Magic Academy - Die Kandidatin - Rachel E. Carter - E-Book
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Magic Academy - Die Kandidatin E-Book

Rachel E. Carter

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Beschreibung

Der Kampf um die Schwarze Robe duldet keine Liebenden …

Die 20-jährige Ryiah hat es geschafft – sie ist Kriegsmagierin von Jerar! Doch sie träumt immer noch von der Robe des Schwarzen Magiers, dem Mächtigsten aller Kriegsmagier. Ry hat ein Jahr, um sich auf das prestigeträchtige Turnier um den nächsten Schwarzen Magier vorzubereiten. Dabei muss sie gegen einen Gegner antreten, den sie noch nie besiegt hat: kein Geringerer als ihr Verlobter Prinz Darren …

Die Bestseller-Reihe von Rachel E. Carter verwebt eine betörende Liebesgeschichte mit grandioser Action und schlagfertigen Figuren.

Alle Bände der "Magic Academy"-Reihe:
Magic Academy - Das erste Jahr (Band 1)
Magic Academy - Die Prüfung (Band 2)
Magic Academy - Die Kandidatin (Band 3)
Magic Academy - Der letzte Kampf (Band 4)
Magic Academy - Der dunkle Prinz (Prequel, nur als E-Book verfügbar)

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Seitenzahl: 547

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© Luminis Studio 2017

DIE AUTORIN

Rachel E. Carter ist die USA-Today-Bestsellerautorin der Fantasy-Jugendbuchserie Magic Academy über Magie, Machtkämpfe und eine große Liebe. Kaffee zu horten gehört ebenso zu ihren Leidenschaften wie böse Jungs und Helden vom Typ Mr Darcy.

Mehr über die Autorin unter rachelecarter.com

Mehr über cbj auf Instagram unter @hey_reader

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Deutsche Erstausgabe November 2018

© 2016 by Rachel Carter

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2015

unter dem Titel »Candidate.The Black Mage Book Three«.

© 2018 für die deutschsprachige Ausgabe cbj Kinder- und Jugendbuchverlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Aus dem Englischen von Eva Hierteis

Lektorat: Catherine Beck

Covergestaltung: Umschlaggestaltung und Illustration: Isabelle Hirtz, Hamburg

he · Herstellung: eR

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN 978-3-641-22573-5V004

www.cbj-verlag.de

Rachel E. Carter

MAGIC

ACADEMY

Die Kandidatin

Aus dem Englischenvon Eva Hierteis

Für alle, die als kleine Mädchen lieber ein Schwert als ein Krönchen wollten. Und für alle, die ein Krönchen wollten – denn Krönchen sind auch ziemlich cool. Und für das Mädchen, das beides wollte, denn das rockt.

Eins

Darren lachte leise. Es klang wie Wasser – ein Bach, der sich in Kaskaden über Felsen ergießt. Weich und murmelnd. Tief und souverän. »Du glaubst doch nicht wirklich, dass du mich schlagen kannst, Ryiah?«

Ich stemmte die Hände in die Hüften. »Woher willst du das wissen? Wir sind noch nie gegeneinander angetreten.«

»Ich habe dich bei dem Duell in Port Langli besiegt, als wir noch Lehrlinge waren.«

»Ja, aber das war ohne Magie.« Ich trat von einem Bein aufs andere, während der Prinz mich mit einem vielsagenden Blick bedachte und sich mit den Fingern gegen das Handgelenk tippte. Ihm war anzusehen, dass er hin- und hergerissen war, ob er meine Herausforderung ablehnen oder es mir so richtig zeigen sollte. Prinz Darren von Jerar, Zweiter in der Thronfolge, hatte seinen Stolz.

Aber er war auch stur. Wie ich. Und allem Anschein nach war er nicht gerade begeistert von der Aussicht, sich mit seiner Zukünftigen zu duellieren.

Ich biss mir auf die Unterlippe und überlegte, wie ich ihn dazu bringen konnte, seine Meinung zu ändern. Als Darrens Blick auf meinen Mund fiel, wusste ich es plötzlich: In den vergangenen fünf Jahren hatte uns die gewaltige Anziehungskraft, die wir aufeinander ausübten, oft das Leben zur Hölle gemacht, doch diesmal würde ich sie zu meinem Vorteil nutzen.

»Lust auf eine Wette?«

»Eine Wette?« Darren klang misstrauisch. »Was für eine Wette?«

Ich ging einen Schritt auf ihn zu und legte meine Hand sacht auf seinen eng anliegenden Waffenrock. Als ich die flachen, harten Muskeln unter dem Stoff spürte, musste ich schlucken. Reiß dich zusammen, Ryiah. Jetzt war nicht der rechte Moment, um an so etwas zu denken. Ich sollte doch ihn in Versuchung führen.

»Dünnes Eis, Ryiah.« Der Prinz lächelte.

»Wenn ich gewinne, kommst du mit mir nach Ferren’s Keep.« Ha! Die gesamte letzte Woche hatten wir damit verbracht, über unseren jeweiligen Einsatzort hin und her zu diskutieren.

»Du weißt, dass ich im Palast bleiben muss.«

»Dann besiege mich und du musst nicht weg.«

»Und was ist dein Wetteinsatz?«

Ohne nachzudenken, erwiderte ich: »Alles, was du willst. Du hast freie Auswahl.«

»Alles?« Darren sah mir direkt in die Augen und mir wurde ganz anders. Eine heiße Woge kroch meinen Hals hinauf und schoss mir ins Gesicht, sodass ich feuerrot wurde.

»D-das hab ich nicht gemeint«, stammelte ich.

»Dann sieh zu, dass du nicht verlierst.« Seine Augen blitzten. »Das war doch gerade auch dein schlauer Rat an mich, oder?«

Ich verschränkte die Arme und starrte trotzig zurück. »Einverstanden«, sagte ich, »aber wenn du ›freie Auswahl‹ hast, stelle ich noch eine weitere Bedingung: Sollte ich gewinnen, musst du mit Alex Frieden schließen, wenn sich eure Wege das nächste Mal kreuzen.«

Der Prinz zog kaum merklich den Kopf ein. Er und mein Zwillingsbruder hatten ein angespanntes Verhältnis – und das war noch sehr positiv formuliert. Selbst nach der Magierweihe vor vier Tagen war Alex ihm gegenüber noch immer misstrauisch, wie er mir am Morgen nach der Zeremonie gestanden hatte.

Was insofern nicht einer gewissen Ironie entbehrte, als Darrens Bruder, der Kronprinz von Jerar, mich regelrecht hasste. Fairerweise musste allerdings gesagt werden, dass das auf Gegenseitigkeit beruhte. Es gab niemanden, den ich mehr verachtete als Prinz Blayne.

»Tja, zum Glück habe ich fest vor zu gewinnen.« Ich blickte auf und sah Darrens Grinsen. Bei allen Göttern, selbst wenn er auf arrogant machte, war er attraktiv. Oder vielleicht lag es genau an dieser Überheblichkeit. Am liebsten hätte ich ihm das blasierte Grinsen aus dem Gesicht geschlagen und ihn am Kragen gepackt und geküsst, bis er keine Luft mehr bekam. Vielleicht nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.

Ich konzentrierte mich darauf, meine Haare zu einem straffen Knoten zusammenzudrehen, und gab mich möglichst ungerührt. »Eitelkeit steht dir nicht gut zu Gesicht.«

Er warf mir nur ein wissendes Lächeln zu, stieß sich von der Wand ab und schlenderte lässig auf den Trainingsplatz. Ich folgte ihm, bis wir beide knapp drei Meter voneinander entfernt im Zentrum eines großen Steinpodiums standen. Der Übungsplatz des Palasts war deutlich kleiner als die Außenanlagen, auf denen wir während unserer Ausbildung trainiert hatten, dafür jedoch viel aufwendiger angelegt. Vermutlich, weil wir uns in der Hauptstadt befanden, wo mehr Geld für Schnickschnack ausgegeben wurde als für praktische Lösungen.

Normalerweise bestand eine Kampfarena einfach aus einem ungepflasterten Platz im Freien unter der brennenden Sonne. Lattenzaun drum herum, fertig. Hier im Palast von Devon befanden wir uns dagegen auf einer erhöhten Steinplattform, die von schlanken weißen Säulen und einer halbrunden Steinbank mit dicken Kissen umgeben war. Die Sitzplätze waren durch eine massive Glaswand abgetrennt, die von den Palastalchemisten in regelmäßigen Abständen mithilfe von magischen Elixieren verstärkt wurde.

Auf diese Weise konnte der königliche Hof entspannt seinen Vergnügungen nachgehen, ohne Gefahr zu laufen, dass der Angriff eines Ritters oder eines Magiers im wahrsten Sinne des Wortes danebenging.

Am entgegengesetzten Ende befanden sich in einer kleinen Nische verschiedenste Trainingswaffen und Rüstungen, wobei Darren sich nicht die Mühe machte, sich davon zu bedienen. Die mächtigste Waffe hatte er sowieso stets zur Hand: seine Magie. Als Kampfmagier waren wir in der Lage, jede Waffe heraufzubeschwören, die wir benötigten. Für ein echtes Gefecht würden wir uns natürlich sehr wohl ausstaffieren, doch dies war nur ein Trainingskampf, und wir hatten uns darauf verständigt, dass einzig und allein unsere magischen Fähigkeiten über den Ausgang entscheiden sollten.

»Bereit, Ryiah?«, fragte Darren grinsend.

