Mac-talla na Gàidhealtachd - Stella van Aken - E-Book

Mac-talla na Gàidhealtachd E-Book

Stella van Aken

0,0

Beschreibung

In den mystischen Highlands Schottlands deckt die Journalistin Nora die Machenschaften der Wächter der Tradition auf, einer geheimen Organisation, die die Welt in Angst stürzen will. Unterstützt von internationalen Politikern und historischen Geistern wie Oscar Wilde und Wilhelm Reich, kämpft sie für Wahrheit und Gerechtigkeit. Während die Enthüllungen die Gesellschaft erschüttern, formiert sich eine Bewegung gegen Nationalismus und Populismus. Doch die Gegner sind mächtig und skrupellos. Nora und ihre Verbündeten müssen alles riskieren, um die Freiheit zu bewahren und die dunklen Pläne der Wächter zu vereiteln. Ein fesselnder Roman über Mut, Zusammenhalt und den unermüdlichen Kampf für eine bessere Welt.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 305

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Es gibt nur eine Sünde, und das ist die Dummheit!

Oscar Wilde 1854 -1900

Sämtliche Handlungen, Charaktere und Dialoge in diesem Buch sind rein fiktiv. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen und deren Reaktionen sind rein zufällig.

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

1. August 1914

15. September 1914

25. Dezember 1914

10. März 1915

5. Juni 1915

20. Juli 1915

1. Januar 1916

15. März 1916

10. November 1916

11. November 1918

28. Juni 1919

15. Januar 1920

9. November 1923

30. Januar 1933

1. September 1939

3. September 1939

10. Mai 1940

22. Juni 1940

7. Dezember 1941

2. Februar 1943

6. Juni 1944

8. Mai 1945

Sieben

1. Januar 1946

15. März 1946

10. Oktober 1946

5. Mai 1947

20. Juni 1948

1. Januar 1949

23. Mai 1949

Katharina Beaujan: Eine Biografie; Frühe Jahre und Aufstieg

Leben in Bayern und die Manipulation der Familie

Intrigen und Machtspiele in der DDR

Rückkehr nach Westdeutschland und weitere Intrigen

Die Gründung der „Wächter der Tradition

Strategien und Einflussnahme in Ostdeutschland

Acht

Neun

Zehn

Elf

Autorin

Prolog

In den nächtlichen Stunden, in denen die Welt zur Ruhe kommt und die Gedanken frei fließen, offenbart sich die wahre Bedeutung von Freiheit, Solidarität und Toleranz. Diese drei Prinzipien sind unverhandelbar. Diese drei Prinzipien sind die fundamentalen Säulen einer gerechten und menschlichen Gesellschaftsordnung.

Der Begriff der Freiheit umfasst mehr als nur das Fehlen von Zwängen. Sie ist die Essenz des menschlichen Geistes und impliziert die Fähigkeit zu träumen, zu wählen und zu handeln. Freiheit bedeutet, den eigenen Lebensweg ohne Furcht vor Unterdrückung oder Verfolgung gestalten zu können. Sie ist das Licht, das den Weg durch die Dunkelheit erhellt, und die Kraft, die den Menschen emporhebt und ihm erlaubt, sein volles Potenzial zu entfalten.

Solidarität bedeutet, dass die Individuen einer Gemeinschaft miteinander verbunden sind. Sie ist das Versprechen, einander in guten wie in schlechten Zeiten beizustehen. Solidarität bedeutet, die Lasten anderer zu teilen und sich mit ihren Freuden und Sorgen zu identifizieren. Sie ist das zentrale Motiv, das das Handeln jedes Einzelnen antreibt, und manifestiert sich in der Bereitschaft, anderen beizustehen.

Toleranz bedeutet, die Vielfalt menschlicher Erfahrungen und Überzeugungen anzuerkennen und zu akzeptieren. Sie bedeutet, dass wir uns unserer Unterschiede bewusst sind und diese als Bereicherung ansehen. Gleichzeitig wissen wir, dass unsere Gemeinsamkeiten uns stärken. Toleranz bedeutet, einander mit Respekt und Offenheit zu begegnen, die Würde jedes Einzelnen zu achten und zu schützen – ohne Wenn und Aber. Sie ist das Fundament, auf dem eine friedliche und inklusive Gesellschaft aufgebaut werden kann.

In einer von Konflikten und Spaltungen geprägten Welt gewinnen diese Werte zunehmend an Bedeutung. Sie veranschaulichen, dass wir nicht allein sind, sondern unsere Freiheit durch die Freiheit der anderen gestärkt wird. Unsere Solidarität macht uns unbesiegbar und unsere Toleranz bildet die Grundlage für eine bessere Gesellschaft.

Eins

Nora stand an der Schwelle ihrer ehemaligen Wohnung, begleitet von ihrer Deutsch-Drahthaar-Hündin Rooney, einer treuen Gefährtin in einer Welt, die sich zu schnell verändert hatte. Die Räume, die einst voller Leben und Lachen waren, hallten nun leer. Ihre Eltern waren bereits verstorben, und die Freundschaften, die unter dem Druck ihrer journalistischen Karriere und der Enthüllungen, die sie gemacht hatte, zerbrochen waren, hatten keinen Bestand mehr. Sie hatte ihre Freunde verloren, weil die von ihr aufgedeckte Wahrheit für diese unbequem war. Ihre Artikel hatten nicht nur die dunklen Machenschaften der „Wächter der Tradition” enthüllt, sondern auch die Verbindungen aufgezeigt, die viele ihrer Freunde – ob wissentlich oder unwissentlich – zu dieser Organisation hatten. Einige hatten sich von ihr abgewandt, da sie ihre eigenen Geheimnisse bewahren wollten, andere, da sie den Druck und die Gefahr, die mit Noras Enthüllungen einhergingen, nicht ertragen konnten. Die Freundschaften, die unter gemeinsamen Interessen und fröhlichen Zusammenkünften entstanden waren, zerbrachen unter dem Gewicht der Wahrheit und der Paranoia, die sich wie ein Netz um sie alle legte.

