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Von Cornelius Nepos, dem Biographen, dem Catull seine Gedichtsammlung widmete, ist leider nur ein kleiner Ausschnitt seines Werkes erhalten geblieben. Die Lebensbeschreibung griechischer Feldherren, des Karthagers Hannibal und der Römer Cato und Atticus und vor allem der angebliche Brief der Mutter der Gracchen wollen dabei weniger eine detaillierte Sammlung von Einzelheiten der jeweiligen Viten darbieten, als die Leistungen und das Versagen der vorgestellten Helden in ihrer jeweiligen historischen Situation beleuchten und bewerten. Der Autor, der in seiner Zeit der römischen Literatur neue Wege öffnete, wurde bis zum 19. Jahrhundert hoch geschätzt, dann verworfen und erst Ende des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt. Die erhaltenen Biographien von dem Zeitgenossen Caesars und Ciceros sind eine Quelle für die römische Geschichtsauffassung des 1. Jahrhunderts v. Chr.
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Seitenzahl: 339
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DR. LENELOTTE MÖLLERstudierte Geschichte, Latein und evangelische Theologie in Saarbrücken, Basel und Mainz; die Promotion in Geschichte folgte im Jahr 2000; sie ist Studiendirektorin am Gymnasium Schifferstadt im Rhein-Pfalz-Kreis.
Im marixverlag sind von ihr u.a. folgende Übersetzungen erschienen: Die Enzyklopädie des Isidor von Sevilla, die Cicero-Briefe, Titus Livius’ Römische Geschichte, Senecas Vom glücklichen Leben, Plutarchs Von Liebe, Freundschaft und Feindschaft, Polybios’ Der Aufstieg Roms, Boëthius’ Trost der Philosophie und Lukians Vom beinahe vollkommenen Menschen. Sie ist außerdem Mitherausgeberin der 2-bändigen Plinius-Ausgabe.
CORNELIUS NEPOS, der in seiner Zeit der römischen Literatur neue Wege öffnete, wurde bis zum 19. Jahrhunderts hoch geschätzt, dann verworfen und erst Ende des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt.
Die erhaltenen Biographien des Zeitgenossen Caesars und Ciceros sind nicht so sehr eine Quelle für griechische oder karthagische Geschichte, sondern für die römische Geschichtsauffassung des 1. Jahrhunderts v. Chr.
Zum Buch
„Sui cuique mores fingunt fortunam. – Der eigene Charakter formt einem jeden das Schicksal.“
Cornelius Nepos
Von Cornelius Nepos, jenem Biographen, dem Catull seine Gedichtsammlung widmete, ist leider nur ein kleiner Ausschnitt seines Werkes erhalten geblieben. Die Lebensbeschreibungen griechischer Feldherren, des Karthagers Hannibal, der Römer Cato und Atticus und vor allem der angebliche Brief der Mutter der Gracchen wollen dabei weniger eine detaillierte Sammlung von Einzelheiten der jeweiligen Viten darbieten, als die Leistungen und das Versagen der vorgestellten Helden in ihrer jeweiligen historischen Situation beleuchten und bewerten.
Cornelius Nepos
Macht und Moral
Cornelius Nepos
Übersetzt, eingeleitet und erläutertvon Lenelotte Möller
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Alle Rechte vorbehalten
Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2013
Der Text basiert auf der Ausgabe marixverlag, Wiesbaden 2013
Lektorat: Dietmar Urmes, Bottrop
Covergestaltung: Nicole Ehlers, marixverlag GmbH
Bildnachweis: Via Appia Antica von Rom nach Brindisi, Italien
eBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main
ISBN: 978-3-8438-0328-1
www.marixverlag.de
EINLEITUNG
Cornelius Nepos – Leben und Werk
C. Valerius Catullus – Widmungsgedicht an Cornelius Nepos
VON HERAUSRAGENDEN FÜHRERN
Vorrede
Einleitung und Übersetzung der Lebensbeschreibungen
1. Miltiades
2. Themistokles
3. Aristeides
4. Pausanias
5. Kimon [d. Jüngere]
6. Lysander
7. Alkibiades
8. Thrasybulos
9. Konon
10. Dion
11. Iphikrates
12. Chabrias
13. Timotheos
14. Datames
15. Epameinondas
16. Pelopidas
17. Agesilaos
18. Eumenes
19. Phokion
20. Timoleon
21. Von den Königen
22. Hamilkar
23. Hannibal
VON DEN LATEINISCHEN HISTORIOGRAPHEN
1. Cato (der Ältere)
2. Atticus
BRIEF CORNELIAS AN IHREN SOHN C. GRACCHUS
ZEITTAFEL ZUR GRIECHISCHEN GESCHICHTE VON 500 BIS 300 V.CHR
VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN DER ANTIKEN SCHRIFTEN
Cornelius Nepos wurde zwischen 110 und 100 v.Chr. geboren und gehörte damit zu den Altersgenossen Caesars und Ciceros, die er beide überlebte. Er stammte aus der Provincia Gallia Transpadana nördlich des Po, möglicherweise aus Pavia oder Mediolanum, und war daher ein Landsmann des Dichters Catull. Diesem und einer Mitteilung des jüngeren Plinius zufolge gehörte Nepos’ Familie zum Ritterstand. Nepos schätzte den jungen Catull sehr (Nep. Att. 12,4), der ihm im Gegenzug in den 50er-Jahren sein Gedichtbändchen widmete.
