12,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 12,99 €
Weihnachten! Jahr für Jahr ist diese Zeit wieder ein Versprechen auf innere Einkehr, Hoffnung, Frieden und Licht, umgeben von einem ganz besonderen Zauber. Ob Advent, Heiligabend oder Wintersonnenwende – hinter diesen »Bräuchen« stecken tiefe spirituelle und zeitlose Botschaften. Seit wann es Krippe und Tannenbaum gibt, worin sich der Nikolaus vom Weihnachtsmann unterscheidet oder was Lucia mit Weihnachten zu tun hat: All das und noch viel mehr verrät Valentin Kirschgruber in seinem reich bebilderten Werk. Mit ausgewählten Erzählungen, Meditationen und Ritualen wird Weihnachten plötzlich magisch – und alles ist möglich.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
VALENTIN KIRSCHGRUBER
Magisches Weihnachten
Von der tiefen spirituellen Kraft des heiligen Fests
Magisches Weihnachten
Freuet Euch! Warum Weihnachten ein Grund zum Feiern ist
Über den Sinn von Festen und Traditionen
Die Wiederkunft des Lichts: Ein uralter Mythos
Wintersonnwende und Julfest
Die Geburt des Gottessohns
Friede sei mit euch!
Der Geist der Weihnacht: Über Nächstenliebe, Freude und Neubeginn
Das Fest der Nächstenliebe
Das Fest der Freude
Das Fest des Neubeginns
Traditionen und Bräuche: Über den Sinn und Ursprung von Krippe & Co.
Warum ist Weihnachten »X-mas«?
Krippe und Krippenspiel
Der Weihnachtsbaum
Das Fest der Geschenke
Nikolaus, Christkind oder Weihnachtsmann?
Lieder, Gedichte und Spiele: So wird das Warten aufs Christkind leichter
Lieder für die Stimmung
Weihnachtliche Spiele
Gedichte zum Fest
Davor, dabei und danach
Zeit der Feste: Von Advent bis Heiligabend
Advent – das Warten auf die Ankunft
Der Nikolaustag
Nikolausgedichte
Das Luciafest
Der Heilige Abend
Stephani
Zeit der Stille: Die Rauhnächte – von Stephani bis zum Dreikönigstag
Großmutter und die stade Rauhnachtszeit
Rauhnacht-Seelenreise
Rauhnachtsbräuche und Bauernregeln
Zeit des Neubeginns: Das Fest der Heiligen Drei Könige
Die Legende von den drei Weisen
Beliebte Dreikönigsbräuche
Ein frohes, gesegnetes Fest euch allen!
Register der Basteleien, Lieder & Co.
Warum Weihnachten ein Grund zum Feiern ist
Wenn die Tage dunkler wurden und der Schnee Hof und Wald bedeckte, begann eine geheimnisvolle Zeit, die nicht nur für uns Kinder der Höhepunkt des Jahres war. Weihnachten nahte! Kaum waren die Sommerferien vorbei gewesen, hatte das lange, sehnsüchtige Warten auf die Weihnachtszeit begonnen – zuerst kaum merklich; das Farbenwunder des Herbstes, die Spiele im Wald, all das überstrahlte zunächst noch die Erwartung des größten Festes. Doch spätestens im November, wenn meist schon der erste Schnee fiel, mit Allerheiligen und mit Martini, dem Fest des heiligen Martin am 11. November, begann die Vorfreude merklich zu wachsen.
An Martini endet ja das bäuerliche Jahr – viele Dinge, die mit der Landwirtschaft zu tun haben, werden nun abgeschlossen. Das Vieh wird von der Alm abgetrieben und kommt in den Stall, der erste Wein des Jahres wird verkostet … Bei den Landwirten begannen oder endeten früher an diesem Tag üblicherweise Verträge: Dienstboten, Knechte und Mägde wurden eingestellt oder entlassen, und vor allem Landpachtverträge hatten Martini als Anfangs- oder Endtag. Das ist selbst heute noch so, denn die Zeit um Martini ist eben das natürliche Ende des Arbeitsjahres für die Landwirte – es gibt zwar immer noch genug Arbeit, aber eben doch deutlich weniger. Früher war Martini auch der »Zinstag«: Die Steuern und die Entrichtung des »Zehnten« waren an diesem Tag fällig.