Die Angst und Bedrohung, die Nora erlebte, waren allgegenwärtig. Sie spürte die Blicke, die ihr folgten, die Stille am Telefon, bevor der Anrufer auflegte, die Schatten, die sich in den Ecken ihres Blickfelds bewegten. Jedes Geräusch in der Nacht ließ sie aufschrecken, jedes Flackern im Augenwinkel war ein potenzieller Verfolger. Die Drohungen waren nie direkt, sondern esoterisch und fast poetisch in ihrer Boshaftigkeit, was Nora in einem Meer aus Unsicherheit und Furcht schwimmen ließ.

Das Aufgeben ihres Zuhauses war für Nora ein Akt der Selbsterhaltung, aber auch ein Akt des tiefen Verlustes. Sie musste nicht nur ihre physische Wohnung verlassen, sondern auch die Identität, die sie sich über Jahre aufgebaut hatte. Anna, die Tochter, die Freundin, die Journalistin – sie alle mussten hinter ihr zurückbleiben. Nora empfand dies als einen Akt des Verlustes, nicht des Wachstums, sondern des Überlebens. Die Trauer darüber war tief und bitter, vermengt mit der Angst vor dem Unbekannten und der Sorge um Rooney, die ihr einziger Trost in dieser Zeit der Veränderung war.

In Belgien hatte sie sich ein neues Auto gekauft, ein unauffälliges Fahrzeug, das sie als Symbol für einen unauffälligen Neuanfang betrachtete. Ihr altes Auto ließ sie als letztes Relikt ihres früheren Lebens vor dem Haus zurück.

In den frühen Morgenstunden, als die Welt noch im Schlummer lag, begann Nora ihre Reise, mit nichts als ein paar Taschen und Koffern voller Hoffnungen und einem Herzen voller Sorgen.

Die letzten Wochen waren ein Sturm der Emotionen gewesen. Ihr letzter Artikel hatte die Grundfesten der Gesellschaft erschüttert und die dunklen Machenschaften der „Wächter der Tradition” ans Licht gebracht. Diese Organisation, getarnt als Bewahrer kultureller Werte, hatte systematisch die öffentliche Meinung manipuliert, um ihre Agenda der Angst und des Nationalismus zu fördern. Dazu hatten sie Medienhäuser infiltriert, gefälschte Nachrichten verbreitet und soziale Netzwerke mit ihren Lügen gesättigt. Ihre Strategie bestand in der Verzerrung historischer Ereignisse und der Kreation nationalistischer Mythen, um eine Rückkehr zu einer idealisierten, autoritären Vergangenheit zu propagieren.

Die Drohungen, die folgten, waren subtil, aber von tödlicher Ernsthaftigkeit. Anonyme Anrufe mitten in der Nacht, ein zerkratztes Wort der Warnung auf ihrem Auto, ein Foto von ihr und ihrem Hund, das in ihrem Briefkasten hinterlassen wurde – all dies waren unmissverständliche Botschaften.

Nora war sich bewusst, dass sie gehen musste, bevor es zu spät war.

Sie empfand keine Angst um ihre eigene Person, jedoch war sie nicht willens, das Risiko für ihren Hund, ihr einziges verbliebenes Familienmitglied, zu akzeptieren. Dieser war für sie weit mehr als nur ein Haustier; er fungierte als Anker in stürmischen Zeiten, als treuer Freund, der ihr stets zur Seite stand.

Mit einem tiefen Atemzug schloss Nora die Tür hinter sich und ließ die Vergangenheit zurück. Sie war sich bewusst, dass sie nie wieder als Anna zurückkehren würde. Von nun an war sie Nora, eine Frau, die sich den Geistern ihrer Vergangenheit stellte und die Wahrheit enthüllte, unabhängig davon, welche Konsequenzen dies nach sich ziehen würde.

Kinloch Castle auf Rùm würde ihr neues Zuhause sein, ein Ort, an dem sie sich den Herausforderungen der Gegenwart stellen und die Geheimnisse der Vergangenheit aufdecken konnte. Die Insel repräsentierte ein Relikt aus einer Zeit, in der die Natur noch ungestört ihren Lauf nehmen konnte, ein Ort, an dem die Geschichte tief in das Gestein eingraviert war. Kinloch Castle, das sie in einer Nacht voller Verzweiflung und Hoffnung erworben hatte, stand als stummes Monument dieser Vergangenheit – ein verlassenes Juwel, das nun ihr gehörte.

Die Insel hatte einen Aufruf gestartet, neue Bewohner zu suchen, und das Angebot, das Schloss zu kaufen, war wie ein Ruf des Schicksals. Es war ein impulsiver Kauf, ein Funke von Mut in einer Nacht voller Zweifel. Kinloch Castle, mit seiner Geschichte, die bis ins späte 19. Jahrhundert zurückreichte, als es als private Residenz für Sir George Bullough erbaut wurde, bot die perfekte Zuflucht. Einmal ein luxuriöser Rückzugsort, hatte das Schloss im Laufe der Zeit gelitten, doch für Nora stellte es einen festen Punkt in einer sich schnell verändernden Welt dar.

Rùm selbst war eine Insel der Kontraste – rau und wild, doch zugleich von einer atemberaubenden Schönheit. Mit nur wenigen Einwohnern bot sie die Abgeschiedenheit, die Nora suchte. Die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs erfolgte mittels einer Fähre, sodass eine sorgfältige Planung des Einkaufs erforderlich war. Trotz der Abgeschiedenheit der Insel war diese nicht von der modernen Welt abgeschnitten, da ein Internetzugang vorhanden war, der für Noras Tätigkeit als Journalistin von essenzieller Bedeutung war.

Als sie sich mit der Geschichte von Kinloch Castle und Rùm auseinandersetzte, empfand Nora eine deutliche Entlastung. Sie war nun Teil einer reichen Historie, die von Entvölkerung und Wiederaufbau, von Adeligen und Jägern erzählte.

