Madagaskar. Ein Segeldrama in dreizehn Akten - Claudia von Sternebeck - E-Book

Madagaskar. Ein Segeldrama in dreizehn Akten E-Book

Claudia von Sternebeck

0,0

Beschreibung

Drei Männer, wie sie wohl unterschiedlicher nicht sein können, lechzen nach einer Auszeit. Fern ab von Job, Familie, Ehefrau. Ein Segeltörn soll es diesmal sein. Zehn Tage über Ostern. Ihre Wünsche und Bedürfnisse? Höchst different, so wie sie selbst. Die Spanne reicht von der abenteuerlichen Seemeilenjagd über soliden Zuwachs Praxissicherheit an Bord bis hin zur sphärisch angehauchten Inspiration durch Wind und Meer für die ausgehungerte Künstlerseele. Mit von der Partie ist der privat angeheuerte Skipper Piet Larsson, welcher den Auftrag hat, den drei Männern in die hohe Kunst des Segelns auf Küstengewässern einzuweisen. Doch was zunächst in entspannter Urlaubslaune beginnt, entpuppt sich schon in kürzester Zeit auf der vierzehn Meter Yacht zu einem spannungsgeladenen Sozialdrama. Und wird für den erprobten Skipper Larsson zum bislang vielleicht gewagtesten Abenteuer auf hoher See. Madagaskar. Ein Segeldrama in dreizehn Akten umspült die Lesenden in handlicher Form mit wasserreichem Bordleben, einer bisweilen steifen Brise und natürlich der unvermeidbaren Portion Seemannsgarn und passt in jede Koje.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 57

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Für Christian

1

Larsson schreit. Warum auch nicht?

Schließlich hat ihm das Schreien bislang fast ausnahmslos Erfolge eingebracht. Schon von Kindesbeinen an als der Jüngste dreier Söhne von mit ihrem Erziehungsauftrag vollkommen überforderten Eltern. Später dann als die wohl anspruchsvollste pädagogische Herausforderung der Klassenlehrerin inmitten einer Schar braver Mitschüler der örtlichen Dorfschule. Anschließend wohl platziert an vorderster Front beim Militär und seit nunmehr fünfzehn Jahren im Job als freiberuflicher Skipper.

Allein die Ehe mit Ann-Kathrin hatte gerade mal knapp zwei Jahre gehalten, bis dieser endgültig der Geduldsfaden gerissen war, wortlos zwei Koffer gepackt und die gemeinsame Wohnung für immer verlassen hatte. Larsson hatte ihr vom Balkon aus noch etwas hinterhergebrüllt, das entfernt klang wie „Aber ich liebe dich doch!“ Das allerdings hatte die Scheidungspapiere, welche wenig später in seinem Briefkasten landeten, nicht im Entferntesten mehr beeindruckt.

Ann-Kathrin ist kein Einzelfall geblieben. Offenbar kommt das Schreien bei Frauen weniger gut an, denkt sich Larsson.

„Frauen und Bananen an Bord machen nichts als Ärger“, so hatte sein erster Trainer stets gebetsmühlenartig gepredigt und Larsson hatte dazu, wie auch zu allem anderen, was der wind- und wassererprobte Alt-Matrose von sich gab, nur ehrfürchtig genickt.

Zwar hatte er nie wirklich verstanden, was es in diesem Kontext mit den Bananen auf sich hatte, doch dass Frauen ganz unzweifelhaft ein sicherer Garant für Probleme waren - und das nicht nur an Bord! - dessen war er sich zweifelsohne gewiss. Das andere Geschlecht hatte er daher weiträumig aus seinem Alltag entsorgt und sich angewöhnt, äußerst gut zu zahlen, wann immer ihn seine körperlichen Bedürfnisse zu übermannen drohten. Für angemessenes Salär willigten die Professionellen sogar wiederholt ein, sein Schreien zu erdulden. Wenngleich nur stundenweise.

Mehr durch Zufall entdeckt er Lundströms Anzeige während des morgendlichen Scrollens bei Kaffee und Kippe.

Skipper für privaten 10-tägigen

Urlaubs-Törn inklusive

Trainingseinheiten über

Ostern 2023 von 3er Crew gesucht.

Segelerfahrung sowie eigene Yacht

vorhanden. Einzelkoje garantiert.

Sehr gute Bezahlung!

Das Ganze bebildert mit acht Aufnahmen einer gepflegten Bavaria Cruiser 46 und ergänzt mit der Mobilnummer des Inserenten.

Wenngleich die Kurse der Surf- und Segelschule unten neben dem Hafen seit mehr als zwei Jahrzehnten gut laufen und von April bis zum Saisonende im Oktober stets ausgebucht sind, steigt Larsson allein schon beim Gedanken an das neuerliche Demonstrieren von Kreuz- und Achtknoten, den Ausführungen über das fachgerechte Trimmen von Großsegel und Fock sowie den zeitraubenden Erläuterungen von Am-, Halb-, Raum- und Vorwindkurs die Galle hoch. Seit gut zehn Jahren verdingt er sich bei Bosch und Wagner von Mai bis Oktober als festangestellter Segellehrer; ein Job, der mehr zu regelmäßigen Zahlungseingänge auf Larssons Konto denn zu seiner Erfüllung beiträgt. Angenehm sind einzig die der Segel-Theorie folgenden Praxiseinheiten, welche er – auf dem Gewässer mittig zwischen den mit jeweils zwei Schülern besetzten robusten Trainingsjollen in seinem Dinghi hockend - stets ohne Gebrauch des betriebseigenen Megaphons stimm- wie wortreich anleitet. Dort kann er außerdem, wenn er seine Schüler gerade mal nicht wegen ihrer diversen Vergehen bei den zu übenden Vorgängen des Wendens, Halsens und Mann-über-Bord-Manövers anbrüllt, gänzlich ungestört daddeln.

