Makellose Täuschung: Ein Fall für Argyll und di Stefano - Band 3 - Iain Pears - E-Book
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Makellose Täuschung: Ein Fall für Argyll und di Stefano - Band 3 E-Book

Iain Pears

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Beschreibung

Hat Schönheit stets einen tödlichen Preis? Der rasante Kriminalroman »Makellose Täuschung« von Iain Pears jetzt als eBook bei dotbooks. Es ist mehr als ein Vermögen wert – und spurlos verschwunden … Als aus einem römischen Museum ein Gemälde verschwindet, droht ein internationaler Skandal: Die Landschaft von Claude Lorraine war eine Leihgabe des Louvre, und die italienische Regierung will auf keinen Fall in die höchst unangenehme Lage gebracht werden, ein astronomisches Lösegeld zahlen zu müssen. Gerade jetzt käme Kommissarin Flavia di Stefano daher jede Hilfe recht – doch ihr Mann, der britische Kunstexperte Jonathan Argyll, hat gerade ganz andere Probleme: Er muss das Geheimnis eines Bildes lüften, das die jungfräuliche Empfängnis zeigt – und dieses Geheimnis ist möglicherweise mörderisch … »Wunderbar geschrieben – mit diesen Figuren würde ich gerne einen Abend verbringen! Und noch dazu versteht Pears es meisterhaft, das Lebensgefühl des strahlenden Roms einzufangen.« Bestsellerautorin Donna Leon Jetzt als eBook kaufen und genießen: der Kriminalroman »Makellose Täuschung« von Iain Pears mit den charismatischen Ermittlerin Flavia di Stefano und Jonathan Argyll. Wer liest, hat mehr vom Leben! dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Es ist mehr als ein Vermögen wert – und spurlos verschwunden … Als aus einem römischen Museum ein Gemälde verschwindet, droht ein internationaler Skandal: Die Landschaft von Claude Lorraine war eine Leihgabe des Louvre, und die italienische Regierung will auf keinen Fall in die höchst unangenehme Lage gebracht werden, ein astronomisches Lösegeld zahlen zu müssen. Gerade jetzt käme Kommissarin Flavia di Stefano daher jede Hilfe recht – doch ihr Mann, der britische Kunstexperte Jonathan Argyll, hat gerade ganz andere Probleme: Er muss das Geheimnis eines Bildes lüften, das die jungfräuliche Empfängnis zeigt – und dieses Geheimnis ist möglicherweise mörderisch …

»Wunderbar geschrieben – mit diesen Figuren würde ich gerne einen Abend verbringen! Und noch dazu versteht Pears es meisterhaft, das Lebensgefühl des strahlenden Roms einzufangen.« Bestsellerautorin Donna Leon

Über den Autor:

Iain Pears, geboren 1955 im englischen Coventry, studierte in Oxford und arbeitete später in Rom und Paris als Korrespondent der Nachrichtenagentur Reuters. Heute ist er als Journalist und Kunsthistoriker bekannt – und als Autor hochgelobter Kriminalromane und historischer Romane. Sein internationaler Bestseller »Urteil am Kreuzweg« wurde in 15 Sprachen übersetzt.

Bei dotbooks veröffentlichte Iain Pears die Romane »Urteil am Kreuzweg« und »Scipios Traum« sowie die Kriminalromane rund um den Kunsthistoriker Jonathan Argyll und die Kommissarin Flavia di Stefano: »Giottos Handschrift«, »Caravaggios Erben« und »Die makellose Täuschung«.

***

eBook-Neuausgabe Juli 2020

Die englische Originalausgabe erschien 2000 unter dem Titel »The Immaculate Deception« bei HarperCollins Publishers, London. In Deutschland erschien dieses Buch auch unter dem Titel »Diabolische Täuschung« im Knaur Taschenbuch.

Copyright © der englischen Originalausgabe 2000 by Iain Pears

Copyright © 2004 der deutschsprachigen Erstausgabe by Knaur Taschenbuch. Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2020 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung mehrerer Bildmotive von shutterstock/anyaivanova, Janson.art, U-Design

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)

ISBN 978-3-96655-005-5

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Iain Pears

Makellose Täuschung

Kriminalroman

Aus dem Englischen von Klaus Fröba

dotbooks.

