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Luzifer junior ist gerade von seinen Ferien in der Hölle nach Sankt Fidibus zurückgekehrt, da erwartet ihn schon wieder jede Menge Ärger. Wieso sind die Rugby-Spieler der Dorfschule so sauer auf die Internatsschüler? Und wieso verhält sich seine beste Freundin Lilly so merkwürdig? Luzie geht den Dingen auf den Grund und schmiedet einen Plan: Und der muss einfach teuflisch gut sein! Ein Teufel in der Schule – der Comic-Roman um den Höllensohn Luzifer bietet Lesespaß und viel Grund zum lauthals lachen für Mädchen und Jungen ab 10 Jahren. Zahlreiche humorvolle Bilder illustrieren Luzifers Abenteuer in der Hölle und im strengen Jungeninternat. Wer Gregs Tagebuch mag, wird Luzifer junior lieben!
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Seitenzahl: 163
Inhalt
Prolog
Quietschende Kreide
Werrr ist denn da?
Ranziges Schwefelfett
Zum Knabbern
Dämonenkneten
Kurzfristig benötigte Entscheidungen
Guter Kompostmist
Hogy vagy?
Magenbrummen
Batman
Drei Tage
An der Backe
Du bist es!
»NÄCHSTER TAGESPUNKT: WIR MÜSSEN SCHON WIEDER EINE NEUE ABTEILUNG AUFMACHEN«, sagt mein Vater und verdreht genervt die Augen.
Quietschende Kreide
»Der CEO will ab sofort die Rechtschreib-Ignoranten bei uns unterbringen. Anscheinend ist er ein großer Fan der sozialen Medien, aber es nervt ihn, dass die Leute da ständig alles falsch schreiben. Neulich hat wohl sogar einer seinen Namen falsch geschrieben, da ist er total ausgerastet. Ihr wisst ja, wie er ist, wenn es um ihn geht.«
Oh ja, das wissen hier unten alle. Er heißt ja nicht umsonst Chronisch Einzigartiger Oberchef. Ihm gehört alles. Oben, unten, ganz oben, alles seins. Weil er angeblich das komplette Universum selbst und ganz allein aufgebaut hat, vor Hunderten Millionen Jahren oder so. Handfeste Beweise gibt es dafür allerdings nicht. War schließlich keiner dabei außer ihm. Ich habe da ja mittlerweile so meine Zweifel, ob das alles wirklich stimmt, was er so behauptet. In St.Fidibus hat mir unser Geschichtslehrer Herr Holzapfel nämlich etwas ganz anderes über die Entstehung des Universums erzählt. Das könnte man alles streng wissenschaftlich erklären, mit einem großen Knall, den es irgendwann mal gab. Und dann kam die Evolution, so eine Art sehr langsame Entwicklung, aus der dann der Mensch und alles Mögliche sonst noch entstanden sind. So richtig kapiert habe ich das auch nicht, aber es klang auf jeden Fall plausibler als die Geschichte unseres komischen Oberchefs hier. Den übrigens auch noch nie jemand von uns gesehen hat. Außer Papa. Und der hat wie alle anderen höllisch Schiss vor ihm.
»Eine neue Abteilung?«, fragt Onkel Gabriel mit besorgter Miene. »Das können wir uns nicht leisten, wir sind jetzt schon weit über unserem Budget. Die Kosten fressen uns auf.«
Der arme Onkel Gabriel. Wenn er nicht so langweilig wäre, könnte er einem fast schon leidtun. Er ist ständig besorgt, hat nur Zahlen und Abrechnungen im Kopf und geht Papa damit schrecklich auf die Nerven.
»Ach, du immer mit deinen blöden Kosten«, erwidert mein Vater. »So schlimm wird’s schon nicht sein.«
»Wir sind am Anschlag, Luzifer«, sagt Onkel Gabriel. »Wenn wir so weitermachen, geht der Laden hier in spätestens drei Monaten komplett pleite.«
»Dann mach irgendwas dagegen«, knurrt mein Vater. »Das ist dein Job.«
»Ich kann meinen Job aber nicht machen, wenn du ständig wortwörtlich Geld verbrennst«, erwidert Onkel Gabriel. »Weißt du, was allein die Bestrafungsmaßnahmen in Abteilung 14 kosten?«
Abteilung 14? Da sitzen die Reichen Geizhälse, wenn ich mich nicht irre. In diesem Raum ist es minus dreißig Grad kalt und alle sind nackt. Um sich warm zu halten, haben sie nur einen kleinen Ofen und einen riesigen Haufen Geldscheine als Brennmittel. Klar, das ist bestimmt nicht ganz billig. Ich möchte gar nicht wissen, wie viel Schokolade ich mir dafür in der Oberwelt kaufen könnte. Aber wie soll man Geizhälse denn sonst artgerecht bestrafen?
