Maddrax 467 - Jana Paradigi - E-Book

Maddrax 467 E-Book

Jana Paradigi

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Beschreibung

Auf dem Mars wird Nomis Stand immer schwieriger. Nicht nur, dass sie mit den katastrophalen Folgen des Genesis-Effekts und der Unzufriedenheit der Bevölkerung zu kämpfen hat, jetzt erweist sich zusätzlich, dass Armand Gonzales sie eiskalt hintergangen hat. Und nun lehnen sich auch noch die Waldmenschen gegen sie auf!

Nur der Hydree Wang'kul kann ihr jetzt noch helfen - indem er einer Milliarden Jahre alten Spur folgt und das Erbe seiner Rasse annimmt. Doch die Expedition zum Ort der Weissagung ist riskant, und er muss alles aufgeben, war zuvor für ihn von Bedeutung war...

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Seitenzahl: 149

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Inhalt

Cover

Impressum

Was bisher geschah …

Der große Verrat

Leserseite

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Lektorat: Michael Schönenbröcher

Titelbild: Néstor Taylor/Bassols

Autor: Jana Paradigi

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5559-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Am 8. Februar 2012 trifft der Komet »Christopher-Floyd« – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist degeneriert. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, »Maddrax« genannt, dessen Staffel ins Jahr 2516 versetzt wird. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese für ihn fremde Erde. Bis sie durch ein Wurmloch, das sich im Forschungszentrum CERN auftut, in ein Ringplanetensystem versetzt werden, während der Mond auf die Erde zu stürzen droht.

Auf dem Ringplaneten herrschen die Initiatoren, die Spezies aus allen Teilen der Galaxis durch das Wurmloch entführen, um sie Kompatibilitäts-Tests zu unterziehen. So geraten auch Matthew Drax, Aruula und Matts Tochter Xaana in das fremde Sonnensystem, stoßen jedoch durch die Einmischung der Kontras auf das dunkle Geheimnis der Systemherren: Man will einen Teil der Menschheit auf den Mond Novis umsiedeln, um deren Gehirne für eine Art Superrechner zu nutzen, und macht sich die Zwangslage zu Nutze, dass der Erdmond abzustürzen droht. Doch dann werden die Gefährten gefangen und ihrer Erinnerungen beraubt. So helfen sie in gutem Glauben den Initiatoren bei ihren Versklavungsplänen.

Während Aruula und Xaana auf Novis bleiben, reisen Matt und der Initiator Hordelab zur Erde, um Peilsender an hochstehende Zivilisationen zu verteilen, mittels derer sie später geortet und evakuiert werden sollen. Um Kontakt zu Techno-Enklaven aufzunehmen, lassen die Wissenschaftler vom Hort des Wissens einen Satelliten aufsteigen. Begleitet von Xij, der Mutter Xaanas, und deren Mann Tom Ericson macht sich Matt mit dem Amphibienpanzer PROTO auf den Weg und trifft dabei auf die Kolonie Colonel Kormaks, erkennt aber dessen Machtgier und überlässt ihm keinen der Peilsender. Darum überfällt Kormak die benachbarte Community und eignet sich deren Sender an.

Aus Agartha stoßen die Daa’muren Grao und Ira zu den Gefährten. Als sie von einem Dorf mit überlebenden Artgenossen in Indien erfahren, wollen sie es ausfindig machen. Matt überlässt ihnen PROTO und springt mit Hordelab und den anderen nach Meeraka.