Larsson lechzt nach Tapetenwechsel. Gerade jetzt, kurz bevor die Saison wieder losgeht. Zudem kann er eine kleine Finanzspritze nach den mageren Wintermonaten neben dem ansonsten eher dürftigen Honorar bei Bosch und Wagner immer gut gebrauchen.

Er liest den Anzeigentext erneut, nimmt einen letzten Schluck des Kaffees, welcher zwischenzeitlich kalt geworden ist, verzieht angewidert sein Gesicht, zückt sein Smartphone und tippt:

„Habe Ihre Anzeige bezgl. Skipper gesucht Ostern 2023 gelesen. Biete mehr als 25 Jahre Segelerfahrung plus div. Zertifikate und Referenzen unter www.pietlarsson.com. Bitte um RR für Weiteres.“

Schon am darauffolgenden Abend werden sich Lundström und Larsson handelseinig. Das anvisierte Zeitfenster passt. 2000 € bar auf die Kralle würden die zehn Tage bringen. Leicht verdientes Geld, von dem nicht einmal das Finanzamt etwas erfahren muss. Nicht zu vergessen frei Kost und Logis an Bord plus – nach guter alter Seemannssitte – Freihaltung des Skippers auch hinsichtlich aller weiteren Kosten wie etwa für Restaurantbesuche, Hafengebühren, Treibstoff.

Larrson atmet auf, zieht die Mundwinkel fast unmerklich nach oben und schlägt die Arme unter. Alles in allem durchaus rosige Aussichten.

2

Am ersten Abend kippt er mit seiner frischgebackenen Crew in der Seglerkneipe unten am Anleger ein paar Bierchen und präsentiert sich selbst dabei ganz als der aufmerksame Dienstleister.

Die Zeiten hatten sich geändert und das Leben an Bord und auf See war Larssons Ansicht nach über die Jahre zusehends zu nicht viel mehr als einem eleganten Freizeitsport verkommen.

Damals hatte man ein Schiff oder ein Boot, heute besitzt man eine Yacht. Damals ging man zur See, heute bucht man einen Törn. Damals gingen nur die aufs Meer, welche den gehörigen Mumm dafür in den Knochen hatten.

Heute sind es jene, die über ausreichend behördlich vorgeschriebene Bootsführerscheine verfügen. Oder ausreichend Geld. Oder beides.

Damals fand man immer eine gute Flasche Rum oder etwas anderes Hochprozentiges an Bord. Heute tummelt sich eine illustre Schar Bio-Kräuterteebeutel in der Kombüse.

Früher kam der Kapitän gleich nach dem lieben Gott. Heute hält man sich einen Skipper wie andere einen Hund.

Niemand, das weiß Larsson nur zu gut, wirklich niemand engagiert heutzutage noch einen Kapitän - für welchen sich Larsson zweifelsohne nach wie vor hält. Der Skipper als wohlerzogener wie auch umfassend fachlich wie auch didaktisch geschulter Dienstleister hingegen ist eine durchaus willkommene, oft sogar zwingend notwenige Modeerscheinung an Bord. Insbesondere bei jenen, die zwar über mehr als genug finanzielle Mittel für den weißen Luxussport, nicht aber über auch nur annähernd ebenso viel Knowhow auf See verfügen.

Und dennoch: ein Schiff ohne Käpt‘n, das hatte er von seinem alten Trainer ebenfalls wieder und wieder eingebläut gekommen, beschert mindestens ebenso viel Ärger an Bord wie Bananen. Oder Frauen.

Lundström, Blomendahl und van Meulen kennen sich aus Studienzeiten und sind seitdem in enger Freundschaft verbunden. Mehrmals im Jahr gönnen sie sich seit Neuestem kleine Auszeiten von Job, Familie, Ehefrau. So waren sie in den letzten zwei Jahren bereits zusammen angeln, bergsteigen und zelten gewesen, hatten auch schon mal gemeinsam an einem ölreichen Ayurveda-Massagewochenende und einem Stille-Meditationsretreat in einem Kloster teilgenommen.

„Männerzeit“, nennt Blomendahl diese kleinen Fluchten fernab aller Verpflichtungen feierlich, ergänzt lasziv: „…weil ich es mir wert bin!“ und wirft dabei schwungvoll sein Blondhaar nach hinten, worauf Lundström und van Meulen ihre Gläser erheben und einander lächelnd zuprosten.

Larsson lauscht pflichtbewusst reihum den Wünschen und Erwartungen der drei Crewmitglieder an den bevorstehenden Törn und steuert zu alledem eine möglichst interessiert wirkende Miene bei. Bisweilen nickt er sogar wiederholt verständnisvoll und betont, wie wichtig, ja wie unerlässlich doch die ehrliche wie direkte Kommunikation an Bord sei.