Stadtmenschen kommt das alles wahrscheinlich etwas antiquiert vor. Aber das Landleben war (und ist) eben viel naturverbundener und in vielerlei Hinsicht ehrlicher; auch wenn es körperlich manchmal hart war.
Doch zurück zu Martini: Für uns Kinder, aber wohl auch für viele Erwachsene waren die Feste dieser Zeit besonders wichtig. Kinder sind ja von Festen immer begeistert – und das Kind im Erwachsenen natürlich auch. Jetzt war die harte Arbeit mit der Ernte und dem Vieh vorbei, und es gab mehr Zeit zu feiern. Eine besondere Gaudi waren die Martinsfeuer – ein Vorgeschmack auf das nun immer näher rückende Fest des Lichts. Nur noch drei Wochen, bis der Advent begann. Nur noch vier Wochen bis zum Nikolaustag! Und dann, endlich, endlich, das lang ersehnte Weihnachtsfest.
Bei uns gab es damals fast immer eine weiße Weihnacht – weil unser Hof auf über 800 Metern Höhe lag und das Klima diesen Zauber noch nicht zunichtemachte. Und Weihnachten, Winter, Schlittenfahren, Abenteuer im verschneiten Wald, Geschichten abends in der kaminbeheizten Stube, Märchen, Sagen und Erzählungen, die meist Großvater vortrug, Geselligkeit und Besinnlichkeit, Kirchgänge und Feiertagsrituale – all das gehörte zusammen und wirkte den Zauber, der mich auch heute noch tief berührt, wenn ich an Weihnachten denke. Der Klang von Glöckchen, der Geruch von Zimtsternen, auch das Knirschen des Schnees unter den Füßen im Wald – all das ruft auch heute noch sofort ein warmes Gefühl in meinem Herzen wach und verbindet mich mit dem Weihnachtszauber meiner Kindheit. Ich höre die Stimme meiner Großmutter, die uns allerlei Rituale lehrte, und das Raunen meines Großvaters, wie er ein Märchen erzählt und wir Kinder uns dabei wohlig gruseln.
Den meisten Menschen, die mit den christlichen Bräuchen aufgewachsen sind, selbst wenn sie keine Christen sind, geht es sicher ebenso: Weihnachten ist eine ganz besondere Zeit.
Zu Weihnachten und ganz besonders zum Heiligen Abend gehört unbedingt die Weihnachtsgeschichte. In ihr offenbart sich viel von dem Zauber dieses Festes der Ankunft des Lichts. Natürlich kannten wir schon als kleine Kinder die Geschichte – schließlich wurde sie jedes Jahr in der Kirche vorgetragen, und Großvater erzählte sie daheim mit seiner volltönenden Stimme, um die ihn so mancher Schauspieler beneidet hätte. Auch wenn er ganz leise raunte, erfüllte seine Stimme doch die ganze Stube.
Und da die Weihnachtsgeschichte so sehr zum Weihnachtsfest gehört, möchte ich sie natürlich auch hier erzählen – ganz traditionell nach der Lutherbibel. Leider nicht mit der Stimme meines Großvaters – die muss man sich dazudenken.
Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt.
Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war, damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.
Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.
Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.
Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. Als sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten. Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.
Und als acht Tage um waren und man das Kind beschneiden musste, gab man ihm den Namen Jesus, wie er genannt war von dem Engel, ehe er im Mutterleib empfangen war.
Als Jesus geboren war in Bethlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenland und sind gekommen, ihn anzubeten.
Als das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem, und er ließ zusammenkommen alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes und erforschte von ihnen, wo der Christus geboren werden sollte. Und sie sagten ihm: In Bethlehem in Judäa; denn so steht geschrieben durch den Propheten (Micha 5,1): »Und du, Bethlehem im jüdischen Lande, bist keineswegs die kleinste unter den Städten in Juda; denn aus dir wird kommen der Fürst, der mein Volk Israel weiden soll.«
Da rief Herodes die Weisen heimlich zu sich und erkundete genau von ihnen, wann der Stern erschienen wäre, und schickte sie nach Bethlehem und sprach: Zieht hin und forscht fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr’s findet, so sagt mir’s wieder, dass auch ich komme und es anbete.
Als sie nun den König gehört hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war. Als sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut und gingen in das Haus und fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe.
Und Gott befahl ihnen im Traum, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren; und sie zogen auf einem andern Weg wieder in ihr Land.
