mir sagen, was ein Synonym ist?«, fragt der Holzapfel.
Öh. Ich nicht. Haben wir gerade Mathe oder Deutsch? Eigentlich Deutsch, dachte ich. Aber war da nicht gestern irgendwas mit synonymischen Formeln oder so ähnlich in Mathe? Da waren Buchstaben dabei, aber nur a, b und c, glaube ich. Sollen wir jetzt damit Wörter bilden, oder was will er von uns? Kapier ich nicht. Wie so vieles. Aber ich sollte besser aufpassen. Das habe ich mir für dieses Schuljahr fest vorgenommen. Sonst muss ich nämlich am Ende wieder so viel lernen, damit ich nicht sitzen bleibe. Das hat echt keinen Spaß gemacht, deshalb wäre es besser, wenn ich schon während des Schuljahres etwas lerne, dann ist das am Schluss nicht so viel auf einmal, hat Aaron mir erklärt. Er macht jetzt auch immer die Hausaufgaben mit mir zusammen, da kann ich immer noch Fragen stellen, wenn ich etwas nicht verstanden habe. Meistens habe ich sehr viele Fragen.
Aaron meldet sich.
»Ja, Aaron?«, ruft der Holzapfel ihn auf.
»Synonyme sind Wörter mit annähernd gleicher Bedeutung«, sagt Aaron. »Das Gegenteil von Synonymen sind Homonyme.«
»Das ist wie immer richtig, Aaron«, sagt der Holzapfel. »Aber du sollst doch nicht spoilern. Zu den Homonymen kommen wir später.«
Er zwinkert Aaron zu.
Spoilern kenne ich, das gibt’s bei uns unten auch, in Abteilung 89, da sitzen die Schamlosen Spoiler. Das bedeutet, dass jemand etwas verrät, was andere gar nicht wissen wollen. So geht’s mir im Unterricht irgendwie täglich, alle Lehrer sind sozusagen Schamlose Spoiler, weil sie mir ständig Sachen erzählen, die ich gar nicht wissen will.
»Wer kann mir ein Beispiel für Synonyme nennen?«, fragt der Holzapfel und guckt in meine Richtung. »Vitus? Hast du vielleicht einen Vorschlag für ein Synonym?«
Gibt es bei uns unten eigentlich eine Abteilung für Lehrer, die einen drannehmen, obwohl man sich nicht gemeldet hat? Das ist echt oberfies und gehört definitiv verboten und bestraft.
»Öh … Äh … Na ja …«, stammle ich. »Das ist … Das ist gar nicht so leicht. Irgendwas mit a, b oder c? Bac? Cab?«
»Die Buchstaben sind nicht wichtig, Vitus«, erklärt der Holzapfel. »Wir können ja eins deiner eben verwendeten Wörter nehmen. Du hast gesagt, das ist nicht so leicht. Fällt dir irgendein Wort ein, das die gleiche Bedeutung wie leicht hat?«
»Kakerlaken!«, platze ich heraus.
Alle fangen an zu lachen.
»Was denn?«, erwidere ich. »Kakerlaken sind leicht. Habt ihr schon mal eine in der Hand gehabt? Das merkt man kaum, so leicht sind die.«
Jetzt gucken mich alle angewidert an.
Stimmt doch. Kakerlaken liegen zwar schwer im Magen, wenn Labskaus unten Eintopf daraus macht, aber sonst sind die total leicht.
»Es geht nicht um etwas, das leicht ist, Vitus«, sagt der Holzapfel. »Wir suchen ein Wort, das die gleiche oder eine ähnliche Bedeutung wie leicht hat. Du hast ja gesagt, das ist gar nicht so leicht. Was könntest du denn stattdessen sagen? Das ist gar nicht so …?«
»Spannend? Lustig? Wichtig?«, rate ich.
Wieder zieht Gelächter durch die Klasse.
»Kannst du Vitus bitte helfen?«, wendet sich der Holzapfel seufzend an Aaron.
