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Ihre erste Empfindung war Schmerz. Der Boden unter ihr bebte und schüttelte sich, als leide auch er Qualen.
Schon wieder? Bei Wudan, sie wusste, was das bedeutete. Die Zeitschleife dauerte nur noch wenige Sekunden an. Und sie wurde immer kürz...
Ihre erste Empfindung war Schmerz. Der Boden unter ihr bebte und schüttelte sich.
Ihre erste Empfindung war Schmerz.
Schmerzen zerfraßen sie
Schmerzen zerfraßen
Schmerzen
Und dann war nur noch Licht.
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Seitenzahl: 158
Cover
Impressum
Was bisher geschah
In der Todeszone
Leserseite
Zeittafel
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Lektorat: Michael Schönenbröcher
Titelbild: Néstor Taylor/Bassols
Autor: Andreas Suchanek
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-8387-2644-1
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Am 8. Februar 2012 trifft der Komet „Christopher-Floyd“ die Erde. Die Erdachse verschiebt sich und ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist – bis auf die Bunkerbewohner – auf rätselhafte Weise degeneriert. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, dessen Staffel beim Einschlag durch ein Zeitphänomen ins Jahr 2516 gerät. Nach dem Absturz wird er von Barbaren gerettet, die ihn „Maddrax“ nennen. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula findet er heraus, dass Außerirdische mit dem Kometen – dem Wandler – zur Erde gelangt sind und schuld an der veränderten Flora und Fauna sind. Nach langen Kämpfen mit den gestaltwandlerischen Daa’muren und Matts Abstecher zum Mars entpuppt sich der Wandler als lebendes Wesen, das jetzt erwacht, sein Dienervolk in die Schranken weist und weiterzieht. Es flieht vor einem kosmischen Jäger, dem Streiter, der bereits die Spur zur Erde aufgenommen hat!
Als der Streiter ankommt, versetzen die Gefährten einen Teil eines Steinflözes, der alles Lebendige versteinert, mit einer uralten Waffe der Hydriten in die Masse des Streiters. Im Flächenräumer am Südpol entsteht alle 1000 Jahre durch die unkontrollierte Entladung der Energiespeicher eine Zeitblase.
Das Team nimmt den Kampf auf: Matt Drax, Xij Hamlet, die in sich die Geister unzähliger früherer Leben trägt, die Hydriten Gilam’esh und Quart’ol, der geniale Erfinder Meinhart Steintrieb und der Android Miki Takeo. Dazu stößt noch Grao’sil’aana, einer der letzten Daa’muren auf der Erde. Er hatte auf den 13 Inseln die Macht übernommen und die frisch gekrönte Königin Aruula in einer Höhle eingesperrt. Doch sie kommt frei und reist mit ihrem Freund Rulfan zum Südpol, um Matt zu warnen. Dabei sind die beiden entzweit, seit durch ihre Schuld Matts Tochter Ann bei einem Unfall ums Leben kam.
Zunächst gelingt es den Gefährten nicht, den Streiter zu vernichten: Der Flächenräumer ist nicht ganz aufgeladen. Der Schuss krepiert und erschafft eine neue Zeitblase! Durch die Schockwelle ist der Streiter für drei Stunden paralysiert, dann setzt er seinen Weg zur Erde fort. Als die kosmische Entität auf der Suche nach dem Wandler den Planeten verwüstet, bleibt Matt, Xij und Grao nur die Flucht durch die neue Zeitblase.
Sie stellen bald fest, dass sie durch Parallelwelten reisen. Dabei geraten sie in den zeitlosen Raum zwischen den Welten, in dem Archivare technische Errungenschaften aller Epochen sammeln. Sie geben ihnen das Magtron mit, das den Flächenräumer binnen Minuten aufladen kann, und schicken sie zu jenem Zeitpunkt zurück, als die Zeitblase entstand. Diesmal gelingt es, einen Teil des Flözes in den Streiter zu versetzen. Der versteinert – doch im Todeskampf schleudert er Mondtrümmer Richtung Erde.