Ich studierte seine Körperhaltung und erhoffte mir dadurch einen winzigen Hinweis darauf, wie sein erster Vorstoß aussehen könnte. Fünf lange Jahre hatte ich damit verbracht, ihn beim Zaubern zu beobachten, und auch wenn der Prinz gut war, so war doch niemand perfekt. Auch er verriet sich noch immer durch irgendwelche Kleinigkeiten, genau wie wir anderen. Nur dass es bei ihm nicht so offensichtlich war.

Sollte Darren eine klassische Waffe heraufbeschwören, würde er vermutlich seine rechte Hand minimal danach ausrichten – seine Faust nur eine Winzigkeit öffnen, um einen Griff packen zu können. Ebenso würde er sein Gewicht vermutlich stärker auf die rechte Ferse verlagern, wenn er einen mächtigen Zauber aus dem Zentrum seiner Schwerkraft heraufbeschwören wollte, wie zum Beispiel einen kräftigen Windstoß oder Feuer. Doch genau an diesem Tag, an dem es für mich so enorm wichtig war, seine Körpersprache zu lesen, glich der Prinz einer blanken Wasseroberfläche.

Ich machte ein finsteres Gesicht. »Bereit, wenn du es bist.«

»Bei drei geht’s los.« Darren sah mir in die Augen. »Eins … zwei … drei.«

Wir legten beide sofort los und unsere Magie prallte mit brachialer Wucht explosionsartig aufeinander.

Der Rückstoß war immens und schleuderte uns an den entgegenliegenden Enden der Arena gegen einen Stützpfeiler. Mir blieb kaum Zeit, meinen Aufprall durch ein herbeigezaubertes Luftkissen zu dämpfen, ehe ich schon wieder stolpernd auf Darren zurannte und Magie aus meiner Handfläche strömen ließ.

Doch er war noch schneller.

Als mir eine Reihe zischender Dolche um die Ohren sausten, duckte ich mich im letzten Moment. Ich strich mir eine lose Haarsträhne zurück, die aus dem Knoten gerutscht war, und blickte Darren fest in die Augen.

»Hast du Spaß, Liebes?« Es klang amüsiert.

»Und du?« Eine lange Klinge erschien in meiner einen Hand, während ich mit der anderen einen blendend grellen Lichtblitz aussandte. Die Luft schien zu glühen und einen Augenblick lang sah ich nichts als goldenes Licht. Halb blind machte ich mit erhobenem Schwert einen Satz nach vorn und stieß es dann senkrecht herab, wobei ich all mein Gewicht in die Attacke legte.

Doch darauf hatte Darren anscheinend nur gewartet. Unsere Klingen krachten aufeinander und es hallte klirrend über das Podium.

Ich wich einen Schritt zurück und beschwor gerade noch rechtzeitig einen Holzschild herauf, um seinen Hieb abzublocken.

»Netter Versuch, Ryiah.«

»Habe ich mir vom Besten abgeschaut.« Ich machte eine kleine Kunstpause. »Nee, vom Zweitbesten.«

Er schnaubte.

Wir tauschten weitere Schwerthiebe aus und parierten. Innerhalb von Minuten hatte Darren mich mit einem unerträglichen Grinsen zurück über das Podium gedrängt. Die Wucht seiner Hiebe war einfach zu stark, und mein Arm begann unter den heftigen Schlägen zu schmerzen, die ich weit häufiger abwehren musste, als dass ich sie austeilte.

Kurzentschlossen warf ich mich mit meinem Schild nach vorn. Darren konterte die Aktion problemlos, doch das hatte ich einkalkuliert. Während er von dem Angriff abgelenkt war, tauschte ich mein Schwert gegen ein Messer.

Er bemerkte es eine Sekunde zu spät, als ich die Klinge schon in einem Halbkreis nach unten sausen ließ. Noch ehe er ausweichen konnte, erwischte ich ihn seitlich am Bein und wurde mit einem lauten Ratschen des Stoffs und einem roten Rinnsal belohnt.

Ich sprang zurück, um seinem Gegenangriff zu entgehen.

»Hätte wissen müssen, dass du auf das Messer setzt.«

»War schon immer meine Lieblingswaffe.«

Einen Moment lang taxierten wir uns schweigend. Obwohl unser Kampf noch keine zehn Minuten dauerte, atmeten wir beide schwer. Da ich ihm als Erste eine blutende Wunde beigebracht hatte, hatte ich nach den gängigen Zweikampfregeln gewonnen. Doch bei uns ging es um mehr. Wir waren Kriegsmagier. Unsere Definition von Sieg war Aufgabe – oder Tod.

Ich umklammerte das Messer fester. Etappenziel erreicht, weiter geht’s. Im selben Moment, in dem Darren seine Hand senkte, hob ich meine. Unsere Blicke trafen sich und aus unseren Fingerspitzen barst Magie. Das Podium erbebte, und ich sprang zur Seite, um einem breiten Riss auszuweichen, während Darren gleichzeitig um sich einen magischen Schutzschirm erzeugte, um den Pfeilhagel von der Decke abzuwehren.

Diesmal gab es keine Verschnaufpause.

Flammen zischten über den Riss auf mich zu, loderten immer höher und trieben mich in die hinterste Ecke. Ich wirbelte herum und übergoss sie mit Eis, dass es nur so knisterte und zischte, als das Feuer und die Kälte aufeinandertrafen. Einen Moment lang vernebelte dichter Qualm den Kampfplatz. Ich nutzte die Zeit, um kurz die Augen zu schließen und mir für den nächsten Vorstoß eine Szene von früher ins Gedächtnis zu rufen.

Darren und ich. Der Abend, an dem er mir gesagt hatte, dass er mich nicht liebte. Blayne, der mir ins Gesicht lachte, während der Prinz nur mit unergründlicher Miene zusah, wie mein Herz in eine Million Scherben zersprang.

Ein Kribbeln in den Fingern und aufsteigende Hitze im Arm kündeten davon, dass sich die Magie in mir zu einer gewaltigen Woge aufbäumte. Genau solche Erinnerungen brauchte ich. Wettermagie war nicht wie normale Zauberei – sie wurde von Gefühlen genährt, am besten von extremen. Und durch meine Jahre mit Darren konnte ich in dieser Hinsicht nun wirklich aus den Vollen schöpfen.

»Ich habe dir doch gesagt, dass du einem Wolf nicht trauen darfst, weil er immer versuchen wird, dich zu brechen… Hast du es noch immer nicht kapiert, Ryiah? Der Wolf bin ich.«

Aus meinem Innersten stieg unbändige Wut in mir auf. Ich machte mir das Gefühl zunutze und kanalisierte es, indem ich die sengende Hitze durch meine Adern strömen ließ. Dann setzte ich die Magie frei.

Ein gewaltiger Blitz schlug in Darrens Schutzschild ein und zerschmetterte ihn. Mit einem ohrenbetäubend schrillen Klirren zersplitterte die magische Barriere wie Glas.

Darren reagierte in Sekundenschnelle. Mit einem magischen Schwert in jeder Hand kam er über das Podium auf mich zugestürmt.

Ich sandte eine große Feuerwalze aus, doch er kreuzte nur mitten im Laufen die Arme und die Flammen rasten zu mir zurück. Mir blieb gerade noch genug Zeit, mich links wegzuducken, ehe mir ein grässlicher Gestank in die Nase stieg.

Ich fasste mir an den Kopf. Direkt über meinem rechten Ohr hatte das Feuer einen Teil meiner Haare versengt.

Als Darren nachlegte, war ich vorbereitet. Auf die kurze Distanz schleuderte ich ihm Eis entgegen. Im Nu überfror das Metall und war von der Spitze bis zum Heft von funkelnden Eisblumen überzogen.

Knurrend ließ Darren die beiden Schwerter fallen – nichts geht über den schneidenden Schmerz von gefrorenem Metall – und sah auf seine Handflächen, die nun dunkelrot waren.

Da in meiner Ausbildung jemand das Gleiche mit mir gemacht hatte, wusste ich, wie sich das anfühlte, und schwankte zwischen diebischer Freude und Schuldgefühlen.

Aber schließlich wollte ich gewinnen.

Ich stürmte los, bereit, unser Duell damit zu beenden, dass ich ihm ein Messer an den Hals drückte. Das war zumindest der Plan. Doch wie üblich war Darren mir einen Schritt voraus.

Noch während sich die Klinge in meiner Hand materialisierte, attackierte er mich mitten in der Vorwärtsbewegung, und ehe ich mich versah, verschwand mein Messer, weil meine Konzentration durch seinen Angriff gestört worden war. Wir knallten beide mit einem dumpfen Schlag auf den Boden. Er landete auf mir, aber irgendwie war es mir gelungen, mich in letzter Sekunde ein Stück wegzudrehen, sodass Darren nicht komplett auf mir saß, sondern nur eines meiner Beine zwischen seinen eingeklemmt war.

Nun versuchte er, mich komplett auf den Boden niederzuringen. Wenn er mich erst einmal an den Schultern gepackt hätte und mir dadurch jede Vorwärtsbewegung versperrt wäre, war der Kampf so gut wie gelaufen. Für ein Kräftemessen mit den Armen war ich ihm körperlich einfach zu klar unterlegen, aber das hieß nicht, dass ich Darren nicht in dem Glauben lassen konnte, genau das vorzuhaben. Er und ich hatten noch nie mit reiner Körperkraft gegeneinander gekämpft, also konnte ich nur darauf spekulieren – und hoffen –, dass er meinen diesbezüglichen Fähigkeiten in der Ausbildung nicht allzu viel Aufmerksamkeit geschenkt hatte.

