Maddrax 353 - Andreas Suchanek - E-Book

Maddrax 353 E-Book

Andreas Suchanek

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Beschreibung

Während sich Matt und Aruula noch in Maine aufhalten, nähert sich Arthur Crows Armee quer über den meerakanischen Kontinent langsam Waashton. In der Maske General Fudohs will er das Heer der Jellos benutzen, um Stadt und Pentagon unter seine Kontrolle zu bringen. Doch ein anderer Androide stellt sich seinem künstlichen Körper entgegen. Miki Takeo, den Crow vernichtet glaubte, will Seite an Seite mit Mr. Black um Waashton kämpfen. Doch gegen Crow, das muss er bald einsehen, ist er ein veraltetes Modell...

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Serie

Covermaler/in

Autor/in

Am 8. Februar 2012 trifft der Komet „Christopher-Floyd“ die Erde. Die Erdachse verschiebt sich und ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist – bis auf die Bunkerbewohner – auf rätselhafte Weise degeneriert. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, dessen Staffel beim Einschlag durch ein Zeitphänomen ins Jahr 2516 gerät. Nach dem Absturz wird er von Barbaren gerettet, die ihn „Maddrax“ nennen. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula findet er heraus, dass Außerirdische mit dem Kometen – dem Wandler – zur Erde gelangt sind und schuld an der veränderten Flora und Fauna sind.

Nach langen Kämpfen mit den gestaltwandlerischen Daa’muren und Matts Abstecher zum Mars, auf dem die Nachfahren der ersten Marsmission eine eigene Zivilisation errichtet haben, entpuppt sich der Wandler als lebendes Wesen, das jetzt erwacht, sein Dienervolk in die Schranken weist und weiterzieht. Es flieht vor einem kosmischen Jäger, dem Streiter, der bereits die Spur zur Erde aufgenommen hat! Bei seiner Ankunft versuchen Matt und seine Gefährten, ein Stück eines lebenden Steinflözes in den Streiter zu versetzen, das ihn versteinern soll. Dies gelingt nach einigen Komplikationen, zu denen auch eine Reise durch verschiedene Parallelwelten zählt. Der lebende Stein wurde von sogenannten Archivaren entwickelt, die in einer Welt zwischen den Paralleluniversen leben und in einem „zeitlosen Raum“ technische Artefakte aller Epochen sammeln.

Von dort kommt die nächste große Bedrohung: ein Archivar namens Samugaar, der in Matts Welt und Zeit strandet und die Erde erobern will. Durch ein Schlangengiftserum macht er Aruula hörig. Matt, der sich schon zuvor von ihr getrennt hatte, nachdem sie durch einen Unfall den Tod seiner Tochter verschuldete, trifft sie beim Endkampf gegen Samugaar wieder. Die Archivare entgiften Aruula, bevor die und Matt durch ein Zeittor in ihre Welt zurückgeschleudert werden. Mit ihnen gelangt eine BagBox herüber, ein lichtschluckender Koffer, in den Samugaar bereits etliche Artefakte gepackt hat, mit denen er die Weltherrschaft an sich reißen wollte. Beim Übergang implodiert die BagBox und verteilt ihren Inhalt über die ganze Erde.

Sie spüren dank eines Scanners aus dem zeitlosen Raum in New Orleans das erste Artefakt auf, das Kontakt zu Toten herstellen kann. Um die Machtverhältnisse dort zu stabilisieren, überlassen sie es dem Voodoopriester. Zuvor erhält Aruula Kontakt zu einer verstorbenen Göttersprecherin, die ihr drei Aufgaben übermittelt, durch die sie die Gnade ihres Gottes Wudan erlangen und die Schuld tilgen kann, die sie als Samugaars Werkzeug auf sich geladen hat. Von der AKINA aus, einem verlassenen Raumschiff der Marsianer im Orbit, orten sie die nächsten Artefakte. Bei den Niagarafällen finden sie dank der ersten Weissagung einen globalen Nanobot-Ausschalter, und in Maine können sie bei Wulfanen ein Artefakt an sich bringen und zerstören, das jeden Stromfluss unterbricht.

Androiden-Herrscher

von Andreas Suchanek

Waashton, Juli 2528

Er konnte die Angst in ihren Gesichtern sehen, den Schweiß auf der Haut, ihre zitternden Hände. Die Menschen von Waashton standen kurz vor einer ausgewachsenen Panik. Und sie hatten auch allen Grund dazu. Arthur Crow lächelte zufrieden und deaktivierte die Zoom-Funktion seiner Okularimplantate.