»Gerne«, sagt Aaron. »Das passendste Synonym an dieser Stelle wäre einfach. Das ist gar nicht so einfach. Ersatzweise würde auch unkompliziert passen. Das Antonym zu leicht wäre schwer. Schwer.«
»Du sollst doch nicht spoilern«, sagt der Holzapfel zwinkernd. »Zu den Antonymen kommen wir auch noch. Aber das war jedenfalls richtig, einfach und unkompliziert sind Synonyme zu leicht. Hast du jetzt verstanden, was ein Synonym ist, Vitus?«
Nö. Das ist mir gerade alles zu antonym oder schwer oder wie auch immer. Aber Aaron wird mir das sicher noch mal in Ruhe erklären, wenn wir …
KRRRRZ! BRZZZL! KNCK! KRKKKK! FIEEEEEEEEEP!
Sehr fiese Geräusche von oben lassen uns alle erschreckt zusammenzucken. Was ist das denn? Das klingt wie bei uns unten in Abteilung 101. Da sind die Ruchlosen Ruhestörer, die sitzen mit vergrößerten Ohren in einem Raum aus riesigen Lautsprechern, die pausenlos tausendfach verstärkt den Essenslärm aus der Cafeteria live übertragen. Und Dämonen beim Essen zuzuhören ist für Normalsterbliche definitiv keine angenehme Erfahrung – hier oben wird sich ja schon beschwert, wenn man einmal leise schmatzt.
»HALLO? … HALLO? … IST DIESES DING JETZT AN?«, ertönt eine kratzige Stimme aus einem kleinen Lautsprecher, der über der Tür hängt.
Das ist der Hasenfuß, oder? Er ist erst seit ein paar Tagen wieder hier. Nach der Geschichte mit dem falschen Direktor und dem Superfood hatten wir drei Wochen lang gar keinen Direktor, weil der Hasenfuß sich noch von seiner Zeit als Zombie erholen musste. Ich bin echt froh, dass es ihm wieder gut geht – auch wenn er uns jetzt wieder jeden Tag auf die Nerven geht.
»JETZT HILF MIR DOCH MAL, SCHNUTZELCHEN!«, ertönt seine Stimme wieder. »ICH HABE DIESE VERFLIXTE ANLAGE VOR EWIGKEITEN ZUM LETZTEN MAL BENUTZT! SIE HAT DAMALS SCHON NICHT RICHTIG FUNKTIONIERT!«
»WIESO BENUTZT DU SIE DANN JETZT?«, erklingt die Stimme von Frau Schneider-Schnutzel. »DU KANNST DOCH EINFACH SCHNELL RÜBERGEHEN, SIND DOCH NUR EIN PAAR SCHRITTE!«
»DANN MUSS ICH ABER MEINE SCHUHE ANZIEHEN!«, erwidert der Direktor. »UND ICH NEHME GERADE EIN FUSSBAD! KOMM DOCH MAL BITTE KURZ UND ZEIG MIR, WELCHEN SCHALTER ICH DRÜCKEN MUSS!«
Wir hören ein leicht genervtes Stöhnen und Schritte.
»HAST DU DENN SCHON EINEN GEDRÜCKT?«, fragt Frau Schneider-Schnutzel.
»JA«, antwortet der Hasenfuß. »ICH GLAUBE, ES WAR DER HIER.«
FIEEEEEEEEEP! KRRRRZ! KNCK! KRKKKK!
»JA, DAS IST DER RICHTIGE«, sagt Frau Schneider-Schnutzel. »WENN DU DEN GEDRÜCKT HAST, KÖNNEN DICH ALLE HÖREN, BÄRCHEN.«
»WAS? DIE GANZE ZEIT SCHON? OH! DANN … DANN DANKE ICH IHNEN FÜR DIE HILFE, FRAU SCHNEIDER-SCHNUTZEL. SIE SIND EINE ÄUSSERST PROFESSIONELLE FACHKRAFT UND ICH SCHÄTZE IHREN REIN PROFESSIONELLEN EINSATZ FÜR DIESE SCHULE UND MICH IN MEINER FUNKTION ALS IHR VORGESETZTER SEHR. SONST NICHTS. ALSO, ICH MEINE … SIE WISSEN SCHON, SCHNUTZELCH … FRAU SCHNEIDER-SCHNUTZEL.«
»Ach, kommt schon«, sagt der Holzapfel leise und verdreht genervt die Augen. »Das weiß doch nun wirklich die gesamte Schule mittlerweile, dass ihr ein Paar seid.«
Da hat er recht. Und wir wissen es am längsten. Wir wissen das bereits seit der Geschichte mit Schranke und den Rugby-Jungs, da haben der Direktor und Frau Schneider-Schnutzel schon rumgeknutscht. Warum auch immer Erwachsene das machen, schön ist das nicht.