Das Schloss und die Insel waren Zeugen einer bewegten Vergangenheit, und nun war es an Nora, ihre eigenen Kapitel hinzuzufügen.

In Kinloch Castle, umgeben von den stummen Zeugen der Geschichte und der wilden Natur von Rùm, würde Nora ihr neues Zuhause finden.

Ihre Reise begann in den frühen Morgenstunden, als die ersten Sonnenstrahlen die nebligen Ufer des Rheins berührten. Nora setzte sich ans Steuer ihres unauffälligen Wagens, die Hündin Rooney neben sich, die treue Augen auf ihre Gefährtin richtete. „Wir werden es schaffen, Rooney“, flüsterte Nora, während sie den Zündschlüssel umdrehte. Die Straßen waren noch leer, die Welt erwachte gerade erst.

Mit jedem Kilometer, der hinter ihnen lag, wuchs die Anspannung in Noras Brust. Sie hatte ihre Identität geändert, ihre blonden Haare zu einem feurigen rot gefärbt, das so gar nicht zu Anna Beaujan passen wollte – aber Nora Sander war eine andere Frau, eine Frau auf der Flucht. Ihr alter Freund, der Anwalt, hatte ihr geholfen, neue Dokumente zu beschaffen, ein neues Leben zu beginnen.

„Danke, Markus“, murmelte sie, als sie an ihn dachte, an seine Hilfe und das Risiko, das er für sie eingegangen war.

Die Reise führte sie durch das malerische Moseltal, vorbei an Weinbergen und alten Burgen, die stumm Zeugnis ablegten von einer längst vergangenen Zeit. Die Übernachtungen erfolgten in kleinen Pensionen, die sich in den Schatten großer Bäume befanden. Die Besitzer dieser Pensionen waren Hundefreunde und stellten keine Fragen. „Gute Nacht, mein Mädchen“, sagte Nora zu Rooney, bevor sie das Licht löschte. Die Hündin schnüffelte einmal durch den Raum, bevor sie sich zufrieden neben ihr aufs Bett legte.

Während der Fahrt achtete Nora darauf, Autobahnen zu meiden und stattdessen Landstraßen, verschlafene Dörfer und Felder, die im Wind wogten, zu nutzen. Sie beobachtete jedes Fahrzeug, das ihr zu lange folgte, und jede Person, die ihr zu nahekam. „Wir sind fast da, nur noch ein bisschen“, sprach sie zu Rooney, als ob die Hündin ihre Worte verstehen könnte.

Als sie schließlich die Küste erreichten, präsentierte sich das Wetter als ein Tag voller grauer Wolken, die tief hingen und die Farben der Welt in ein mattes Grau tauchten. Die Fähre nach Rùm war ein kleines Schiff, das gegen die Wellen kämpfte, als würden sie es zurück ans Festland drängen.

„Siehst du das, Rooney, das ist unsere Zukunft“, sagte Nora, während sie auf das Meer hinausblickte. Rooney gab einen leisen Belllaut von sich, der andeuten sollte, dass sie bereit war, wohin die Reise auch führen möge.

Die Überfahrt war von rauen Seefahrtereignissen geprägt, die Wellen schlugen gegen den Bug des Schiffes, wodurch Salzwasser in die Luft gespritzt wurde. Nora hielt die Reling fest umklammert, spürte, wie das Schiff unter ihr arbeitete. Rooney stand fest an ihrer Seite, unerschütterlich und mutig. „Wir sind ein gutes Team“, sagte Nora, und ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, trotz der Unsicherheit, die in ihrem Herzen wohnte.

Als die Insel Rùm am Horizont auftauchte, fühlte Nora, wie ein Teil der Last von ihr abfiel. Sie war weit weg von allem, was sie kannte, aber sie war frei. Frei von den „Wächtern der Tradition“, frei von der Angst, die sie verfolgt hatte. „Das ist unser neues Zuhause, Rooney. Ein Schloss, nur für uns“, sagte sie, und für einen Moment glaubte sie, dass alles gut werden würde. Rooneys Schwanz wedelte, als wüsste sie, dass dies der Beginn von etwas Neuem war. Als Nora erstmals den festen Boden von Rùm unter ihren Füßen spürte, hatte sie das Gefühl, durch ein Portal in eine andere Welt zu treten. Die salzige Meeresluft füllte ihre Lungen, und sie konnte das Rauschen des Windes vernehmen, der durch die Heide und über die felsigen Klippen pfiff.

Es war ein Gefühl der Erleichterung, das sie durchströmte, wobei sich ein Hauch von Ehrfurcht vor der schroffen Schönheit, die sich vor ihr ausbreitete, mischte.

„Wir sind sicher, Rooney“, sagte sie leise zu ihrer Hündin, die fröhlich an ihrer Seite schnüffelte und wedelte. „Dies kann als Neuanfang betrachtet werden.” Es war ein Moment der Stille, in dem die Vergangenheit und die Gefahren, die sie hinter sich gelassen hatte, wie Schatten im Nebel verschwanden. Nora empfand sich in der Weite der Landschaft als klein, zugleich jedoch als unendlich frei.

Die Insel empfing sie mit offenen Armen, ein wildes Paradies, das bereit war, ihre Geheimnisse mit ihr zu teilen. Während sie dort stand und den Blick auf das in der Ferne aufragende Schloss richtete, war sich Nora gewiss, den richtigen Weg gewählt zu haben. Auf Rùm würde sie nicht nur Zuflucht finden, sondern auch die Kraft, sich den Herausforderungen zu stellen, die noch vor ihr lagen.