Für Michael und Alexander

Kapitel 1

Eines Morgens – es war ein samtweicher römischer Morgen, an dem die Sonne den Schleier aus Kohlenmonoxyd und Schmutzpartikeln durchdrang und dem Tag einen freundlichen, frischen Anstrich verlieh – steckte Flavia di Stefano in einem Verkehrsstau fest, der an der Piazza del Popolo begann und irgendwo nahe der Piazza Venezia endete. Jemand mit hinlänglich dickem Fell hätte sich durch dieses alltägliche Ärgernis nicht aus der Ruhe bringen lassen, sondern mit einer Art blasierter Gelassenheit den Blick auf die Umgebung genossen. Zumal dann, wenn er zu dem kleinen Kreis derer zählte, die einen Mercedes samt Chauffeur herbeizitieren können, um sich auf Steuerzahlers Kosten hinter dunkel getönten Scheiben durch die Stadt kutschieren zu lassen. Noch kleiner freilich war die Schar der Auserwählten, die es in relativ jungen Jahren zum Leiter oder zur Leiterin (wenn auch nur zur kommissarischen) einer der angeseheneren Abteilungen der italienischen Polizei gebracht haben – mit eigenem Budget, Personal und Spesenkonto. Und kaum einer dieser Wenigen nutzte die privilegierte Möglichkeit motorisierter Fortbewegung dazu, sich in aller Frühe zum Palazzo Chigi fahren zu lassen, dem Amtssitz des italienischen Ministerpräsidenten, vor allem, wenn er ohne den blassesten Schimmer, worum es ging, erst am Vorabend telefonisch erfahren hätte, dass der Ministerpräsident ihn dringend zu sprechen wünsche.

Genau darin lagen Flavias Problem und der Grund für die hektischen Aktivitäten, die sie an diesem sonnigen Morgen entwickelt hatte, wobei sie alles, was rings um sie kreuchte und fleuchte, mit Nichtachtung strafte.

Es fing damit an, dass der Kragen ihrer Bluse scheußlich scheuerte, was sie ebenso qualvoll wie nachdrücklich an ihre geringe Erfahrung und ihr umso größeres Bedürfnis erinnerte, um jeden Preis einen guten Eindruck zu machen.

Statt sich an den Frühstückstisch zu setzen, eine Scheibe Toast zu knabbern und einen Schluck Kaffee zu trinken, schwirrte sie wie eine aufgescheuchte Hornisse durch die Wohnung, duschte, widmete sich der Wahl ihrer Kleidung und legte verschwenderisch Make-up auf, um es kurz darauf in einer Anwandlung von Trotz wieder zu entfernen und sodann – ihrem angegriffenen Nervenkostüm zuliebe – erneut aufzulegen.

Und um das Maß der Torheiten voll zu machen, stand sie dann am Fenster, starrte auf die kleine Piazza, wartete bangen Herzens auf die Ankunft ihres Dienstwagens, überprüfte dabei ein ums andere Mal den Inhalt ihres Aktentäschchens und durchlebte im Geiste einen Alptraum, in dem sie mit gerafftem Mantel durch Roms Straßen hetzte, um ja pünktlich zu sein, sich dabei auf dem Kopfsteinpflaster den Absatz abbrach und schließlich außer Atem und mit zerzaustem Haar ankam.

Aus und vorbei war's mit dem guten Eindruck, den sie machen wollte, die Karriere von einer Sekunde zur anderen ruiniert. Und das alles nur, weil ein vertrottelter Chauffeur dort unten nicht vorfuhr. Das Schlimmste war, dass sie sich sterbenselend fühlte: der Magen wie umgedreht, der Rest nicht zu gebrauchen. Irgendein Bazillus. Vermutlich eine Grippe. Oder ein Anfall von Nervenschwäche. Irgendwas in der Art. Es gab Tage, da kam alles zusammen, sie kannte das.