»ALSO, DIES IST EINE DURCHSAGE!«, fährt der Hasenfuß fort. »FOLGENDE SCHÜLER SOLLEN SICH BITTE UNVERZÜGLICH IN MEINEM BÜRO EINFINDEN! GUSTAV WAGNER, AARON ANTON UND VITUS VON TURBSNATAS!«
Wir sehen uns an. Gustav und Aaron zucken ratlos mit den Schultern. Okay, sie wissen also auch nicht, wieso wir zum Hasenfuß kommen sollen. Normalerweise passiert so was ja nur, wenn man etwas ausgefressen hat. Haben wir aber nicht. Oder? Vielleicht habe ich mal wieder etwas falsch gemacht, ohne es zu merken? Das passiert mir ja öfter mal, seit ich hier oben bin. Hm, seltsam, da bin ich mal gespannt.
»DIESE DREI HERRSCHAFTEN HABEN VON MIR DIE ERLAUBNIS, ALLES SOFORT STEHEN UND LIEGEN ZU LASSEN UND ZU MIR ZU KOMMEN! ENDE DER DURCHSAGE! … WAR DOCH EIGENTLICH GANZ EINFACH. VIELLEICHT MACHE ICH DAS JETZT ÖFTER. DU DARFST DAS GERN AUCH BENUTZEN, SCHNUTZELCHEN, DAS IST SCHON SEHR …«
»HABEN SIE AUF DEN KNOPF GEDRÜCKT, HERR DIREKTOR?«, unterbricht ihn Frau Schneider-Schnutzel.
»WIE? WAS? WIESO SOLL ICH DENN …«
»DIE DURCHSAGE HÖRT NICHT AUF, NUR WEIL SIE ES SAGEN, HERR DIREKTOR. SIE MÜSSEN AUF DEN ANDEREN KNOPF DRÜCKEN, UM DIE ÜBERTRAGUNG ZU BEENDEN. SONST HÖRT MAN DRAUSSEN WEITER ALLES, WAS SIE SAGEN. SO WIE JETZT.«
»WAS? OH! NATÜRLICH! DANKE FÜR DEN HINWEIS, FRAU SCHNEIDER-SCHNUTZELCHEN! SCHNUTZEL! SCHNUTZEL MEINTE ICH NATÜRLICH! ENDE DER DURCHS…«
Der Ton bricht abrupt ab. Der Holzapfel sieht uns skeptisch an.
»Na, was habt ihr denn angestellt?«, fragt er grinsend.
Wir zucken alle drei ahnungslos mit den Schultern.
»Ich zumindest bin mir keiner Verfehlung bewusst. Bewusst«, sagt Aaron.
»Ich hab auch nichts gemacht«, sagt Gustav.
»Ich würde erfahrungsgemäß auch eher auf Vitus tippen«, sagt der Holzapfel zwinkernd. »Ihr habt den Herrn Direktor gehört. Los, raus mit euch.«
Wir stehen auf und verlassen unter den neugierigen Blicken der anderen den Klassenraum.
»Das riecht nach Ärger«, sagt Gustav, als wir die Tür hinter uns geschlossen haben. »Was will denn der Hasenfuß bloß von uns? Es war doch alles ruhig hier seit der Superfood-Sache. Oder war irgendwas in den letzten Tagen, Luzie? Mit Cornibus vielleicht? Könnte ihn eventuell jemand gesehen haben?«
»Nicht dass ich wüsste«, antworte ich. »Ich meine, ich kann vormittags für nichts garantieren. Eigentlich soll er brav in meinem Zimmer bleiben, wenn ich im Unterricht bin. Aber ihr kennt ihn ja, er ist unberechenbar.«
»Ich denke nicht, dass es etwas mit Cornibus zu tun hat«, sagt Aaron. »Selbst wenn ihn jemand gesehen hätte, lässt das noch lang nicht ausgerechnet auf uns drei schließen. Nein, es muss etwas anderes sein. Spekulationen werden uns an dieser Stelle aber nicht weiterbringen, wir erfahren es ja gleich. Ja gleich.«
Wir laufen weiter, bis wir vor der Tür des Sekretariats angekommen sind. Die Tür steht offen, wir gehen direkt hinein.