Spätestens in den 60er-Jahren des 1. Jahrhunderts v.Chr. ließ sich Cornelius Nepos in Rom nieder, allerdings nicht mit dem Ziel der politischen Betätigung; er übte kein senatorisches Amt aus. Wie Plinius d. Jüngere (Plin. Ep. 5,3,1) berichtet, verfasste Nepos am Beginn seiner schriftstellerischen Tätigkeit erotische Gedichte. Diese sind allerdings nicht erhalten. Aus dem Widmungsgedicht Catulls an Nepos geht hervor, dass er als erster Römer eine Chronik der Weltgeschichte in drei Büchern geschrieben hat, die aber leider ebenfalls nicht auf uns gekommen ist. Sein Vorbild dabei war Apollodor von Athen (Sol. 1,27), den er bis auf die eigene Zeit fortsetzte. Ihm folgte er auch in der ausführlichen Betrachtung der Literaturgeschichte. Nepos’ Weltgeschichte, die naturgemäß schon vor der Gründung Roms, nämlich in mythischer Zeit einsetzte, wurde später von vielen Autoren benutzt, so etwa von Cicero, Gellius, Solinus oder Plinius d. Ä., und selbst sein Stil, dem Caesars relativ ähnlich, wirkte auf manche vorbildhaft, was auch daran lag, dass er – und nicht nur mit seiner Weltgeschichte, sondern mit fast allen anderen Werken – in der lateinischen Sprache Neuland betrat.
In der zwischen Popularen und Optimaten gespaltenen römischen Gesellschaft stand Nepos auf der Seite der Letzteren und gehörte zu den Gegnern Caesars. Eng befreundet war er mit dem Freund und Verleger Ciceros, Pomponius Atticus (Nep. Att. 13,7), durch den er auch Cicero selbst kennenlernte. Mit ihm entwickelt sich ebenfalls eine Freundschaft (Gell. 15,28,1), aus der ein Briefwechsel hervorging, der ursprünglich zwei Bücher in der Briefsammlung Ciceros ausmachte (Macr. Sat. 2,1,14, Suet. Iul. 55,1). Aus den Hinweisen darauf und den Fragmenten daraus lässt sich über die politische Gesinnung Nepos’ ablesen, dass er mit Cicero in der Analyse der Lage der res publica zwar einig war, dass beide aber durchaus gegensätzliche Vorstellungen über die zu ergreifenden Maßnahmen besaßen. Auch zur Philosophie äußerte sich Nepos. Dabei kritisierte er am heftigsten den Widerspruch zwischen den Ausführungen der Philosophen und ihrem tatsächlichen Lebenswandel.
In den 40er-Jahren verfasste Nepos fünf Bücher Exempla, von denen bekannt ist, dass er Lebensbeschreibungen von Personen bot, die er als Vorbilder darstellte, wobei er auch unterhaltsame Anekdoten einstreute. Aus diesem Werk sind drei kleine Fragmente erhalten, nämlich die Geschichte von den Gefangenen Hannibals, die nach der Schlacht von Cannae zu Verhandlungen nach Rom kommen (nach Gell 6,18,11), die Geschichte vom älteren Ti. Sempronius Gracchus und Scipio Asiaticus und Africanus Maior (nach Gell. 6,19,1) und ein Abschnitt über die Kynogamie von Krates und Hipparchia (nach Aug. c. Iul. Op. Imperf. 4,43 [= Patrologia Latina 45,1049–1608, hier 1362]).
