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Wer wabert da nachts herum? Ob es auf Schloss Strachburg auch ordentlich spukt? Luzie und seine Freunde sind auf Klassenfahrt in dem alten Gemäuer. Tagsüber ist alles normal, aber in der Nacht wabern grüne Wolken unter der Toilettentür hervor. Sollte das wirklich ein echtes Gespenst sein? Oder doch eher ein Dämon aus Luzies alter Heimat, der Hölle? Komm mit auf Geistersuche! Ein Teufel in der Schule – der Comic-Roman von Jochen Till um den Höllensohn Luzifer bietet Lesespaß und viel Grund zum lauthals lachen für Mädchen und Jungen ab 10 Jahren. Zahlreiche humorvolle Bilder von Raimund Frey illustrieren Luzifers Abenteuer in der Hölle und im strengen Jungeninternat. Wer Gregs Tagebuch mag, wird Luzifer junior lieben!
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Inhalt
Friedvoll
Höllenschuhe
In einer Reihe
Eine Kassette?
Nur Liebe!
666 Dezibel
Homo krakiens
Eierköpfe
Tentakel
Teufelskreis
Atemübungen
Nicht ohne Leiter
Direkt vom Erzeuger
Zwei Finger
Friedvoll
»Ah, Sie sind ja doch da. Wieso antworten Sie denn nicht? Ich wollte nur kurz … Oh! Äh … Was machen Sie denn da, Chef?«
»Wonach sieht’s denn aus?«
»Öh … Na ja … Es sieht so aus, als würden Sie meditieren.«
»Sehr gut. Dann mache ich es offenbar richtig.«
»Ja, zumindest sieht das durchaus korrekt aus. Ich habe das zu Lebzeiten oben auch praktiziert, nachdem ich als junger Mann mehrere Monate in Indien verbracht hatte. Danach habe ich bis zu meinem Ende jeden Tag fünf Minuten lang meditiert, das entspannt ungemein. Hier unten funktioniert es aber leider nicht für mich. Um all den Stress auszugleichen, müsste ich wahrscheinlich dreiundzwanzig Stunden täglich meditieren. Außerdem braucht man dafür seinen Kopf und der fehlt mir leider sehr oft.«
»Soll das etwa heißen, dass ich daran schuld bin?«
»Was? Nein. Auf gar keinen Fall, Chef. Sie merken ja nicht mehr, wenn Sie mir den Kopf abreißen. So wie heute Morgen, als ich den Henkel Ihrer Lieblingstasse auf der falschen Seite platziert hatte. Und das war ja auch definitiv meine Schuld, wie eigentlich alles, wofür Sie mir mehrmals täglich den Kopf abreißen. Sie haben also allerhöchstens indirekt etwas mit der mir mangelnden Entspannung zu tun. Aber keine Sorge, Chef, ich kann das ausgleichen. Wenn es meine Zeit erlaubt, setze ich meinen speziell zu diesem Zweck erfundenen Mikrowellenhelm auf und lasse mein Gehirn für dreißig Sekunden weich brutzeln, das erfrischt enorm.«
»Aha, interessant. Das bedeutet demnach, dass du in diesen dreißig Sekunden nicht für mich arbeitest? ICH GLAUB, ES HACKT! DAS IST …«
»Ganz ruhig bleiben, Chef. Sonst funktioniert die Meditation nicht. Tief einatmen, langsam ausatmen. Befreien Sie sich von sämtlichen schlechten Gedanken.«
»Aber schlechte Gedanken sind mein Tagesgeschäft. Ich bin der Meister der schlechten Gedanken. Niemand denkt so schlecht wie ich.«
»Da kann ich nur zustimmen, Chef. Wofür machen Sie das eigentlich? Ziel einer Meditation ist doch ein friedvoller Geisteszustand. Das passt weder zu Ihrem Charakter noch zu Ihrer Jobbeschreibung.«