»Ah, da seid ihr ja schon«, sagt Frau Schneider-Schnutzel. »Geht am besten gleich durch, er ist in seinem Büro.«
Wir betreten das Büro des Direktors, er sitzt hinter seinem Schreibtisch.
»Guten Morgen, Herr Direktor«, sagt Gustav. »Sie wollten uns sehen? Wir hoffen, es gibt keine unangenehmen Neuigkeiten.«
»Was? Nein!«, sagt der Hasenfuß. »Im Gegenteil, im Gegenteil! Es gibt äußerst erfreuliche Neuigkeiten! Wobei ich nicht so recht weiß, womit ausgerechnet Sie drei das verdient haben.«
Okay, immerhin scheine ich keinen Mist gebaut zu haben, das ist schon mal gut zu wissen.
»Was haben wir denn Ihrer Ansicht nach nicht verdient? Verdient?«, will Aaron wissen.
»Na, das hier«, antwortet der Hasenfuß und wedelt dabei mit einem Blatt Papier in der Luft herum. »Das kam vor einer halben Stunde mit der Post. Es ist eine hochoffizielle Einladung unseres Bundespräsidenten ins Schloss Bellevue.«
Hm, eine Einladung ist normalerweise etwas Gutes, oder? Aber wer oder was ist ein Bundespräsident? Bei uns unten in Abteilung 2 gibt es ein paar Präsidenten. Da sitzen die Problematischen Politiker. Die müssen für jedes falsche Versprechen, das sie jemals gemacht haben, ein Wahlplakat aus Höllenpfeffer essen. Und Höllenpfeffer hat eine wortwörtlich äußerst explosive Wirkung, ich habe ihn selbst mal probiert, danach hatte ich ein riesiges Loch im Brustkorb, das war nicht schön. Wie gesagt, da gibt es einige Präsidenten in Abteilung 2, aber ob da auch ein Bundespräsident dabei ist, weiß ich nicht.
»Eine Einladung des Bundespräsidenten?«, fragt Gustav ungläubig. »Für uns?«
»Hier steht es, schwarz auf weiß«, sagt der Hasenfuß und wedelt wieder mit dem Blatt Papier herum. »Ich musste es auch erst dreimal lesen, um es zu glauben.«
»Zu welchem Anlass sind wir denn eingeladen?«, fragt Aaron. »Er will uns ja sicher nicht einfach mal so privat kennenlernen. Kennenlernen.«
»Das wäre ja noch schöner!«, erwidert der Hasenfuß. »Nein, wenn ich das richtig verstehe, wurden Sie wohl eher zufällig ausgewählt. Es handelt sich offenbar um ein erstmalig veranstaltetes Fest, bei dem der Herr Bundespräsident mehr über die Lebensrealität von Kindern erfahren möchte. Zu diesem Zweck wurden laut dieses Schreibens dreihundert Kinder aller möglichen Ethnien und sozialer Herkunft eingeladen. Wenn Sie mich fragen, sollte er diesbezüglich besser herausragende Persönlichkeiten aus dem Bereich des Schulleitungswesens einladen. Mich, zum Beispiel. Niemand weiß mehr über Kinder als ich. In Fachkreisen nennt man mich auch den Kinderflüsterer. Ich weiß alles über die mir anvertrauten Schüler. Auch über Sie, Herr von Turbsnatas.«
Er sieht mich durchdringlich an. Auweia. Weiß er etwa auch, wer ich wirklich bin?
»Ja, genau Sie meine ich«, fährt er fort. »Sie können mir nichts verheimlichen, schon gar nicht, was Ihre Herkunft betrifft. Ihr Vater ist nämlich gar kein wohlhabender ungarischer Adliger.«
Mist, er weiß es. Aber woher bloß? Habe ich mich irgendwie verplappert? Ich wüsste nicht, wann und wo.
Aaron, Gustav und ich werfen uns besorgte Blicke zu.