Als Nora die Fähre verließ und ihren ersten Schritt auf Rùm setzte, wurde sie von einigen neugierigen Blicken der Inselbewohner begrüßt, die sich an der Anlegestelle versammelt hatten. Es war ein offenes Geheimnis, dass jemand das alte Schloss erworben hatte. Die Ankunft der neuen Besitzerin war das Gesprächsthema des Tages. Die Bewohner von Rùm, ein robustes Volk, das an das harte Inselleben gewöhnt war, begegneten ihr mit einer Mischung aus Skepsis und herzlicher Neugier. „Willkommen auf Rùm, Miss Sander“, sagte eine ältere Dame mit einem warmen Lächeln, während sie Nora einen Korb mit frischen Eiern und selbstgebackenem Brot überreichte.

Im einzigen Laden der Insel, der zugleich ein gemütliches Café beherbergte, konnte Nora die Antworten auf ihre Fragen finden. Der Ladenbesitzer, ein freundlicher Mann mittleren Alters mit einem dichten Bart, erläuterte, dass die Kundinnen und Kunden ihre Lebensmittel entweder im Laden bestellen oder online kaufen und auf das nächste Schiff warten könnten, das die Bestellungen lieferte. „Wir planen hier alle voraus, Miss Sander.“ „Das Meer bestimmt unseren Zeitplan”, sagte er mit einem schiefen Grinsen.

Während sie durch die Regale schlenderte und die Notwendigkeiten für die ersten Tage zusammenstellte, bemerkte sie im Café ihren Bauleiter.

Einen kernigen Schotten mit rauen Händen und einem durchdringenden Blick. Als er sie erblickte, hellte sich sein Gesicht auf. „Nora, willkommen zu Hause“, rief er mit einer Stimme, die so robust war wie die Insel selbst. Im Anschluss daran erfolgte ein Austausch über die bisherigen Fortschritte. Demnach war bereits ein Flügel des Schlosses saniert worden, sodass ein Einzug erfolgen konnte. Die Möbel, eine geschmackvolle Mischung aus modern und antik, waren aufgestellt, die Küche glänzte neu, und das Schlafzimmer wartete darauf, dass sie sich nach den langen Reisetagen ausruhte. Des Weiteren waren das Badezimmer sowie das Gästezimmer fertiggestellt.

„Und der Buchladen, Nora“, fuhr er fort, seine Augen funkelten vor Stolz, „wird ein wahres Juwel. Wir haben einen großen viktorianischen Schreibtisch aufgestellt, umgeben von Regalen voller neuer und antiquarischer Bücher. Es wird ein Ort des Lernens und der Entdeckung sein.“ Nora lächelte bei dem Gedanken, ihre geliebten Bücher, die sie zurücklassen musste, durch neue Schätze zu ersetzen.

Der Bauleiter berichtete ihr zudem von den Plänen für ein kleines Hostel, welches sie für Rucksacktouristen und Literaturveranstaltungen renovieren würden. „Es wird ein Ort für Geschichten und Träume sein, Nora. Ein Ort, an dem sich Reisende und Denker treffen können.“ Als sie das Café verließen, um zum Schloss zu fahren, spürte Nora die Blicke der Inselbewohner auf sich.

Ihre Gesten waren offen, ihre Mimik freundlich, und trotz des kühlen Wetters, das für die Insel typisch war, fühlte sie eine Wärme in der Gemeinschaft. Der Himmel war bedeckt, und ein leichter Nieselregen begann zu fallen, was der Atmosphäre jedoch keinen Abbruch tat. Rooney, die neben ihr trottete, schien ebenfalls die neue Umgebung zu genießen.

„Kommen Sie, Nora.” „Lassen Sie uns Ihr neues Zuhause betrachten“, sagte der Bauleiter, während sie sich auf den Weg machten. Nora nickte, ihr Herz voller Hoffnung und ihre Augen voller Entschlossenheit. Dies war der Beginn eines neuen Kapitels, und sie war bereit, es zu schreiben.

Zwei

Vor ihnen erhob sich Kinloch Castle, ein majestätisches Gebäude, das in den sanften Farben der Morgendämmerung erstrahlte. Die steinernen Mauern der Burg, die in einem warmen Sandton gehalten waren, schimmerten fast golden im Licht der aufgehenden Sonne. Stolz ragten die gotischen Türme und Zinnen in den Himmel, während Efeu an den alten Mauern emporkletterte und dem Anwesen einen Hauch von Zeitlosigkeit verlieh.

Nora stand da und ließ ihren Blick über die weitläufigen Ländereien schweifen, die das Schloss umgaben. Weite, von kleinen Pfaden durchzogene Grünflächen luden zu Spaziergängen ein, und der nahe Wald versprach Ruhe und Abenteuer zugleich. Der Duft der feuchten Erde und das ferne Rauschen des Meeres vermischten sich zu einer Melodie, die nur dieser Ort hervorbringen konnte.

Als Nora das Schloss betrachtete, kribbelte es ihr in der Brust. Das war jetzt ihr Zuhause. Ein Ort, der so viele Geschichten in seinen Mauern verbarg und nun bereit war, ihre eigenen zu schreiben. Sie konnte kaum glauben, dass dieses prächtige Anwesen, das einst nur ein Bild in einem alten Buch gewesen war, nun ihr gehörte.

Eine unerwartete Erbschaft hatte ihr die Mittel gegeben, ihren Traum zu verwirklichen - ein Geschenk des Schicksals, das ihr Leben für immer verändern sollte.

Rooney lief bereits schnüffelnd über das Gelände, erkundete jeden Winkel und schien sich über jede neue Entdeckung zu freuen. Der Bauleiter beobachtete die Hündin mit einem Lächeln. „Sie scheint sich schon eingelebt zu haben“, bemerkte er.