Quelle: Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart: »Jesu Geburt«: Lk 2,1–21; »Die Weisen aus dem Morgenland«: Mt 2,1–12
Dieses Buch handelt von der Weihnachtszeit und ihren Festen. Viele schöne Bräuche und Traditionen wird man hier finden, Lieder, Gedichte, Sagen und Märchen, Anleitungen zum Basteln für die Weihnachtszeit und Interessantes zur Geschichte und zu den Ursprüngen des Weihnachtsfestes.
Doch ich möchte noch ein wenig darüber hinausgehen. Eine einfache Sammlung von Weihnachtsbräuchen ist sicher etwas Gutes. Nicht in allen Familien sind die alten Traditionen lebendig, manches hat man vielleicht vergessen – oder man möchte auch gern Altes neu beleben. Ich finde es aber ganz wichtig, auch über den tieferen Sinn alldessen zu sprechen und zu zeigen, dass das Wahren dieser Tradition weit mehr ist als ein einfaches »So hat man das immer schon gemacht«.
Warum feiern wir überhaupt Feste? Eigentlich feiern wir, wenn wir Christen sind, das Weihnachtsfest natürlich, um Jesu Geburt zu gedenken. Das ist jedoch nicht alles. Es beantwortet auch nicht die Frage, warum wir überhaupt Feste feiern. Aus purer Gaudi? Nun, warum nicht? Es ist ja sehr gut, fröhlich und guter Laune zu sein, Spaß zu haben und zu genießen. Aber warum haben sich manche Bräuche so lang gehalten? Wozu sind Traditionen gut? Sind sie in der heutigen Zeit überhaupt noch sinnvoll und angebracht?
Traditionen sind kein unnötiger Ballast. Hinter all unseren Traditionen, Bräuchen und Ritualen liegt ein tieferer Sinn. Um diesen Sinn zu erfassen, hilft es aber nicht, ein Ritual gedankenlos abzuspulen oder eine Tradition aus Pflichtgefühl weiterzuführen. Es gibt »heilige Zeiten« im Jahr, Zeiten, in denen unsere Seele besonders empfänglich für neue Impulse ist – und diese Zeiten sind nicht willkürlich festgelegt. Auch eines der größten Feste der Christenheit, Christi Geburt, das Weihnachtsfest, ist nicht rein zufällig auf die Zeit der Wintersonnwende gelegt worden. (Christus wurde übrigens nicht wirklich am 24. Dezember geboren. Doch darüber werden wir später noch sprechen.)
Ja, es gibt etwas Tiefergehendes, das alle großen Feste, alle heiligen Zeiten des Jahres widerspiegeln. Nicht selten sind es wiederkehrende Ereignisse in der Natur, zu deren Zeitpunkt die Feste stattfinden. Meist haben sie eine astronomische (nicht zu verwechseln mit astrologische!) Bedeutung. Was sie jedoch besonders auszeichnet, ist ihre Kraft, unsere Seele und unser Herz zu berühren. Sie gemahnen uns an unsere Aufgabe in dieser Welt: dass wir unsere Seele entfalten und entwickeln und das Wertvolle kultivieren. Und diese Aufgabe ist keine Bürde, die uns auferlegt wurde, sondern ein Geschenk und ein Quell der Freude. Und bei welchem Fest sieht man das wohl besser als beim Weihnachtsfest?!
Ich finde es sehr interessant, dass schon unsere Vorfahren, die noch keine Christen waren, um die Weihnachtszeit herum verschiedene Feste feierten. Deshalb möchte ich hier zeigen, dass die Wurzeln des schönsten und beliebtesten unserer Feste sehr weit zurückreichen.
Selbstverständlich gab es auch in vorchristlicher Zeit Feiern, Mythen und Bräuche – die im Laufe der Zeit vielleicht andere Namen und Deutungen bekamen, jedoch nie gänzlich vergessen wurden. Ich möchte versuchen, Ihnen die Augen dafür zu öffnen, dass die heiligen Tage der Weihnachtszeit nicht zufällig etwas Besonderes sind – und auch nicht etwas Einmaliges wie die Geburt Jesu Christi –, sondern dass ihnen ein tiefer, das menschliche Wesen berührender Sinn innewohnt und dass die alten Traditionen es wert sind, in Erinnerung behalten, bewahrt, neu entdeckt und weitergegeben zu werden.