Die Stadtmauer von Waashton mit ihren von Rissen durchzogenen Steinen wurde zu einer ebenen, eine halbe Meile entfernten Fläche, und die Verteidiger zu winzigen Figuren, die über die Zinnen krochen.

„Soll ich den Angriff befehlen?“, fragte Simyuu. Die Vorfreude in der Stimme des Jellos war nicht zu überhören.

„Der Einzige, der den Sturm auf Waashton loslässt, bin ich“, erwiderte Crow. Sein Untergebener senkte demütig den Kopf.

Los Angeles, Juni 2528

Von den Straßen drang Lärm zu ihr herauf. – Schon wieder! Das verdammte Pack erschwerte ihr noch immer die Arbeit. Angelica Ironside trat kopfschüttelnd an eines der Fenster, die sich über die gesamte Front der oberen Ebene zogen. Sie hatte die meisten von ihnen mit Stofffetzen behangen, damit die Fabrikhalle nach außen hin verlassen und heruntergekommen wirkte. Niemand würde unter diesem verwahrlosten Betonklotz ein geheimes Labor vermuten. Auch nicht die drei Jellos, die durch die Straßen patrouillierten. Zwischen sich führten sie zwei Pales in orangefarbener Montur, die mit spitzen Stöcken Papierfetzen einsammelten und Schrott zur Seite hievten.

Die eifrigen gelben Andronen legen ein ordentliches Tempo an den Tag, dachte Angelica beeindruckt.

Der Kampf um die Stadt lag gerade mal eine Woche zurück und schon griffen überall die neuen Strukturen, die mit knallharter Effizienz aufgebaut wurden. Kaum verwunderlich, hielt doch niemand Geringerer als General Arthur Crow – wenn auch in einem Androidenkörper mit dem Äußeren eines Jellos – die Fäden in den Händen. Die überlebenden Pales, Mechicos und Blax dienten als Sklaven. Sie mussten die Stadt sanieren, säubern und allerlei niedere Arbeiten verrichten. Gleichzeitig galt es, die Armee neu aufzubauen.

Hätte er sich mir nur zu erkennen gegeben, dachte Angelica mit einem Seufzen. Wir könnten gemeinsam herrschen und die Gelbhäute wären dort, wo sie hingehören: in den Lagern.

Sie verließ ihren Platz am Fenster, um das neue Projekt in Angriff zu nehmen. Schließlich wollte sie ihre Zeit nicht mit sinnlosen Beobachtungen vergeuden. Crow, der sich nun Crootu nannte, zählte auf sie, und wenn Angelica eines beherrschte, dann sich anzupassen und den Mächtigen zu geben, was sie verlangten.

Das Knarzen der morschen Holzstufen hallte überlaut durch die Fabrikhalle. Von der Decke im Erdgeschoss baumelte eine rostige Kette, an der sie zog. Rumpelnd rollte ein Eisentor zur Seite. Dahinter verloren sich in Stein gehauene Stufen in der Dunkelheit. Angelica legte einen Schalter um, worauf eine Wandlampe die Düsternis erhellte. Die Treppe war staubig, ihre Fußspuren waren darauf zu sehen. Sie stieg in die Tiefe und verschloss das Tor mit dem Zug an einer weiteren Kette.

Eine mit einem Codeschloss gesicherte Tür versperrte ihr den Weg in den inneren Bereich. Sie gab eine Zahlenfolge ein, öffnete die Tür – und betrat eine andere Welt. In den weißen, blank polierten Bodenplatten spiegelte sich der Schein der Deckenleuchten, die medizinischen Instrumente funkelten steril.

Inmitten des Raumes war ein Behandlungsstuhl fest mit dem Boden verschraubt, auf dem eine glatzköpfige Frau lag. Ihre Arme und Beine waren mit Lederbändern fixiert. Vor kurzem noch hatte sie eine rotblonde Mähne getragen, doch in den Folterkellern des ehemaligen Stadtschutzes verloren alle Gefangenen Freiheit, Identität und Haare. – Letzteres erleichterte das Anbringen der Saugnäpfe für die Elektroschocks ungemein.1

„Da bin ich wieder“, sagte Angelica beschwingt.