Nach langer Fahrt stoßen Grao und Ira auf Fort Allahabad am Ganges, das ein Dutzend Daa’muren von den Menschen erobert hat. Angeführt werden sie von einem Sol, der in einem beschädigten Kristall eingesperrt ist – jener, zu dem der Splitter passt! Während Grao sich seinem Volk zugehörig fühlt und das Bruchstück herausgibt, hat Ira Vorbehalte. Schließlich kommt es zum Bruch zwischen ihnen – auch weil der Sol, der sich nun aus seinem Gefängnis befreien kann, Iras Körper fordert. Als letzten Dienst verhilft Grao ihr zur Flucht. Wenig später muss er selbst fliehen, als er den Sol tötet. Sie treffen auf Matt Drax, der die erste Evakuierung nach Novis einleitet und ein Menschendorf vor den Daa’muren rettet.

Der große Verrat

von Jana Paradigi

»Geht das nicht schneller?« In der ehemaligen Zentrale der Jungen Wilden wartete Armand Salvator Gonzales ungeduldig darauf, dass die Kleine, die er als Technikgenie in die Partei eingeschleust hatte, eine sichere Verbindung zur Raumflotte herstellte.

Proxxy blickte stur geradeaus und hackte weiter auf ihrer Tastatur herum. »Grad kommt eine Meldung auf dem anderen Kanal rein. Ich schick sie aufs Com-Armband, wenn’s dem Herrn recht ist.«

Armand schnaubte, schob seinen Ärmel zurück, aktivierte das Display und las: Meldung aus dem Exil-Lager. Fischmenschen planen Expedition. Kennen angeblich Heilmittel. Was sollen wir tun? Armand lächelte, als er die Antwort eintippte.

Seit zwei Stunden wartete Ilkani auf dem Dach. Der Lärm der Straße verstummte nach und nach. Lichter wurden gelöscht und Ladentüren verschlossen. Die Dämmerung eroberte die Welt zurück. Noch etwas Geduld, dann konnte Ilkani sich ungesehen bewegen.

Ein lautes Kreischen über ihr ließ sie zusammenzucken. Ein Vogel, der sich im Sturzflug auf einen anderen stürzte und ihn mit sich riss. Beide landeten mit einem dumpfen Aufprall auf dem Dach. Das Opfer rührte sich nicht mehr. Der Angreifer, mit einem leicht grünlichen Schimmern auf seinen Federn, hackte in den Kadaver und riss große Stücke Fleisch heraus.

Die Marsianerin erschauderte. Die Tiere, die sich sonst von Früchten und Samen ernährten, wollten sich ebenfalls nicht nehmen lassen, wonach es sie neuerdings gelüstete. Der Genesis-Regen hatte Einfluss auf so vieles auf diesem Planeten gehabt, nicht nur auf die Menschen. Die Natur ergriff die Chance auf Evolution und passte sich an.

Ilkani riss sich von dem grausam faszinierenden Schauspiel los und widmete sich ihrem eigenen Plan. Wenn sie jetzt noch ein paar Minuten lang keine Türen, Stimmen oder sonstige Geräusche der Anwohner hörte, konnte sie loslegen. Das war ihre Regel – geduldig abwarten und dann schnell und leise zuschlagen.

Jetzt! Ihr Adrenalinspiegel stieg und schenkte ihr diesen kleinen beflügelnden Rausch. Sie erhob sich geschmeidig und lief lautlos zum oberen Eingang des Treppenhauses. Die Tür besaß nicht einmal ein Schloss.

Auf dem Weg hinab nahm sie mehrere Stufen auf einmal und griff in den Kurven in das Geländer, um die Geschwindigkeit beibehalten zu können. Unten angekommen, pausierte sie. Nicht, weil sie ihre Kräfte überschätzt hatte, sondern um den Atem zu beruhigen. Für den nächsten Schritt brauchte es Konzentration und Bedachtsamkeit.

Das Treppenhaus hatte ihr nur als sicherer Weg zu ihrem eigentlichen Ziel gedient. Von hier aus musste sie erneut hinaus auf die Straße. Nur drei Schritte entfernt auf der linken Seite war die Eingangstür zu dem kleinen aber feinen Geschäft für Data-Sticks und Systemware.