Nepos Exempla dienten auch als Vorlage für die Facta et dicta memorabilia des Valerius Maximus. Wie viele antike Historiographen beklagt auch Cornelius Nepos den Gegensatz zwischen der ruhmreichen, von Moral geprägten vergangenen Zeit und der traurigen Gegenwart. Dies führte zu einer geringeren Wertschätzung in der Kaiserzeit. Ebenfalls verloren ist eine Biographie Ciceros in mehreren Büchern (Gell. 15,28,1) und eine ausführliche Lebensbeschreibung des jüngeren Cato (Nep. Cato 3,5).
In den 40er- und 30er-Jahren des 1. Jahrhunderts schrieb er unter dem Titel De viris illustribus Biographien berühmter Männer, vielleicht angeregt von Varros Imagines. Das Werk mit 400 Biographien widmete er seinem Freund Atticus. Nepos behandelte darin Könige, Feldherrn, Dichter, Redner, Historiker, Grammatiker, und zwar jeweils in einem Buch die Nichtrömer und im folgenden die Römer, allem voran stand vermutlich ein einleitendes Buch. Insgesamt umfasste das Werk mindestens 15 Bücher antiker Zählung, worunter die Themengebiete reges, duces, historici und de poetis (letzteres nach Suet. Vita Ter. 27,6 und 31,2) belegt sind, Künstler aber wohl nicht enthalten waren (vgl. Plin. Nat. 35,16). Als weitere vorhandene Kategorien werden Philosophen, Staatsmänner, Redner und Grammatiker angenommen. Die meisten Lebensbeschreibungen sind aus dem Buch über ausländischen Feldherrn des 5. und 4. Jahrhunderts erhalten unter dem Titel De excellentibus ducibus exterarum gentium: Neben zwanzig militärischen Führern Griechenlands kommen darin königliche Feldherrn vor – was aber möglicherweise auf eine spätere Redaktion zurückgeht – ferner Hamilkar und Hannibal. Aus dem Buch De Latinis historicis wurden die Viten des Atticus und des jüngeren Cato bis in unsere Zeit überliefert, vorgestellt wurden aber auch Marcellus (Plut. Marc. 30), Africanus Maior (Serv. Aen. 1,368), Lucullus (Plut. Luc. 43) sowie Augustus (Suet. Aug. 77).
Zu den besonderen Fundstücken der Nepos-Überlieferung gehören zwei Brieffragmente Verba ex epistula Corneliae Gracchorum matris ex eodem libro (nämlich De viris illustribus). Im Vorsatzblatt einer Handschrift von Ciceros Philippika in der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel wurde ein Nepos-Fragment über den Verlust durch Ciceros Tod gefunden. Die erste Auflage von De viris illustribus erschien in den Jahren 35 und 32, eine neu bearbeitete zweite Anfang der 20er-Jahre, worin der Verfasser die vier letzten Kapitel über den inzwischen verstorbenen Atticus hinzufügte.
Unter Nepos’ Quellen ist besonders Thukydides zu nennen, aus dem der Römer Informationen über die griechischen Feldherren schöpfte. Nepos versucht die Verbindung der römischen und der griechischen Kultur, indem er eine Synthese aus Περὶ ἐνδόξων ἀνδρῶν (Über angesehene Männer) aus der hellenistischen Tradition und der politischen Biographie in Rom schafft.