»Flavia, hör auf, so herumzuzappeln! Du machst mich nervös.« Jonathan Argyll, der nahezu zehn Jahre ihr Freund, Bett- und Tischgenosse gewesen und seit nunmehr vier Wochen ihr Ehemann war, saß am Frühstückstisch und versuchte, die Zeitung zu lesen. »Es ist doch nur der Ministerpräsident.«

Flavia fuhr herum und sah ihn finster an.

Argyll griff nach dem Marmeladenglas und versicherte ihr, ehe sie ihm sagen konnte, was sie von seiner Vorliebe für skurrile Scherze hielt, in ruhigem Ton: »Ich versuche keineswegs, die Sache ins Lächerliche zu ziehen. Du weißt so gut wie ich, dass Hiobsbotschaften immer von Subalternen übermittelt werden. Außerdem hast du in letzter Zeit keine gravierenden Fehler begangen. Dir ist kein Raphael abhanden gekommen, kein Michelangelo runtergefallen, und du hast, soweit ich weiß, auch auf keinen Senator geschossen, oder?«

Sie bedachte ihn abermals mit einem finsteren Blick.

»Demnach hast du nichts zu befürchten«, fuhr er fort und stand auf, um tröstend den Arm um sie zu legen. »Zumal soeben dein Wagen vorgefahren ist.«

Er zeigte nach unten, winkte dem Fahrer, den er vom Sehen kannte, fröhlich zu und ermahnte Flavia, als sie im Mantel und mit dem Aktentäschchen unter der Tür stand: »Nicht vergessen: Immer schön ruhig bleiben!«

»Ich denke unentwegt daran.«

Ruhig bleiben!, redete sie sich eine halbe Stunde später selbst zu und sah dabei zum weiß der Himmel wievielten Male auf die Uhr. Rund einen Kilometer vor dem Ziel im Stau gefangen – und bereits fünf Minuten zu spät. Ein Vorteil war, dass ihr das Schaukeln des Wagens nicht länger auf den Magen schlug. Gewöhnlich machte ihr das nichts aus, aber heute reagierte sie eben auf alles empfindlich.

Schön ruhig bleiben!, hämmerte sie sich noch einmal ein. Und gab im Stillen Bottando die Schuld an ihrer Nervosität. Ihr früherer, inzwischen zu höheren Weihen berufener Chef gehörte zu den Leuten, die sich darin gefallen, für alle Lebenslagen angeblich unumstößlich gültige Regeln aufzustellen. Und die Erinnerung an solche Aphorismen kann dann im unpassendsten Augenblick zu Sodbrennen führen.

»Politiker«, hatte er einmal doziert, als sie nach einem ausgedehnten Lunch beim Brandy beisammensaßen, »können einem den ganzen Tag vergällen. Minister sogar die ganze Woche.«

»Und Ministerpräsidenten?«, hatte sie gefragt.

»Ministerpräsidenten? Oh, die können einem das ganze Leben vergällen.«

Ein Bonmot, dem sie aus nahe liegenden Gründen im Moment wenig Tröstliches abgewinnen konnte. Sie spielte kurz mit dem Gedanken, sich nach vorn zu recken, um zu sehen, ob es nicht doch irgendwo eine Lücke gab, durch die sie sich an dem Stau vorbeimogeln konnten. Was sie aber bleiben ließ, eingedenk einer anderen Bottandoschen Lebensregel, die besagte: Lass dir nie anmerken, dass du nervös bist! Schon gar nicht vor Chauffeuren, die zu den notorischsten Klatschmäulern auf diesem Planeten gehören. Also ergab sie sich mit gequälter Miene in ihr Geschick, lehnte sich zurück, seufzte tief und fasste den Vorsatz, sich nicht weiter selber auf die Nerven zu gehen. Und just in diesem Moment sprang die Ampel auf Grün, die Blechlawine setzte sich in Bewegung, und vor ihnen tauchte der Palazzo Chigi auf. Sie durften ohne alle Formalitäten passieren, gelangten durch das imposante hölzerne Tor in den Innenhof, und Minuten später wurde Flavia in den Vorraum zum Vorzimmer jenes Büros geleitet, in dem Antonio Sabauda – seit nunmehr immerhin neun Monaten Ministerpräsident – Audienz zu halten pflegte. Geschlagene vierzehn Minuten zu spät.