Ilkani war bereits zweimal hier gewesen und hatte sich genauestens umgesehen. Das zusätzlich magnetisch gesicherte Schloss in Verbindung mit der Watch-Cam war das größte Hindernis. Die Sicherheitsvorkehrungen im Laden selbst waren dagegen kaum der Rede wert.

Vor allen Dingen aber musste es schnell gehen, um nicht doch noch von irgendeiner neugierigen Nase entdeckt und gemeldet zu werden. Genau deshalb hatte Ilkani sich minutiös auf die Schritte vorbereitet, die jetzt zu tun waren.

Sie atmete tief ein und hielt die Luft an. Der dadurch entstehende Druck in ihrem Kopf half ihr, die neuen Fähigkeiten zu aktivieren. Sie musste den Blick auf das Ziel ausrichten und dabei im Geiste visualisieren, was sie tun wollte.

»Mach schon«, zischte Ilkani durch zusammengebissene Zähne. Mehr Druck, sagte ihre innere Stimme. Also presste sie die Hände zu Fäusten zusammen und spannte die Arme.

Endlich bewegte sich die Watch-Cam. Stück für Stück klappte sie, wie von Geisterhand geschoben, nach oben, bis die Linse zur Decke zeigte. Jetzt das Schloss. Ilkani drückte sich noch etwas weiter in das Halbdunkel des Hauseingangs.

Sie kannte das Schaltbild des Schlosses. So etwas gab es im Media-Net, wenn man wusste, wo man suchen musste. Es galt die zwei inneren Stifte zurückzudrängen, die Trommel zu drehen und danach den magnetischen Kontakt zu unterbrechen. Und das alles, ohne dabei die Spannung absinken zu lassen.

Ilkani atmete ein weiteres Mal tief ein. Es würde knapp werden. Zuhause schaffte sie zweieinhalb Minuten. Das war das Maximum. Ab da wurde ihr regelmäßig schwindelig und der Zwang, Luft zu holen, zu groß, um konzentriert zu bleiben.

Als sie die Energie strömen fühlte, öffnete sie die linke Hand und hob sie an. Bei diesem Schritt half es ihr, die Bewegungen des Schlossmechanismus mit den Fingern nachzuzeichnen – wie ein Dirigent. Diesmal konnte sie nichts sehen; sie musste fühlen, ob es klappte. In sich horchen und dabei die Aufregung klein halten. Denn sonst drohte ihr Herzschlag den Rest zu übertönen.

Der erste Metallstift gab vor ihrem geistigen Auge nach. Dann der zweite. Sie sandte der Trommel den Befehl, sich zu drehen, versuchte sie anzuschieben. Doch sie rührte sich nicht.

Verdammte Technokacke! Ilkani presste die Zunge an den Gaumen und spannte die Kiefermuskeln an. Nicht atmen! Bleib bei der Sache!

Diesmal versucht sie die Trommel eher zu locken, mit ihren Kräften darüber zu gleiten, als wollte sie sie streicheln und ihr gut zureden.

Es half. Ilkani konnte es nicht erklären oder auch nur in seiner Gesamtheit erfassen, aber irgendwie hingen ihre Fähigkeiten, die sie durch die Genesis-Sporen erhalten hatte, mit ihren Gefühlen zusammen. Es war wie ein Tanz, für den man die Schritte können und die Spannung im Körper halten musste. Aber wirklich tanzen konnte man eben nur mit Musik.

Der mechanische Teil war erledigt, doch noch waren nicht alle Hürden genommen. Ilkani spürte den inneren Druck nun auch auf den Ohren. Ihr wurde die Kehle eng. Sie war über der Zeit, doch noch hielt sie den Fokus. Ich muss es schaffen. Ich muss einfach.

Die aufsteigende Wut, gepaart mit der Anspannung, gab den Impuls. Ilkani fühlte die Druckwelle, wie sie einer unsichtbaren Faust gleich die magnetische Sicherung zerquetschte. Das Schloss klackte leise. Der Weg hinein war frei. Das Training hatte sich also doch gelohnt!