„Wie schön. Und ich dachte schon, du lässt mich hier unten verrotten.“ Brina öffnete die Augen. „Du und Crow, ihr gebt ein tolles Paar ab. Zwei Sadisten, die sich gefunden haben.“

„Der General ist ein großer Mann, das war er immer.“ Angelica trat an die Liege heran und betrachtete die Kopfhaut der Gefangenen, auf der sich leichte Rötungen abzeichneten. Rückstände der zuvor angebrachten Saugnäpfe. „Unter seiner Führung hätte man mich niemals aus dem Bunker der WCA2 geworfen.“ Selbst nach all den Jahren brannte der Hass auf Präsident Victor Hymes und die übrige Bagage aus Waashton so hell wie ein Trilithium-Reaktor in ihr. „Sie wollten Ergebnisse sehen, sich dabei aber nicht die Hände schmutzig machen. Das Supersoldaten-Projekt hätte die Welt verändert. Und ich stand auch kurz davor, ein Serum gegen die Immunschwäche zu entwickeln. Man hätte das Blut dieses Klons Mr. Black, der sich dann zum Terroristen mauserte, gar nicht gebraucht.“

„Ich verstehe“, sagte Brina sarkastisch. „Du bist das arme Opfer.“

Angelica atmete tief ein und wieder aus. Nicht die Beherrschung verlieren! Für einen Moment hatte sie tatsächlich fast die Kontrolle verloren. So etwas durfte sich nicht wiederholen. „Das ist Vergangenheit. Der General wird mit dem kümmerlichen Rest dieser Taratzenärsche in Waashton aufräumen.“ Sie nahm ein Skalpell und betrachtete es im Schein des Neonlichts. „Das soll uns hier aber nicht weiter kümmern. Crow will dich als Lockvogel verwenden, um irgendeinen Matt Drax in die Finger zu bekommen. Bis es soweit ist, wirst du uns auf andere Weise behilflich sein.“

Brina begann zu zittern. „Was hast du vor?“

„Ich wiederbelebe das Supersoldaten-Projekt“, erwiderte Angelica. „Du darfst dich glücklich schätzen, die erste menschliche Kampfmaschine in Crows Diensten zu sein. – Wie klingt das?“

„Wage es nicht!“

„Ich dachte mir schon, dass du die Ehre nicht zu schätzen weißt.“ Angelica setzte die Spitze des Skalpells am Os occipitale – dem Hinterhauptbein – an. „Ich werde mit einem fingernagelbreiten Einschnitt eine Öffnung schaffen, um dir …“

„Halt!“, unterbrach eine Stimme ihre Ausführungen.

Angelica blickte auf. „Sie, General?“

Crow trat bedächtig näher. Die „Iron Lady“ ließ das Skalpell sinken, Brina atmete geräuschvoll auf. Obwohl er sich inzwischen an den neuen Androidenkörper gewöhnt hatte, verblüfften ihn dessen zahlreichen Fähigkeiten immer wieder. Seine olfaktorischen Sensoren leiteten von Brinas Ausdünstungen – Angstschweiß – ihren Gemütszustand ab, zogen Referenzwerte aus der Datenbank und glichen die Körperwärme ab. Die Gründerin der Bürgerwehr von El’ay stand kurz vor der Bewusstlosigkeit. Angelica Ironside hingegen genoss ihr Tun.

„Wie haben Sie das Schloss geknackt?“, fragte die ehemalige Bürgermeisterin von El’ay.

„Sie glauben doch nicht etwa, dass ein einfaches Codeschloss mich aufhält?“ Er lachte kurz auf; es klang beinahe menschlich. „Ich benötige Ihre Hilfe in einer unaufschiebbaren Angelegenheit. Alles andere muss warten.“

Sie nickte sofort und trat an seine Seite. „Gehen wir doch in mein Büro.“

Sie schritt voraus, er folgte. Schon beim Übertritt von der Fabrikhalle in den medizinischen Bereich wechselte man von einer Welt in eine andere. Der Übergang in Angelicas Büroraum war noch gravierender: Er war fünfunddreißig Quadratmeter groß, mit einem bestickten Teppich ausgelegt und vermittelte auf den ersten Blick den Eindruck von Gemütlichkeit. Ein filigraner Schreibtisch aus hellem Teakholz stand an der Stirnseite, dahinter ein Sessel. An den Wänden hingen Gemälde, die den Werken von Michelangelo nachempfunden waren. Crow wusste, dass die Iron Lady während ihrer Zeit als Bürgermeisterin von El’ay Brinas Werke bewundert hatte. Die Bilder stammten zweifellos von der ehemaligen Fassadenmalerin.