»Willst du damit etwa sagen, dass ich nicht ausgeglichen und friedvoll bin? Was bin ich denn sonst?«
»Öh … äh … Na ja … Sie … Sie sind natürlich rundum großartig, Chef. Und … äh … grandios … und selbstverständlich brillant … und monumental phänomenal, nicht zu vergessen.«
»UND AUSGEGLICHEN UND FRIEDVOLL BIN ICH JA WOHL AUCH! UNENDLICH FRIEDVOLL SOGAR! UND GERADE EBEN GANZ BESONDERS, SONST HÄTTE ICH DIR NÄMLICH LÄNGST DEN KOPF AB…«
»Tief einatmen, Chef. Und ganz langsam wieder aus. Sonst wird das nichts mit der Entspannung. Es hilft übrigens, wenn Sie sanft und leise Ommmmmmm vor sich hin summen. Versuchen Sie’s doch mal, das wirkt Wunder.«
»OMMMMMMMMMM!«
»Sanft und leise, Chef. Sanft und leise.«
»Ommmmmmmm. Was willst du eigentlich hier? Irgendwas wolltest du doch von mir, oder? Ommmmmmm.«
»Oh, ach so, ja, natürlich. Wobei … Nein, lieber nicht, das hat Zeit. Sie sind gerade so schön am Meditieren, das würde Sie nur unnötig aufregen.«
»OMMMMMMMMMM! LOS, RAUS DAMIT! ICH KANN BEIDES GLEICHZEITIG, MEDITIEREN UND MICH UNNÖTIG AUFREGEN!«
»Nun gut, wie Sie möchten, Chef. Also, es ist folgendermaßen: Die Folterknechte würden gern mit der kompletten Belegschaft aus allen Abteilungen einen kleinen Betriebsausflug veranstalten.«
»Soso, einen Betriebsausflug hätten sie gern, aha, interessant. Und wohin möchten sie gerne ausfliegen, die Herren Folterknechte?«
»Darüber ist noch keine endgültige Entscheidung gefallen. Zur Debatte stehen aktuell ein Badetag am großen Lava-See oder eine Bootstour den Styx hinunter.«
»Oh, das klingt aber beides sehr nett, da könnte ich mich nur schwer entscheiden. Wie lang soll der denn dauern, dieser kleine Betriebsausflug?«
»Na ja, normalerweise dauert so was einen ganzen Tag lang, zumindest war es bei mir oben in der Firma immer so.«
»Aha, okay, ein ganzer Tag, macht Sinn. Und an diesem Tag wird dann also quasi überhaupt nicht gefoltert?«
»Genau. Die Arbeit ruht sozusagen an diesem Tag.«
»Verstehe, verstehe. Und wofür genau soll das gut sein?«
»Nun ja … Im besten Fall stärkt es den Zusammenhalt innerhalb der Belegschaft. Man tauscht Erfahrungen aus und lernt sich mal auf einer anderen Ebene kennen. Das kann fürs Betriebsklima durchaus von Vorteil sein. Das Meditieren scheint übrigens zu funktionieren, Chef. Sie bleiben erstaunlich ruhig.«
»Natürlich funktioniert das. Alles, was ich mache, funktioniert. Und ich muss zugeben, die Idee mit dem Betriebsausflug klingt tatsächlich TOTAL BESCHEUERT! DIE HABEN WOHL LAVA GESOFFEN, DIESE FAULEN NICHTSNUTZE! WAS GLAUBEN DIE DENN, WO WIR SIND? DAS IST DOCH KEIN WEICHGESPÜLTES KUSCHEL-START-UP FÜR ARBEITSSCHEUE HANDEINCREMER HIER! BETRIEBSAUSFLUG? KÖNNEN SIE HABEN! ABER JEDER EINZELN! UND ZWAR GENAU SO WEIT, WIE MEIN HUF IN IHREM HINTERN SIE FLIEGEN LÄSST! ICH GLAUB, ICH SPINNE! DAS IST …«
»Ommmmmmm, Chef. Einatmen, ausatmen und Ommmmmmm. Dann kommt die Gelassenheit von ganz allein, Chef. Alles wird gut.«
»NATÜRLICH WIRD ALLES GUT! UND ZWAR, WENN DU HIER VERSCHWINDEST! ABER ZACKIG! UND VERGISS DEINEN KOPF NICHT! ER LIEGT DA DRÜBEN IN DER ECKE! OMMMMMMMM!«
Höllenschuhe
»So, das war’s dann für diese Woche, es müsste gleich klingeln«, sagt der Holzapfel.