Ich tat so, als würde ich Luft holen, und warf mich theatralisch hin und her, als wolle ich mich so seinem Griff entwinden. Darren schluckte den Köder. Während er sich vorbeugte und versuchte, mich an den Schultern zu fassen zu bekommen, befreite ich unauffällig mein zweites Bein. Ohne zu zögern, rammte ich ihm meine Ferse in die Hüfte und rollte mich ein Stück zur Seite, um mir einen Hebel gegen sein Gewicht zu verschaffen. Mithilfe meines anderen Beins warf ich mich nach vorn, stieß mich ab und brachte den Prinzen unter mich. Jetzt war ich oben.

Doch ich hockte zu weit hinten. Und Darrens Reflexe waren zu schnell. Vielleicht hatte er meinen Schachzug auch vorausgeahnt. Mit den Hüften katapultierte er mich hoch, sodass ich vornüberkippte und mit den Händen voran auf den Boden schlug, während er mich mit vollem Körpereinsatz herumschleuderte.

Fluchend landete ich auf dem Rücken. Meine Lunge brannte, und ich war mir nicht sicher, ob ich mir bei dieser Aktion nicht etwas gebrochen hatte. Greller Schmerz nagte an meinen Rippen, während Darren meine Hände auf den Steinboden presste.

»Zeit, dich zu ergeben, Liebes. Mach dir nichts vor. Gegen einen Magier erster Rangstufe gewinnt man eben nicht alle Tage.«

Ich murmelte etwas wenig Damenhaftes, und Darren lachte so sehr, dass sein ganzer Körper bebte.

»Du bist unerträglich.«

Er hielt inne und sah mich an. Angesichts des Ausdrucks in seinen Augen waren die schrecklichen Schmerzen auf einmal wie weggeblasen und ein gänzlich anderes Gefühl übernahm die Oberhand. »Das nehme ich dir keine Sekunde ab.«

Als Darren sich vorbeugte, schoss mir das Blut ins Gesicht.

»Gib’s zu, Ryiah.« Sein Mund war ganz nah an meinem Ohr. »Das gefällt dir doch …« Mit dem Daumen zeichnete er Kreise auf die Innenseite meines Handgelenks. Wohin seine Finger auch wanderten, stand meine Haut in Flammen. »Hab ich recht?«

Ich schluckte. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass wir allein in diesem Raum waren. Und auf dem Boden, der mir auf einmal gar nicht mehr so ungemütlich und kalt vorkam. Nicht, wenn er mich so ansah. Wie …

Plötzlich überfiel mich die Erinnerung an jenen Tag vor zwei Jahren in seinen Gemächern, was sich so ziemlich als das letzte Mal herauskristallisiert hatte, dass wir wirklich allein waren.

Bei allen Göttern, ich war nicht in der Lage gewesen, meine Hände bei mir zu behalten. Und er ebenso wenig.

Der Gedanke daran trieb mir sogar jetzt noch die Röte ins Gesicht, was Darren nicht entging.

Um seine Lippen spielte ein kleines Lächeln und sein Blick verschleierte sich. »Dachte ich es mir doch.« Mit diesen Worten überwand er die letzten Zentimeter zwischen uns. In seinem Atem lag eine leichte Schärfe, wie Zimt und Hitze und Eis – etwas Dunkles, Gefährliches, und ehrlich gesagt genau das, wonach mir der Sinn stand.

Mir war bewusst, dass wir eigentlich schleunigst unsere Verletzungen behandeln lassen mussten, vor allem ich, aber …

»Wenn du mich küssen willst«, sagte ich herausfordernd, »dann solltest du es jetzt tun.«

Seine Mundwinkel zuckten. »Hm, habe ich vor.«

»Im Ernst, weil ich immer noch –«

Darrens Augen funkelten und er legte mir einen braun gebrannten Finger an die Lippen. »Ich habe dir noch nicht deinen Wetteinsatz genannt.«

Das ließ mich verstummen.

»Ah, wie ich sehe, hat es dir endlich die Sprache verschlagen.« Sein Grinsen wurde breiter. »Und ich hatte schon gedacht, dass du niemals –«

Ehe er weiter herumsticheln konnte, zog ich ihn kurz entschlossen am Saum seiner Weste zu mir, bis seine Lippen meine berührten, und für einen Augenblick blieb die Zeit stehen.

Ich spürte seinen unregelmäßigen Herzschlag. Die Behutsamkeit, mit der er meinen Kuss erwiderte, machte mich ganz schwindelig. Der Kuss mochte tastend und zärtlich sein, doch der Puls, der in meinen Ohren hämmerte, war ein gewaltiges Dröhnen. Ausnahmsweise hatte es keiner von uns beiden eilig. Wir taten nichts Verbotenes, nichts Falsches. Wir hatten alle Zeit der Welt.

Darrens Finger glitten in meine Haare im Nacken, und als ich aufblickte, sah ich, dass seine Augen glühten. So war es zwischen uns beiden. Er erwiderte meinen Blick, und es lag keine Herausforderung darin, kein Sarkasmus, kein Hohn, einfach nur Darren und ich.

Nach so vielen Jahren waren wir endlich zusammen.

Er strich mit den Fingerkuppen über meine Wange und meine Haut brannte unter seiner Berührung. Konnte ein Mensch in Flammen stehen und trotzdem nicht verglühen? Ganz sicher war ich mir nicht, aber ich hielt es durchaus für möglich.

Seine Lippen teilten meine. Ich schloss die Augen.

Bei den Göttern!

»Ryiah …« Seine Hand glitt zu meiner Taille und mir entfuhr ein Aufschrei.

Erschrocken rückte Darren von mir ab. »Bist du … verletzt?«

Ich presste die Hand auf meinen Oberbauch, hatte das Gefühl, mit heißen Nadeln traktiert zu werden, und unterdrückte eine ganze Salve von Flüchen. »Meine Rippen.« Ich wich seinem forschenden Blick aus und verfluchte im Stillen mein Schicksal. Musste das echt jetzt sein? Einen unpassenderen Zeitpunkt hätten sich die Schmerzen kaum aussuchen können.

Aber vielleicht ist es auch genau der richtige Zeitpunkt, meldete sich meine innere Stimme. Du weißt ganz genau, was passiert ist, als es das letzte Mal mit euch beiden durchgegangen ist…

Ich stöhnte lautstark, um diese Gedanken zu übertönen. Eigentlich sollte ich mich morgen früh auf den Weg nach Ferren’s Keep machen, doch mit gebrochenen Rippen konnte ich wohl kaum eine vierzehntägige Reise hoch zu Ross antreten, bei der ich ständig durchgeschüttelt würde. Ich versuchte, mich aufzurichten, krümmte mich jedoch vor Schmerzen. Darren legte den Arm um mich und wollte mir aufhelfen, aber ich schob ihn mit einer schwachen Handbewegung weg.

»Ich bin Kampfmagierin.« Mühsam rappelte ich mich hoch und sog scharf die Luft ein. »Nicht eine von diesen Jungfrauen in Nöten, die ihr euch hier im Palast haltet.«

»Das habe ich auch nie behauptet.«

»Erzähl das mal den Lehrmeistern, die mir dein Vater diese Woche auf den Hals gehetzt hat, damit sie mir höfische Etikette beibringen.«

»Du musst immer das letzte Wort haben, oder?«

Ich verdrehte die Augen, doch insgeheim lächelte ich, auch wenn ich nach außen hin genervt tat. »Bring mich einfach zur Krankenstation.«

»Zu Befehl.« Darren wies in die Richtung, in die wir mussten, weil ich auf den falschen Gang zusteuerte. »Kann es sein, dass ich mal zu dir gesagt habe, ich würde dich niemals tragen?«

Ich ließ ihm den Vortritt. »Das ist vier Jahre her, und ich habe dich nicht darum gebeten, mich zu tragen. Ich möchte einfach, dass du mich begleitest.«

Darren warf mir ein Raubtiergrinsen zu. »Erwarte nicht, dass ich unterwegs mit meiner Schadenfreude hinter dem Berg halte. Denn auch wenn du verletzt bist, Liebes, sieht es doch ganz danach aus, als hätte ich meinen Status als Magier erster Rangstufe behauptet.«

»Vorerst.«

Er lachte in sich hinein. Trotzdem hallte es über die leeren Gänge des Palasts, was irritierend war. Sonst wimmelte es hier immer nur so von umherflanierenden Höflingen, Dienern, Magiern und Rittern, die gerade frei hatten. Und meinem absoluten Liebling, Darrens drei Jahre älterem Bruder Prinz Blayne, lief man natürlich ebenfalls ab und an über den Weg.

Zum Glück war heute kein Tag wie alle anderen. Mit Ausnahme einiger weniger Bediensteter war der komplette Hofstaat an diesem Morgen zur alljährlichen Abschlussprüfung der Erstklässler an der Akademie für Magie in Sjeka aufgebrochen.

Traditionell wohnte die Krone – der König samt seinen beiden Söhnen – den Prüfungen komplett bei, doch diesmal hatte Darren eine Beurlaubung erhalten, da er Ende der Woche seinen Dienst als Magier im königlichen Regiment antreten würde.

In einträchtigem, entspanntem Schweigen liefen wir weiter – na ja, so entspannt das eben ging in Anbetracht meiner Verletzungen. Dennoch genoss ich es. Seit der Magierweihe hatten wir uns kaum zu Gesicht bekommen. Nachdem Darren unsere Verlobung öffentlich bekannt gegeben hatte, hatte er die meiste Zeit in nicht enden wollenden Besprechungen mit dem König und dessen Beratern verbracht. Und ich wurde einer ganzen Schar übereifriger Höflinge zum Fraß vorgeworfen, die äußerst erpicht darauf waren, die Gunst der zukünftigen Prinzessin von Jerar zu gewinnen.

