Magic Island - Ruf der Seelentiere (Magic Island, Bd. 1) - Andreas Suchanek - E-Book

Magic Island - Ruf der Seelentiere (Magic Island, Bd. 1) E-Book

Andreas Suchanek

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Beschreibung

Vier Helden:innen und ein Abenteuer: Willkommen in der magischen Welt Elenum! Julian staunt nicht schlecht, als er auf einmal im Besitz eines mysteriösen Anhängers ist und damit von Berlin aus auf eine einsame Insel gelangt. Dort trifft er nicht nur einen sprechenden Husky, sondern auch das Mädchen Aiko aus Japan. Und ihren redseligen Drachen! Gemeinsam finden sie heraus, dass Inselhüterin Aliera mächtige Artefakte ausgesendet hat, um vier junge Helden [EH2] und ihre Seelentiere für den Kampf gegen das Böse zu gewinnen. Jetzt gilt es, nicht nur die anderen beiden Teammitglieder zu entdecken, sondern auch gefährliche Prüfungen zu bestehen. Werden sie es schaffen, ihre wahre Stärke zu entfalten und die Geheimnisse der Insel zu entschlüsseln ?   "Magic Island – Ruf der Seelentiere" ist ein magisch-spannender Reihenauftakt und entführt in eine Welt voller Rätsel, Hilfsbereitschaft und dem Zauber der Natur.   - Seelentiere, Magie & Freundschaft: Eine packende Geschichte für Kinder ab 11 Jahren - Hund, Drache, Delfin & Falke: Vier Held:innen, ihre magischen Tiere und ein hochgefährlicher Gegner - Abenteuergeschichte mit witzigen Dialogen und fiesen Cliffhangern - Das neue Fantasy-Jugendbuch von Andreas Suchanek, dem Autor der Flüsterwald-Reihe, fantastisch illustriert von Timo Grubing - Die Rettung der Welt geht weiter: Band 2 erscheint im August 2025  Weltenretter wider Willen: Der Ruf der magischen Insel! Die verborgene Insel Elenum ruft vier Jugendliche aus allen Ecken der Welt zusammen. Hier sollen Julian aus Deutschland, Aiko aus Japan, Cally aus Hawaii und Kiano aus Afrika lernen, ihre Magie einzusetzen. Doch ein Verräter befindet sich im Team und versucht, die erste Mission zu sabotieren. Dabei geht um nichts weniger als die Rettung der Welt! Der Start einer spannenden Mystery-Fantasy-Serie voller Cliffhanger und mutiger Held:innen!  

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 184

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Über das Buch

Auf dem Weg zur Schule wird Julian von einer magischen Welle erfasst, in eine Litfaßsäule gezogen und befindet sich im nächsten Moment im dichten Dschungel einer verwunschenen Insel. Hier trifft er nicht nur sein Seelentier, den sprechenden Husky Askan, sondern auch auf wilde echsenähnliche Verfolger. Er erfährt, dass er einer von vier Jugendlichen aus der ganzen Welt ist, die auf diese Insel gerufen wurden – auserkoren, sie vor dem Bösen zu bewahren. Doch etwas ging bei der ganzen Sache schief und unter den vier befindet sich ein Verräter …

Spannend von der ersten Zeile an: Dieses Buch will man nicht aus der Hand legen!

Prolog

Schlagartig wurde das Gefühl von Sicherheit durch etwas Kaltes, Gnadenloses ersetzt.

Sie öffnete die Augen, blinzelnd, verwirrt. Für einige Sekunden war ihr Geist gefangen zwischen Traum und Wirklichkeit. Der Schock schoss wie Strom durch ihre Adern. Zitternd setzte sie sich auf ihrer Liege auf.

Das breite Panoramafenster sah schmutzig aus, doch dahinter war ohne jeden Zweifel nicht mehr nur Wasser zu sehen. Die Insel war aufgetaucht, hatte sich aus dem Meer zurück an die Oberfläche erhoben.

Aliera stieg von der Liege und brach sofort zusammen. Ihr Körper war schwach. Doch das war es nicht allein. Die Magie der Insel fühlte sich … brüchig an. »Das ist falsch. Ganz falsch.« Ihre Stimme klang wie rostiges Metall.

Erst jetzt realisierte sie, dass sich auch der Raum, in dem sie sich befand, verändert hatte. Der Teppich war feucht, die Wände von Rissen überzogen. Schimmelpilze und Unkraut wucherten in den Fugen des Gesteins.