Na endlich. Hat auch lang genug gedauert, dieser Freitag. Das ist echt der schlimmste Schultag der Woche. Die meisten finden ja den Montag am schlimmsten, weil da die Woche anfängt, aber ich finde den Freitag viel fieser. Da ist man ganz nah am Wochenende dran, muss aber immer noch sechs Stunden Unterricht über sich ergehen lassen, die sich anfühlen wie mindestens zehn. Das ist wie bei uns unten in Abteilung 123. Da sitzen die Gierigen Buffetdrängler. Die müssen barfuß gegeneinander in einem Hundertmeterlauf antreten, an dessen Ziel ein mit Leckereien gefüllter Tisch steht. Der Boden ist allerdings eine Mischung aus Lava und extrem spitzen Kieselsteinen, und wenn sie den Tisch fast erreicht haben, rückt er immer wieder automatisch zwanzig Meter weiter weg. Genau so fühlt sich ein Freitag an, man kann das Wochenende fast schon greifen und dann schieben es plötzlich zwei ewig lange Stunden Mathe weg. Wenn es Abteilungen für Wochentage gäbe, hätte der Freitag auf jeden Fall einen Platz in der Hölle sicher. Na ja, egal, jetzt ist es ja geschafft.
»Hausaufgaben gibt es heute natürlich keine«, sagt der Holzapfel zwinkernd. »Ihr wisst ja, warum.«
Also, ich freue mich auf jeden Fall darüber, keine Hausaufgaben machen zu müssen. Warum das so ist, weiß ich allerdings nicht.
»Ich bin mir sicher, wir werden zusammen jede Menge Spaß haben nächste Woche«, fährt der Holzapfel fort. »Freut ihr euch schon auf eure erste Klassenfahrt?«
Allgemeiner Jubel schlägt ihm als Antwort entgegen.
Ach ja, stimmt. Nächste Woche ist dieses komische Klassenfahrt-Ding. So richtig kapiert habe ich immer noch nicht, worum es da geht. Irgendwie fahren wir alle zusammen irgendwohin und bleiben dort eine ganze Woche lang, also wir schlafen auch woanders. Das sind aber keine Ferien und Urlaub ist es auch nicht, hat Aaron mir erklärt. Das sei eine schulische Veranstaltung, und der Holzapfel wäre die ganze Zeit dabei und Miss Wentworth, unsere Englischlehrerin, auch. Von daher weiß ich nicht so richtig, was es da zu jubeln gibt. Ich bin doch froh, dass ich die Lehrer nur vormittags sehen muss. Was, wenn wir da den ganzen Tag lang Unterricht haben? Am Ende vielleicht noch Mathe auf Englisch oder irgendwas anderes Verrücktes. Aaron meinte zwar, das wäre nicht so, aber Lehrern traue ich grundsätzlich alles zu. Dass es heute keine Hausaufgaben gibt, ist bestimmt nur ein ganz mieses Ablenkungsmanöver, wahrscheinlich bekommen wir nächste Woche haufenweise Klassenfahrtaufgaben, die von morgens bis abends erledigt werden müssen. Nein, egal, was Aaron sagt, ich bleibe lieber misstrauisch und werde ganz bestimmt nicht jubeln.