»Nein, ich weiß nicht, was die Bestrafungsmaßnahmen in Abteilung 14 kosten«, sagt mein Vater genervt. »Und es interessiert mich auch nicht.«
»Das sollte es aber«, erwidert Onkel Gabriel. »Was glaubst du, wem der CEO die Schuld geben wird, wenn hier alles zusammenbricht? Mir ganz bestimmt nicht. DU bist hier der Chef und somit für alles verantwortlich. Und wer weiß? Vielleicht gibt es dann demnächst ja einen neuen Chef. Oder denkst du etwa, du bist unkündbar?«
»So, so«, knurrt mein Vater und seine Hörner wachsen ein ganzes Stück. »Ein neuer Chef. Und wer soll das deiner Meinung nach werden? Du vielleicht?«
»Warum nicht?«, fragt Onkel Gabriel. »Vielleicht wird es mal Zeit für jemanden, der organisatorischer und vor allem kostendeckend denkt. Ich könnte mir schon gut vorstellen, dass das dem CEO gefallen würde.«
»Ach ja?«, sagt mein Vater, und seine Hörner werden noch länger. »Weißt du, was ich mir gut vorstellen könnte? Ich könnte mir gut vorstellen, DASS ICH DIR GLEICH DEN KOPF ABREISSE UND STATTDESSEN CERBERUS AUF DEINEN HALS STECKE! WEIL NÄMLICH JEDER HALBWEGS INTELLIGENTE HÖLLENHUND HIER EHER CHEF WIRD ALS DU! DEIN EWIGES GENÖRGEL NERVT SELBST DEN ALLERDÜMMSTEN EINZELLER-DÄMON! ICH KANN DEIN GEJAMMER NICHT MEHR ERTRAGEN! VERSCHWINDE, BEVOR ICH MICH VERGESSE!«
»Du … du wirfst mich raus?«, stammelt Onkel Gabriel fassungslos. »Das … das ist ein offizielles Team-Meeting. Ich gehöre zur Geschäftsführung. Du kannst mich nicht einfach so vor die Tür setzen.«
»UND OB ICH DAS KANN!«, brüllt mein Vater ihn an. »NOTFALLS SOGAR EIGENHÄNDIG UND MIT EINEM HUF IN DEINEM HINTERN! LOS, RAUS HIER!«
Oh, jetzt werden sogar Onkel Gabriels Hörner länger, das habe ich ja noch nie gesehen. Er schnaubt kräftig durch die Nase, packt seine Ordner zusammen, steht auf und stapft in Richtung Ausgang.
»DAS WIRST DU NOCH BEREUEN!«, schreit er und knallt die Tür so fest hinter sich zu, dass sie wieder auffliegt.
»ACH JA?«, brüllt ihm mein Vater hinterher. »UND WANN SOLL DAS SEIN? WENN DU HIER DER CHEF BIST? EHER FRIERT DIE HÖLLE ZU!«
»DAS WÄRE DANN ALSO GANZ BALD!«, brüllt Onkel Gabriel zurück. »WIR HABEN NÄMLICH KEIN GELD MEHR FÜR DIE HEIZKOSTEN!«
»AUS DEINEM MUND KOMMT GENUG HEISSE LUFT!«, erwidert mein Vater. »DAS REICHT LOCKER FÜR DIE NÄCHSTEN TAUSEND JAHRE!«
Hach, wie schön es doch ist, wieder hier unten zu sein. Ich hätte es ja nie gedacht, aber das Gebrüll meines Vaters hat mir irgendwie gefehlt. In St.Fidibus wird überhaupt nicht gebrüllt, jedenfalls nicht richtig. Da erhebt vielleicht mal jemand leicht seine Stimme, wenn ihm irgendetwas nicht passt, aber das war’s dann auch schon. Niemand kann so gut brüllen wie mein Vater. Und solange er nicht mich anbrüllt, wirkt das auf mich irgendwie beruhigend.
Mein Vater schnauft ein paarmal tief durch, seine Hörner werden wieder kleiner.