Der Hauch einer Ahnung stieg in ihr empor. War sie zu früh erwacht oder … viel zu spät?

Sie kroch zur Tür, zog sich am Stein empor und berührte das eingelassene Magglas. Es war nicht größer als ihre Handfläche. Ein blaues Rechteck, in dessen Innerem bei genauer Betrachtung winzige Linien schimmerten. Als Aliera die Hand zurückzog, blieb der Abdruck noch eine Sekunde lang sichtbar. Das Glas leuchtete auf und gab die Passage frei.

Die Magie wirkte also noch, wenn auch nur schwach.

Taumelnd schleppte sich Aliera voran. Ihr war längst klar, dass ihr die Zeit davonrann. Der Feind holte zum letzten Schlag aus und sie war nicht vorbereitet. Schlimmer noch, die Helden waren es nicht. Sie wussten nicht einmal, was ihnen bevorstand. Ein Fehler, und Elenum würde fallen. Doch Vorsicht war nicht länger angebracht.

Wieder berührte sie Magglas, ein weiteres Steinportal öffnete sich. Dahinter lag der Raum der Helden. Aliera schleppte sich bis zur Säule im Zentrum. Diese bestand vollständig aus Magglas, außen so hart wie Diamant, im Inneren flüssig. Vier Artefakte glitten darin umher.

»Jetzt liegt es an euch.« Sie legte ihre Hand auf das Glas. »Ich, Aliera, Wächterin des Siegels, entsende hiermit den Ruf. Findet die Helden. Auf dass das Siegel dieser Insel niemals falle.«

Ein Wabern glitt über das Magglas.

Die Artefakte leuchteten auf, verströmten ihre Magie.

Und verschwanden im gleichen Augenblick. An vier Orten auf der Welt würden sie wieder erscheinen. Und das Leben der Auserwählten für immer verändern.

Das Artefakt

Julian saß im Schneidersitz, den Dackel auf seinem Schoß, und streichelte über dessen Fell.

»Das geht so nicht, Julian.« Die Worte kamen mit einem tiefen Seufzen.

Julian sah nicht auf. »Er hat es verdient.«

»Du kannst nicht einfach jemanden zusammenbrüllen, der einen Hund adoptieren möchte.«

»Er hat Nissa einen verlausten Bettvorleger genannt, weil sie nicht getan hat, was er will.« Bei dem Gedanken schoss ein wohlvertrautes Gefühl durch Julians Adern. Wut. »Und er hat so ausgesehen, als wolle er sie treten.«

Ralf stand vor Julian, hielt die Hände verschränkt und schüttelte den Kopf, wobei seine zu einem Knoten gebundenen Haare hin und her wippten. »Nissa lässt normal niemanden an sich heran und dir streckt sie direkt den Bauch entgegen. Beim ersten Kontakt.« Ralf rieb sich mit der Handfläche über den Bart, wie er es so oft tat. »Du hast ein Gespür für Tiere und das rechne ich dir hoch an, aber du kannst trotzdem nicht gleich jeden anschreien, der das vermissen lässt. Es ist meine Aufgabe, Bewerber abzulehnen, die ich als ungeeignet empfinde.«

»Schon klar. Sorry.«

Der Besitzer der Tierrettung lächelte. Er war normalerweise ständig in Bewegung, kümmerte sich um Tiere oder wies die freiwilligen Helfer ein. Manche kamen nur zum Gassigehen, andere – wie Julian selbst – gaben den Hunden darüber hinaus noch Nähe. Oder arbeiteten an deren Erziehung.

»Alles klar?« Ein anderer Junge kam herbeigeschlendert. Er ging gemeinsam mit Julian in die neunte Klasse des Gymnasiums.

Julian nickte nur, zu verdutzt über Tims Erscheinen. Sie spielten gemeinsam in der Schulmannschaft Fußball, doch für einen Hundeliebhaber hatte er ihn nie gehalten.

»Wieder ein paar Fragen von deiner Mutter, Tim?« Ralf streckte die Hand aus.

Tim verzog die Lippen zum Anflug eines Grinsens. »Jo. Hier ist der Zettel. Sie will wissen, welches Shampoo sie für Maia benutzen soll und wie oft.«

»Wir gehen in mein Büro.« Ralf wandte sich Julian noch einmal zu. »Und wir zwei sprechen ein anderes Mal weiter. Solltest du nicht ›unbedingt, es gibt keine Ausrede‹ heute pünktlich daheim ankommen?«

Julian keuchte erschrocken auf, worauf Nissa von seinem Schoß hopste, davonschoss und in ihr Körbchen flüchtete.