»Dass ihr euch nächste Woche von eurer besten Seite zeigen müsst, ist hoffentlich klar«, sagt der Holzapfel. »Schließlich sind wir nicht allein. Ich möchte von den Lehrkräften der anderen Schule keine Beschwerden über euch hören, vor allem nicht, wenn es um die Mädchen geht.«
Einige fangen bei dem Wort Mädchen an zu kichern, keine Ahnung, warum. Ich finde es super, dass auch Mädchen dabei sein werden, also, zumindest über ein Mädchen freue ich mich, und zwar Lilly. Ihre Klasse fährt nämlich mit uns auf diese Klassenfahrt, das hat irgendwas mit Kooperation und Sparen zu tun, hat der Hasenfuß erklärt. Sehr erfreut schien er darüber nicht zu sein. Ich glaube, er mag Lillys Schule nicht besonders, weil da jeder hingehen darf, ohne etwas zu bezahlen, das heißt öffentlich oder so. Jedenfalls fährt Lilly deshalb auch mit, und alle anderen aus ihrer Klasse ebenfalls. Ich war ja selbst mal in dieser Klasse, als unsere Körper vertauscht waren, aber das darf ich natürlich niemandem verraten, hoffentlich verplappere ich mich nicht.
»Ich weiß, ihr seid Mädchen im schulischen Umfeld nicht gewöhnt«, sagt der Holzapfel. »Das ist aber absolut kein Grund, nicht nett zu ihnen zu sein oder sie sogar zu ärgern. Gleiches gilt natürlich für die Jungs aus der anderen Klasse, ich erwarte von euch als St.Fidibus-Schüler ein einwandfreies Benehmen. Viel werdet ihr ohnehin nicht miteinander zu tun haben, jede Klasse hat ihren eigenen Schlaftrakt und ihr eigenes Programm, ihr werdet euch höchstwahrscheinlich nur beim Essen und im Bus begegnen.«
Oh, echt? Das wusste ich noch nicht.
»Dann kann Lilly also nicht mit uns in einem Zimmer schlafen?«, frage ich Gustav neben mir flüsternd.
»Nein«, flüstert er zurück. »Es ist sowieso die Frage, ob Aaron, du und ich in einem Zimmer schlafen und es allein für uns haben werden. In Jugendherbergen gibt es oft nur große Schlafsäle für zehn Leute oder mehr.«
»Was?«, erwidere ich besorgt. »Das wäre aber ganz blöd. Wir haben doch Cornibus dabei.«
Ich kann und will ihn nicht eine Woche lang allein hierlassen, da ist das Risiko viel zu groß, dass er irgendwelchen Blödsinn macht und gesehen wird. Onkel Wolfram hat zwar angeboten, dass Cornibus bei ihm bleiben kann, aber das ist mir zu unsicher, er ist ja den ganzen Tag in der Schule unterwegs und kann unmöglich pausenlos auf ihn aufpassen.
»Ja, das wird schwierig«, flüstert Gustav.
»Ich habe das Schloss, in dem wir sein werden, gegoogelt«, steigt Aaron von der anderen Seite flüsternd mit ein. »Es gibt dort wohl auch kleinere Zimmer mit vier bis sechs Betten. Wir müssen irgendwie tricksen, dass wir eins davon kriegen. Ich habe auch schon eine Idee, wie wir das schaffen. Schaffen.«
Ah, sehr gut. Wenn Aaron einen Plan hat, klappt das meistens, das beruhigt mich. Ich strecke ihm einen Daumen entgegen.