Angelica ließ sich in ihrem Sessel nieder. „Was kann ich für Sie tun, General?“

„Fudoh hat ganze Arbeit geleistet und an alles gedacht, als er diesen Androidenkörper erschuf“, kam Crow direkt zur Sache. „Während ältere Modelle keinerlei Emotionen besitzen, installierte unser Freund aus Nipoo in diesem Körper eine Art Emotionschip. Auf der Grundlage von eingehenden Sensordaten aller Art setzt er künstliche Körperreaktionen in Gang.“

„Simulierte Gefühle.“ Angelica klang beeindruckt. „Eine so fortschrittliche Arbeit hätte ich ihm nicht zugetraut.“

„Fudoh war immer für eine Überraschung gut.“ Crow verschränkte die Arme hinter dem Rücken und ignorierte den angebotenen Stuhl auch weiterhin. „Bedauerlicherweise hat der Chip eine Fehlfunktion. Zuerst kam es in unterschiedlichen Intervallen zu … emotionalen Ausbrüchen meinerseits. Kurz darauf stellte der Emotionschip seine Funktion vollständig ein. Seitdem handle ich nur noch rational.“

Angelica nickte. „Das erklärt einiges.“

„Was meinen Sie?“

„Nun, Sie sprechen – entschuldigen Sie die deutlichen Worte, General – wie ein Androide. Maschinell. Und ich weiß, dass Ihnen daran nicht gelegen ist. Immerhin sollen die Jellos glauben, dass Sie einen menschlichen Körper besitzen, der lediglich mit einigen Komponenten aufgerüstet wurde. Wenn Sie nicht reden, gestikulieren und sich generell verhalten wie ein Mensch, wird früher oder später jemand die Wahrheit herausfinden.“

„Sie als Leiterin des Supersoldaten-Projekts kennen sich doch mit neuronalen Manipulationen und Emotionssuppression aus, Angelica. Helfen Sie mir.“

„Das werde ich.“ Die Iron Lady durchwühlte eine Schublade des Schreibtischs und zog ein schmales Etui hervor. „Nehmen Sie bitte Platz.“

„Was, hier?“

„Dieses Büro ist so gut geeignet wie jeder andere Ort. Sie bluten nicht, benötigen keine Betäubung, und ich habe alles, was ich brauche, griffbereit.“

Eine Argumentation, deren Logik sich Crow nicht entziehen konnte. Er setzte sich und neigte seinen Kopf um zehn Grad nach links. Eigentlich sollte er beunruhigt sein, immerhin wollte Angelica seinen Schädel öffnen. Ein falscher Griff und er trug möglicherweise bleibende Schäden davon.

Die Iron Lady trat heran, zog ein Skalpell aus dem Etui und schnitt vorsichtig die künstliche Hautschicht auf. Darunter kam Plysterox zum Vorschein. Sie griff nach einem Spezialschrauber und öffnete eine handrückengroße Klappe in seinen Schädel. Aus den Augenwinkeln konnte Crow sehen, wie sie mit einer Pinzette in der Öffnung herumstocherte.

„Hm, interessant.“ Erneutes Stochern. „Ausgezeichnete Arbeit, wirklich.“ Ein Räuspern. „Ich glaube, ich hab’s schon.“ Sie zog ein weiteres Instrument hervor. „Ein Kontakt hat sich gelöst. Keine Sorge General, nichts Ernstes. Wenn ich die Verbindung wiederherstelle, dürfte die Leitung stabil sein … So, das war’s.“

Mit wenigen Griffen war die Wartungsklappe wieder geschlossen und frisches Dermalgel wurde zu fester künstlicher Haut.

Noch während Angelica hantierte, spürte Crow die Auswirkungen. Ein Kribbeln lief durch seine Hände: Aufregung. Seine Emotionen kehrten zurück. Eine Minute und vierunddreißig Sekunden später arbeitete der Chip wieder fehlerfrei.