Traditionen und Bräuche werden von Generation zu Generation weitergegeben. Das ist wichtig. Und es ist auch selbstverständlich, sonst wäre es ja keine Tradition. So wurzeln Bräuche im Laufe der Zeit immer tiefer im gemeinsamen Unterbewusstsein – wir wachsen mit den Bräuchen auf, wir lernen und wachsen an den Bräuchen und Traditionen, und sie geben uns Halt.
Das ist auch der Grund dafür, warum gerade in der heutigen Zeit – in der die Orientierung immer schwieriger wird, in der immer mehr Menschen nicht mehr wissen, wo sie stehen – Traditionen und Bräuche so wertvoll sind.
Das Zusammenwachsen der Menschheit durch weltumspannenden Handel, Verkehr und Internet hat durchaus gute Seiten. Menschen können mit anderen Menschen in der ganzen Welt kommunizieren – und das erweitert ganz sicher den Horizont. Und es stiftet ein wenig Frieden: Wenn sich Menschen unterschiedlichster Herkunft verstehen, wird es schwerer, sich zu bekriegen. Ich sehe nur ein Problem darin, dass diese Bewusstseinserweiterung nicht selten auf Kosten der eigenen Wurzeln geht.
Meine Lieblingsspeisen sind ein rescher Schweinebraten, als Nachtisch frische Erdbeeren und frisch gebackenes Roggenbrot, selbst gesammelte Schwammerl und reines Quellwasser oder auch mal ein gutes Bier – köstlich. Mir läuft schon das Wasser im Mund zusammen. Aber wer würde auf die Idee kommen, alles in einen Mixer zu stecken, weil’s dann noch besser schmeckt, wenn alles Gute zusammenkommt? Gräuslich wär’s!
Das Bewahren der Tradition ist wertvoll. Doch dazu müssen wir schon wissen, was wir da überhaupt überliefern wollen. Etwas auf eine bestimmte Art und Weise zu tun, nur weil die Vorfahren es so getan haben – das reicht nicht. Wir sitzen ja glücklicherweise auch nicht mehr in Höhlen und knabbern an rohen Mammutknochen. Ich meine, ein guter Weg ist der Weg der Freude. Die entscheidende Frage lautet: Bereichert das, was wir in einem Brauch tun, unsere Seele?
Warum sollten wir irgendwelche Dinge tun, die uns keine Freude bereiten, nur weil unsere Großväter es so gemacht haben? Gerade junge Menschen stellen sich natürlich diese Frage. Manche kommen zu dem Schluss, dass Bräuche und Traditionen sinnlos und überholt sind – sie haben den tieferen Sinn der Bräuche nie erfahren. Wenn man Bräuche nur aufrechterhält, »weil man das schon immer gemacht hat«, ist das zu wenig. Nun gut, es hat zumindest den Vorteil, dass wenigstens ein Teil des Brauchtums bewahrt wird – und den, dass Bräuche Gemeinschaft stiften. Aber ist das alles? Gemeinschaft stiftet ja eigentlich jeder Verein oder Club. Ich habe nun überhaupt nichts gegen Vereine – aber steckt da wirklich nicht mehr hinter unseren Traditionen?
Ich meine, dass sich viel mehr dahinter verbirgt. Doch dazu gehört, dass die Bräuche und Traditionen lebendig bleiben. Und wenn etwas lebendig ist, verändert es sich auch. Aus einem Menschen wird kein Esel oder Kamel, auch wenn man das manchmal meinen mag. Aber aus einem Kleinkind wird ein Schulkind, aus dem Schulkind ein Jugendlicher, aus dem Jugendlichen ein Erwachsener, aus dem Erwachsenen ein weiser Alter – hoffentlich! Wenn aber gar keine Veränderung und kein Wachstum mehr stattfinden, dann kommt … ja, was wohl? Der Tod!
Auch der Tod ist etwas Natürliches, gehört zum Kreislauf des Lebens und ist nicht zu fürchten. Doch Lebendigsein bedeutet Veränderung. Auch bei Bräuchen und Traditionen. Das heißt nun nicht, dass wir die Form von Bräuchen auf Teufel komm raus verändern sollten. Aber wachsen und bewusst bleiben müssen sie. Nur wenn Rituale und Traditionen uns innerlich berühren und bereichern, wenn wir, zumindest intuitiv, ihren Sinn begreifen, nur dann sind sie wirklich lebendig.