König Lucius war alles andere als begeistert von der Wahl seines Sohnes und betrachtete das Mädchen von ehemals niedrigem Stand, das den Prinzen überhaupt erst dazu gebracht hatte, eine derart gewagte, unverantwortliche Entscheidung zu treffen, wenig wohlwollend. Mit Darrens Hilfe war es Prinzessin Shinako von den Boreanischen Inseln gelungen, ihre bevorstehende Vermählung mit Blayne dadurch abzuwenden, dass sie mir ihre Mitgift versprochen hatte und im Gegenzug die Allianz zwischen ihrem Inselreich und Jerar erneuert worden war. Es war ein genialer Schachzug gewesen, mit dem keiner gerechnet hatte, doch nach der anfänglichen Euphorie waren neue Probleme aufgetreten, mit denen wir uns herumschlagen mussten.

Es gab viele Vorbehalte dagegen, dass jemand aus einfachen Verhältnissen wie ich eine so bedeutende Rolle in der königlichen Familie einnehmen sollte.

Da tat es nichts zur Sache, dass besagte Rolle lediglich dekorativen Charakter hatte, da Prinz Darren sowieso niemals König werden würde. Es tat nichts zur Sache, dass ich mir als Lehrling der Akademie selbst den gesellschaftlichen Status einer Adligen erarbeitet hatte. Und am allerwenigsten tat es etwas zur Sache, dass ich bis über beide Ohren in den Kerl verliebt war.

Was allerdings sehr wohl zählte, war, dass ich eine strategische Heirat zwischen Blayne und einem wichtigen Verbündeten verhindert hatte. Jetzt steckte König Lucius mitten in Verhandlungen mit Pythus. Als Thronfolger des Königreichs von Jerar musste Blayne eine bessere Partie machen als sein jüngerer Bruder. Und da die Mitgift der boreanischen Prinzessin bereits mir versprochen war, sah sich Blayne nun gezwungen, stattdessen eine Verbindung mit einer von König Jorens Töchtern anzustreben.

Bei genauer Betrachtung war das eine hervorragende Gelegenheit. Die Boreanischen Inseln waren klein und ein großes Reich wie Pythus verfügte über weit mehr Rohstoffe und Reichtümer. Doch auf diesem Ohr war Blayne taub. Es war geplant gewesen, die beiden Prinzen baldig zu verheiraten, um sich die Mitgift ihrer jeweiligen Braut so schnell wie möglich zu sichern, und jetzt musste Blayne sich eine neue Frau suchen. Und König Joren war ein deutlich härterer Verhandler als Kaiser Liang. Es spielte keine Rolle, dass die Krone so viel Unterstützung brauchte wie nur irgend möglich, um gegen unseren nördlichen Nachbarn Caltoth in den Krieg zu ziehen – für Blayne würde ich immer das ungebärdige Mädchen niederer Herkunft bleiben, das es geschafft hatte, all seine Pläne zunichtezumachen.

Und deshalb war er fest entschlossen, auch mir Steine in den Weg zu legen. Direkt am Morgen, nachdem Darren und ich uns verlobt hatten, hatte Blayne seinen Vater gebeten, unsere Hochzeit noch hinauszuschieben, bis seine eigene in trockenen Tüchern war. Als Darren gegen diesen absurden Vorstoß seines Bruder Einspruch eingelegt und als Argument den drohenden Krieg mit Caltoth ins Feld geführt hatte, hatte sich der König auf die Seite seines älteren Sohnes geschlagen und gemeint, dass dieser Vorschlag Darren vielleicht dazu motivieren könne, sich mehr um die Belange der Krone zu kümmern. »Außerdem«, hatte er ungerührt hinzugefügt, »brauchen wir zwei Aussteuern, um eine Armee zu finanzieren, nicht eine.«

Ich war mir nicht sicher, ob ich dem Glauben schenken sollte. Wahrscheinlicher war, dass der König Darren für die öffentliche Demütigung bestrafen wollte, die ihm am Abend unserer Magierweihe widerfahren war. Lucius hatte der Strategie seines jüngeren Sohns nur allzu bereitwillig zugestimmt, bis er herausgefunden hatte, worin die zweite Hälfte des Arrangements bestand, nämlich in Darrens Vermählung mit einer Frau niederer Geburt. Da er sich bereits mit Darrens Vorhaben einverstanden erklärt hatte und ich in Kaiser Liangs Vertrag ausdrücklich namentlich genannt war, konnte er nichts dagegen tun – zumindest nicht, wenn er die Mitgift der Prinzessin behalten wollte.

Unnötig zu erwähnen, dass die letzten paar Tage nicht sonderlich angenehm gewesen waren. Das einzig Gute daran war, dass der König äußerst bereitwillig meiner Bitte nachgekommen war, in Ferren’s Keep stationiert zu werden, da er meine Anwesenheit am Hofe nur schwer ertrug. Darren hatte es zwar nicht gepasst, doch er wusste genauso gut wie ich, dass ich, sobald Blayne vermählt war, gezwungen wäre, dauerhaft im Palast zu residieren.

Womöglich beneidete er mich sogar um meine Freiheit. Nun, da er seine Ausbildung abgeschlossen hatte, war er auf das Palastregiment beschränkt. Und nach Ablauf dieses Jahres würde für mich dasselbe gelten.

Das war an sich nicht weiter tragisch. Das königliche Regiment war das renommierteste weit und breit, und zudem beherbergte der Palast auch noch Marius, den amtierenden Schwarzen Magier. Aber die Ewigkeit machte mir irgendwie Angst. Ferren’s Keep war meine einzige Chance, eine Weile lang eigene Wege zu gehen und mir unabhängig von meiner Stellung im Palast einen Namen zu machen. Und ich hatte noch immer die Worte der Kriegsmagier im Ohr: An der Nordgrenze, da ist richtig was los.

Nach einem zehnminütigen Fußmarsch erreichten wir endlich die Krankenstation. Als wir um die Ecke bogen, blickten wir in zwei bekannte Gesichter. Der Größere der beiden, ein junger Mann mit hellbraunen Locken und warmen blauen Augen, lachte gerade über irgendetwas, das das dunkelhäutige Mädchen neben ihm gesagt hatte.

Wie die meisten Magier im Königreich trugen auch diese beiden ihre offizielle Robe nur zu besonderen Anlässen, und doch war ihr Stand unverkennbar, denn sie strahlten dieses ganz gewisse Etwas aus, das allen frisch gekürten Magiern zu eigen war. Diese Mischung aus Euphorie und unverhohlenem Stolz, die in scharfem Kontrast zu der Ruhe und Abgeklärtheit der Hofheilerin in ihrem roten Heilergewand stand, die uns am Eingang in Empfang nahm.

»Alex! Ella!«, rief ich meinem Bruder und meiner besten Freundin zu.

Die beiden drehten sich zur Tür um. Auf Ellas Gesicht erschien ein Grinsen, doch das Lächeln meines Zwillingsbruders erlosch, als er meine Verwundungen bemerkte und sah, wer neben mir stand.

»Was ist passiert?« Seine Frage klang harmlos, aber ich kannte Alex gut genug, um den für ihn untypisch beschwingten Ton herauszuhören. Mein Bruder hatte mich schon oft für die vielen Verletzungen gescholten, die ich mir im Laufe unserer vierjährigen Ausbildung eingehandelt hatte, und mir war klar, dass es ihm ganz und gar nicht gefiel, mich so zu sehen. Schon wieder.

»Nichts. Wir haben nur ein bisschen gekämpft –« Hastig korrigierte ich mich. »Äh … also trainiert, und ich glaube, ich habe mir eine Rippe gebrochen.«

»Halb so wild«, meinte Darren. »Es sollte einfach nur ein Heiler einen Blick darauf werfen.«

Alex funkelte ihn an. »Ich weiß, was eine gebrochene Rippe ist.«

Darren hielt seinem Blick stand. »Ich habe nie etwas anderes behauptet.«

»Hast du ihr das angetan?«

Der Prinz verschränkte die Arme. »Das mit dem Kräftemessen ging von deiner Schwester aus, Alex.«

»Das heißt aber noch lange nicht –« Mein Bruder brachte den Satz nicht zu Ende, weil Ella ihm genau in diesem Moment einen perfekt platzierten Tritt gegens Schienbein verpasste. Missmutig schluckte Alex den Rest hinunter und Ella beendete seinen Satz für ihn mit einem kleinen Lächeln in Darrens Richtung.

»Ich nehme an, Ry dachte, sie könnte dir den Rang ablaufen?«

Nun lächelte auch Darren ein wenig. »Sie hat es zumindest versucht.«

»Hatte sie wenigstens ein paar gute Zaubertricks auf Lager?«

»Kommt darauf an, was man als ›gut‹ bezeichnet.«

Ich krümmte mich. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt für solche Scherze, nicht wenn mein Bruder nur wenige Meter entfernt vor Wut kochte. »Also, wegen meiner Verletzung …«

Während ich Alex zu einer der frisch bezogenen Liegen im hinteren Teil der Krankenstation folgte, blieben Darren und Ella zurück und unterhielten sich höflich, wenn auch etwas distanziert. Mein Bruder gehörte zwar nicht zu den Angestellten des Palasts, doch die Heilerin hatte in der Kammer nebenan alle Hände voll mit zwei Rittern des königlichen Regiments zu tun, sodass sie uns keines weiteren Blickes würdigte, und die anderen Heiler waren zweifellos mit dem Rest des Hofs auf dem Weg zur Abschlussprüfung der Erstklässler.