„Sie haben mir einen großen Dienst erwiesen“, sagte Crow. „Das werde ich Ihnen nicht vergessen.“

„Es war mir eine Ehre, General. Und ich nehme an, es wird nicht der letzte Dienst gewesen sein. Bald ziehen Sie gegen Waashton, nicht wahr?“

„Das ist der Plan.“

„Ich kann Sie dabei unterstützen, auf meine Weise. Bitte folgen Sie mir.“

Euphorisch und mit einem Lächeln sprang Angelica Ironside auf. In diesem Moment wirkte sie nicht wie eine Wissenschaftlerin Anfang vierzig, sondern wie ein kleines Kind am Weihnachtsabend. Ihr aschblondes Haar fiel ihr lose über die Schultern, das Lächeln war echt. Crow kam nicht umhin, beeindruckt zu sein. Diese Frau war etwas Besonderes, das hatte er längst begriffen. Ihr Intellekt, gepaart mit einer auf Logik und Neugier beruhenden Skrupellosigkeit, erinnerte ihn ein wenig an sich selbst.

„Als Sie vorhin kamen, wollte ich mich gerade um Brina kümmern“, erklärte Angelica. „Sie erwähnten das Supersoldaten-Projekt ja bereits. Ich habe vor, es wieder aufleben zu lassen.“

Crow rief sich in Erinnerung, was er über das damalige Vorhaben wusste. Während das Viking-Projekt in Euree aufstrebende Bunkerzivilisationen durch einfallende Nordmänner klein gehalten hatte, wollte Präsident Victor Hymes eine zusätzliche Eingreiftruppe aus Spezialisten schaffen, die für gefährliche Sondereinsätze ausgebildet werden sollten. Eine spezielle Division, die verdeckte Operationen ausführte, ohne Fragen zu stellen – und von der neben dem Präsidenten nur die Führungsriege des Bunkers wusste.

Die dafür ausgewählten Soldaten mussten übermäßigen Belastungen standhalten; weit mehr, als ein gewöhnlicher Mensch ertragen konnte. Angelica Ironside hatte vorgeschlagen, den Männern und Frauen spezielle Chips ins Hirn einzusetzen, die über eine gezielte Stresssuppression und -multiplikation, die wiederum zu einer Ausschüttung von Adrenalin und Endorphinen führte, deren Leistung steigerten. Die Erfolge waren tatsächlich beeindruckend, endeten aber stets mit dem Tod des Testsubjekts.

„Sie wollen Brina einen Supersoldaten-Chip einpflanzen?“

Angelica nickte eifrig. „Ich habe einen neuen Prototyp entwickelt. Warum, glauben Sie, steckte ich die Jellos in Auffanglager? Wenn von dort jemand verschwand, bemerkte das niemand. So konnte ich weiter an dem Projekt arbeiten und schließlich … das hier fertigstellen.“ Sie hielt einen Glaszylinder in die Höhe. Darin befand sich ein Mikrochip, der von einer Klammer gehalten wurde.

Crow zoomte das Wunderwerk der Technik heran. Der Chip war etwa daumennagelgroß und von allerlei eingeätzten Bahnen und Mikroleiterpunkten bedeckt. „Sie wissen, dass ich Brina noch benötige?“, fragte er skeptisch.

„Aber natürlich“, erwiderte Angelica schnell. „Ich versichere Ihnen, der Chip ist nahezu perfektioniert. Zweifellos wird es Nebeneffekte geben, jedoch nichts Lebensbedrohliches. Und bedenken Sie, was wir mit einer solchen Technik bewerkstelligen könnten! In Serie produziert, erschaffen wir damit eine Armee!“

Ein verlockender Gedanke, da musste er ihr beipflichten. Natürlich entging ihm Angelicas Intention nicht. Wo sah sich die Iron Lady in der Zukunft? An seiner Seite? Dann würde er ihr bald begreiflich machen müssen, dass es niemanden neben ihm an der Spitze geben konnte. Bis dahin aber war sie ein nützliches Werkzeug.

„Also gut, tun Sie es“, gab er sein Okay.

Damit war alles gesagt. Er wandte sich ab und verließ das unterirdische Labor. Als Angelica hinter ihm zum ersten Schnitt ansetzte, begann Brina zu schreien. Crow blendete die Geräusche aus und widmete seine Aufmerksamkeit den vor ihm liegenden Aufgaben.