»So, zurück zum Thema«, sagt er schließlich. »Die neue Abteilung.«
»Muss es denn wirklich gleich eine neue Abteilung sein?«, fragt Fluxus zaghaft. »Ich meine, Gabriel hat nicht ganz unrecht, das Geld wird langsam wirklich knapp. Das merke ich auch.«
Fluxus ist unser Mann für die Logistik. Er besorgt alles, was wir hier unten brauchen und nicht selbst herstellen können.
»Fängst du jetzt auch noch an?«, knurrt mein Vater.
»Nein, so war das nicht gemeint!«, sagt Fluxus abwehrend. »Ich dachte nur, vielleicht könnte man diese Rechtschreib-Ignoranten ja auch in einer bereits bestehenden Abteilung mit unterbringen. Bei den Legasthenischen Tätowierern, zum Beispiel. Da würden sie doch gut reinpassen. Und wir hätten keine zusätzlichen Kosten.«
Gar keine so schlechte Idee, finde ich. Die Legasthenischen Tätowierer sitzen in Abteilung 54, da war ich schon mal. Sie müssen sich selbst komplizierte Dämonen-Namen tätowieren. Auf den Rücken. So wie SRHJTZLU oder LRGJLESJHRIOS. Und wenn sie dabei einen Fehler machen, wird ihnen eine Hautschicht abgezogen, und sie müssen wieder von vorne anfangen. Diese Art der Bestrafung würde doch gut zu den Rechtschreib-Ignoranten passen.
»Das geht leider nicht«, sagt mein Vater seufzend. »Der CEO verlangt ausdrücklich eine eigene Abteilung mit einer individuellen Strafmaßnahme. Vorschläge?«
Mein Vater sieht erwartungsvoll in Richtung der drei Dämonen aus der Kreativ-Abteilung. Die drei kraulen nachdenklich ihre Kinnbärte.
»Wie wäre es, wenn wir sie eine Million Mal einen Satz an eine Tafel schreiben lassen?«, schlägt einer schließlich vor. »So was wie: Ich darf keine Rechtschreibfehler machen.«
»Genau«, meldet sich einer der anderen zu Wort. »Und vielleicht könnte die Kreide dabei ganz fies quietschen. Das mag niemand.«
»Ja«, sagt der dritte. »Und wenn sie einen Fehler machen, müssen sie ihn mit einem trockenen Schwamm wegwischen. Das ist ein sehr unangenehmes Geräusch.«
Mein Vater sieht die drei völlig entgeistert an.
»Das ist euer Vorschlag?«, fragt er. »Quietschende Kreide und ein trockener Schwamm? Was glaubt ihr denn, wo wir hier sind? In der Grundschule für weichgespülte Folterknechte? Wer hat euch denn eingestellt? Mein sparsüchtiger Bruder? Wahrscheinlich bezahlt er euch nach der Anzahl eurer Gehirnzellen.«
»Äh nein«, widerspricht einer der Kreativ-Dämonen. »Sie haben uns eingestellt, Chef. Höchstpersönlich.«
»Ach, ich war das?«, sagt mein Vater. »Dann ist’s ja gut. Dann kann ich euch nämlich auch HÖCHSTPERSÖNLICH FEUERN! UND ZWAR SOFORT!«
Er schnippt mit dem Finger, drei gelbe Rauchwolken zischen auf, und im nächsten Moment liegen drei jämmerlich quiekende Stücke Kreide auf den Stühlen, auf denen eben noch die Dämonen gesessen haben. Mein Vater schnappt sich die drei Kreidestücke, zermalmt sie in seiner Faust und reibt sich den Staub unter die Achseln.
»So viel dazu«, erklärt er. »Hat jetzt vielleicht jemand einen guten Vorschlag für die Bestrafung der Rechtschreib-Ignoranten?«
Die meisten Anwesenden sehen ihn ehrfürchtig oder ängstlich an, einige schauen demonstrativ an die Decke – niemand traut sich, etwas zu sagen.
»Ich hätte da vielleicht eine Idee«, sage ich schließlich nach einer Weile.
»Na, wenigstens einer, der sich nicht fürchtet«, knurrt mein Vater. »Aber dir ist hoffentlich klar, dass ich dich auch in irgendetwas verwandle und vielleicht zerquetsche, wenn die Idee nicht gut ist. Es soll mir niemand nachsagen, ich würde dich schonen, weil du mein Sohn bist.«
Das war mir klar, ich habe nichts anderes erwartet. Es wäre auch nicht das erste Mal. Ich erinnere mich zum Beispiel noch genau daran, wie er mich mit fünf Jahren in einen Luftballon verwandelt und mich dann hat platzen lassen – das klingt lustiger, als es tatsächlich war.