»Sorry, Nissa. Mist. Ich habe die Zeit vergessen.« Julian schnappte sich seine Umhängetasche. »Bis bald.« Er winkte Ralf und Tim im Lauf zu.

Einen Sprint später sprang er auf sein Fahrrad und trat in die Pedale. Glücklicherweise kannte er den Weg von der Hunderettung nach Hause im Schlaf. Er benutzte Nebenstraßen, einen schmalen Wiesenweg und bretterte über den Hof eines leer stehenden Fabrikgebäudes. In einer Rekordzeit von zwanzig Minuten erreichte er das Grundstück, auf dem ihr Haus stand. Es mochte nicht mehr das neueste sein, doch Julian hätte es für nichts in der Welt eingetauscht. Der Garten wurde beständig von seinem Vater gepflegt, für den diese Arbeit ein Ausgleich zu seiner stressigen Tätigkeit bei einer IT-Firma war. Seine Mutter arbeitete als Ärztin in der Charité.

Die Schuppentür quietschte, als er das Rad hineinschob und sie dahinter wieder schloss. Es gab im Hause Sander nicht viele Regeln, doch die wenigen waren bedeutsam. Unter anderem gehörte dazu, dass sie alle gemeinsam zu Abend aßen. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass das heute nichts mehr werden würde. Eine Standpauke war allerdings nicht unbedingt das Ende des Tages, das er sich erhoffte.

Kurzerhand rannte er an der Eingangstür vorbei in den Garten. Hier hing eine Strickleiter herab, die direkt zu Julians Zimmerfenster führte und normalerweise nur von seinem Freund Milo genutzt wurde. Er kletterte hinauf, schob das angelehnte Fenster nach innen und stieg über den Sims.

»Guten Abend«, sagte seine Mutter.

Beinahe wäre Julian rückwärts wieder hinuntergestürzt, konnte sich aber halten und purzelte ins Zimmer.

»Soll ich raten?« Sie warf ihm jenen Blick zu, den sie normalerweise für störrische Patienten reserviert hatte. Julian bekam ihn immer dann ab, wenn er etwas angestellt hatte. »Entweder du hast dich mit Milo verquatscht oder es war die Tierrettung.«

Genau genommen war es beides gewesen. Mit Milo hatte er nach dem Fußball gequatscht. Sein bester Kumpel sah meist nur dabei zu, danach waren sie an der Spree entlanggeschlendert. Mit deutlicher Verspätung war es zur Tierrettung gegangen.

»Also beides«, sagte seine Mutter.

Julian ärgerte sich einmal mehr, dass sie scheinbar Gedanken lesen konnte.

Seine Mutter rieb sich müde die Nasenflügel. »Ich freue mich darüber, dass du sportlich aktiv bist. Und dein Engagement bei der Tierrettung spricht auch für dich. Trotzdem möchte ich nicht, dass du unsere Regeln missachtest. Das Abendessen ist dazu da, dass wir uns gegenseitig vom Tag berichten, am Leben der anderen Familienmitglieder teilnehmen.«

Sie hatte auch ein oder zwei Semester Psychologie im Studium gehabt.

»Ich weiß.«

»Es ist das dritte Mal diese Woche, dass du es vergisst.«

»Nissa …«

»Hund?«

»Dackel«, sagte Julian. »Sie ist an einer Autobahnraststätte zurückgelassen worden, niemand kam mit ihr zurecht. Sie zieht sich immer zurück. Da konnte ich doch nicht einfach gehen. Und dann kam dieser Typ und hat sie beleidigt, dem musste ich die Meinung geigen …« Letzteres hätte er nicht erwähnen sollen.

Seine Mutter warf ihm wieder jenen seltsam besorgten Blick zu. »Hattest du einen deiner Wutanfälle?«

»Es war kein Anfall«, stellte er klar. »Der Typ war mies und ich habe ihn zurechtgewiesen.«

Das Brüllen war bis zur Straße zu hören gewesen und wenn Ralf nicht dazwischengegangen wäre, hätte Julian zugeschlagen. Das behielt er lieber für sich.