Die beiden Wachen nickten Crow mit stolzgeschwellter Brust zu, als er die City Hall betrat. Seine neue Residenz war ein Bollwerk aus Terrakotta und Granit und ragte hoch in den Himmel über El’ay. Sein Büro befand sich in der Spitze des Gebäudes, im 32. Stockwerk. In der Eingangshalle wimmelte es nur so von Jellos, die geschäftig hin und her eilten. Wohin er auch blickte, sie waren überall. Die City Hall war gleichzeitig Nervenzentrum und Hirn der Stadt. Von hier aus steuerten seine Leute den Wiederaufbau nach der Befreiungsschlacht.

Er stieg in den Lift und fuhr nach oben. Im Vorzimmer saß seine neue Adjutantin: Akemi. Als er eintrat, erhob sie sich, blickte schüchtern zu ihm auf und sagte: „Guten Morgen, Tenno.“

Crow verdrehte innerlich die Augen. Seitdem die Jellos das Joch von Angelica Ironside abgeschüttelt hatten, sahen sie in ihm, ihrem Anführer, eine gestaltgewordene Gottheit. Grundsätzlich eine schöne Sache, allerdings gingen ihm die Floskeln und Höflichkeitsrituale auf die Nerven. Ein ›Mister Präsident‹ wäre mir deutlich lieber, dachte er – und lächelte. „Gab es in meiner Abwesenheit etwas Wichtiges?“

Akemi strich sich eine Strähne ihres schulterlangen braunen Haares aus der Stirn. Sie besaß ebenmäßige Gesichtszüge, tiefbraune Augen und eine kecke Stupsnase, was im Vergleich zu seinen früheren Adjutanten in Waashton eine deutliche Verbesserung darstellte. „Simyuu wollte Sie sprechen. Er wartet drinnen.“

Crow nickte ihr kurz zu, dann betrat er sein Büro. Sonnenlicht fiel durch die verglaste Frontseite in den Raum und spiegelte sich in den schwarz lackierten Oberflächen der Teakholzmöbel und dem Granit der Bodenplatten. An den Wänden hingen Gemälde von japanischen Künstlern, die allesamt Szenen aus der Befreiungsschlacht zeigten.

„Crootu“, grüßte ihn Simyuu. Er war der Einzige, der ihn nicht bei seinem Titel ansprach. Crow wollte einen Vertrauten, der auch von seinen anderen Untergebenen so wahrgenommen wurde, daher war ihm das ganz recht.

Er nickte dem Jello zu und sank in seinen Sessel. „Was gibt es?“

„Ich bringe gute Neuigkeiten. Die Garnisonen beginnen morgen mit der Ausbildung der ersten Kadetten. Es haben sich so viele gemeldet, dass wir die Hälfte ablehnen mussten.“

„Die Hälfte!“ Scheinbar wollte ganz El’ay zum Militär.

Simyuu nickte. „Wir bauen weitere Kasernen auf, um mehr Rekruten annehmen zu können. Das wird natürlich noch eine Weile dauern.“

„Was machen die Kaderschmieden? Ich will, dass du dieses Projekt vorrangig behandelst.“

„Die ersten Gebäude sind bezogen und ich habe einen Leiter für das Schattennetzwerk ernannt. Er heißt Shento.“

Simyuu hatte sich verändert. Der quirlige Jello war an seinen neu übertragenen Aufgaben gewachsen. Der Hauptmann der zukünftigen Armee trug seit der Befreiungsschlacht eine Narbe, die quer durch die rechte Augenbraue verlief. Mit der Verletzung schien etwas von ihm abgefallen zu sein, was ihn bisher klein gehalten hatte: Angst. Die graue Soldatenuniform von El’ay stand ihm gut. „Das sind ausgezeichnete Neuigkeiten. Aber sie reichen nicht aus.“

Simyuu neigte fragend den Kopf. „Was kann ich noch tun?“

Er stellt immer die richtigen Fragen. „Sie werden in Waashton mittlerweile von dem Krieg hier in El’ay erfahren haben. Wir können nicht das Risiko eingehen, dass sie intervenieren. Vergiss nicht, die WCA sieht sich als Weltpolizei, die ihre Nase in Dinge steckt, die sie nichts angeht.“

Dass er jahrelang selbst der oberste Weltpolizist gewesen war, verschwieg er. Auch Simyuu wusste nichts von seiner wahren Identität.