»Also«, fange ich an. »Wir könnten die Rechtschreib-Ignoranten an alte dämonische Schreibmaschinen setzen und ihnen ein besonders schweres Buch diktieren. Bei mir in der Schule gibt es eins, das heißt Duden, und da stehen ganz schwierige Wörter drin. So was wie Chrysantheme oder Kernspintomografie oder Stracciatella.«
»Ich kenne das Buch«, sagt mein Vater. »Der Typ, der es geschrieben hat, heißt Konrad. Er saß mal ganz kurz bei uns in Abteilung 78 bei den Unverbesserlichen Pedanten, bis der CEO ihn zu sich hochgeholt hat. Besonders teuflisch finde ich diese Idee bis jetzt aber nicht unbedingt.«
»Warte, ich bin ja noch nicht fertig«, ergänze ich schnell. »Wie gesagt, wir diktieren ihnen diese ganzen schweren Wörter. Und wenn sie einen Fehler machen, beißt ihnen die Schreibmaschine ein Stück Finger ab. Natürlich wachsen die Finger immer wieder nach, wenn alle zehn abgebissen sind. Dann geht es wieder von vorne los.«
Mein Vater lehnt sich zurück und streicht nachdenklich über seinen Kinnbart. Wir sehen ihn alle gespannt an.
»Das ist gut«, meint er schließlich. »Es ist kreativ, es ist böse, es ist teuflisch. Gefällt mir.«
Alle atmen erleichtert auf – ich besonders.
»Gute Arbeit, Sohnemann«, sagt mein Vater und klopft mir so fest auf die Schulter, dass ich fast mit dem Kopf auf den Tisch knalle. »Offenbar lernst du ja doch etwas da oben.«
Oh ja, ich lerne sogar ganz viel da oben. Hauptsächlich Sachen, die ich wahrscheinlich nie wieder brauchen werde. Bruchrechnung, zum Beispiel. Oder Geschichte. Muss man das wirklich alles wissen? Ich meine, wenn ich unbedingt wissen möchte, was bei den alten Römern so alles passiert ist, gehe ich einfach in die Abteilung für Politiker und frage Julius Cäsar persönlich. Der war wenigstens dabei und kann mir alles ganz genau erzählen und ich muss kein blödes Geschichtsbuch dafür lesen. Aber das meint mein Vater ja gar nicht, wenn er von lernen spricht. Ihm geht es nur darum, dass ich lerne, richtig böse zu sein. Und ein bisschen habe ich in dieser Hinsicht auch schon gelernt. Ich will zum Beispiel nur böse zu Menschen sein, die selbst böse sind. Alles andere ergibt für mich keinen Sinn. Wieso sollte ich böse zu Menschen sein, die nett zu mir oder meinen Freunden sind? Wenn es nach meinem Vater geht, muss ich aber zu allen Menschen böse sein. Da mache ich aber nicht mit, das kann er vergessen.
»Wann musst du eigentlich wieder zurück?«, fragt er mich.
»Morgen«, antworte ich. »Übermorgen fängt die Schule wieder an.«
»Was, schon? Die Woche ist aber schnell rumgegangen«, sagt mein Vater. »Und wir hatten überhaupt keine Zeit, uns mal richtig zu unterhalten. Wollen wir morgen noch zusammen frühstücken? Ich mache dir auch meine leckeren Schwefel-Pfannkuchen.«
Oha. Würg. Papas Schwefel-Pfannkuchen sind so einiges, aber ganz bestimmt nicht lecker. Wie ekelhaft sie schmecken, weiß ich auch erst so richtig, seit ich oben war. Das Essen dort ist wirklich sensationell, nicht nur die Schokolade, einfach alles. Es gab auch schon ein paarmal Pfannkuchen und die sind überhaupt kein Vergleich zu denen von Papa. Die sind oben total fluffig und weich und süß und schmecken kein bisschen nach Schwefel. Aber da kann ich jetzt ja wohl schlecht Nein sagen – ich habe ihn wirklich kaum gesehen in dieser Woche.
»Okay«, stimme ich zu. »Kann ich Cornibus mitbringen?«
Cornibus liebt Schwefel-Pfannkuchen – wenn er dabei ist, muss ich nicht so viel davon essen.