Als Alex anfing, mich zu untersuchen, senkte ich die Stimme zu einem Flüstern. »Völlig unnötig, Darren Vorwürfe zu machen.«

Mein Zwillingsbruder murmelte irgendetwas vor sich hin.

»Du solltest endlich deine negative Einstellung ihm gegenüber revidieren. Ich habe dir doch schon gesagt, dass er für alles, was er in der Ausbildung getan hat, gute Gründe hatte –«

»Ich möchte im Moment wirklich nicht über ihn sprechen«, schnitt Alex mir so barsch das Wort ab, dass ich beschloss, lieber nichts mehr zu sagen.

Schweigend setzte er seine Arbeit fort. Bald schon spürte ich die angenehme Kühle, als die Magie aus seinen Händen in meinen Bauchraum strömte, dann das widerwärtige Gefühl, wenn Gewebe und Knochensplitter wieder an ihren angestammten Platz zurückwandern, und zuletzt das wunderbare, wenn der Schmerz allmählich nachlässt. Es war eine leicht zu behandelnde Verletzung. Eine gebrochene oder angeknackste Rippe heilte ohne Magie innerhalb von ein, zwei Monaten auf natürlichem Wege auch von selbst, aber diesen Luxus konnte ich mir nicht leisten. So viel Zeit hatte ich nicht.

Ich setzte mich auf und schenkte meinem Bruder ein dankbares Lächeln. »Und, habt ihr euch endlich entschieden, in welcher Stadt ihr euren Dienst antreten wollt, du und Ella?«, fragte ich.

Bei der Erwähnung ihres Namens wurde seine Miene weicher. »Montfort.«

Ich stutzte. Ich hatte mit Ferren’s Keep gerechnet oder vielleicht mit dem Außenposten Ishir. »Wo ist denn Montfort?«

»Es liegt fünf Tagesmärsche nördlich von hier. Wie du ja weißt, wollte Ella eigentlich mit dir mitkommen, aber nach den Geschehnissen letztes Jahr war mir nicht wohl dabei, so dicht an der Grenze stationiert zu sein – nicht dass es mir gefiele, dass du da hingehst.« Er sah mich demonstrativ an, doch ich ignorierte es geflissentlich.

Weder Darren noch Alex konnten mir die Stelle im Regiment von Kommandantin Nyx ausreden. Zudem war meine Stationierung, anders als bei Alex und Ella, sowieso nur von begrenzter Dauer. Die Berater der Krone hatten keinen Zweifel daran gelassen, dass ich nach meiner Vermählung mit Darren meinen Dienst wohl oder übel in der Nähe des Palasts leisten musste, was dann wohl das Ende meiner großartigen Abenteuer bedeuten würde. Das war der einzige Wermutstropfen an meiner bevorstehenden Heirat.

»Trotzdem ist es nah genug am Geschehen dran, um ihr den Kick zu geben, den sie braucht«, fuhr Alex fort. »Und sie haben dort einige der besten Heiler des ganzen Königreichs. Ronan geht auch dorthin.«

Ronan war wie Darren ein Magier erster Rangstufe, nur mit dem Unterschied, dass er sich für eine Ausbildung zum Heiler entschieden hatte. Im Laufe ihrer Lehrzeit hatten er und Alex sich angefreundet und mein Bruder blickte mit einer Mischung aus Bewunderung und ein wenig Neid zu ihm auf. In Alex’ Augen war jeder Ort, an dem Ronan stationiert war, ein ganz hervorragender Einsatzort.

»Bei der Magierweihe haben wir Kommandant Braxton kennengelernt. Er macht einen ganz vernünftigen Eindruck, und außerdem darfst du nicht vergessen, dass seine Stadt nächstes Jahr Austragungsort der Kandidatur sein wird. Tja, und als er das erwähnt hat, waren auf einmal all die Pläne vergessen, die Ella geschmiedet hat, um mich doch noch irgendwie zu überreden, mit dir nach Ferren’s Keep zu gehen.«

Ich grinste. Ella war durch und durch Kampfmagierin. Es erstaunte mich nicht im Geringsten, dass sie sofort mit Montfort einverstanden gewesen war, nachdem der Kommandant die Kandidatur ins Feld geführt hatte. Die Möglichkeit war durchaus verlockend, und wenn ich nicht so auf Ferren’s Keep fixiert gewesen wäre, hätte ich vielleicht gefragt, ob sie mich mitnehmen würden. Bei der Kandidatur maßen sich die besten Magier unseres Landes und die Sieger des jeweiligen Zweiges stellten den neuen Magischen Rat. Auf diese Weise war auch der amtierende Schwarze Magier Marius vor neunzehn Jahren zu seinem Titel gekommen. Und in einem Jahr wäre ich an der Reihe.

Auch wenn es mir aller Wahrscheinlichkeit nach nicht gelingen würde, dieRobe zu erobern, wäre das Prestige, das einem jeder noch so kleine Sieg bei dem berühmt-berüchtigtsten Turnier weit und breit einbrachte, meinem Ansehen zuträglich. Ich war jetzt als Magier zweiter Rangstufe klassifiziert, doch während ich in meinem eigenen Jahrgang nur dem Vergleich mit vier anderen hatte standhalten müssen, gab es insgesamt mindestens fünfzig weitere Kriegsmagier mit derselben Einstufung wie ich.

Selbst wenn ich nur ein paar andere meiner Rangstufe besiegte, würde es meine Stellung aufwerten und beweisen, dass ich besser war als diejenigen, die ich geschlagen hatte, und natürlich auch alle, die unter ihnen eingestuft worden waren.

»Fertig. Kannst mit Tagträumen aufhören.« Mein Bruder rüttelte mich sanft an der Schulter und riss mich damit aus meinen Gedanken.

Mit einer gespielten Unmutsbekundung schlug ich seine Hand weg. »Was, wenn du was übersehen hättest? Das hätte wehtun können.« Tat es zwar nicht, aber ich hatte nicht vor, ihn so leicht davonkommen zu lassen.

Alex grinste mich an. »Du bist doch nur neidisch, weil du nicht über meine Fähigkeiten verfügst.«

Ich verdrehte amüsiert die Augen. »Neidisch? Wohl kaum. Wenn ich mich recht entsinne, bezeichnet man mich im Norden als Heldin.«

»Komisch, dass sie immer wieder vergisst, dass die uns beide gemeint haben.«

Neben uns tauchten Darren und Ella auf, und ich bemerkte, wie Alex sich in der Anwesenheit des Prinzen versteifte. »Ella hat mir erzählt, ihr zwei würdet nach Montfort gehen?«, fügte Darren hinzu.

Mein Bruder holte schon Luft, besann sich jedoch eines Besseren, als er meine finstere Miene bemerkte, und behielt die Beleidigung, die ihm vermutlich auf der Zunge lag, für sich. Als er schließlich etwas sagte, war es die zahmste Erwiderung, die ich je aus seinem Munde vernommen hatte. Und auch die kürzeste. »Ja.«

»Das ist eine großartige Stadt. Und eine sehr gute Adresse.« Darren wies mit dem Kopf zu der rot gewandeten Frau am anderen Ende des Raums hinüber. »Die meisten neuen Heiler, die Jeanette für den Palast anheuert, kommen von dort.«

»Wie … nett.«

Ich stieß meinen Zwillingsbruder mit dem Ellbogen an und er knirschte mit den Zähnen.

»Danke für den Tipp. Das ist wirklich …« Alex holte tief Luft. Die Worte wollten ihm kaum über die Lippen. »… gut zu wissen. Danke, Euer Hoheit.«

Darrens Gesicht war zu einem höflichen Lächeln erstarrt. Er fühlte sich genauso unwohl wie Alex, doch durch all die Jahre bei Hofe wusste er es weit besser zu überspielen. »Gern geschehen.«

Ella zwinkerte mir zu. Sie konnte die Anspannung, die in der Luft lag, genauso spüren wie ich. »Ja dann … ich fürchte, wir müssen langsam los. Alex und ich haben noch einen langen Ritt vor uns. Schön, dass wir uns vorher noch einmal getroffen haben. Darren, ich gehe stark davon aus, dass wir dich – und Ry natürlich auch – nächstes Jahr in Montfort bei der Kandidatur sehen?«

Darrens Schultern schienen minimal nach unten zu sacken – nicht viel, aber genug, um preiszugeben, wie verkrampft er noch einen Augenblick zuvor gewesen war. »Natürlich.«

Hastig umarmte ich meine beste Freundin und meinen Bruder und sah ihnen nach, wie sie davongingen.

Sobald sie außer Sichtweite waren, wandte sich Darren an mich. »Er kann mich noch immer nicht ausstehen.«

»Gib ihm Zeit.« Ich drückte seine Hand. »Er konnte noch nie jemanden leiden, mit dem ich zusammen war.«

»Ian schon.«

»Ian war …« Ich hielt kurz inne, unsicher, wie ich es formulieren sollte. »Na ja, er ist …« Ich zögerte.

Darren betrachtete mich forschend. »Er ist das genaue Gegenteil von mir«, vollendete er meinen Satz.

»Ian ist das, was sich Alex für mich wünscht«, stellte ich klar. »Nicht ich.«

Darren schwieg.