Als Aruula und Rulfan im Flächenräumer ankommen, will die Kriegerin mit Grao abrechnen, doch Matt schickt ihn in die Eiswüste. Als Drax und Takeo einem riesigen Mondbrocken abfangen wollen, zerlegt eine Atomrakete den Brocken. Sie kam aus Kourou. Mit Takeo und seiner neuen Liebe Xij Hamlet reist Matt dorthin, während die verbitterte Aruula vorerst in Rulfans Burg Canduly Castle bleibt. Dort schlägt ein weiteres Trümmerstück ein, und Aruula wird beim Einsturz des Kellers beinahe gelähmt.
Gleichzeitig überfallen Indios mit Schlangen um den Hals Kourou, um Waffen zu erbeuten. Die Gefährten folgen ihnen bis nach Campeche in Mexiko, wo Matt und Xij von den Robotern eines mysteriösen „Großen Herrn“ geschnappt werden. Er ist ein Archivar, der 2521 hier strandete und das Schlangengift zum Überleben braucht, obwohl es ihn negativ verändert.
Durch einen Hirnscan erfährt er vom Magtron, mit dem er das Tor in seine Dimension öffnen könnte. Mit dem Shuttle fliegt er nach Schottland, wo Rulfan den Supermagneten aufbewahrt – und rettet Aruula vor zwei gedungenen Mörderinnen, die von der neuen Königin der 13 Inseln geschickt wurden. Zum Dank hilft sie Samugaar, wie sie ihn nennt, das Magtron zu erbeuten – das ihm aber nichts nutzt ohne den Schlüssel, den Matt um den Hals trägt. Während alle denken, Aruula wäre tot, schließt sie sich Samugaar an.
In der Zwischenzeit befreit Miki Takeo seine Gefährten und sie setzen sich getrennt ab, bevor der „Große Herr“ zurückkehrt. Miki geht nach Amarillo, um seinen Sohn Aiko mit einer Gedächtniskopie in einem Androidenkörper wieder zum Leben zu erwecken. Doch in dem Speicherkristall hat sich der Geist von General Arthur Crow eingenistet, der Takeo täuscht – und ihn vernichtet?
Während Matt und Xij mit einer gestohlenen Transportqualle der Hydriten nach Schottland reisen, warten der Archivar und Aruula vergeblich in Waashton auf sie. Schließlich ziehen sie mit geraubten Datenbanken des Pentagon ab – wobei Aruula, die mehr und mehr dem Schlangengift verfällt, Mr. Blacks Gefährtin Alexandra Cross tötet! Sie erzählt Samugaar von dem Ursprung, dem lebenden Stein in Ostdeutschland: das Material, aus dem das Torsiegel besteht! Aber dort hat sich durch das versetzte Streiter-Stück eine sich ständig wiederholende Zeitzone gebildet, die nur durch eine Sprengung aufgehalten werden kann. Der Archivar tut dies – und opfert dabei Aruula.
In Schottland erfahren Matt und Xij von Aruulas angeblichem Tod – und dass der „Große Herr“ ein Archivar ist. Sie sind entschlossen, ihn auf sich aufmerksam zu machen – indem sie vom Bunker in Salisbury aus mit einem Laser auf den Mond zielen. Doch der Bunker ist von Insekten bevölkert. Gabriel verbündet sich mit deren Königin und opfert dabei sein Leben. Durch den Strahl wird eine Daa’murin angelockt, die so ganz anders ist als der Rest ihres Volkes und die den Helden ihren Todesrochen im Austausch gegen deren Amphibienpanzer leiht. Damit haben sie bessere Chancen, den Archivar aufzuspüren.
In der Todeszone
von Andreas Suchanek
Eine Woche zuvor
Ihre erste Empfindung war Schmerz. Der Boden unter ihr bebte und schüttelte sich, als leide auch er Qualen.
Schon wieder? Bei Wudan, sie wusste, was das bedeutete. Die Zeitschleife dauerte nur noch wenige Sekunden an. Und sie wurde immer kürz …
Ihre erste Empfindung war Schmerz. Der Boden unter ihr bebte und schüttelte sich.
Ihre erste Empfindung war Schmerz.
Schmerzen zerfraßen Aruula
Schmerzen zerfraßen
Schmerzen
Und dann war nur noch Licht.