»Klar, bring ihn mit. Dann mache ich ein paar Pfannkuchen mehr.«
Mist. Aber das wird schon gehen, Cornibus ist total verfressen, das schafft er locker.
»Gut«, sagt mein Vater und wendet sich an die anderen. »Da mein Bruder freundlicherweise schon gegangen ist, bleibt uns sein öder Quartalsbericht erspart. Fluxus, du kümmerst dich um die neue Abteilung?«
Fluxus nickt.
»Steven, kannst du über dein komisches HellsApp© verbreiten, dass wir drei neue Kreativ-Dämonen suchen?«
Steven ist unser Mann für die Technik. Für die moderne Technik, besser gesagt. Er ist noch nicht lang bei uns, hat aber in der kurzen Zeit bereits die halbe Hölle technisch revolutioniert. Er hat jede Abteilung mit Kameras ausgestattet, Computer für die Verwaltung eingeführt und das Schrei-Phone erfunden. Fast jeder Dämon hat mittlerweile eins. Und über HellsApp© sind alle miteinander verbunden, das ist echt praktisch. Ich mag Steven sehr gern. Er erklärt mir immer alles.
»Wird gemacht, Chef«, sagt er zu meinem Vater.
»Perfekt. Dann sind wir fertig für heute. Ich wünsche euch noch einen schrecklichen Tag.«
Mein Vater verlässt den Raum, die meisten anderen folgen ihm. Als ich gerade aufstehen will, hält Steven mich am Arm fest.
»Hast du einen Moment Zeit für mich, Luzie?«, will er wissen.
»Ja klar«, antworte ich. »Was gibt’s denn?«
»Du gehst also morgen schon wieder nach oben?«, fragt er.
»Ja, die Ferien sind vorbei, übermorgen fängt der Unterricht wieder an«, sage ich. »Das nervt ganz schön, dieses Lernen. Warst du auch mal auf der Schule?«
»Ja«, antwortet Steven und lacht. »Oben müssen alle in die Schule. Ich habe aber immer gerne gelernt. Ich habe sogar eine Klasse übersprungen, weil mir das alles zu langsam ging.«
»Gerne lernen?«, wiederhole ich mit angewiderter Miene. »Das wird mir mit Sicherheit nie passieren. Es sei denn, es ist etwas, was mich wirklich interessiert.«
»Ja, das war bei mir auch so. Ich fand schon immer Technik und Elektronik spannend. Darüber habe ich dann auch gern etwas gelernt. Das ist übrigens auch heute noch so. Leider gibt es hier unten aber kaum Möglichkeiten, etwas über die neuesten technischen Entwicklungen zu erfahren.«
»Ja, das stimmt leider«, sage ich. »Da wärst du oben beim CEO besser dran. Ich habe gehört, da ist immer alles auf dem neuesten Stand.«
»Ja, das ist so«, bestätigt Steven. »Ich war ja zuerst oben. Aber da war alles so perfekt. Es gab immer die neueste Hardware und jeden Tag automatisch neue Updates, ohne dass sich jemand darum kümmern musste. Alles, was ich zu tun hatte, war, blöd rumzusitzen und den ganzen Tag lang Äpfel zu essen.«
»Oh, Äpfel sind sooooo lecker!«, schwärme ich. »Das war das Erste, was ich oben gegessen habe. Die sind so schön süß und saftig.«
»Ja, Äpfel waren mal mein Lieblingsessen«, erklärt Steven. »Aber wenn du jeden Tag nichts anderes isst, hängt dir dein Lieblingsessen auch irgendwann zum Hals heraus. Außerdem war mir das viel zu langweilig da oben, also habe ich um meine Versetzung in die Hölle gebeten. Ich hatte gehört, dass hier bei euch nichts perfekt und die Technik sehr rückständig ist – genau der richtige Platz für einen Tüftler wie mich. Der CEO hat natürlich getobt und wollte mich nicht gehen lassen, aber ich habe ihn ausgetrickst.«
»Du hast den CEO ausgetrickst?«, frage ich staunend. »Wie hast du das denn geschafft?«