Die vorliegende Übersetzung hat den Titel »Macht und Moral« erhalten. Im Mittelpunkt der erhaltenen Biographien steht nämlich die Frage sowohl nach der charakterlichen Voraussetzung für Macht als auch nach dem, was Macht aus den Menschen macht – nicht nur aus denen, die sie besitzen, sondern auch aus ausgeschalteten Konkurrenten, aus Vertretern anderer politischer Institutionen und anderer Staaten und schließlich aus den Bevölkerungskreisen, die in der jeweils beschriebenen Zeit selbst einen Machtfaktor darstellten. Nicht nur bei den Feldherren, auch bei Cato und Atticus geht es um dieses Thema: um das Bestreben, politische Tätigkeit mit römischen Tugenden zu verbinden in Catos Lebensbeschreibung, um den Verzicht auf Macht und politische Betätigung in der Lebensbeschreibung Atticus’. Die historischen Fakten treten daher gegenüber diesen Fragen und der künstlerischen Konzeption in den Hintergrund, was dem Autor viel Kritik, nicht nur von Zeitgenossen, eintrug. Die – zumindest im überlieferten Teil – fehlende Gesamtbetrachtung und die Neigung zu Anekdoten werden ihm vorgeworfen. Doch gerade Urteile, die vor allem auf seinen Versäumnissen beruhen, müssen in Rechnung stellen, auf welch kleinem Teil des Gesamtwerkes sie beruhen. Bemerkenswert in den erhaltenen Abschnitten ist jedenfalls die Wertschätzung für die von Rom unterworfenen Kulturen, nicht nur für die Griechen. Die gebildeten Römer lasen in Nepos’ Büchern die Viten von historischen Persönlichkeiten, deren Lebensläufe ihnen oft schon vorher bekannt waren. Gespannt waren sie daher eher auf die Art und Weise, wie Nepos den Stoff verarbeitete und wie er urteilte, als auf den Stoff selbst. Vor diesem Hintergrund wird auch die literarische Leistung Nepos’ erkennbar: die spezifisch römische Darstellungsweise, die sich von griechischen Autoren – auch späterer Zeiten – unterscheidet, sowie die Prägnanz und das Zurücktreten des Autors, die zu einer scheinbar sachlichen, tatsächlich aber umso eindrucksvolleren und bisweilen durchaus lenkenden Textgestaltung führen.
Nepos selbst wurde zur Quelle für Ampelius und Aurelius Victor. Eine Erdbeschreibung, die ebenfalls von Nepos stammte, wurde von Pomponius Mela und dem älteren Plinius benutzt.
Cornelius starb um 24 v.Chr. Von Lesern lateinischer Literatur in späterer Zeit wurde er, trotz mancher Abweichung von klassischen Formen, vor allem wegen seines Sprachstils geschätzt, weswegen er auch heute noch bisweilen in der Schule gelesen wird.
Jeder von Nepos verfassten Lebensbeschreibung ist in der vorliegenden Übersetzung eine Lebensbeschreibung der betreffenden Person nach heutigem wissenschaftlichem Kenntnisstand vorangestellt. Damit können sich die Leser des 21. Jahrhunderts in die Lage ihrer Vorgänger vor 2000 Jahren versetzen und sich, indem sie die historischen Fakten schon vor der Nepos-Lektüre kennen, ganz auf die Darstellungsweise des römischen Autors konzentrieren, diese bei Bedarf mit den historischen Tatsachen vergleichen und die Intention des Verfassers herausfinden und beurteilen.
Cornelii Nepotis vitae cum fragmentis. Ed. Peter K. Marshall, Leipzig 1977 (Teubner)
Cornelius Nepos: Berühmte Männer. Übers. von Gerhard Wirth. München 71992
Cornelius Nepos: Berühmte Männer (lat./dt.). Hgg. u. übers. von Michaela Pfeiffer unter Mitarbeit von Rainer Nickel, Düsseldorf 2006 (Tusculum)
Cornelius Nepos: De viris illustribus. Biographien berühmter Männer (lat./dt.). Übersetzt und hgg. von Peter Krafft und Felicitas Olef-Krafft, Stuttgart (durchges. u. erg. Ausg.) 2006 (Reclam)
Cornelius Nepos. Hgg. von Kurt Witte, erklärt von Karl Nipperdey. Hildesheim 142002
Cornelius Nepos (lat./dt.). Hgg. von Gerhard Wirth. Amsterdam 1994
Cornelius Nepos. With an engl. translation by John C. Rolfe. Cambridge (Mass.) 1984 (Loeb)
Anselm, Sabine: Struktur und Transparenz. Eine literaturwissenschaftliche Analyse der Feldherrnviten des Cornelius Nepos. Stuttgart 2004
Geiger, Joseph: Cornelius Nepos and Ancient Political Biography. [Historia Einzelschriften XLVII] Stuttgart 1985
Weitere Literaturangaben bei den Einleitungen zu den einzelnen Lebensbeschreibungen und dem Brieffragment.
(Cat. 1,1)
Wem schenke ich dieses niedliche neue Büchlein,
das gerade erst mit trockenem Bims poliert wurde?