»Aber ich habe mich für dich entschieden.« Ich stieß ihm meinen Finger gegen die Brust. »Ich wollte dich.« Wieder stach ich zu. »Ich liebe dich, du …« Pieks. »… dummer …« Pieks. »… sturköpfiger …«

Mit ausdrucksloser Miene packte Darren meine Hand. »Sag mal, reicht dir die Abreibung für heute noch nicht?«

»Glaubst du mir?«

»Tja, ich werde nicht viel zu lachen haben, wenn ich mich irre.« Er hob mein Kinn an, sodass ich ihm ins Gesicht sehen musste. Ausnahmsweise waren seine Augen ernst. »Ich werde dich vermissen, Ryiah.«

Mir rutschte das Herz in die Hose und ich senkte den Blick. »Du kannst immer noch mitkommen.«

»Du kannst immer noch hierbleiben.«

Und da waren wir wieder mittendrin in der Diskussion, die wir schon die ganze Woche geführt hatten.

Darren verdrehte die Augen zur Decke. »Von allen Mädchen, die ich kenne, musste ich mir natürlich ausgerechnet dasjenige aussuchen, das zu stur ist, um sich am Hofe meines Vaters zu amüsieren.« Resigniert richtete er den Blick wieder auf mich. »Ich nehme an, es gibt nichts, womit ich dich umstimmen kann?«

Ich schüttelte den Kopf.

»Hätte mich auch gewundert.« Er stöhnte. »Du machst mich fertig, weißt du das?«

Ich lächelte. »Und du bist die größte Nervensäge, die mir je untergekommen ist.«

Er hob eine Augenbraue. »Also nach dir selbst, natürlich.«

»Darren.«

»Ja?«

Ich seufzte. »Ich werde dich auch vermissen.«

Zwei

Auf dem vierzehntägigen Ritt zum Militärstützpunkt Ferren’s Keep im Nordwesten des Landes überfiel mich eine nervöse Unruhe, die mich einfach nicht mehr losließ.

Den größten Teil der Reise verbrachte ich tief in Gedanken versunken, während die weiten Getreidefelder und die Flüsse der zentralen Landesteile an mir vorüberzogen. Aufgrund der immer häufigeren Angriffe der Rebellen, des drohenden Kriegs mit Caltoth und meines neuen Postens nahe der Grenze hatten die Berater des Königs angeordnet, der künftigen Prinzessin einen Leibwächter aus dem königlichen Regiment zur Seite zu stellen. Also leistete mir nun eine junge Ritterin Gesellschaft, was mich ein wenig daran erinnerte, wie damals Darren von einer Handvoll Wachen zur Akademie eskortiert worden war. Obwohl Paige lediglich vier Jahre älter war als ich, sprach sie nur das Allernötigste mit mir, und wenn ich versuchte, mich ein wenig mit ihr zu unterhalten, zog sie nur eine finstere Miene. Schüchtern war sie nicht, aber sie konnte sich auch nicht wirklich für mich erwärmen. Und wenn sie doch einmal eine Bemerkung machte, war sie dermaßen spitzzüngig, dass ich die meisten meiner Versuche schnell wieder bereute.

Paige war groß und kräftig und von der Statur her so ziemlich das weibliche Pendant zu meinem jüngeren Bruder Derrick. Sie trug stets ein Kettenhemd und Männersachen und verbarg ihre fantastischen braunen Locken in einem seitlichen Zopf. Ihre Augen, die immer zu schmalen Schlitzen verengt waren, wirkten hellwach und streng zugleich. Zwar war sie von niederer Geburt, doch sie verhielt sich anders als alle anderen einfachen Leute, die ich kannte. Sie hatte absolut nichts für oberflächliches Geplauder übrig, reagierte mit Spott auf all meine Bemühungen in dieser Richtung und beäugte jeden Reisenden – egal, ob adlig oder nicht – mit ausgeprägtem Misstrauen.

Als ich zum dritten Mal probierte, sie in ein Gespräch zu verwickeln, motzte sie mich an, dass ich lieber auf den Weg achten solle, und schob dann hastig wie zur Entschuldigung ein unterkühltes »Mylady« hinterher.

Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Angesichts unseres gemeinsamen Hintergrunds hatte ich eigentlich gedacht, wir könnten so etwas wie Freundinnen werden. Wir hatten beide mit viel Mühen einen Sprung in der gesellschaftlichen Hierarchie gemacht, und wir waren jung und mehr oder minder aneinandergekettet, solange der König ihre Anwesenheit als notwendig erachtete. Es wäre nur logisch gewesen, sich ein wenig anzufreunden – und sei es nur aufgrund der unendlich langen Zeit, die wir miteinander verbringen würden –, aber meine Begleiterin sah das offenbar anders.

Also schwiegen wir uns bis auf ein oder zwei Meinungsverschiedenheiten, was den richtigen Weg anging, die restliche Zeit an, und ich bestaunte stattdessen ausgiebig die Landschaft, je weiter wir nach Westen kamen. Die weiten Ebenen wurden von ausgedehnten Kiefernwäldern und Lichtungen mit duftenden, büschelartig wachsenden Gräsern abgelöst. Mehrere schmale Bäche vereinigten sich zu einem breiten, reißenden Strom, an dessen Ufer dickblättrige Pflanzen wucherten. Am besten gefielen mir jedoch die üppig grünen Bäume mit ihren großen glänzenden Blättern und den winzigen roten Blütendolden, die ihre Zweige sprenkelten.

Gewürznelkenbäume.

Ehe ich mich’s versah, waren wir in Demsh’aa angekommen. Zu Hause.

Eigentlich war dort nur ein kurzer Zwischenstopp vorgesehen, doch sehr zum Leidwesen meiner Reisegefährtin bestand ich auf einem zusätzlichen Tag, um meinen Eltern einen Besuch abzustatten, die ich seit meiner Abschlussprüfung als Erstklässlerin vor vier Jahren nicht mehr gesehen hatte.

Paige beschloss, die Geschäfte zu durchkämmen und unsere Vorräte wieder aufzustocken, und ich drehte eine Runde, um zu sehen, was sich in meiner Abwesenheit getan hatte. Es freute mich, wie viel besser wir inzwischen dastanden. Früher hatte sich unsere Apotheke in einem separaten Zimmer im Haus meiner Eltern befunden, doch mithilfe des Geldes, das Alex und ich nach Hause geschickt hatten – Derricks Soldatengehalt lag weit unter dem eines Magiers –, hatten sie ein kleines Gebäude in ziemlich zentraler Lage erstanden und zwei junge Mädchen als Lehrlinge eingestellt, die sich für eine Ausbildung vor Ort entschieden hatten, statt ihr Glück an einer der drei Kriegsschulen des Landes zu versuchen.

Meine Eltern sagten, wie leid es ihnen tat, dass sie die Magierweihe von Alex und mir verpasst hatten, aber ich verstand, dass sie den Laden mit den zwei neuen Lehrlingen nicht sich selbst überlassen konnten. Zudem war die Zeremonie sowieso nicht öffentlich, und auch wenn ich mir sicher war, dass sie an den anschließenden Feierlichkeiten hätten teilnehmen können, so hätten sie für so ein kurzes Fest eine unheimlich weite Reise in Kauf nehmen müssen. Ich war einfach froh und dankbar, dass meine Eltern meine Ausbildung unterstützt hatten.

Natürlich hatte ich auch Neuigkeiten im Gepäck, doch sie hatten die Kunde bereits eine Woche zuvor durch einen Boten von Alex vernommen. Nicht dass es ihnen dadurch leichter gefallen wäre, es zu akzeptieren.

Mein Vater befand sich noch immer in einem Schockzustand. Während meiner Ausbildung hatte ich Darren mit keiner Silbe in meinen Briefen an sie erwähnt – in erster Linie, weil ich nicht gewusst hatte, was genau ich schreiben sollte. Kein Wunder also, dass es meinem Vater niemals in den Sinn gekommen wäre, dass der Prinz und ich uns in all den Jahren näherkommen und ineinander verlieben könnten.

Meine Mutter hatte mehr Verständnis und meinte, sie hätte damals, in der Woche unserer Aufnahmeprüfung, so eine Ahnung gehabt, dass etwas im Busch sei. »Er konnte den Blick nicht von dir losreißen. Ich wusste gleich, dass da mehr dahintersteckt … aber das hätte ich nie erwartet.«

Es war ja auch eine verrückte Vorstellung. Der zweitgeborene Prinz des Herrscherhauses hatte beschlossen, ein Mädchen niederer Herkunft nicht zu seiner Mätresse zu machen, sondern zur Frau zu nehmen.

Meine Eltern waren glücklich und verunsichert gleichermaßen, und ich hatte nicht die Zeit, um ihnen haarklein zu erklären, wie alles gekommen war. Um ganz ehrlich zu sein, war ich von dieser Wendung selbst immer noch ein wenig überrollt.

Solche Dinge passierten einfach nicht. Nicht mir.

Natürlich war auch die anstehende Kandidatur ein Thema, und sie versprachen, diesmal auf jeden Fall zu kommen, um Alex und mich zu unterstützen. »Bis dahin sollten die Mädchen so weit sein, den Laden eine Weile selbst zu führen«, meinten sie.

Wir sprachen auch über die Hochzeit, und mein Vater fragte, warum es noch keinen Termin gebe. Als ich versuchte, es zu erklären, wurde meine Mutter still.