Ende Mai 2528, Ostdeutschland
Von einem Moment zum nächsten verschwand das gleißende Licht und das Beben ebbte ab. Aruula taumelte einige Schritte vorwärts, verlor den Halt und brach in die Knie. Ihr ganzer Körper schmerzte, das Atmen fiel ihr schwer. Jeder Gedanke glich einem Knäuel aus verschlungenen Fäden, die sich einfach nicht entwirren wollten. Sie atmete tief ein und aus, versuchte sich zu beruhigen. Als der Schwindel nachließ, kämpfte sie sich mühsam hoch.
Sie hatte sich noch immer nicht an das Exoskelett gewöhnt. Die vielen Metallstreben, Kugelgelenke und die verbaute Teknikk hielten sie zwar trotz ihrer Wirbelsäulenverletzung aufrecht, doch sie würde es nie dauerhaft akzeptierten, auf eine solche Hilfe angewiesen zu sein. Sie sehnte den Tag herbei, an dem sie die Stütze nicht länger benötigte.
„Bei Wudan, was ist passiert?“, flüsterte sie.
Diese albtraumhafte Landschaft hatte nichts mit jenem dicht bewachsenen Farnfeld zu tun, in dem sie so viele Male innerhalb der Zeitblase wiedererwacht war.1) Sie war also nicht erneut gestorben, musste denselben Ablauf nicht schon wieder durchleben. Der Plan Samugaars, den Antrieb der CARTER IV zu einer Bombe zu machen und damit die Zeitblase zu vernichten, hatte also funktioniert. Doch wo war sie gelandet? Und wo war Alfeed Zahn, der Retrologe, der den Reaktor nach Samugaars Anweisungen zum Überladen gebracht hatte?
Vorsichtig ging sie weiter. Jeder ihrer Schritte wirbelte weiße Flocken vom Boden auf. Flocken, die im Licht des heraufziehenden Morgens auseinander stoben und zu Boden sanken. Eine weiße Schicht überdeckte die nackten Ruinen einiger Häuser, die Bäume, deren Äste abgestorben in den Himmel ragten, und die Gesteinsbrocken, die überall herumlagen.
Ascheflocken, erkannte Aruula.
Entsetzt blickte sie sich um. Die Zeitblase war kollabiert, doch zu welchem Preis? Die Explosion hatte alles innerhalb der Zone verbrannt. Erneut wurde ihr schwindelig. Dann war die Stelle, an der sie erwacht war, vielleicht doch das Farnfeld – oder das, was davon übrig war.
Sie ging vorsichtig weiter, versuchte sich zu orientieren. Und tatsächlich erkannte sie einige Landschaftsformationen wieder. Vor ihr erstreckte sich eine hügelige Landschaft, die ihr vertraut vorkam. Linker Hand reckten sich die weißen Äste toter Bäume wie die Arme Ertrinkender in den Himmel. Rechts lag eine freie Fläche, von deren einstmals grünem Gras nichts geblieben war. Vor ihr stieg das Gelände leicht an, hatte vorher zu einem Wäldchen geführt, das ebenfalls der Explosion zum Opfer gefallen war.
Fast erwartete sie, Knollennase auftauchen zu sehen, der erneut versuchen würde, sie umzubringen, doch nichts dergleichen geschah. Die Zeitschleife schien tatsächlich durchbrochen zu sein.
Sie stapfte weiter, an dem toten Wäldchen vorbei, zum Rand der Hügelkuppe. Von hier aus konnte sie die Talsohle gut überblicken. Von dem winzigen Dorf, in dem die ehemaligen Jünger von Mutter gehaust hatten, waren nur noch Mauerreste übrig, und zwischen den Ruinen erkannte sie menschliche Gerippe. Alles war weiß, als hätte jemand die gesamte Fläche mit feinem Pulverschnee bestäubt.
Beim Anblick des großen Lochs, das in der Mitte des ehemaligen Dorfes in die Tiefe führte, überfielen Aruula erneut die Erinnerungen. Hier hatte Kroow gegen den ZERSTÖRER gekämpft; die Jünger von Mutter hatten versucht, den lebenden Stein wieder mit seinem Ursprung – dem unterirdischen Flöz – zu vereinen; und sie selbst hatte, im Versuch, das Grauen aufzuhalten, Maddrax’ Tochter Ann getötet. Hier hatte sich ihr Leben von Grund auf verändert.