„Ja, das werden wir auch“, erwiderte Nora, während sie die Stufen zum Eingang des Schlosses hinaufstieg. „Sie haben trotz der strengen Denkmalschutzauflagen hervorragende Arbeit geleistet. Der kleine Schlossflügel und die Buchhandlung sind wunderschön geworden.“

Der Bauleiter nickte zufrieden. „Es war uns eine Ehre, Frau Sander. Und es gibt noch so viel zu tun. Aber ich verspreche Ihnen, dass jedes Detail Ihren Vorstellungen entsprechen wird.“

Mit jedem Schritt spürte sie, wie die Last der Angst und Anspannung langsam von ihren Schultern wich und einer tiefen Entschlossenheit Platz machte. Sie hatte sich vorgenommen, das Schloss in einen Ort zu verwandeln, an dem Schriftsteller und Dichter in Abgeschiedenheit kreativ sein können, an dem Literaturfestivals und Workshops die Räume mit Leben füllen.

Der Bauleiter, der neben ihr stand, nickte anerkennend. „Die Arbeiten im linken Flügel und in der Buchhandlung sind trotz der strengen Auflagen des Denkmalschutzes gut vorangekommen. Es ist beeindruckend, was Sie hier schaffen, Frau Sander“.

Als sie das Schloss betraten, umfing sie die Stille der renovierten Eingangshalle. Der linke Flügel, der bereits in neuem Glanz erstrahlte, war erst der Anfang dessen, was Nora sich vorgenommen hatte. Schritt für Schritt würde sie das gesamte Schloss renovieren und zu einem lebendigen Denkmal der Kunst machen.

Kinloch Castle sollte nicht nur ihr neues Zuhause werden, sondern auch ein Zufluchtsort für Menschen, die wie sie an die Kraft der Worte glaubten.

Nora folgte Angus, ihrem Bauleiter, in die frisch renovierte Buchhandlung von Kinloch Castle. Der Raum war eine Hommage an das schottische Erbe, modern interpretiert. Die Wände waren in einem tiefen, beruhigenden Blau gehalten, das die robusten, dunklen Holzregale und -schränke betonte. In der Mitte des Raumes thronte ein riesiger viktorianischer Schreibtisch, dessen Oberfläche im Licht der von der Decke hängenden schmiedeeisernen Kronleuchter glänzte.

„Wir haben ihn in einem der noch nicht restaurierten Zimmer gefunden“, erklärte Angus mit einem Anflug von Stolz in der Stimme.

„Und diese kleine Kiste mit alten Büchern.“ Er deutete auf eine verzierte Holzkiste, die sorgsam neben dem Schreibtisch stand.

Hinter dem Schreibtisch stand ein Chesterfield-Stuhl, flankiert von einem kleineren Chesterfield-Sofa, beide mit feinem dunkelgrünem Leder bezogen, das perfekt zu den goldenen Akzenten des Raumes passte. Die Kissen auf dem Sofa hatten ein lebhaftes Tartanmuster und die Fenster waren mit schweren Vorhängen in passendem Grün verziert.

Angus führte Nora weiter in ihre geräumige Wohnung. Die Küche war im rustikalen Stil gehalten, mit einem Aga-Herd, der behagliche Wärme ausstrahlte. „Ein perfekter Ort für Ihre kulinarischen Experimente“, scherzte er.

Das Schlafzimmer war ein Traum in Pastelltönen mit einem viktorianischen Himmelbett, das so einladend aussah, dass Rooney nicht widerstehen konnte. „Da haben wir beide genug Platz zum Kuscheln“, sagte Nora lächelnd zu ihrem Hund. Rooney schien jedes Wort zu verstehen, sprang auf das Bett und rollte sich in der Mitte zusammen, nachdem er es gründlich inspiziert hatte.

Das Wohn- und Arbeitszimmer war eine harmonische Mischung aus Alt und Neu, in freundlichen Farben gehalten. Bilder der schottischen Highlands schmückten die Wände, großzügige Sofas warteten auf Besucher. Sogar das Badezimmer erstrahlte in viktorianischem Glanz, mit einer freistehenden Badewanne und Armaturen, die an vergangene Zeiten erinnerten. Nora fühlte sich aufgewühlt und aufgeregt zugleich. Der Kauf von Kinloch Castle hatte ihr Leben völlig verändert. Sie hatte sich einen Ort geschaffen, der nicht nur ein Zuhause war, sondern auch ein Zufluchtsort für Kreativität und Träume.

Angus zeigte ihr schließlich einen kleinen Schreibtisch mit Laptop und Telefon. „Alles ist angeschlossen und das Internet funktioniert“, versicherte er ihr. Dann verabschiedete er sich mit dem Versprechen, dass die Arbeiten am Schloss in ein oder zwei Wochen fortgesetzt würden. Nora stand allein in der Stille ihres neuen Zuhauses, umgeben von der Schönheit, die sie selbst geschaffen hatte. Sie fühlte, wie ein neues Kapitel in ihrem Leben begann, und ihr Herz war voller Hoffnung und Entschlossenheit, dieses Schloss zu einem lebendigen Denkmal der Kunst und Literatur zu machen.

Sie hatte sich eine neue Identität geschaffen, weit entfernt von der Gefahr, die sie verfolgt hatte. Als investigative Journalistin hatte sie die dunklen Machenschaften nationalistischer Gruppen aufgedeckt, deren Schatten sich wie eine drohende Wolke über Europa legten.

Ihre Enthüllungen hatten sie ins Visier dieser Wächter der Tradition gebracht.

Nun stand sie hier, in Kinloch Castle, einem Ort, der so konträr zu ihrer früheren Welt war. In den Hallen, die bald von Literatur und Kunst widerhallen würden, fand sie nicht nur Zuflucht, sondern auch eine Bestimmung. Die Ironie ihres Schicksals war ihr nicht entgangen – aus der Asche der Bedrohung war sie zu einer Schlossbesitzerin aufgestiegen, zu einer Hüterin der Kultur.

Die Emotionen, die sie durchströmten, waren ein Wirbelwind aus Angst, Erleichterung und Aufregung. Sie fühlte sich wie eine Figur in einem Roman, deren Leben durch die Hand des Autors eine unerwartete Wendung genommen hatte. Doch dies war kein fiktives Dasein; die Gefahr, die sie gejagt hatte, war real, und die Freiheit, die sie jetzt genoss, war hart erkämpft.