Unsere Vorfahren entdeckten einst das Feuer. Das war ein großer Schritt in der Geschichte der Menschheit. Und es wurde Tradition, das Feuer weiterzugeben, um es nicht immer wieder neu entfachen zu müssen. Wäre es nicht ein lachhaftes Missverständnis gewesen, wenn unsere Vorfahren die Asche angebetet und an die Nachfahren weitergereicht hätten?
Das wäre eine tote Tradition. Eine lebendige, gelebte Tradition gibt aber eben nicht das Tote weiter, sondern das Lebendige, nicht die Asche, sondern das Feuer.
Unsere Traditionen bleiben nicht durch Vorschriften und Regeln lebendig, nicht durch sinnentleerte Rituale und starrsinniges Beharren, sondern durch das Entzünden an der Flamme im Herzen! Wenn wir unsere Traditionen weitergeben wie eine Flamme, dann werden sie nicht erlöschen, sondern brennen und Licht und Wärme spenden.
Ein uralter Mythos
Jesus erklärte: »Ich bin das Licht der Welt.« Die Geburt Jesu ist also auch die Geburt des Lichts.
Das klingt vielleicht sehr religiös und ein wenig esoterisch – aber wie passend ist es doch, dass das Weihnachtsfest, an dem die Geburt Jesu Christi gefeiert wird, in diese Zeit, Ende Dezember, gelegt wurde. Denn es ist in gewisser Weise tatsächlich die »Geburt des Lichts«. Ich meine damit nicht die religiöse und spirituelle Bedeutung, die Jesu Ausspruch natürlich auch hat. Selbst wenn wir überhaupt nichts über Jesus wüssten, niemals von Christus und Weihnachten gehört hätten, würden wir sehr wahrscheinlich dennoch von der Geburt des Lichts sprechen! Denn um diese Zeit herum wird das Licht, also nicht das geistige, spirituelle, religiöse Licht, sondern das Licht, was wir mit unseren Augen sehen, »wiedergeboren«. Es ist nämlich die Zeit der Wintersonnwende.
2020
21. Dezember
11:02 Uhr
2021
21. Dezember
16:47 Uhr
2022
21. Dezember
22:44 Uhr
2023
21. Dezember
04:30 Uhr
2024
22. Dezember
10:12 Uhr
2025
22. Dezember
16:47 Uhr
Der Ursprung der Winterfeste liegt in ferner Vergangenheit. Aber die Vergangenheit unterscheidet sich nicht so sehr von der Gegenwart, wie wir manchmal glauben. Die wesentlichen Dinge bleiben gleich. Und als unsere Vorfahren die Wintersonnwende feierten, taten sie das eben zu der Zeit, in der die Hoffnung wieder erwacht – zur Wintersonnwende. In der belebten Natur scheint alles im Tiefschlaf und still, doch am Firmament zeigt sich die Wende: Das Dunkle, das seit September, der Herbst-Tagundnachtgleiche, immer mehr an Macht gewonnen hat, ist nun mit seiner Kraft am Ende. Und in dem Maße, in dem die Dunkelheit an Macht verliert, gewinnt das Licht allmählich wieder an Stärke. Die Tage werden endlich wieder länger und die Nächte kürzer.
Von der Sommersonnwende, Ende Juni, bis zur Wintersonnwende werden die Tage immer kürzer. Zunächst kaum merklich, schließlich ist der Sommer gerade dabei, sich voll zu entfalten. Im Juli und August liegen ja bei uns die wärmsten Tage des Jahres. Die Tage, an denen die Kinder jubeln, weil die Schule erst einmal für lange, lange Zeit vorbei ist – so kommt es ihnen vor; für uns Erwachsene ist der Sommer ja im Nu vergangen. Das Baden im See, das Spielen im Wald und auf dem Feld genießen die Kinder in vollen Zügen.