Sie schüttelte den Kopf, vertrieb die Gedanken an jene furchtbare Zeit. Maddrax zog nun mit einer Anderen durch das Land, ging seine eigenen Wege …
Aruula wandte sich abrupt ab und schritt in eine andere Richtung davon. Sie wollte nicht noch einmal in das Dorf zurückkehren, in dem so viele Menschen gestorben waren.
Nach einiger Zeit ging die hügelige Landschaft in eine ebene Fläche über, was ihr das Vorankommen deutlich erleichterte. Trotzdem spürte sie bei jedem Schritt ein wohlbekanntes Pochen in ihrem Rücken. Als sie einen Felsbrocken bemerkte, der in Sichtweite aufragte, atmete sie erleichtert auf und hielt darauf zu. Eine kurze Rast würde ihrem geschundenen Körper gut tun.
Sie erreichte den Brocken nach weiteren zähen Schritten. Doch unter ihren tastenden Fingern zerpulverte der poröse Stein und hüllte Aruula in einen Wirbel aus Staub und Asche. Hustend wandte sie sich ab und taumelte zur Seite.
Der Felsen … war zu Staub zerfallen!
Die gesamte Landschaft glich einer Todeszone. Wirklich alles, was innerhalb der Zeitblase gelegen hatte, bestand nur noch aus Asche und Tod.
Mit jeder verstreichenden Minute klärten sich Aruulas Gedanken und der Schwindel ließ nach. Vermutlich reagierte ihr Körper auf das Zusammenbrechen der Zeitblase und passte sich dem nun wieder normalen Zeitablauf an – für ihren Geschmack viel zu langsam. Von körperlichen Schwächen hatte sie wahrlich genug!
Vorsichtig ging sie weiter durch die albtraumhafte Szenerie aus Ascheflocken, abgestorbenen Baumresten und porösen Steinen.
Wo war Samugaar? Hatte die Explosion womöglich das Shuttle in Mitleidenschaft gezogen? War er ebenfalls Opfer des explodierenden Antriebreaktors geworden?
Nein, der Archivar und das Shuttle hatten sich außerhalb der Zone befunden. Er lebte, dessen war sie sich sicher. Aber wo blieb er dann? Suchte er nicht nach ihr? Sie würde diesem Rätsel auf den Grund gehen müssen.
Aruula stapfte weiter durch das weißgraue Einerlei, die aufgehende Sonne im Rücken. Immer wieder sprach sie in das Funkgerät und versuchte, Kontakt mit Samugaar herzustellen, doch der Archivar antwortete nicht.
Abschätzig blickte sie auf das kleine Gerät, das er in ihr Exoskelett eingebaut hatte. Wie oft hatte er ihr klargemacht, wie wichtig dieses Funkgerät sei. Und nun, wo sie darauf angewiesen war, drang nur Rauschen aus dem Ding. Teknikk mochte ja manchmal nützlich sein, doch es gab eine Regel, die auf jede Maschine zutraf: Im Notfall war sie meist nutzlos.
Die Erinnerung an die Höhlen vor Nuu’ork kam ihr in den Sinn: Auch dort war die Verbindung zeitweise abgebrochen. War der Archivar vielleicht nicht nahe genug, um ihre Rufe zu empfangen? Oder, schlimmer noch: Hielt er sie für tot und war deshalb davongeflogen?
Trotz des stützenden Exoskeletts spürte Aruula beim Gehen weiterhin ein schmerzhaftes Pochen in ihrer Wirbelsäule. Es war zu einem ständigen Begleiter geworden, der sie mal mehr, mal weniger daran erinnerte, dass sie keine vollwertige Kriegerin mehr war.
Nur Samugaars Injektionen des Schlangengift-Serums konnten ihr für eine gewisse Zeit den Schmerz nehmen. Allein bei dem Gedanken an die Ampullen mit der weißen Flüssigkeit jagten wohlige Schauer durch Aruulas Körper. Sie musste ihn finden – und das schnell!