Nora war sich der Tatsache bewusst, dass die vermeintliche Ruhe trügerisch sein konnte. Die Wächter der Tradition waren überall präsent und stets auf der Suche nach denen, die ihre Pläne durchkreuzten.

Dennoch fühlte sie sich in Kinloch Castle sicher, gestärkt durch die Mauern, die nun ihr gehörten, sowie durch die Vision, die sie für diesen Ort hegte.

Sie würde dieses Schloss zu einem Leuchtturm der Hoffnung machen, zu einem Ort, an dem die Freiheit des Wortes und der Gedanke triumphieren würden. In der Abgeschiedenheit der schottischen Highlands würde sie Autoren und Denker willkommen heißen, die in der Stille und Inspiration dieser alten Mauern ihre Werke schaffen würden.

Nora atmete tief ein, die frische Luft vermengte sich mit dem Duft alter Bücher und dem Holz des viktorianischen Schreibtisches. Sie war bereit, sich dieser neuen Welt zu stellen, bereit, ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen und ein neues Kapitel zu beginnen. Ein Kapitel, das geprägt war von Hoffnung, Entschlossenheit und der unerschütterlichen Überzeugung, dass die Macht der Worte stärker war als die Dunkelheit, die sie verfolgte.

Nora befand sich im Schatten der hohen Regale des Buchladens, der sich nahtlos in die Struktur von Kinloch Castle einfügte. Die Koffer und Taschen, die noch ungeöffnet im Schlafzimmer lagen, waren eine stille Erinnerung an die Reise, die hinter ihr lag.

„Komm, Rooney, wir haben viel zu tun“, sagte sie, ihre Stimme fest und entschlossen, während sie die Ärmel hochkrempelte.

Die Schränke füllten sich schnell mit Noras Habseligkeiten, jedes Stück sorgfältig ausgewählt, um in die neue Welt zu passen, die sie sich aufbaute. „Das ist jetzt unser Reich“, sagte sie zu Rooney, die mit einem zufriedenen Grunzen antwortete, als sie sich neben ihr niederließ.

In der Küche herrschte eine ruhige Betriebsamkeit, als Nora einen rustikalen Salat zubereitete, begleitet von einem perfekt gebratenen Steak und knusprigem Landbrot. Rooney, die geduldig auf ihr Futter wartete, beobachtete jede ihrer Bewegungen, als ob sie die Bedeutung dieses einfachen Aktes der Selbstversorgung verstand.

Als sie sich in den Buchladen zurückzogen, wurde die Situation als ein Eintritt in eine andere Welt wahrgenommen. Nora nahm an dem viktorianischen Schreibtisch Platz, der einst einem schottischen Lord gehört haben mochte, und aß in aller Ruhe, während Rooney neben ihr lag, das Schweineohr fest zwischen ihren Pfoten.

Nachdem sie gegessen hatte, wandte sich Nora der kleinen Holzkiste zu, die auf dem Schreibtisch stand.

Sie öffnete die Kiste vorsichtig und enthüllte eine Sammlung von Büchern, die so alt waren, dass die Luft um sie herum zu knistern schien.

„Diese Bücher“, sagte sie leise, „sind Zeugen der Zeit. Sie sind mehr als nur bedrucktes Papier; sie sind das Echo von Leben, die längst vergangen sind.“

Die Seiten wiesen Abnutzungen auf und waren gelblich verfärbt. „Rooney, möglicherweise handelt es sich um einen Schatz“, äußerte sie, während sie die Seiten umblätterte und eine verblichene Handschrift entdeckte. „Es könnte sich um ein unveröffentlichtes Manuskript oder den Briefwechsel eines verlorenen Dichters handeln.“

In der Dämmerung, welche das Anwesen Kinloch Castle in ein sanftes Licht tauchte, saß Nora zurückgelehnt und beobachtete den feinen Staub, der in den Sonnenstrahlen tanzte. Sie fragte sich, wer sie war – war sie immer noch dieselbe Person? Mit vierzig Jahren stand sie am Anfang eines neuen Lebensabschnitts, hatte eine neue Identität angenommen. Sie war nicht mehr Anna, die investigative Journalistin, sondern eine Buchhändlerin mit einem Schloss, begleitet nur von ihrer treuen Hündin Rooney.

Rooney spielte eine entscheidende Rolle in Noras neuem Leben. Als treue Begleiterin stand die Hündin symbolisch für die Kontinuität zwischen ihrer Vergangenheit und ihrer Zukunft.

Rooney repräsentiert das Vertraute in einem ansonsten neuen und unbekannten Umfeld.

Sie fungiert als Anker der Normalität und emotionaler Unterstützung, wodurch ihr ein Einleben in Kinloch Castle sowie die Verfolgung ihrer neuen Ziele ermöglicht wird.

Kann man eine neue Identität annehmen, oder trägt man nicht doch sein altes Ich immer mit sich? Vor sich selbst konnte sie ihr früheres Leben nicht verleugnen; sie trug es in sich – all das Schöne sowie das Schreckliche. Trotz allem blieb sie ein Freigeist, auch wenn die Angst der letzten Monate sie eingeengt hatte. Sie war nicht mehr frei, und sie würde nicht zulassen, dass diese Angst sie auffraß.

Wie war es möglich, dass im 21. Jahrhundert Menschen immer noch Seelenfängern hinterherliefen, in dem Glauben, nur die Vergangenheit sei gut und herrlich? Wie konnte es sein, dass es immer noch Ressentiments gegenüber Menschen gab, die vor Krieg, Verfolgung und Hunger flüchteten? Hatte keine intellektuelle Entwicklung stattgefunden, in einer Zeit, in der man sich besser bilden konnte als je zuvor? Gab es kein eigenverantwortliches Handeln und Denken mehr? Brauchte die Welt tatsächlich die ewig Gestrigen?

Nora nahm einen Schluck Portwein und überlegte, wie sie zukünftig damit umgehen sollte.