Ilkani huschte in den Laden. Im Inneren war es dunkel, doch das machte nichts. Einmal Blinzeln nur und ihre Augen hatten sich an die Lichtverhältnisse gewöhnt. Sie konnte so gut wie tagsüber sehen, nur dass die Farben fehlten. Ein weiteres Geschenk des grünen Regen, auch wenn sie dafür hatte leiden müssen.

Der Tag war die lebendig gewordene Hölle gewesen. Sie hatte sich nicht an die Ausgangssperre gehalten, sondern war auf Beutezug gegangen. Alleine auf den Straßen, weil alle anderen sich an das Verbot hielten und zu Hause verkrochen. Ihr Ziel war ein Lagerhaus gewesen. Doch im Gegensatz zu heute war sie damals an den Sicherheitsvorkehrungen gescheitert. Das magnetische Schloss hatte sich als ein neuartiges Model herausgestellt, das mit ihren Werkzeugen und dem obligatorischen Schocker nicht zu knacken gewesen war. Obendrein war dann der Regen gekommen.

Sie hatte versucht, einen Unterschlupf zu finden. Doch die ersten Regentropfen hatten so sehr auf ihrer Haut gebrannt, dass sie noch auf dem Fabrikgelände zusammengebrochen war und vor Schmerz schließlich das Bewusstsein verloren hatte.

Als sie erwacht war, war die Genesis-Wolke bereits vorbei gezogen, doch der Schmerz war geblieben. Nur mit allergrößter Anstrengung hatte sie sich zurück in ihren Unterschlupf geschleppt. Sie hatte sich nicht getraut, um Hilfe zu bitten. Jeder hätte gewusst, dass sie das Verbot missachtet hatte und trotz Ausgangsperre auf den Straßen gewesen war.

Aber der Überlebenskampf hatte sich gelohnt. Sie hatte ihr Verderben zu ihrem größten Schatz gemacht. Zu ihrem Ticket raus aus dem Elend ihres Daseins.

Jackpot!, dachte sie, als sie durch die vollgepackten Regalreihen des Ladens wanderte. Sie würde nur ein Bruchteil von dem, was hier herumlag, mitnehmen können. Daher war sie auf etwas ganz Spezielles aus: den Schrank mit den Systemware-Platinen für die Com-Armbänder. Die bekam man nur mit gültiger ID-Card ausgehändigt. Eine pro Marsbürger. Damit man die Com-Einheit jederzeit einer bestimmten Person zuordnen konnte.

Sie wollte gerade die Vitrinentür öffnen, da stach ihr eine spitze Klinge ins Gehirn. Zumindest fühlte es sich so an. Ilkani verlor das Gleichgewicht, stieß rücklings gegen ein Regal und räumte deren Inhalt aus, während sie daran entlang zu Boden rutschte.

Zu viel Lärm. Innen wie außen. Alles in ihr krampfte sich zusammen. Ihr Sichtfeld verengte sich zu einem schmalen Korridor. Es war einer dieser Anfälle, die in Schüben kamen und jedes Mal wie eine meterhohe Welle über sie hereinbrachen. Das Blut rauschte in ihren Ohren. Ihr Herzschlag raste.

Ein Entkommen gab es nicht. Sie musste den Schmerz aushalten, bis er in ihr explodierte. Nichts, was sie bisher versucht hatte, hatte geholfen. Nichts konnte sie davon abhalten, die Kontrolle zu verlieren.

Sie hörte Glas platzen und Scherben zu Boden klirren. Holz barst. Und schuld war sie! Ihre Kräfte waren losgelassen und legten den Laden in Schutt und Trümmer. Der Anfall war so stark wie am Tag nach dem Regen. Damals hatte sie ihren Unterschlupf zerstört. All ihre Habe war zerbrochen, all ihre mühsam zusammengeklauten Möbel waren zersplittert.