Ihr Schutzengel war jedoch nicht untätig gewesen und hatte es ihr zuliebe so gefügt, dass Sabauda noch später dran war. Was in den folgenden vierzig Minuten ihre Meinung über notorisch unpünktliche Leute nachhaltig untermauerte. Und als schließlich die Tür zum Allerheiligsten geöffnet und sie hereingebeten wurde, war ihre Bereitschaft zu unterwürfigem Respekt vollends verflogen, ihr Magen hatte sich beruhigt und ihr Ego wieder auf den Normalzustand eingependelt.

Sie stöckelte in das erstaunlich schlicht eingerichtete Büro, bedauerte nachträglich, dass sie so viel Lippenstift aufgetragen hatte, tauschte mit dem Ministerpräsidenten einen eher beiläufigen Händedruck und nahm, noch ehe er sie dazu einlud, in einem der Sessel Platz. Was scherte sie Sabauda? Sie hatte ihn nicht gewählt.

Er sammelte ein paar erste Pluspunkte hei ihr, weil er sich Anmerkungen über ihr Alter ebenso verkniff wie Anspielungen darauf, dass sie eine Frau war, und als er dann auch noch auf jeglichen Smalltalk verzichtete, rutschte er auf ihrer persönlichen Sympathieskala ein gehöriges Stück nach oben. Was er sich allerdings gleich wieder verscherzte, als er seine Überraschung darüber äußerte, dass Bottando sich nicht persönlich herbemüht habe. Sie musste ihn darüber aufklären, dass die Abteilung jetzt von ihr, nicht mehr von General Bottando geleitet wurde.

»Aber er ist doch immer noch mit der Leitung der Abteilung beauftragt, oder?«

»Nominell. Nur, er spielt in unserer Dienststelle keine aktive Rolle mehr. Er bereitet dieses europäische Spitzentreffen vor, und dafür braucht er seine ganze Zeit.«

»Und vermutlich noch mehr seine ganze Geduld«, sagte der Ministerpräsident mit der Andeutung eines Lächelns. »Ich verstehe. Und ich bin sicher, dass wir bei Ihnen in guten Händen sind, Signora. Ich hoffe es jedenfalls. Ich fürchte nämlich, dass wir gerade mit einer Krisensituation konfrontiert sind. Ich würde Ihnen gern mehr darüber sagen, kenne mich aber mit den Details nicht so gut aus wie Dottore Macchioli. Der wiederum ist gerade erst eingetroffen. Was übrigens der Grund dafür ist, dass Sie bedauerlicherweise so lange warten mussten.«

Aha, dachte Flavia, damit ist alles klar. Guglio Macchioli war einer jener liebenswerten Zeitgenossen, die das Unheil geradezu magisch anziehen. Niemals pünktlich, wie sehr er sich auch darum bemühte, und immer auf Kollisionskurs mit irgendwelchen leblosen Objekten, die sich ihm auf wundersame Weise in den Weg zu stellen schienen, war er das Musterbeispiel eines weltentrückten Gelehrten. Was seiner fachlichen Kompetenz keinen Abbruch tat, wie Jonathan ihr versichert hatte, der von solchen Dingen mehr verstand als sie. Seine Berufung zum Direktor der Nationalgalerie hatte er dagegen, zumindest nach Bottandos Meinung, einer wundersamen Fügung zu verdanken. Sein Vorgänger – umtriebig, dynamisch und von der Idee besessen, den angestaubten Museumsbetrieb in die Moderne zu führen – war im Gefängnis gelandet. Die Gründe für seine Inhaftierung hatten einigen Staub aufgewirbelt, und so war Macchioli, der nicht nur jeglicher Versuchung zu widerstehen, sondern sie nicht mal als solche zu erkennen vermochte, der unter den gegebenen Umständen nächstliegende Kandidat gewesen. Ein Mann, dem man nicht auf die Finger sehen musste, der Fachwissen und Belesenheit einbrachte und sich den Traditionen der Museumsverwaltung nach alter Väter Sitte verpflichtet fühlte. Zweifellos eine allseits geschätzte Persönlichkeit, aber völlig hilflos, wenn es darum ging, sich gegen die Winkelzüge von Bürokraten zu wehren, die ständig seinen Etat beschneiden wollten, ungeübt auf dem Parkett, das ihm Zugang zu potenziellen Mäzenen eröffnet hätte, und nicht in der Lage, mit dem Schlendrian und Missmanagement in seinem Museum auf z u räumen.