Doch die Tage werden kürzer. Im September merkt man es schon deutlich. Jede Nacht ist ein wenig länger als die vorangegangene. Die Sonne geht später auf, und es scheint, als würde es plötzlich viel zu früh dunkel. Ende September sind dann Tag und Nacht gleich lang. Und es wird kälter. Die Ernte wird eingefahren, und wir feiern das Erntedankfest. Kälte und Dunkelheit nehmen immer mehr zu. Die Nächte sind nunmehr länger als die Tage; und sie werden immer länger, während die Tage immer kürzer werden. Die Natur zieht sich zurück. Die Zeit und die Natur bekommen eine andere »Farbe«. Es wird erst bunt, dann immer trüber. Und spätestens im November ist nicht mehr zu übersehen, dass der Winter kommt. Wir feiern Allerheiligen und Allerseelen und gedenken unserer Ahnen.
Doch inmitten des Trüben keimt die Hoffnung auf. Die Vorfreude auf die Neugeburt des Lichts erwacht. Schon unsere Vorfahren wussten, dass es nun nicht mehr lang dauern wird, bis der Tiefpunkt erreicht ist und das Licht mit der Wintersonnwende wieder zunimmt. Und die Christenheit freut sich auf das Weihnachtsfest und die Geburt des Lichts der Welt.
Lange bevor wir Weihnachten kannten, gab es bei unseren keltischen und germanischen Vorfahren schon ein Fest: das Mittwinter-, Yule- oder Julfest, an dem die Wintersonnwende gefeiert wurde. Wir spüren in unserer modernen Welt nicht mehr, was für ein wichtiges Ereignis es ist, dass nun die Tage wieder länger werden. Doch für die Alten war es wirklich ein Anlass zu feiern. Das Licht wurde wiedergeboren!
Wir wissen heute nicht so genau, ob unsere Weihnachtsbräuche zum Teil keltische oder germanische Ursprünge haben. Einiges deutet darauf hin: der Baum, der im Mittelpunkt steht, das Datum, an dem gefeiert wird, die Betonung der Bedeutung des Lichts …
Manchmal ist es ganz interessant, sich Sprache genau anzusehen. Da kann man interessante Dinge entdecken.
Es ist recht bekannt, dass Weihnachten in Skandinavien heute »Jul« oder »Jol« heißt, im Englischen gibt es »Yule«, im Niederländischen »Joel« und im Finnischen »Joulu«. Und wenn man nun auch noch weiß, dass Odin, der germanische Göttervater, den Beinamen »Jólnir« hatte, dann zeigt sich, dass der Name des Julfestes offenbar direkt auf der germanischen Mythologie basiert. Jol war das Fest zu Ehren Jólnirs, Odins, des Göttervaters.
Natürlich denkt heute niemand an ein heidnisches Fest, wenn er »Julfest« hört. Das muss ja auch gar nicht sein. Doch ich finde es immer wieder interessant zu sehen, wie sich alte Traditionen, und sei es auch noch so versteckt, erhalten.
Die Feiern zu Ehren Odins zelebrierten natürlich – zumindest auf den ersten Blick – etwas völlig anderes als das Weihnachtsfest. Es gab keinen Nikolaus, kein Christkind, keinen Weihnachtsmann, keinen Weihnachtsbaum und auch – das ist wohl das Schlimmste – keine Geschenke. Bei unseren Vorfahren wurde vor allem gezecht. Nicht einmal Bier, schon gar nicht nach dem Reinheitsgebot gebrautes, sondern Met, ein alkoholisches Getränk aus Honig und Wasser, das einen richtigen Rausch und gewaltiges Kopfweh macht. Ganz anders bei uns. Oder? Nun, immerhin gibt es in Skandinavien auch heute noch das zeremonielle Biertrinken zur Julzeit.
Bedeutet es denn überhaupt etwas, dass die Wintersonnwende schon lange vor dem Weihnachtsfest gefeiert wurde? Man kann ja nicht behaupten, dass ein Saufgelage von kriegerischen Nordmännern im Bärenfell dasselbe ist wie die Feier der Geburt des Gottessohnes und Erlösers. Wenn man das so sagt, klingt es wirklich unsinnig. Und natürlich sind die beiden Feste nicht identisch, das ist ja ganz klar. Nur: Wirklich interessant wird es, wenn wir uns statt der Unterschiede einmal die Gemeinsamkeiten ansehen. Und mit den Gemeinsamkeiten meine ich nicht, dass auch bei uns an Weihnachten manchmal viel zu viel Alkohol getrunken wird.
Die Frage ist, was hier eigentlich tatsächlich gefeiert wird? Wie kamen die Menschen dazu, »Weihnachten« zu feiern, als es unser Weihnachten noch gar nicht gab? Warum gerade da?