»Wir sind in einem Schloss?«, fragt Gustav. »Ich dachte, das ist eine alte Burg.«
»Stimmt beides«, sagt Aaron. »Die Burg wurde im sechzehnten Jahrhundert zu einem Schloss und in den 1950er-Jahren in eine Jugendherberge umgebaut. Umgebaut.«
»Ui!«, sagt Gustav. »Ich habe noch nie in einem Schloss geschlafen, das wird bestimmt super!«
»Erwarte nicht zu viel«, sagt Aaron. »Laut den Bewertungen im Netz ist das Gebäude ziemlich baufällig. Nur das Haupthaus ist bewohnbar, die beiden Türme sind sogar gesperrt. Gesperrt.«
»Oh, das ist aber schade«, sagt Gustav. »Ich hätte ja gern in so einem alten Turmzimmer geschlafen, das ist bestimmt toll.«
»Hauptsache, wir bekommen ein Zimmer für uns«, sage ich. »Cornibus muss sich wenigstens nachts in seine ursprüngliche Form verwandeln können.«
»Wie gesagt, ich habe da schon eine Idee«, sagt Aaron. »Das müsste eigentlich klappen. Sonst lassen wir uns etwas anderes einfallen. Einfallen.«
»Ich muss auf jeden Fall genug Schokolade für Cornibus mitnehmen«, sage ich. »Sonst wird er …«
Die Schulglocke unterbricht mich.
»Alles klar!«, sagt der Holzapfel. »Ich wünsche euch ein schönes Wochenende! Packt nicht zu viel ein! Jeder nur ein Gepäckstück! Wir sehen uns Montagmorgen! Um neun Uhr ist Abfahrt draußen auf dem Schulhof!«
Alle stehen auf und stürmen nach draußen, wir natürlich auch.
»Muss ich auf irgendwas achten beim Packen?«, frage ich. »Gibt es Sachen, die man für so eine Klassenfahrt unbedingt braucht?«
»Unterhosen«, sagt Gustav grinsend. »Du brauchst auf jeden Fall ausreichend Unterhosen. Wie immer.«
War ja klar, dass das wieder kommt. Jedes Mal, wenn wir irgendwo hinfahren und ich packen muss, kommt der Unterhosenwitz. Dabei habe ich mittlerweile echt kapiert, dass man pro Tag eine Unterhose mitnimmt und die dann sogar auch anzieht.
»Aber der Holzapfel hat doch gerade gesagt, wir sollen nicht zu viel einpacken«, erwidere ich grinsend zurück. »Also reichen zwei?«
»Genau, du Scherzkeks«, sagt Gustav lachend.
»Freuen wir uns eigentlich auf diese Klassenfahrt?«, frage ich. »Ich bin da irgendwie immer noch sehr skeptisch. Aaron hat ja gesagt, das ist eine schulische Veranstaltung. Seid ihr euch sicher, dass wir da nicht ständig Unterricht haben?«
»Absolut sicher«, antwortet Aaron. »Da musst du keine Angst haben, in der Zeit findet gar kein Unterricht statt. Unterricht statt.«
»Ja, aber was denn dann?«, hake ich nach. »Ich meine, wofür ist denn so eine Klassenfahrt gut?«
»Gute Frage«, sagt Gustav. »Keine Ahnung. Ich war noch nie auf einer Klassenfahrt, das ist meine erste.«
»Ich denke, es geht darum, den Zusammenhalt innerhalb der Klasse zu stärken«, sagt Aaron. »Auf einer Klassenfahrt lernt man seine Mitschüler in einem anderen Umfeld besser kennen. Besser kennen.«
»Aber ich will doch gar nicht, dass mich jemand außer euch besser kennt«, erwidere ich. »Ich meine, ihr wisst schon, es soll ja niemand wissen, wer ich wirklich bin.«
»Das stimmt natürlich«, sagt Aaron. »Aber du bist auch eine absolute Ausnahme. Hier hat mit Sicherheit niemand sonst derartig dunkle oder gar höllische Geheimnisse. Was aber natürlich bedeutet, dass wir noch mehr aufpassen müssen als sonst. Vor allem, weil auch Leute aus der anderen Schule dabei sind. Wir müssen extrem vorsichtig sein, dass wir uns nicht verplappern. Verplappern.«
Die beiden sehen mich durchdringlich an.