Seine Mutter erhob sich vom Bett, auf dem sie bisher gesessen hatte. Sanft legte sie die Hand auf seine Schulter. »Vielleicht sollten wir demnächst noch mal mit Doktor …«

»Nein«, unterbrach Julian sie. »Es war kein Blackout, Mom. Ich war einfach nur wütend.«

»In Ordnung.« Sie drückte ihm die Schulter. »Aber du musst dir langsam überlegen, wo du deine Prioritäten setzen willst.«

»Das passt schon alles.« Julian verschränkte die Arme.

»Dann erlaubst du mir sicher die nächste Frage: Hast du deine Hausaufgaben vor dem Sport oder nach dem Sport erledigt?«

Er hätte damit rechnen müssen. »Es ist ja erst …«

»Einundzwanzig Uhr«, sagte seine Mutter. »In Mathe, Englisch und Deutsch habt ihr bestimmt was aufbekommen, ich kenne die Lehrer. Vermutlich noch mehr.«

»Muss ja nicht alles bis morgen fertig sein.«

Ihre linke Braue wanderte in die Höhe. »Park deinen Hintern am Schreibtisch. Ich bringe dir etwas zu essen, aber das ist das letzte Mal. Ab morgen sitzt du wieder unten bei uns zum Abendessen.« Sie ging zur Tür, wandte sich jedoch noch mal um. »Wenn wir dich weiter so selten sehen, vergessen wir irgendwann noch, dass wir überhaupt einen Sohn haben.« Ihr Zwinkern nahm den Worten die Schärfe.

Es klackte, als die Tür ins Schloss fiel.

Julian atmete auf und wandte sich dem Fenster zu. »Wahhh!« Er fuhr zurück.

»Alter, du hast voll die gechillte Mom.« Milo grinste ihm entgegen.

Er besaß ein sonniges Gemüt, mit dem er die Erwachsenen problemlos um den Finger wickeln konnte. Ständig verirrten sich ein paar seiner dunklen Locken ins Gesicht. Im linken Ohrläppchen trug er einen Ohrstecker, genau wie Julian. Gemeinsam mit seiner Familie war Milo aus der Slowakei nach Deutschland gekommen, damals war er neun Jahre alt gewesen. Sie wohnten in der gleichen Straße und Julian und er waren seit jener Zeit unzertrennlich.

»Wie lange hängst du denn schon da?«

»Zu lange. Mein Arm tut weh.« Er zog sich ein Stück nach oben. »Du bist ja mit einem Affenzahn an uns vorbeigesaust. Nissa?«

»Sie ist echt cute.« Julian wiederholte, was er heute erlebt hatte.

»Du und deine Hunde.« Milo streckte die Faust aus. Einen Fist-Bump später zog er ein zusammengeknittertes Papier aus der Hosentasche. »Mathe und Englisch. Du bist für Deutsch zuständig. Kannst es mir nachher als Datei schicken, dann schreibe ich es ab und ergänze was.«

»Und ich baue wie immer ein paar Fehler ein.« Julian nahm das Papier dankbar entgegen.

»Aber nicht so viele wie letztes Mal.« Milo machte sich wieder an den Abstieg. »Bis morgen.«

»Bis morgen.«

Gerade als Julian das Fenster schloss, öffnete sich wieder die Zimmertür. Seine Mutter brachte einen Teller mit belegten Broten und Apfelstücken. »Das ist für dich.« Sie stellte das Essen auf den Tisch. »Du brauchst schließlich deine Kraft, wenn du deine Hausaufgaben selbst erledigst.« Blitzschnell schnappte sie sich das zerknitterte Papier auf dem Schreibtisch. »Dachte ich es mir doch, dass ich Milo gesehen habe.«

»Mom!«

»Oh, nein.« Sie faltete das Papier und schob es in die Hosentasche. »Bei der nächsten Klassenarbeit kann er dir auch nicht helfen. Du hast zwei Stunden, das reicht doch locker.«

Damit ging sie wieder hinaus.

Julian gähnte. »Shit.«

Kurz überlegte er, Milo anzuchatten, sich das Ergebnis noch einmal schicken zu lassen und es einfach zu übernehmen. Andererseits … »Dann eben auf die altmodische Art.«

Julian öffnete sein Mathebuch. Allein der Anblick der Formeln darin verdarb ihm die Laune. Trotzdem begann er damit, die Aufgaben zu lösen.

Plötzlich vibrierte das Fenster.