Ein hoher pfeifender Ton erklang in ihrem Kopf. Oder war er im Außen? Der Alarm! Er muss aufhören. Sie werden mich hören. Sie werden mich finden.

Ilkani griff sich in die Haare, zerrte an den zottigen Strähnen, bis sie den Schmerz an der Kopfhaut spüren konnte. Ein Anker in dieser schwärzer werdenden Leere. Ein Punkt, auf den sie sich konzentrieren konnte. Lag sie? Stand sie? Raum- und auch Zeitgefühl hatte sie verloren.

Da waren Stimmen. Undeutlich, aber real. Es war zu spät. Jemand hatte sie entdeckt und würde die Sicherheitskräfte rufen. Oder waren sie schon da? Panik machte sich in ihr breit, verstärkte das Rauschen nur noch. Der Schmerz explodierte erneut, diesmal direkt hinter ihrer Stirn. Die Stimmen wurden zu Schreien. Ilkani sank zu Boden. Doch sie spürte keinen Aufschlag. Alles in ihr fühlte sich taub an, als würde sie in Watte schweben.

Der Rausch ließ nach. Mühsam nur konnte sie ihre Augen öffnen – und kniff sie gleich wieder zusammen. Blendend weißes Licht strahlte ihr entgegen. Die Stimmen, die sie gehört hatte, wurden nun deutlicher.

»Es ist eine von denen! Seid vorsichtig!«, rief ein Mann.

Ilkani wollte antworten, doch ihr versagte die Stimme. Sie war nicht gefährlich. Sie hatte nie jemanden verletzt – zumindest nicht absichtlich –, und hatte es auch nicht vor. Sie war hier, um zu stehlen, nicht um zu töten.

»Mach schon! Zieht ihr den Sack über den Kopf! Benutz den Schockstab, um sie auf Abstand zu halten!«, war da eine zweite Stimme; dumpf, als hatte die Person Stoff vor ihrem Mund.

Ilkani wollte sich aufrichten, doch es ging nicht. Ihr Körper wollte nicht tun, was sie befahl. Ihr Hals war trocken, ihre Lippen brannten. Noch einmal versuchte sie die Augen zu öffnen. Nur einen kleinen Spalt.

Drei Personen in Schwarz. Sicherheitskräfte, gerüstet mit Helmen und Schutzbrillen. Für Ilkani nicht mehr als bedrohliche Umrisse. Sie bewegten sich und griffen nach ihr, packten sie an den Armen und zerrten sie ein Stück empor. Dann war es wieder dunkel. Stoff über ihrem Kopf. Und wieder diese Panik.

Mit letzten Kräften wand sie sich, doch der Griff des Sicherheitsmannes wurde nur noch schmerzhafter.

»Den Schockstab!«, rief sein Kumpan erneut. Ein leises Klicken ertönte, dann das drohende Surren von Millionen Volt.

»Nein«, brachte Ilkani hervor. »Bitte. Nicht noch mehr Schmerzen.« Sie ergab sich. Ihr Körper war nicht mehr in der Lage, auch nur einen Hauch von Widerstand zu leisten. Sollten sie sie doch tragen. Sollten sie sie verschleppen, wohin auch immer sie wollten. Jetzt war eh alles zu spät.

Sie sah nichts, doch spürte sie, wie sie mit den Unterschenkeln am Boden durch Scherben und Schutt geschleift wurde. Sie spürte das Glas in ihr Fleisch schneiden. Aber auch das war jetzt unwichtig. Ihr Körper nur mehr ein dumpfer Resonanzkörper.

Sie wurde angehoben und landete im nächsten Moment hart auf Metall. Eine der Sicherheitskräfte drehte sie herum, band ihr die Hände auf den Rücken und zerrte sie auf eine Art Bank. Türen wurden zugeschlagen, wahrscheinlich die von einem Gleiter. Das Dröhnen der startenden Maschine bestätigte ihre Vermutung.