»Was denn?«, erwidere ich. »Ihr könnt euch genauso gut verplappern. Und so oft passiert mir das doch gar nicht.«
»Ach ja?«, sagt Gustav. »Du hast gerade gestern Lilly über den halben Schulhof laut mit Hallo, Schwesterherz! begrüßt. Schon vergessen? Es darf auch niemand wissen, dass ihr Geschwister seid.«
»Ja, aber da war doch niemand draußen«, entgegne ich. »Das hat keiner gehört.«
»Weißt du’s?«, erwidert Gustav. »Vielleicht war irgendwo ein Fenster offen.«
Hrmpf. Er hat natürlich recht. Ich muss da echt vorsichtiger sein.
»Dann müsst ihr aber auch aufpassen, dass ihr mich nicht aus Versehen Luzie nennt«, sage ich. »Das ist dir nämlich neulich in der Pause fast passiert, als der Hasenfuß direkt neben uns stand.«
»Ja, aber eben nur fast«, erwidert Gustav.
»Wir müssen alle besser aufpassen während der Klassenfahrt«, sagt Aaron. »Auch Lilly. Und vor allem müssen wir alle auf Cornibus aufpassen, er stellt sicher das größte Risiko dar. Risiko dar.«
Das stimmt, Cornibus ist wirklich unberechenbar. Aber mit genug Schokolade kriege ich ihn schon irgendwie in den Griff.
»Jetzt weiß ich aber immer noch nicht, was auf so einer Klassenfahrt eigentlich passiert«, stelle ich fest. »Sitzen wir da von morgens bis abends in diesem Schloss und starren die Wände an?«
»Nein, das sicher nicht«, sagt Aaron. »Klassenfahrten bestehen für gewöhnlich aus Ausflügen. Man besucht Museen, guckt sich Städte an und geht vielleicht mal einen Tag ins Schwimmbad oder wandern. Wandern.«
»Oh, gut, dass du es sagst«, sagt Gustav. »Ich darf nicht vergessen, meine Wanderschuhe einzupacken.«
»Wanderschuhe?«, frage ich. »Was ist das denn? Habe ich auch so was?«
»Nein, hast du nicht«, antwortet Gustav. »Du hast nur deine ausgelatschten Sneaker. Wanderschuhe sind feste, robuste Schuhe, die man eben für Wanderungen braucht.«
»Aha«, sage ich. »Und was genau ist eine Wanderung?«
»Wandern ist eine Form des Gehens, vornehmlich in der freien Natur«, antwortet Gustav. »Von einer Wanderung im Gegensatz zu einem Spaziergang spricht man ab einer Dauer von einer Stunde, nach oben gibt es zeitlich keine Begrenzung. Begrenzung.«
»Okay, verstehe«, sage ich. »Das heißt, wir latschen einfach stundenlang blöd durch die Gegend. Und dafür brauche ich spezielle Schuhe? Das haben wir doch auf dem Weg zu Yetinnitus auch gemacht, als ich euch zum ersten Mal mit runtergenommen habe. Und da waren meine Schuhe völlig in Ordnung. Die sehen zwar ausgelatscht aus, sind sie aber nicht. Das sind Höllenschuhe, die sind aus Dämonenhinternleder. Die habe ich schon mein ganzes Leben lang, die wachsen nämlich mit.«
»Sehr praktisch«, sagt Aaron. »Dann brauchst du auch keine Wanderschuhe. Ich übrigens ebenfalls nicht, ich kann gar keine anderen Schuhe tragen. Meine sind eine orthopädische Spezialanfertigung, sie gleichen eine Fehlstellung meines Fersenbeins aus. Fersenbeins aus.«
Fersenbein? Was ist das denn? Haben Fersen Beine? Meine nicht, oder? Das würde man doch sehen. Aber ich hake lieber nicht nach, sonst werde ich wieder ausgelacht.