Hatte Milo geklopft? War er noch einmal zurückgekommen? Stirnrunzelnd sah Julian auf und öffnete es. Ein goldener Blitz schoss in den Raum. Inmitten von gleißendem Leuchten schwebte ein dünnes Lederband in der Luft, in das ein Rubin eingeflochten war. Der Stein befand sich in einer Verschalung aus Glas, in dem irgendwelche dünnen Linien zu erkennen waren.

»What the …«

Ein Lichtblitz leuchtete auf.

Und die Welt erlosch.

Die Litfaßsäule

Das erste, was Julian wahrnahm, als er die Augen aufschlug, war das morgendliche Zwitschern der Vögel.

Er bewegte sich und unter seiner rechten Wange knisterte es. Papier! Er blinzelte und starrte auf eine halbe Seite dicht geschriebener Mathe-Formeln.

»Ich bin eingeschlafen!« Er sprang auf, stolperte über seine Chucks, die er gestern noch abgestreift hatte, und landete auf seinem Rucksack.

Irgendwie war ihm seltsam zumute. Wieso war das Fenster die ganze Nacht über offen gewesen? Normalerweise schloss er es immer, weil er sich sonst unruhig und angreifbar fühlte. War da nicht ein Blitz gewesen? Ein Unwetter vielleicht?

Er ließ sich auf seinen Schreibtischstuhl fallen, rieb sich die Augen und gähnte. Draußen war es noch dämmrig, typisch für den Herbst. In der Scheibe spiegelte sich seine Silhouette. Das dunkelblonde Haar hatte er erst kürzlich schneiden lassen und er musste es nicht mal groß stylen, es fiel automatisch irgendwie in den richtigen Wuschellook. Dafür hatte seine rechte Wange jetzt ein Knittermuster. »Großartig. Und ich bin nicht mal fertig geworden.«

Er nahm das zerknitterte Papier, strich es glatt und schob es in seine Schulmappe. Das Ganze wanderte in seine Umhängetasche. Die meisten Bücher waren in seinem Schulspind. Nur eine Lektüre nicht. Er stieg aufs Bett. An der Wand darüber war ein Skateboard festgenagelt, das als Regalbrett diente. Er zog das schmale Büchlein hervor und verstaute es ebenfalls in seiner Tasche.

Im Halbschlaf ging es dann ins Bad, seinen müden Körper mit einer Dusche und der Morgenroutine wiederbeleben. Leider beging er den großen Fehler, sich in Boxershorts noch mal auf das Bett zu werfen. Als Julian die Augen das nächste Mal öffnete, war es hell.

»Nein!« Er fuhr hoch.

Die Schule hatte vor zwei Stunden begonnen. Seine Eltern waren natürlich längst auf der Arbeit. Sie vertrauten darauf, dass Julian selbstständig aufstand und zur Schule kam. Was normalerweise auch kein Problem darstellte.

Und warum hatte sein Wecker nicht geklingelt? Entsetzt starrte er auf das Kabel. Bei seinem Halb-Sturz durch das Fenster am gestrigen Abend musste er daran hängen geblieben sein. Ohne Strom kein Wecker.

Hastig streifte er sich Socken, Jeans und einen Pulli über. Beinahe wäre er erneut gestolpert, weil er auf einem Bein hüpfend in den zweiten Chuck schlüpfte.

»Nicht meine Woche.«

Irgendwie gelang es ihm, ohne einen Genickbruch sein Fahrrad zu erreichen. Ausgerüstet mit Umhängetasche und dem Gedanken an den strengen Blick des Mathelehrers trat er in die Pedale. Auf seinem Smartphone war bereits eine Nachricht von Milo eingegangen.

Wo bist du? Frau Hopfenberger ist gleich noch mieser drauf, wir sollten doch heute die Moderation im Diskurs machen.

Julian stöhnte auf, tippte mit einer Hand eine Antwort und fuhr weiter.

Jetzt erreichte er die Hofeinfahrt des verlassenen Fabrikgebäudes. Das Tor hing in den Angeln, ebenso der rostige Zaun. Hier musste es irgendwann einmal ein Theater gegeben haben. Eine Litfaßsäule stand neben dem Eingang, beklebt mit alten Reklamezetteln. Sie wiesen auf Stücke hin, die hier einmal stattgefunden hatten.

Ein Zittern lief über die Umgebung.