Es brauchte Mühe, den Mund zu öffnen. Ihr Hals fühlte sich an, als wäre nicht nur das Glas im Laden, sondern auch ihr Innerstes in kleine Splitter zersprungen. »Wo bringt ihr mich hin?«, fragte sie mühsam.

Doch eine Antwort blieb aus.

»Ich weiß gar nicht, warum du dir das antust«, sagte Chandra und stellte sich in das Sichtfeld zwischen Nomis Schreibtisch und dem großen Media-Display an der gegenüberliegenden Wand. »Wenn du kluge Entscheidungen treffen willst, dann brauchst du einen kühlen Kopf. Du musst deine Gefühle ausblenden.«

Statt Chandras Weisung nachzukommen, erhöhte Nomi die Lautstärke, stand auf und trat neben ihre Mutter, um die Live-Übertragung weiter verfolgen zu können. »Wegsehen und den Kopf in den Sand stecken hilft niemandem«, sagte die Präsidentin durch schmal gezogene Lippen. Eine eingeübte Erwiderung. Die Erste des Landes hatte sich stark zu geben. Hoffnungsfroh. Auch wenn sie in Wahrheit das Gefühl hatte, in einem Strudel unkontrollierbarer Ereignisse zu ertrinken.

Draußen, auf dem großen Platz vor dem Akinat-Gebäude, standen unzählige Waldmenschen und protestierten gegen die Ansiedlung der Erdlinge auf ihrem Territorium. Und Nachtstimme, als ihr Anführer in diesem Kampf, brüllte die Parolen am lautesten.

Nomi sah an seinem Gesicht in Großaufnahme, dass er wirklich an das glaubte, was dieser Seher Tuur Seelenherz ihm eingeredet hatte. Er, der immer zwischen den sprichwörtlichen Stühlen gesessen hatte, hatte sich für sein Volk entschieden. Und dabei gegen seine Liebe. Es war vorbei. Aber der Schmerz tief in Nomis Herz wallte jedes Mal auf, wenn sie ihn sah.

»Es sind zu viele Baustellen auf einmal«, sagte Nomi schließlich resigniert. »Wenn die Marsianer nur verstehen würden. Wir tun doch unser Bestes. Ich tue mein Bestes!«

»Aber sie haben nur ihr eigenes Wohl im Sinn. Jeder will sein kleines Reich verteidigen und Grenzen ziehen. So war es und wird es immer sein, wenn du in einer demokratischen Welt lebst«, erwiderte Chandra. »Die wenigsten sind fähig, über ihr Ego hinaus auf das große Ganze zu blicken, sich nicht als Mittelpunkt wahrzunehmen, sondern als Teil eines kosmischen Gefüges.«

Nomi stellte den Ton aus und wandte sich ab. »Ist unser Verstand wirklich so begrenzt? Werden wir denn nie aus unserer Geschichte lernen?« Ihre Stimme wurde brüchig. »Wie hast du es geschafft, das Volk zu einen?«

Chandra trat zu ihr und legte sachte die Hand auf Nomis Schulter. »Ich kann es dir nicht sagen, Liebes. Ich … habe einfach durchgehalten, bis es an der Zeit für Veränderung war. Das, was kommen soll, wird kommen.«

»Also sind wir machtlos?« Nomi entzog sich der Berührung und ging ein paar Schritte. »Ein weiterer Bürgerkrieg wäre unser Ende! Wir haben jetzt schon nicht genug Ressourcen, auch wenn der Genesis-Effekt auf einigen Feldern das Wachstum angeregt hat. Doch der Schaden auf den restlichen Agraranlagen und beim Vieh überwiegt den Nutzen um ein Vielfaches. Dieses Projekt ist ein einziges Desaster! Das alles hier!«