»Man muss ja auch keine Wanderschuhe tragen«, sagt Gustav. »Ich nehme meine aber lieber mit.«
»Okay«, sage ich. »Aber wenn wir ins Schwimmbad gehen, brauche ich meine Badehose, oder?«
»Ja«, sagt Gustav. »Wäre schon gut, wenn du da nicht nackig rumläufst.«
»Alles klar«, sage ich. »Sonst noch was?«
»Nein, sonst fällt mir gerade nichts ein«, sagt Aaron. »Aber wir haben ja noch zwei Tage Zeit zum Packen. Ich kann dir dann auch gern helfen. Helfen.«
»Das ist lieb, danke«, sage ich. »Ich glaube, so langsam freue ich mich doch auf diese Klassenfahrt. Das ist mal was anderes und wird bestimmt lustig.«
»Na, hoffentlich«, sagt Gustav. »Wenn wir zusammen wegfahren, passiert ja meistens irgendwas Höllisches, darauf kann ich gut verzichten.«
»Keine Sorge«, sage ich. »Was soll denn auf so einer Klassenfahrt schon Höllisches passieren, außer dass uns die Lehrer auf den Geist gehen? Ich meine, die sehen wir ja so schon oft genug, den ganzen Tag lang brauche ich das eigentlich nicht.«
»Weil du gerade Geist gesagt hast«, sagt Aaron. »Ich möchte damit wirklich niemanden beunruhigen und erwähne das nur der Vollständigkeit halber: In den Bewertungen für dieses Schloss stand auch, dass es dort spukt. Spukt.«
»Es spuckt?«, frage ich verwundert. »Wer spuckt denn da? Wenn da einer spuckt, spucke ich einfach zurück.«
Und ich kann ziemlich gut spucken. Nicht ganz so gut wie die Folterknechte bei uns unten in Abteilung 135, die sind unschlagbar. Dort sitzen die Rüpelhaften Rumrotzer, die hier oben ständig grundlos in der Gegend herumspucken. Die dienen dort als Trainings-Zielscheiben für die alljährlich stattfindenden Höllenmeisterschaften im Feuerspucken. Ich kann zwar kein Feuer spucken, aber ich durfte eine Zeit lang außer Konkurrenz mittrainieren, was echt Spaß gemacht hat. Wenn da also einer rumspuckt, soll er nur kommen! Hey, Moment mal, wieso kichern denn Gustav und Aaron so?
»Nicht spucken, spuken«, sagt Gustav glucksend. »Das ist was ganz anderes.«
»Das bedeutet, dass es dort Geister geben soll«, erklärt Aaron. »Was natürlich völliger Quatsch ist. Es gibt keine Geister, das ist nur ein dummer Aberglaube. Aberglaube.«
»Na ja, bist du dir da wirklich absolut sicher?«, fragt Gustav. »Das dachte ich vom Teufel früher auch und jetzt steht sein Sohn neben mir und popelt in der Nase.«
Was? Oh, hab ich gar nicht gemerkt, peinlich.
»Sorry, da hat nur was gekitzelt«, sage ich. »Also, ich habe bei uns unten noch nie etwas von Geistern gehört, von daher kann das nichts Höllisches sein. Wie sollen die denn aussehen, diese Geister?«
»Diejenigen, die behaupten, welche gesehen zu haben, sagen, dass sie oftmals durchsichtig sind und fliegen können«, erklärt Aaron. »In Filmen werden sie auch oft so dargestellt. Dort sehen sie manchmal aus wie fliegende Bettlaken. Bettlaken.«
Fliegende Bettlaken? Nein, so was habe ich bei uns unten noch nie gesehen.
»Ja, aber wenn es diese Bettlaken-Typen gar nicht gibt, wieso steht dann in den Bewertungen, dass die dort rumspucken?«, wundere ich mich.