Wie konnte sie in der Abgeschiedenheit der schottischen Insel neu anfangen, mit all dem Wissen, das sie bei sich trug? Konnte sie unentdeckt bleiben?

Diese Fragen waren schwer zu beantworten. Doch in der Stille ihres neuen Zuhauses fand Nora einen Funken Hoffnung. Die Abgeschiedenheit gab ihr die Freiheit, sich selbst neu zu erfinden. Umgeben von Büchern und der Weite der Highlands würde sie einen Weg finden, ihre Vergangenheit zu akzeptieren und gleichzeitig ein neues Kapitel aufzuschlagen.

Nora seufzte leise, während sie Rooney den Kopf streichelte. Heute würde sie keine Antworten finden, das war ihr klar. Sie brachte das Geschirr in die Küche, räumte es in die Spülmaschine und beschloss dann, den viktorianischen Schreibtisch genauer zu betrachten. Mit einem Glas Portwein in der einen und ihren Zigaretten in der anderen Hand folgte ihr Rooney treu, als sie sich erneut an den Schreibtisch setzte.

Sie betrachtete ihn gründlich, öffnete Türen und Schubladen, als wäre es das erste Mal. Der große, alte Schreibtisch, dessen Herkunft ihr noch unbekannt war, erzählte mit dem abgenutzten Holz eine lange und geheimnisvolle Geschichte. Mit einem Gefühl der Ehrfurcht und Neugier entdeckte sie eine feine Linie im Holz, die sich von den anderen abhob. Ein leises Klicken, und ein verborgenes Fach öffnete sich, als hätte es nur darauf gewartet, von ihr entdeckt zu werden. Im Inneren fand sie ein vergilbtes Papier, das sorgfältig gefaltet war. Ihre Hände zitterten leicht, als sie das Papier entfaltete und die Worte las, die in einer eleganten Handschrift darauf geschrieben standen:

An den unbekannten Leser,

In den stillen Stunden meiner Verbannung denke ich oft über die Ironie des Schicksals nach. Wie flüchtig ist doch der Ruhm, und wie beständig bleibt die Kunst. Sie, die diesen Brief in Händen halten, mögen sich fragen, was das Leben eines Mannes wie mir zu lehren vermag.

Ich sage Ihnen, es lehrt die Freiheit des Geistes und die Unabhängigkeit des Denkens. Es lehrt uns, dass Schönheit in allem existiert, was wir mit Leidenschaft tun. Es lehrt uns, dass auch im tiefsten Leid ein Funken der Hoffnung glimmt, der uns vorantreibt.

Meine Worte sind mein Vermächtnis. Ich hinterlasse sie hier in der Hoffnung, dass sie jemanden inspirieren mögen, der die Welt ebenso brennend liebt, wie ich es tat. Meine Geschichte soll Ihnen als Spiegel dienen, um die eigene Wahrheit zu erkennen und zu leben. Leben Sie, lieben Sie und schreiben Sie mit der Feder der Freiheit, die keine Ketten kennt.

In tiefer Verbundenheit,

Oscar Wilde

Nora saß regungslos da, die Hand noch immer auf dem vergilbten Papier. Die Worte von Oscar Wilde, der von 1854 bis 1900 lebte, hallten in ihrem Kopf wider. Es bestand die Möglichkeit, dass dieser Schreibtisch, der nun vor ihr stand, einst in Wildes Londoner Wohnung gestanden hatte, wo er seine berühmtesten Werke verfasste. Oder befand sich der Schreibtisch möglicherweise gar in einem Pariser Exil, wo Wilde seine letzten Lebensjahre in Armut und Vergessenheit verbrachte?

Die Fragen, die sich ihr in diesem Moment stellten, waren vielfältig. Oscar Wilde, der für seine scharfsinnigen Beobachtungen und seinen beißenden Witz bekannt war, hatte die viktorianische Gesellschaft herausgefordert und war dafür schwer bestraft worden. Sein Leben war ein Kaleidoskop aus Triumph und Tragödie, aus künstlerischer Brillanz und gesellschaftlichem Fall. Wie war dieser Schreibtisch, ein stummer Zeuge seiner größten und dunkelsten Momente, in Kinloch Castle gelandet?

Nora reflektierte über die Ironie, dass Wilde, der einst wegen seiner Homosexualität verurteilt und geächtet wurde, nun in einem Schloss verehrt wurde, das zu einem Symbol für Freiheit und künstlerische Ausdruckskraft werden sollte.

Sie überlegte, ob die Geister der Vergangenheit jemals wirklich ruhen oder ob sie durch Objekte wie diesen Schreibtisch weiterleben, bereit, neue Generationen zu inspirieren.

Mit einem tiefen Atemzug faltete Nora das Papier zusammen und legte es zurück in das verborgene Fach. Sie war sich bewusst, dass sie keine endgültigen Antworten auf ihre Fragen finden würde, was jedoch in Ordnung war. Die Geheimnisse und die Geschichte, die dieser Schreibtisch barg, waren Teil des Charmes von Kinloch Castle. Es handelte sich um einen Ort voller Rätsel und Inspiration, an dem die Vergangenheit und die Zukunft auf mysteriöse Weise miteinander verwoben waren. Ein Ort, an dem Nora, genau wie Wilde, ihre eigene Wahrheit finden und leben konnte. In der Dämmerung des Buchladens, als die Schatten länger wurden und die Stille von Kinloch Castle nahezu greifbar war, verspürte Nora eine ihr unerklärliche Kälte, die sich durch den Raum zu ziehen schien. Sie blickte hinaus in den Garten, wo der Nebel wie ein lebendiges Wesen zwischen den Bäumen tanzte. Plötzlich, ohne Vorwarnung, ertönte eine Stimme, die zugleich vertraut und fremd war, durch den Raum.

„Die Sterne, Nora …“ „Sie beobachten uns, so wie sie es immer getan haben“, sagte die Stimme, und Nora erstarrte. Sie drehte sich langsam um und ihr Atem stockte, als sie die Gestalt von Oscar Wilde sah, der im Zwielicht seines Geisterdaseins vor ihr stand.