»So schwer war das gar nicht«, sagt Steven grinsend. »In seinen Geschäftsbedingungen steht, dass man als Premium-Mitglied jeden Wunsch erfüllt bekommt. Darum habe ich mir einfach gewünscht, als Dämon untersten Grades in der Hölle arbeiten zu dürfen. Der CEO war so sauer, dass es unten drei Tage schlechtes Wetter gab! Aber er musste mich gehen lassen. Jetzt kriege ich zwar keine Äpfel mehr, aber dafür macht mir die Arbeit hier sehr viel mehr Spaß. Abgesehen von deinem Vater natürlich, der es einem nicht gerade einfach macht, wenn es um technische Neuerungen geht. Gerade heute Morgen hat er den Prototyp meines Hell-Pads runtergeschluckt, nachdem ich ihm erklärt hatte, dass man nicht mit Kreide darauf schreiben kann.«
»Ja, das klingt nach Papa«, sage ich schmunzelnd. »Tut mir leid, dass er dir die Arbeit so schwer macht. Ich finde nämlich super, was du hier schon alles installiert und verändert hast. Und ich würde dir auch gern dabei helfen, aber ich bin ja jetzt erst mal nicht mehr da.«
»Genau deshalb kannst du mir sogar ganz besonders helfen«, stellt Steven fest. »Du könntest mir etwas mitbringen.«
»Kein Problem, gern«, sage ich. »Was soll es sein? Äpfel gehen leider nicht. Ich habe versucht, ein paar für mich mitzunehmen, aber in dem Moment, als ich die Hölle betreten habe, sind sie sofort verschimmelt und verfault.«
»Nein, es handelt sich nicht um Äpfel«, erwidert Steven. »Obwohl, in gewisser Weise schon. Hast du dir da oben schon ein Smartphone gekauft?«
»Nein«, antworte ich. »Die meisten haben zwar eins, aber ich habe mich noch nicht getraut. Die Dinger sehen viel komplizierter aus als unsere Schrei-Phones hier unten.«
»Ach, das ist eigentlich alles ganz einfach und erklärt sich von selbst«, sagt Steven. »Würdest du mir bitte eins kaufen, wenn ich dir Geld gebe? Und vielleicht auch gleich noch ein Tablet? Ich würde gerne wissen, was da mittlerweile an neuer Technik drinsteckt, aber hier unten komme ich einfach nicht dran. Fluxus will ich nicht fragen, der erzählt es gleich deinem Vater.«
»Keine Sorge, ich werde ihm natürlich nichts verraten«, verspreche ich.
»Das heißt, du machst es?«
»Klar, kein Problem.«
Steven zieht einen dicken Stapel Geldscheine aus seiner Hosentasche und drückt ihn mir in die Hand.
»Am besten kaufst du die mit dem Apfel drauf«, erklärt Steven. »Die sind zwar sehr teuer, aber technisch am besten. Du darfst die Sachen natürlich auch benutzen. Ich will sie dann nur einmal auseinandernehmen und wieder zusammenbauen. Das Geld müsste reichen. Einer aus der Abteilung Reiche Geizhälse hatte es in seine Unterhose eingenäht. Wenn noch etwas übrig bleibt, kannst du es gern behalten.«
»Alles klar, danke«, sage ich und stecke das Geld ein. »Und wo kriege ich so ein Apfel-Smartphone und ein Tablet?«
»Frag einfach einen deiner Mitschüler, die wissen das sicher.«
»Okay, mach ich«, erwidere ich. »Brauchst du sonst noch etwas?«
»Nein, das reicht vollkommen«, sagt Steven. »Du hilfst mir wirklich sehr damit, vielen Dank.«
»Nichts zu danken! Es dauert jetzt allerdings ziemlich lang, bis ich wiederkomme. Die nächsten Ferien sind erst in zwei Monaten.«
»Ja, ich weiß«, meint Steven. »Es eilt ja auch nicht. Pass nur bitte auf, dass dein Vater nichts mitkriegt.«
»Er wird auf jeden Fall mitkriegen, dass ich die Sachen kaufe«, sage ich. »Er hat einen Spion oben, der ihm alles berichtet, was ich mache. Aber ich tue einfach so, als würde ich das Zeug für mich haben wollen, das klappt schon.«
»Dein Vater hat einen Spion auf dich angesetzt?«, wundert sich Steven.
»Ja«, sage ich seufzend. »Du weißt nicht zufällig, wer es sein könnte?«
»Nein, tut mir leid«, antwortet Steven. »Als Dämon untersten Grades werde ich über solche Sachen nicht informiert. Aber ich halte mal die Ohren offen. Wenn ich etwas mitkriege, sage ich es dir natürlich.«