»Spuken«, verbessert mich Aaron erneut. »Das bedeutet meistens, dass die Leute irgendwelche Geräusche hören, die sie sich nicht erklären können. Oder es fällt plötzlich ein Bild von der Wand und die Leute glauben, es war ein Geist, obwohl es nur ein altersschwacher Nagel war. Ich bin mir sehr sicher, dass alles, was auf Geister geschoben wird, ganz normal wissenschaftlich erklärt werden kann. Werden kann.«
»Na, dann müssen wir ja wohl keine Angst haben, dass wir auf der Klassenfahrt von fliegenden Bettlaken belästigt werden«, sage ich.
»Nein, das müssen wir ganz sicher nicht. Nicht«, sagt Aaron.
»Ja, ihr nicht«, brummt Gustav. »Ihr seid ja auch nicht so ängstlich wie ich. Luzie hat zur Not seine Blitzkräfte und Aaron hat sowieso vor nichts Angst. Ich werde ab jetzt aber die ganze Zeit darüber nachdenken, dass wir eine Klassenfahrt in ein Geisterschloss machen. Und das ist kein schöner Gedanke.«
»Hey, mach dir keinen Kopf«, sage ich. »Wenn da irgendwo so ein fliegendes Bettlaken rumschwirrt, werde ich es einfach von der Decke spuken.«
»Spucken«, verbessert mich Aaron grinsend. »In diesem Fall heißt es spucken. Spucken.«
Oh, Mann, das ist aber auch kompliziert! Wie soll man denn da irgendwas nicht falsch sagen? Da bleibt einem ja glatt die Spucke im Hals stecken. Oder die Spuke?
In einer Reihe
»Hast du das verstanden, Cornibus?«, frage ich. »Wir werden von morgens bis abends von Leuten umgeben sein. Du musst die ganze Zeit möglichst klein sein und darfst dich wahrscheinlich nur nachts zurückverwandeln.«
»Cornibus verstanden«, sagt er. »Cornibus wie in Hölland. Nur nachts verschwandeln.«
»Genau. Aber in Hölland durftest du ja wenigstens die ganze Zeit offen als Hund herumlaufen, das war etwas anderes. Jetzt darf dich wirklich niemand sehen, dafür ist ein Hund zu auffällig. Da könnte eine Maus schon zu groß sein. Vielleicht kannst du dich als Floh in meinen Haaren verstecken? Du musst nämlich ständig bei mir bleiben, auch bei den Ausflügen, ich kann dich dort nicht einfach tagsüber im Zimmer lassen, das ist zu gefährlich.«
»Cornibus Floh. Kein Kloblem.«
»Sehr gut. Aber dann darfst du mich nicht beißen, verstanden? Ich habe keine Lust, mich ständig kratzen zu müssen, da kommen dann wahrscheinlich auch nur blöde Fragen, ob ich geduscht habe oder so.«
»Cornibus verstanden. Luzie nicht beißen. Cornibus beißen Schlotzolade?«
»Natürlich darfst und wirst du Schokolade beißen«, antworte ich lachend. »Und wir werden versuchen, dir jeden Tag etwas von unserem Essen mitzubringen. Du wirst also auf keinen Fall verhungern, du kleine Fressmaschine.«
»Cornibus jetzt Schlotzolade beißen?«
»Ein kleines bisschen musst du dich noch gedulden«, sage ich. »Für die Fahrt kannst du dich auf jeden Fall noch als Maus in meinem Rucksack verstecken. Da ist eine Tafel Nussschokolade für dich drin, die magst du doch so gern. Aber die darfst du erst essen, wenn wir losfahren, okay? Und du musst ganz leise knuspern, damit sich niemand wundert, wieso seltsame Geräusche aus meinem Rucksack kommen.«
»Cornibus leise knuspern. Haps-Haps, Schlotzolade weg, niemand hören.«