Ein Wind kam auf, der die Ascheflocken vor sich hertrieb. Schon nach wenigen Augenblicken war sie über und über von den Partikeln bedeckt. Ihre Haare, ihre Kleidung, jeder Fleck der freiliegenden Haut wurde davon bedeckt. Aruula hustete und spuckte.
Nach einer gefühlten Ewigkeit ließ der Wind nach und die Flocken sanken wieder zu Boden. Erst jetzt erkannte Aruula, dass sie es beinahe geschafft hatte: Sie näherte sich dem Rand der Todeszone – und erkannte gleichzeitig, dass sie nicht alleine war! Ein Ballon schwebte am Rande des Aschefeldes in der Luft, darunter ein Korb, der am Boden vertäut war. Die Silhouetten einiger Personen standen darum herum und gestikulierten wild in ihre Richtung.
Als Aruula sich ihnen näherte, erkannte sie vier Männer und eine Frau. Kräftige Arme schoben zwei der Gaffer beiseite und eine fünfte Person trat aus dem Hintergrund hervor.
„Das darf doch nicht wahr sein! Aruula!“ Ein kleiner Mann mit einer Zygar im Mundwinkel stapfte auf sie zu.
„Pofski!“, entfuhr es ihr überrascht. „Alexander Pofski!“ Sie erwiderte die herzliche Umarmung des Ballonfahrers aus Tscherskij.
Der gedrungene Mann reichte ihr nur bis zur Brust. Ein breites Grinsen lag auf seinem mausartigen Gesicht, als er zu ihr aufsah.
Es war ewig lange her, seit sie dem russischen Luftschiffkapitän zuletzt begegnet war. Genauer gesagt: auf ihrer Reise durch Ausala, als sie wie alle Telepathen dem Ruf des Finders gefolgt war.
Ein Stück des Weges hatten sie gemeinsam bestritten, bevor sie sich wieder trennten. Erst vor kurzem hatte sie Pofski mit seinem Ballon über Britana entdeckt, jedoch keine Gelegenheit gehabt, ihn auf sich aufmerksam zu machen.2) Und nun stand er hier vor ihr. Das konnte kein Zufall sein. Hatte Wudan den Ruländer gesandt, um ihr zu helfen?
„Und wir dachten schon, ein Yeeti käme aus den Trümmern gestapft, um uns zu holen.“ Pofski lachte dröhnend. „Was machst du hier? Und wo hast du Maddrax gelassen?“
Aruula ballte die Fäuste. „Maddrax und ich … reisen nicht länger zusammen.“
„Oh.“ Pofski räusperte sich und schob hinterher: „Das tut mir leid. Aber warum bist du dann hier? Suchst du etwa auch nach dem Ursprung dieser seltsamen Explosion, die vor etwa einer Woche alles im Umkreis vernichtet hat?“
„Vor … einer Woche?“ Aruula starrte Pofski fassungslos an.
„Aber ja“, meldete sich ein dürrer Mann zu Wort. Mit einer entschlossenen Geste schob er Pofski zur Seite und baute sich vor Aruula auf. „Vor acht Tagen, um genau zu sein.“ Auf seiner Nase saß eine Brille mit dicken Gläsern, sein braunes Haar klebte dünn und fettig am Schädel. „Wir sind Retrologen aus Britana. Der gute Pofski hier brachte uns vor zwei Tagen zum Rand des Areals. Zweifellos birgt dieser Ort eine faszinierende Geschichte, die wir aufdecken werden. Eine solch enorme Explosionskraft ist mir selten untergekommen. Was sich damit anfangen ließe … zum Wohle der Menschheit natürlich“, ergänzte er schnell. „Gestatten – Parish Bow ist mein Name.“
Ein anderer der Männer macht durch ein überdeutliches Husten auf sich aufmerksam.