Sein Erscheinungsbild war durchscheinend, jedoch funkelten seine Augen mit einer Intensität, die das Herz schneller schlagen ließ.

Rooney, die bis dato ruhig gelegen hatte, nahm die Veränderung in der Luft wahr und gab einen leisen Knurrlaut von sich, wodurch ihre Sinne durch die Anwesenheit des Unbekannten alarmiert wurden. Wilde lächelte und sein Blick fiel auf die Hündin. „Keine Angst, Rooney. Ich möchte klarstellen, dass ich kein Unheil bringe, sondern lediglich ein Reisender der literarischen Welt bin.“

Nora fasste sich ein Herz und sprach: „Mr. Wilde, wie können Sie hier sein? Sie sind doch … tot?“

„Tot? Oh, das bin ich in der Tat. Aber der Tod ist für einen wie mich nur ein neues Kapitel“, erwiderte Wilde mit einem schelmischen Grinsen. „Und ich sehe, dass auch du vor den Schatten der Vergangenheit Zuflucht gesucht hast, genau wie ich es einst tat.“

Nora nickte, die eigene Flucht vor den Wächtern der Tradition war ihr noch allzu präsent. „Ja, ich habe mich versteckt, um frei zu sein, so wie Sie es in Ihren Werken beschrieben haben.“

Wilde trat näher und die Luft um ihn herum schien zu flimmern. „Freiheit, Nora, ist ein kostbares Gut.

Und manchmal finden wir sie an den ungewöhnlichsten Orten, wie in einem Schloss voller Bücher und Geheimnisse.“

Rooney, nun beruhigt durch die sanfte Stimme des Geistes, legte sich wieder hin, jedoch mit wachsamem Blick. Wilde wandte sich wieder an Nora. „Lassen Sie uns gemeinsam die Dunkelheit erforschen, die uns umgibt, und die Sterne betrachten, die über uns leuchten. Denn in der Dunkelheit finden wir oft das hellste Licht.“

Nora spürte, wie ihre Angst nachließ und einer seltsamen Faszination wich. Der Dichter Wilde, der in seinen Werken wiederholt die Grenzen überschritten hatte, war nun hier, um sie auf ihrer Reise zu begleiten. Gemeinsam würden sie die Geheimnisse von Kinloch Castle lüften und möglicherweise auch die Geheimnisse ihrer eigenen Seelen ergründen.

Nora verharrte für einen kurzen Moment in regungsloser Haltung, während ihre Gedanken um den geheimnisvollen Brief kreisten, der nun wieder im verborgenen Fach des Schreibtisches ruhte. Wilde, der weiterhin auf dem Chesterfield-Sofa saß, beobachtete sie mit einem amüsierten Funkeln in den Augen.

„Es besteht keine Notwendigkeit, ihn zu entnehmen“, sagte er mit sanfter Stimme. „Die Worte, die ich niedergeschrieben habe, sind bereits in Ihnen vorhanden. Sie haben den Text zur Kenntnis genommen und eine Reaktion in Ihnen ausgelöst.

Die wahre Magie der Literatur manifestiert sich in der Fähigkeit, auch nach dem Lesen des letzten Satzes im Buch präsent zu bleiben.“

Nora nickte langsam, die Wahrheit seiner Worte erkennend. Sie empfand eine Verbindung zu Wilde selbst, die über das Physische hinausging und eine Brücke zwischen den Zeiten zu bilden schien.

„Es ist bemerkenswert“, fuhr sie nachdenklich fort, „dass ich mich, durch das Auffinden Ihres Briefes und das hier geführte Gespräch, … Als ob ich Teil eines größeren Ganzen geworden wäre. Diese Erkenntnis betrifft nicht nur mein Leben in Kinloch Castle, sondern auch die Welt außerhalb dieser Mauern.“

Wilde bekräftigte diese Auffassung. „Die Erkenntnis, dass unsere Worte über die Grenzen von Zeit und Raum hinauswirken, ist für uns Schriftsteller von zentraler Bedeutung. Und nun, Nora, sind Sie die Hüterin dieser Worte, dieses Erbes.“

Rooney, die während des gesamten Austauschs eine zurückhaltende Haltung bewahrt hatte, hob den Kopf und blickte zu Nora auf, als wolle sie ihre Zustimmung geben. Wilde erhob sich, seine Gestalt schien nun fester und realer als zuvor.

„Was die Bauarbeiter angeht“, fuhr er fort, „machen Sie sich keine Sorgen. Ich werde mich nicht in die Welt der Lebenden einmischen.

Aber ich werde hier sein, in den Schatten, in den Büchern, in jedem Wort, das Sie schreiben.“

Nora lächelte, beruhigt durch seine Worte. Sie war sich bewusst, dass sie eine seltene und kostbare Begegnung erlebt hatte, eine, die sie inspirieren und leiten würde, während sie Kinloch Castle zu einem Zentrum der Kultur und des freien Denkens machte. Mit einem tiefen Atemzug blickte sie wieder in den Garten hinaus, wo die Sterne begannen, am Himmel aufzuleuchten, und fühlte sich bereit, das nächste Kapitel ihrer eigenen Geschichte zu beginnen. Nora schritt entschlossen durch die nächtliche Stille, die Kinloch Castle umfing. Jeder Schritt auf dem feuchten Gras war ein kraftvolles Echo in der Dunkelheit, ein selbstbewusstes Gespräch zwischen ihr und der Erde. Der Mond, ein blasser Wächter am Himmel, warf sein silbernes Licht auf die Türme des Schlosses, und die Sterne flüsterten Geheimnisse aus der Tiefe des Universums. Nora fühlte sich, als würde sie durch die Seiten eines alten Romans wandeln, jeder Schritt eine Zeile, jedes Rascheln der Blätter ein geflüstertes Wort.