»Jawohl, Herr von Turbsnatas«, fährt der Hasenfuß fort. »Mir ist sehr wohl bewusst, dass Sie aus eher ärmlichen Verhältnissen stammen. Das mit dem Adelstitel mag ja stimmen, aber auf einem Schloss sind Sie ganz sicher nicht groß geworden, dafür war Ihr Benehmen von Anfang an zu gewöhnlich. Außerdem tragen Sie, seit Sie bei uns sind, ausschließlich das gleiche T-Shirt, was nicht gerade auf familiären Wohlstand schließen lässt. Ich gehe davon aus, dass Ihr Vater sich das Geld für unser elitäres Haus vom Munde absparen muss. Umso mehr Mühe sollten Sie sich in Zukunft geben, damit Ihre schulischen Leistungen seinem Opfer gerecht werden. Vielleicht nehmen Sie diese außergewöhnliche und mir völlig unverständliche Einladung unseres Staatsoberhaupts ja zum Anlass, sich mehr anzustrengen. Nicht nur Ihr Vater würde es Ihnen sicher danken.«
Uff. Er weiß es doch nicht, Glück gehabt. Gustav, Aaron und ich tauschen erleichterte Blicke aus.
»Exzellente Beobachtungsgabe, Herr Direktor«, sagt Aaron. »Und eine detektivische Meisterleistung. Das mit den T-Shirts ist mir auch schon aufgefallen, aber auf Ihre brillanten Rückschlüsse wäre ich nie gekommen. Gekommen.«
»Wie gesagt, mir bleibt nichts verborgen, wenn es um meine Schüler geht«, sagt der Hasenfuß. »Aber zurück zum Wesentlichen. Dieses Fest findet nächsten Samstag statt, Sie werden am Freitag hier abgeholt und von einer Regierungsmaschine nach Berlin geflogen. Dafür werden Sie am Freitag vom Unterricht befreit. Da Sie laut den Angaben rund um die Uhr von einem Staatsbeamten betreut und begleitet werden, ist die Anwesenheit eines Erziehungsberechtigten nicht notwendig und auch nicht vorgesehen, was ich sehr bedauerlich finde, ich wäre nur allzu gern mitgekommen. Ich gehe davon aus, dass ich dem Herrn Bundespräsidenten Ihre Teilnahme im Namen von St. Fidibus zusagen darf?«
Wir sehen uns an. Gustav grinst breit, Aaron guckt ein bisschen skeptisch, ich weiß gerade nicht, wie ich gucken soll. Wir sollen also auf irgendein Kinderfest zu diesem Präsidenten in ein Schloss in Berlin? Und dafür haben wir am Freitag keinen Unterricht? Ich war hier oben noch nie auf einem Fest. Dafür war ich schon viel zu oft im Unterricht. Klingt für mich nach einer sehr einfachen Entscheidung.
»Also, ich wäre dabei«, sage ich.
»Ich auch!«, sagt Gustav.
»Äh … nicht so schnell, Jungs«, sagt Aaron und wendet sich an den Hasenfuß. »Haben wir noch ein bisschen Zeit, bevor wir endgültig zusagen? Ich meine, das ist schließlich eine sehr große Ehre, und ich möchte sichergehen, dass wir St. Fidibus würdig vertreten. Vertreten.«
»Das will ich doch hoffen«, sagt der Hasenfuß. »Besprechen Sie das gern in aller Ruhe und geben mir bis heute Nachmittag fünfzehn Uhr Bescheid.«
»So machen wir das, Herr Direktor«, sagt Aaron und steht auf. »Dann bis heute Nachmittag. Nachmittag.«
Aaron läuft los und wir folgen ihm nach draußen.
»Wahnsinn, oder?«, platzt Gustav heraus, sobald die Sekretariatstür hinter uns geschlossen ist. »Wir fliegen nach Berlin! Ich war noch nie in Berlin! Und dann auch noch zum Bundespräsidenten! Das wird obercool!«
»Freu dich nicht zu früh«, sagt Aaron. »Ich traue der Sache nicht. Das klingt alles viel zu gut, um wahr zu sein. Warum sollte der Bundespräsident ausgerechnet uns drei einladen, wenn es um die Lebensrealität von Kindern geht? Wir sind als Internatsschüler nicht gerade repräsentativ. Wir haben keinen Migrationshintergrund und als divers kann man uns sicher auch nicht bezeichnen. Da stimmt irgendwas nicht. Aber das finde ich schon raus. Gebt mir bis nach dem Mittagessen Zeit, dann weiß ich mehr. Mehr.«
»Ach, Aaron«, sagt Gustav. »Du siehst aber auch alles immer gleich so schwarz.«