Erst als ich am nächsten Morgen mein Pferd sattelte, rückte sie mit ihren Bedenken heraus. »Sei auf der Hut, Ryiah«, sagte sie. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass der König erfreut ist über diese Entwicklung – wie auch immer sein Sohn es angestellt hat, dir einen Platz an ihrer Tafel zu sichern.«

Ich nickte stumm. Auch mir war dieser Gedanke nicht fremd. Nicht zuletzt deshalb wollte ich mich fürs Erste so weit wie möglich von Lucius und seinem Thronfolger fernhalten. Ein Grund mehr, das Angebot der Kommandantin von Ferren’s Keep anzunehmen.

Danach sagten wir hastig Lebewohl, und ich kehrte zurück auf die belebte King’s Road, die zu den weiten Wäldern des Nordens hin steil anstieg und am Fuße der Iron Mountains entlangführte.

Der Rest unserer Reise verlief ereignislos. Paige und ich verbrachten die Nächte in Gasthäusern am Weg und kamen gut voran.

Als wir schließlich eine gigantische steinerne Festung vor uns erblickten, die in den Berg hineingebaut war, stieß ich ein tiefes, erleichtertes Seufzen aus, und Paige tat es mir in seltener Einigkeit nach.

Ferren’s Keep.

Es war ein grandioser Anblick. Da die Sonne bereits vor einer Stunde untergegangen war, wurde das große turmartige Hauptgebäude von hunderten gelb flackernder Fackeln erleuchtet, die sich Stockwerk um Stockwerk die Außenmauern hinaufzogen, bis die Lichter schließlich im Berg verschwanden.

Von unserem Standort aus konnte ich das Glänzen von Metall an den untersten Wachposten im Wehrgang erkennen, der am Fuße der Festung verlief.

Ich nahm die Zügel wieder auf und trieb meine Stute an.

Endlich da.

»Nennt Euren Namen und Euer Begehr.«

Paige und ich erklärten den Wachleuten am Rande des erhöhten Platzes am äußeren Mauerring den Grund unseres Kommens und hielten unsere Pferde im Zaum, während wir den Männern unsere offiziellen Dokumente überreichten: meinen Passierschein von Kommandantin Nyx und Paiges von der Krone signiertes Schreiben.

Der Soldat und seine zwei Kameraden musterten die Unterlagen eingehend und überprüften die Siegel, um sicherzugehen, dass es sich nicht um Fälschungen handelte. Als sie alles für rechtens befunden hatten, winkte uns der Anführer mit rasselndem Kettenhemd durch, und wir trabten unter lautem Hufgetrappel einen Überweg entlang, bis wir am Fuße der Burg an einem wuchtigen Torhaus ankamen, dessen Zugang ebenfalls von Soldaten bewacht war.

Erneut legten wir unsere Papiere vor und das Gitter wurde hochgezogen. Noch einmal wiederholte sich die Prozedur im Inneren der Anlage mit einem weiteren Wachtrupp und einem weiteren Tor, dann überließen wir unsere Pferde einem bereitstehenden Stallknecht und betraten über steile Stufen das Hauptgebäude.

Über Wendeltreppen ging es Stock um Stock, Kammer für Kammer nach oben.

Wo wir auch hinsahen, lagerten riesige Mengen an Vorräten – Fässer voller Getreide, große Haufen Feuerholz, schwere Geschütze und ganze Waffenarsenale mit Schwertern, Messern, Speeren und allen Arten von Rüstungen, die man sich nur vorstellen konnte: Kettenhemden, Brustharnische, Armschutz, zusätzliche Uniformröcke und Reithosen. Auch einen tiefen Brunnenschacht gab es. Die Festung war also für eine Belagerung gerüstet.

Ich hatte all das schon im letzten Jahr meiner Ausbildung gesehen, doch Paige war sichtlich beeindruckt. Die finstere Miene, die sie sonst immer zur Schau trug, hatte sich in Wohlgefallen aufgelöst, und sie starrte alles unverhohlen mit offenem Mund an.

Wir kamen an einer verschlossenen bewehrten Doppeltür vorbei, hinter der sich die privaten Besprechungsräume der Kommandantin mitsamt ihren Wohngemächern verbargen, an die sich ein noch größerer offener Außenbereich für Regimentsversammlungen anschloss. In wenigen Minuten würden wir die Baracken der Männer erreichen, eine lange Reihe von Hütten, die sich an der Mauer entlangzogen, so weit das Auge reichte. Dahinter lagen, wie ich wusste, die Unterkünfte der Frauen, und dann musste man nur noch ein kleines Stück durch einen Tunnel zurücklegen und einen weiteren Wachposten passieren, und man befand sich in dem kleinen Dorf Ferren, das nach der Festung benannt war, da es einzig und allein über eben jenen Tunnel der Burg zugänglich war.

Ferren lag in einem engen Tal und war von allen Seiten von steilen, unpassierbaren Felswänden umgeben. Aufgrund seiner Lage hatten sich hier die besten Schmiede des Königreichs niedergelassen, namhafte Männer und Frauen, die die nördlichen Verteidigungsposten und die Armee der Krone mit dem härtesten Stahl versorgten, dessen man habhaft werden konnte. In gewisser Hinsicht war die Herstellung von Waffen im großen Stil die wertvollste Ressource der Krone, weshalb das zur Festung gehörende Dorf ausschließlich dem hier stationierten Regiment und den Schmieden vorbehalten war – mit Ausnahme einer überschaubaren Zahl an Leuten, die für die Versorgung zuständig waren.

Ich führte Paige zu den Unterkünften der Frauen, wo wir uns bei offener Tür gleich ans Auspacken machten. Beide Baracken waren leer, was bedeutete, dass das Regiment gerade beim Abendessen im Speisesaal im zweiten Stockwerk war.

»Ryiah? Bist du das?«

Ich fuhr herum und entdeckte einen stämmigen Jungen mit bernsteinfarbenen Augen und schwarzen Ringellocken am Eingang der Baracke, der mich anstarrte. Es war einer meiner alten Mitstreiter aus der Ausbildung, den ich zuletzt vor drei Wochen bei der Magierweihe gesehen hatte. »Ray!«

»Wusste ich es doch, dass du das Angebot der Kommandantin annehmen würdest.« Er grinste. »Und wen hast du da im Schlepptau?«

Paige betrachtete ihn mit versteinerter Miene. »Ihre Leibwächterin. Und ich sage es gleich: Ich habe kein Interesse an nutzlosem Palaver.«

Ray sah sie irritiert an. »A-auch erfreut, dich kennenzulernen.«

Paige beschloss, ihn mit Missachtung zu strafen, und fuhr fort, sorgsam ihre Hemden zusammenzufalten und in einer Truhe neben ihrer Bettstatt zu verstauen. Langsam ging mir ihre Unfreundlichkeit wirklich auf die Nerven, und ich nahm mir fest vor, später in Ruhe mit ihr darüber zu reden, dass sie meine Freunde nicht so vor den Kopf stoßen konnte.

»Entschuldige bitte.« Ich warf Ray ein verlegenes Lächeln zu. »Paige und ich hatten einen langen Ritt. Da kann man schon mal etwas gereizt sein.« Ehrlich gesagt glaubte ich ja, dass sie einfach von Natur aus so war, aber ich hatte keine Lust auf langwierige Erklärungen. »Ich wollte nur noch schnell auspacken, ehe ich mich bei der Kommandantin melde.«

»Sie ist noch mit den anderen beim Abendessen … Wenn du magst, bringe ich dich hin.«

Ich zögerte. Eigentlich hatte ich vorgehabt, mich erst einmal frisch zu machen. Natürlich hatte ich in den meisten Gasthäusern, in denen wir auf unserem Weg Station gemacht hatten, ein heißes Bad genommen, aber meine Kleider starrten trotzdem vor Schmutz und der Staub einer Tagesetappe klebte in meinen Haaren.

Und wenn ich mich recht entsann, musste man in Ferren gut und gern eine Stunde an einem der zwei kleinen Badehäuser Schlange stehen – obwohl, da hatten sich natürlich noch zusätzlich sechzig Lehrlinge auf der Burg aufgehalten … Andererseits: Warum nicht? Der Rest des Regiments war gerade erst mit dem Dienst fertig und hatte den ganzen Tag lang schwitzend in Rüstung verbracht, insofern würde ich hervorragend dazupassen.

»Bring mich hin.«

Als wir den Speisesaal betraten, wusste ich gar nicht, wo ich zuerst hinschauen sollte. Ferren’s Keep besaß das größte Regiment nördlich von Devon. Wenn alle anwesend waren, zählte es irgendetwas an die zweitausend Mann, was allerdings nie der Fall war, da sich fünfzehn seiner zwanzig Hundertschaften stets auf Patrouille befanden. Dennoch war das hiesige Regiment ein Fünftel so groß wie die Kronarmee und damit viermal größer als alle anderen. Die Truppen der meisten anderen Städte waren knapp an die fünfhundert Mann stark.

Ferren war der ideale Ort, um ein großes Regiment zu beherbergen, bis von der Kronarmee noch mehr Unterstützung aus dem Norden benötigt wurde.

Gleichwohl war das Leben auf der Burg äußerst einfach. Das Mobiliar war abgenutzt und verschlissen, die Mahlzeiten bestanden aus welkem Obst und Gemüse, Trockenfleisch und altbackenem Brot – wie es eben so war, wenn in einer Ortschaft keine eigene Landwirtschaft betrieben wurde. Dazu noch die fünfhundert verschwitzten Leute, die sich zwischen Bierkrügen um die letzten Essensreste balgten …

»Wie eine ausgehungerte Hundemeute«, murmelte Paige.

Ich wollte schon Luft holen, um ihr zu sagen, dass wir auch nicht viel besser aussahen, doch dann erstarrte ich. Trotz der riesigen, unübersichtlichen Menschenmenge gab es jemanden, der fast augenblicklich meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Die breiten Schultern und dieses ansteckende Lachen konnte man einfach nicht übersehen.