Cornelius, Dir, denn Du pflegtest stets zu glauben,
dass meine kleinen Übungen etwas seien,
schon damals, als Du wagtest, als Einziger in ganz Italien,
die ganze Weltgeschichte zu erklären, in gelehrten
und, beim Iupiter, sorgfältigen drei Büchern.
Deshalb besitze für Dich, was dieses Büchlein enthält,
wie beschaffen und was es auch ist, o Göttin,
es möge ein Jahrhundert überdauern.
Bei den meisten wird kein Zweifel bestehen, Atticus, dass man diese Art des Schreibens für zu oberflächlich und nicht würdig der bedeutendsten Männer erachtet, wenn man liest, dass hier berichtet wird, wer Epaminondas in Musik unterrichtet hat, oder wenn unter seinen Tugenden erwähnt wird, dass er sehr gut getanzt und wunderschön Flöte gespielt hat. 2 Das werden aber ziemlich genau diejenigen sein, die, in Unkenntnis der griechischen Literatur nichts für richtig erachten außer dem, was ihren eigenen Sitten entspricht. 3 Wenn sie gelernt haben, dass nicht für alle dasselbe ehrenvoll und schändlich ist, sondern alles nach dem Herkommen der Vorfahren beurteilt wird, werden sie sich nicht wundern, dass wir bei der Darstellung der Vorzüge der Griechen deren Sitten folgen. 4 So war es z.B. auch für Kimon, den Ausgezeichnetsten der Athener, nicht schändlich, eine leibliche Schwester zur Ehefrau zu haben, weil es ja seine Mitbürger genauso hielten. Gerade dies aber wird nach unseren Sitten für gänzlich tabu gehalten. In Kreta gilt es als lobenswert für Heranwachsende, möglichst viele Liebhaber zu haben. Keine Witwe in Sparta ist so vornehm, dass sie nicht zu einem gegen Bezahlung verabredeten Gastmahl ginge. 5 In hohem Lob stand es fast in ganz Griechenland, als Olympiasieger aufgerufen zu werden, und auf die Bühne zu steigen und eine Volksbelustigung zu sein, gereichte niemandem in diesem Volk zur Unehre. Dies alles wird bei uns oft als undenkbar, als niedrig und abseits jeden Anstands betrachtet. 6 Dagegen sind viele Dinge nach unseren Sitten ehrenhaft, die bei jenen für schändlich gehalten werden. Denn welcher Römer würde sich z.B. schämen, seine Ehefrau mit zum Gastmahl zu nehmen? Oder in welcher Familie nimmt nicht die Mutter den ersten Platz im Hause ein und bewegt sich nicht unter vielen Menschen? 7 Dies verhält sich in Griechenland ganz anders, denn sie wird dort weder zum Gastmahl hinzugebeten, außer bei Nahestehenden, noch hält sie sich irgendwo auf außer im innersten Teil des Hauses, der Frauengemach genannt wird, wohin niemand Zutritt hat außer den engsten Angehörigen. 8 Diese Sache weiter auszuführen, verbietet allerdings gleichermaßen die Fülle des Stoffes wie auch die Eile, das darzustellen, wozu ich mich aufgemacht habe. Deswegen werden wir jetzt zu unserem Vorhaben kommen und in diesem Buch vom Leben herausragender Feldherren handeln.
In Nepos’ Biographie des Miltiades fließen die Lebensgeschichten zweier Männer dieses Namens zusammen. Der Übersetzung dieses Nepos-Textes sind daher zwei Biographien vorangestellt.
Der ältere Miltiades war ein Sohn des Kypselos (Hero-dot 6,34,1; 6,35,1; 6,36,1) und möglicherweise ein Enkel des Tyrannen Kypselos von Korinth. Sein Bruder von derselben Mutter (Herodot 6,38,1; 6,103,1–2) war Kimon, auch war er verwandt mit dem Archonten von 566/65 Hippokleides. Seine Familie führte ihre Abstammung auf den Ilias-Helden Aiax zurück (Herodot 6,35,1). Historisch gewiss ist jedenfalls, dass er aus dem Demos Lakiadai in der Trittys der ionischen Phyle auf der Ostseite des Kephisos am Weg nach Eleusis stammte (Plut. Kim. 4; Cic. off. 2,64). Mit einem Viergespann seiner Familie wurde Miltiades d. Ä. um 560 oder 548 Olympiasieger (Herodot 6,36,1).
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