Das Unkraut am Gitterzaun, das Holz der Bäume – alles wurde grau, als saugte jemand die Farbe ab. Lediglich die Litfaßsäule behielt die ihre bei. Julian stoppte seine Fahrt. Er stieg ab und schob das Rad langsam näher an die Säule heran.

Wieso hielt er überhaupt? Er musste dringend zur Schule.

»Alles ist gut«, erklang eine Stimme in seinem Inneren. »Mach einfach weiter.«

Die Litfaßsäule bestand seltsamerweise aus Stein, eindeutig. Doch gleichzeitig war da ein bläuliches Flimmern, als besäße sie eine Glasoberfläche, die das Gestein überzog, halb durchscheinend mit feinen Linien darunter. So etwas hatte er doch schon einmal irgendwo gesehen. Nur wo?

Gedankenverloren spielte Julian mit seinem Halsband. Der rote Stein hing schwer an seiner Brust, schien zu pochen, wie ein schlagendes Herz.

Die Plakate auf der Litfaßsäule hatten sich verändert. Sie zeigten jetzt andere Szenen. Eine zog ihn wie magisch an: die Abbildung einer Insel, gebannt auf vergilbtes Papier, von Rissen überzogen.

Julian streckte die Hand aus, zögerte. Dieses Bild berührte etwas in seinem Innersten. Er spürte eine tiefe Sehnsucht.

Mit aller Kraft zog er die Hand zurück. Er musste in die Schule. Seine Eltern würden es nicht zu schätzen wissen, wenn sein Klassenlehrer bei ihnen anrief. Gerade nach dem Gespräch gestern.

Und da war Milo, der in der Schule saß und darauf vertraute, dass Julian bald auftauchte. Er hatte die Hausaufgaben in Deutsch zwar nicht gemacht, aber das konnte er in der Pause erledigen.

Julians Rad lag auf dem Boden. Er wollte es schon aufheben. Stattdessen streifte er die Umhängetasche ab und legte sie daneben.

Da pulsierte der Stein auf seiner Brust. Wie ferngesteuert drehte Julian sich wieder dem Plakat mit der Insel zu. Sie wirkte fern und schön und traurig.

Er runzelte über sich selbst die Stirn. Wieso versah er eine Insel mit diesen Eigenschaften? Es war lediglich ein Ort. Und wenn er das Plakat so betrachtete, fleckig und vergilbt, dann ein sehr alter.

»Streck die Hand aus«, wisperte eine Stimme in seinem Innersten. »Berühre die Insel. Sie benötigt deine Hilfe.«

Womöglich brauchte Julian die fachliche Expertise seiner Mutter weitaus dringender als gedacht. Er fühlte sich, als stünde er an einem Kliff. Sein Verstand kämpfte gegen den Instinkt.

Bisher war er stets besser damit gefahren, auf sein Bauchgefühl zu vertrauen. (Nur nicht in Mathe.)

Ein letzter Atemzug.

Was konnte schon passieren?

Julian berührte mit seinen Fingern das Pergament. Nichts geschah. Er wollte die Hand zurückziehen, doch sie klebte fest. Er zog daran, aber irgendein Superklebstoff hatte seine Haut mit dem Papier geradezu verschmelzen lassen. Gleichzeitig begann unter seinem Pulli der Rubin zu leuchten. Das Glas, in das er eingefasst war, prickelte.

»Magglas«, echote es in seinem Geist.

Woher kannte er die Bezeichnung? Woher kam überhaupt das Halsband?

Ihm wurde schwindelig. Farbschlieren glitten über das Pergament und plötzlich war es der einzige Farbtupfen in einem Meer aus Schwarz, Weiß und Grau. Die Welt machte einen Satz, oben wurde zu unten.

Julian fiel.

Und krachte im nächsten Moment auf die Erde. Feuchte Erde. Irgendwo plätscherte Wasser, Blätter raschelten im Wind. Er war in das Bild gefallen, doch gleichzeitig verstand er aus irgendeinem Grund, dass es sich in Wahrheit um ein Portal gehandelt hatte. Eines, das ihn an einen weit entfernten Ort getragen hatte.

Julian erhob sich, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Seine Hosenbeine waren voller Erde, die Haut an der Hand etwas aufgeschrammt. Es war warm hier, nicht herbstlich wie in Berlin. Er schob die Ärmel des Pullis nach oben, atmete tief ein. Die Luft roch frisch und modrig zugleich, als sei die Insel gefangen zwischen zwei Richtungen, habe sich aber noch nicht entschieden, welchen Weg sie einschlagen wollte.