Ian. Ian war hier. Ray folgte meinem Blick und nickte. »Er ist vor zwei Tagen angekommen, direkt nach mir. Sieht aus, als wäre Port Langli nicht so nach seinem Geschmack gewesen. Jayson ist auch da. Er ist seit seiner Magierweihe schon zweimal befördert worden, und wenn du dich genauer umsiehst, solltest du auch irgendwo Ruth aus Alchemie entdecken. Ferren’s Keep erfreut sich großer Beliebtheit.«

»Tja, wenn das mal keine Überraschung ist!«

Ich fuhr herum. Vor mir stand die oberste Befehlshaberin von Ferren’s Keep, eine beeindruckende, wenn auch etwas klein geratene Frau Anfang vierzig mit einer blonden Mähne, die über ihren Ohren ganz kurz geschoren war, und stahlgrauen Augen, denen nichts entging. Die Ritterin hatte einen der begehrtesten Posten im ganzen Königreich inne.

Mit verschränkten Armen musterte Kommandantin Nyx mich. »Ich freue mich, dass Ihr auf mein Angebot zurückgekommen seid, Magierin Ryiah. Nach den Neuigkeiten war ich da nicht mehr so sicher. Manchen Leuten steigt ein Titel zu Kopfe.«

Ich wurde rot. »Noch trage ich den Titel gar nicht.«

Sie zog eine Augenbraue hoch. »Und was sagt die Krone dazu?«

»Der König hat eingewilligt, dass ich bis zu Prinz Blaynes Vermählung in Eurem Regiment meinen Dienst verrichten darf … Aber ich werde immer Kampfmagierin bleiben. Daran kann kein Titel je etwas ändern.«

»Und Ihr erwartet keine besonderen Annehmlichkeiten während Eures Aufenthalts hier? Kein Privatgemach? Oder vielleicht einen hohen militärischen Posten? Denn ich gehe bei Beförderungen ausschließlich nach Leistung.«

Ich schüttelte den Kopf. »Ich erwarte von Euch, mich genauso zu behandeln wie jeden anderen Magier, der neu auf Eure Burg kommt.«

An dieser Stelle gab Paige ein Würgegeräusch von sich. »Ganz sicher nicht!«

»Die Festung geht in Ordnung.« Ich warf meiner Leibwache einen finsteren Blick zu. »Ich bin hier von Hunderten tapferer Frauen und Männer umgeben, die tagtäglich ihr Leben für unser Land riskieren. Wer wäre besser geeignet, mich zu beschützen?«

»Ich! Die Ritterin, die der König eigens dazu auserkoren hat!«

»Tja, deine Aufgabe ist gerade um einiges leichter geworden.«

Paige zog ein finsteres Gesicht und sagte nichts.

Auf dem Gesicht der Kommandantin erschien ein eigentümliches Lächeln, das ihre weißen Zähne aufblitzen ließ und mich irgendwie eiskalt erwischte – als bekäme man einen Eimer Wasser über den Kopf. Die Frau war ein einziges Rätsel. »Ich versichere Euch«, setzte sie an, »äh … wie heißt Ihr noch gleich?«

»Paige«, erwiderte meine Beschützerin einsilbig.

»Nun ja, Paige, meine Männer und Frauen sind genauso fähig wie Euer Regiment in der Hauptstadt. Ryiah ist hier in besten Händen.« Ihr Blick fiel auf jemanden hinter uns, in dessen Richtung sie eine flüchtige Geste machte. »Und jetzt entschuldigt mich bitte, ich muss zu einer Besprechung. Ray, Ryiah ist mit den anderen Neuankömmlingen Eurer Einheit zugeteilt. Ich erwarte, dass Ihr sie morgen früh als Allererstes mit Sir Gavin bekannt macht. Paige, solange Ihr hier seid, könnt Ihr zusammen mit Eurer Schutzbefohlenen Dienst tun, sofern Ihr Euch dem Befehl ihres Anführers beugt. Wenn ich es recht sehe, lautete der Auftrag des königlichen Regiments nur, Ryiah sicheres Geleit bei der An- und Abreise zu geben, oder?«

Ich dankte der Kommandantin dafür, dass sie sich kurz für uns Zeit genommen hatte, und Nyx begab sich wieder zurück in den überfüllten Saal.

Neben mir schnaubte Paige geräuschvoll. »Ich mag die Kommandantin nicht.«

Ich unterdrückte ein Stöhnen. »Du kannst niemanden leiden. Mich eingeschlossen.«

»Hm, sie mag ich wirklich nicht.«

Ray und ich warfen uns einen genervten Blick zu, während Paige sich einen angebissenen Laib Brot von irgendeinem Tablett schnappte und anfing, ihn ohne ein Wort der Entschuldigung zu verschlingen. »Was?«, fauchte sie. »Ich werde nicht gebraucht, solange Ihr hier ach so viele ›fähige‹ Leute um Euch habt. Da kann ich also genauso gut was essen. Oder muss ich da auch erst diesen Gavin um Erlaubnis fragen?«

Ray tätschelte mir mitfühlend die Schulter. »Ich bin dann mal weg, um mir ein Bad zu genehmigen, ehe bei den Badehäusern der große Andrang einsetzt.« Er deutete mit dem Kinn in Richtung Paige. »Viel Spaß … damit.«

Sobald er außer Hörweite war, drehte ich mich mit einem Seufzen zu meiner Beschützerin um. »Du wirst es noch eine ganze Weile mit mir aushalten müssen. Ein bisschen Freundlichkeit ab und an wäre echt kein Schaden.«

»Freundlichkeit ist was für Faulpelze und Dummschwätzer. Und ich bin weder das eine noch das andere.«

Und damit hatte es sich.

Der nächste Morgen kam viel zu schnell. Ich hatte den größten Teil des Abends damit verbracht, mich mit einigen Mädchen aus dem Regiment zu unterhalten, die ich noch von der Ausbildung her kannte. Als die Glocke schließlich von den dicken Mauern der Festung widerhallte, hätte ich mich am liebsten einfach umgedreht und weitergeschlafen.

Fünf Jahre ging das jetzt schon so, und dennoch hatte ich mich nicht an das frühe Aufstehen gewöhnt.

»Mmmpf.« Ich schob die warmen Decken zur Seite und fluchte, als meine Zehen den eisigen Boden berührten.

»Vermisst Ihr Eure Kammer zu Hause im Palast, Mylady?« Paiges Ton war alles andere als mitfühlend.

Ich fixierte sie mit verquollenen Augen. »Muss anstrengend sein, so viel negative Energie mit sich rumzuschleppen.«

»Ihr hättet um ein Privatgemach bitten sollen.«

»Ich dachte, du würdest dir nichts aus nutzlosem Geplapper machen?«, gab ich zurück.

Sie rang frustriert die Hände. »Ich war die Beste meines Jahrgangs und habe sechs Jahre auf eine Beförderung ins königliche Regiment hingearbeitet – und wofür das alles? Ihr habt auf keinen meiner Ratschläge gehört! Ich habe Euch gesagt, wir sollten uns immer Richtung Westen halten, und trotzdem habt Ihr auf diesem Umweg bestanden –«

»Um meinen Eltern einen Besuch abzustatten!«

»Dann habt Ihr mich mit banalem Blabla übers Wetter bombardiert, statt richtig auf die Straße zu achten!«

»Ich habe nur versucht, freundlich zu sein, und außerdem habe ich sehr wohl aufgepasst! Ich kann nämlich sprechen und schauen gleichzeitig!«

»Meine einzige Aufgabe besteht darin, Euch zu schützen, und Ihr habt nichts Besseres zu tun, als törichterweise darauf zu bestehen, mit sechshundert anderen Frauen und Mädchen unter freiem Himmel zu schlafen, wo ich unmöglich meine Pflicht erfüllen kann, sollte eine von ihnen Böses im Schilde führen!«

»Das sind Soldatinnen, Magierinnen und Ritterinnen wie du selbst«, gab ich zurück, »wohl kaum jemand, der mir Böses will.«

»Woher wollt Ihr das wissen? Ihr seid viel zu sehr damit beschäftigt, jeden anzustrahlen, der Euch über den Weg läuft. In diesem großartigen Land gibt es Rebellen, falls Ihr das vergessen haben solltet.«

»Ferren’s Keep ist das Bollwerk unserer Nation. Es ist der letzte Ort, an den sich ein Rebell trauen würde.«

»Ich würde genau hierhergehen.«

Ich zerrte mein Kettenhemd etwas zu ruppig über meinen Waffenrock. »Na, dann bin ich ja froh, dass du kein Rebell bist.«

Ich atmete tief durch und versuchte, mich zu beherrschen. Auf ihre verschrobene – und extrem nervige – Art erfüllte sie nur ihre Pflicht. »Es tut mir leid, Paige. Versteh mich nicht falsch, ich will dir ja nicht grundsätzlich das Leben schwermachen, aber der König hat mir das hier zugestanden. Da kann ich nicht ernsthaft hier rumlaufen und eine eigene Kammer für mich beanspruchen. Ich verspreche dir aber, künftig deine Ratschläge ernst zu nehmen und zumindest darüber nachzudenken.«

Die Ritterin zurrte ihre Haare in einem hohen Knoten zusammen und sah dann über meine Schulter hinweg. »Es stimmt nicht, dass ich Euch nicht ausstehen kann.«

»W-was?« Sie hatte mich kalt erwischt.