„Oh, natürlich. Und das sind meine Kollegen.“ Bow deutete auf einen blondhaarigen Hünen mit breiten Schultern, der so gar nicht den Eindruck eines Retrologen erweckte. Er wirkte auf Aruula eher wie ein echter Mann. „Kenneth Brucker.“
Bows Zeigefinger wanderte weiter, zu einem schlaksigen Mann, dessen Kleidung an ihm hing wie ein nasser Sack und dessen langes blondes Haar gewellt auf seine Schultern fiel. „Xander Hunt.“
Es folgte eine Frau in einem figurbetonten Overall. Ihr dunkles Haar war im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie nickte Aruula freundlich zu. „Die Dame in unserem Team ist Regine Falsi. Und das hier“, er deutete auf den Letzten der Gruppe, einen lethargisch wirkenden Mann, dessen Blick unstet umherhuschte, „ist Wallace Trace.“
Aruula nickte jedem der Retrologen zu. Eine bunte Schar, die Pofski da angeschleppt hatte.
Der Ballonfahrer hielt sich meist in der Luft auf, flog über das Land und arbeitete an seinem Lebenswerk: Er hatte es sich zum Ziel gemacht, detaillierte Karten von der Welt nach Kristofluu zu erstellen.
Alexander Pofski lächelte ihr zu, während er sich mit einer seiner stinkenden Zygars beschäftigte. Er nahm zwei Feuersteine aus seiner Jacke und schlug sie aneinander, um damit erst ein Häufchen Zunder in einer Art Löffel und damit dann sein Kraut zu entzünden. „Was also hat dich in diese Gegend verschlagen, Aruula?“, wiederholte er seine Frage.
„Ich war mit einem Freund hier“, erklärte sie. „Doch durch die Explosion wurde ich von ihm getrennt.“ Die wahren Hintergründe verschwieg sie lieber; wer hätte ihr glauben sollen, dass sie in einer Zeitschleife gefangen gewesen war. Sicher nicht einmal diese bunte Schar von Retrologen. „Ich verlor das Bewusstsein, und als ich wieder zu mir kam, war er nicht mehr hier.“
„Du hast die Explosion miterlebt?“, staunte Pofski. Endlich brannte die Zygar und er paffte dicke Qualmwolken in die Luft. „Da hast du aber verdammtes Glück gehabt.“ Er deutete in die Runde. „Wir sind erst vor zwei Tagen angekommen. Abgesehen von drei anderen Retrologengruppen sind wir noch keiner Menschenseele begegnet. Wie sieht dein Freund denn aus?“
Das war ein Problem. Aruula überlegte kurz, was sie sagen sollte. „Mein Gefährte – er heißt Samugaar – ist ein Mutant. Wir waren mit einem fliegenden Wagen unterwegs. Den hättet ihr wohl kaum übersehen.“
„Ein fliegender Wagen?“ Das Interesse von Parish Bow war schlagartig geweckt. „Ein EWAT3) vielleicht, wie sie die Bunkermenschen in Britana benutzen?“
„So ähnlich.“ Aruula mochte die aufdringliche Art des Mannes nicht. Und das gierige Glitzern in seinen Augen hatte sie schon bei zu vielen Menschen gesehen. Er machte keine Anstalten, seine Gier zu verbergen. „Ich muss Kontakt mit ihm aufnehmen, aber die Reichweite meines Funkgeräts ist begrenzt.“
„Mit einem EWAT kann man schnell weite Strecken zurücklegen“, überlegte Pofski. Der Ballonfahrer paffte seine Zygar und blies immer wieder Rauchkringel in die Luft. „Wenn du ihn seit der Explosion nicht mehr gesehen hast, könnte er schon auf der anderen Seite der Erde sein.“
„Das glaube ich nicht“, sagte sie schnell, obwohl sie es nicht wusste. Samugaar hatte nicht über seine weiteren Pläne gesprochen, was sich jetzt als Nachteil erwies. Am wahrscheinlichsten erschien es ihr, dass er zurück nach Yucatán geflogen war, zu jener Pyramide, über die er zurück in seine eigene Welt gelangen wollte. Und die lag tatsächlich auf der anderen Seite der Erdkugel.
„Man müsste die Reichweite des Funkgeräts verstärken“, sagte Wallace Trace, während er fahrig an seinen Fingernägeln knabberte. Immer wieder fuhr er sich mit der Hand durch die Haare, was erklärte, warum seine Frisur aussah, als hätte ein Tornado sie verwüstet. „Wenn man es mit einem stärkeren Sender verbindet, kann man die Reichweite um ein Vielfaches potenzieren.“