»Was ist nur los mit mir?«, flüsterte Julian. »Bilde ich mir das ein?«

Ein Zischen erklang.

Das Gebüsch teilte sich.

Vor ihm stand eine Kreatur mit menschlichem Körper. Die Haut war schwarz geschuppt. Dunkle Flüssigkeit tropfte von ihr herab. Lidlose Augen, geformt wie Schlitze, starrten ihn an. Die Finger bestanden aus langen Krallen.

»Shit«, entfuhr es ihm. »Das bilde ich mir bitte nur ein. Wäre total okay, jetzt aufzuwachen.«

Doch er wachte nicht auf.

Und die Kreatur glitt einem Raubtier gleich auf ihn zu.

Flucht

Träumte er? Hatte er einen halluzinogenen Stoff eingeatmet? Möglicherweise lag er auch in seinem Bett im Koma. Alles war möglich, aber nicht das: Eine Kreatur von gut zwei Metern, die einem Horrorfilm entsprungen schien, kam langsam auf ihn zu.

Julian war hintenübergestürzt und kroch nun rückwärts davon, den Blick auf das Ding fixiert. »Du bist nicht echt.«

Die Antwort war ein Zischen. Der Kopf der Kreatur neigte sich zur Seite. »Held.«

»Wäre das gut?«

»Tod.«

»Ich bin kein Held. Definitiv kein Held.« Julian kroch noch schneller zurück, soweit das eben auf den Ellenbogen möglich war.

Der Rubin auf seiner Brust glühte, fast glaubte er bereits, dass der Stein sich durch seine Haut brannte. Er schrie nur deshalb nicht, weil die Angst gerade dezent stärker zuschlug.

Das Geschöpf trug eine Art lederne Uniform mit einem breiten Gürtel. Darin steckte ein Schwert, das es jetzt hervorzog. Es bestand jedoch nicht aus Eisen.

»Malus-Glas«, wisperte die Stimme in Julians Geist.

Das Glas des Schwerts war von feinen Linien durchzogen. Genau wie Julians Amulett, nur war es von einer düsteren, stumpfen Farbe. Es verströmte eine zersetzende Kraft. Wie eine schwarze Flamme, die über Julians Haut tanzte.

Als hätte der Gedanke etwas ausgelöst, verwandelte sich Julians Angst von einem lähmenden Schock in pulsierende Energie. Wenn Julian nicht handelte, würde diese Klinge in Kürze in ihm stecken. Das Schwert fuhr herab, doch Julian hatte sich bereits herumgeworfen, kam auf die Beine und schlug sich in die Büsche. Geäst zerkratzte sein Gesicht, er stolperte über eine Wurzel. Einmal mehr krachte er der Länge nach hin. »Heute verbringe ich eindeutig zu viel Zeit am Boden.«

Ob er nun halluzinierte, schlief oder im Koma lag, Julian würde dieser Kreatur keinesfalls zu nahe kommen. Die Krallen allein genügten, einen Menschen von oben bis unten aufzuschlitzen. Dafür benötigte es gar kein extra Schwert. Trotzdem schien das Wesen seine Waffe zu mögen. Die Klinge fuhr durch die Luft, zerteilte Blätter und schnitt in die Rinde eines Baumes. Es hatte eindeutig nicht vor, ihn davonkommen zu lassen.

Der nächste Sturz erwies sich damit als lebensrettend.

Julian umrundete einen Stamm, tauchte zwischen zwei Büschen hindurch und machte einen Satz über den dahinterliegenden Bach. Die Kreatur stieß ein Brüllen der Wut aus, folgte ihm dichtauf. Er konnte ihren Blick in seinem Rücken spüren, den Atem im Nacken.

Wohin sollte er flüchten? Sich wo verstecken? Wo verdammt noch mal war er überhaupt?

Eine Insel, klar.

»Links«, wisperte eine Stimme.

Folgsam wandte er sich genau dorthin. Er war eindeutig verrückt, verwirrt, was auch immer. Da war tatsächlich eine Stimme in seinem Kopf. Rauchig und … fremd.

Erst drei Hechtsprünge weiter erinnerte er sich daran, dass besagte Stimme ihm auch geraten hatte, die Hand auf das Plakat zu legen. Eindeutig nicht der beste Ratgeber, aber was sollte er tun?