Und außerdem zutiefst unglücklich, schloss Flavia aus dem nervösen Gehabe, das er an den Tag legte. Die Art, wie er sich der Fahrradklammern entledigte und sie in den ausgebeulten Taschen seines schäbigen Anzugs verschwinden ließ, war geradezu entlarvend.

Macchioli setzte sich, schaffte es keine Sekunde lang, die Hände ruhig zu halten, und schaute bedrückt drein, als Flavia und er einander vorgestellt wurden.

»Vielleicht sollten wir jetzt anfangen?«, versuchte ihn der Ministerpräsident aus der Reserve zu locken.

»Oh – äh – ja«, sagte Macchioli geistesabwesend.

»Sie haben, soweit ich weiß, ein Problem, über das Sie dir Signora unterrichten wollen.«

Es schien Macchioli nahezu übermenschliche Anstrengung zu kosten, den Grund für dieses Treffen preiszugeben, als ahne er, dass er, sobald er ihn ausgesprochen hatte, unweigerlich in einen Strudel unerfreulicher Konsequenzen hineingerissen würde. Er wiegte sich vor und zurück, zog den Kopf zwischen die Schultern, rieb sich die Nase, und dann, nachdem er sich einen Ruck gegeben hatte, brach es plötzlich aus ihm heraus: »Mir fehlt ein Bild. Das heißt, dem Museum. Es wurde gestohlen.« Flavia sah ihn verdutzt an. Sie konnte seine Aufregung verstehen. Peinliche Sache, sich ein Bild klauen zu lassen. Trotzdem, das konnte nicht das Problem sein. Bilder wurden dauernd gestohlen, so oft, dass die erforderlichen Maßnahmen zur alltäglichen Polizeiroutine gehörten. Man rief die Polizei an, diese kam, tat ihre Arbeit und vergaß das Ganze, weil gestohlene Kunstwerke gewöhnlich nie wieder auftauchten. Wie gesagt, reine Routine. Das einzig Ungewöhnliche war, dass sich der Ministerpräsident persönlich engagierte.

»Ich verstehe«, versuchte sie Macchioli zu ermuntern, aber der alte Knabe verstand dies nicht als Aufforderung fortzufahren, sondern verfiel wieder in bedrücktes Schweigen.

»Sage und schreibe fünf Jahre«, nahm er schließlich einen neuen Anlauf, »haben wir in die Vorbereitungen dieser Ausstellung investiert. Wir wollten damit einen kulturellen Beitrag zur italienischen EU-Präsidentschaft leisten, die in vierzehn Tagen beginnt. Sie wissen schon, Gemälde aus allen Epochen europäischen Kunstschaffens. Aber ich fürchte, gewissen Kreisen ...« Er versuchte sich mit gehetztem Blick der Rückendeckung durch den Ministerpräsidenten zu versichern. »... gewissen Kreisen war daran gelegen, das Ereignis in eine nationalistisch gefärbte Demonstration umzumünzen.«

»Quasi, um diskret an unseren Beitrag zur europäischen Kultur zu erinnern«, warf Sabauda säuselnd ein.

»Das hat es uns nicht gerade leichter gemacht, Leihgaben aus dem Ausland zu erhalten«, fuhr Macchioli fort und fügte nach kurzem Nachdenken hinzu: »Was allerdings nicht unbedingt in ursächlichem Zusammenhang mit dem – äh – Ungemach steht, das über uns hereingebrochen ist.«

Der Ministerpräsident, der bisher mehr Geduld bewiesen hatte, als sein Ruf erwarten ließ, seufzte vernehmlich. Was Macchioli augenblicklich dazu veranlasste, sich auf das aktuelle Problem zu konzentrieren.

»Wie auch immer, es ist uns letztendlich gelungen, alle Bilder zu bekommen, die wir ausleihen wollten. Die meisten von italienischen Institutionen, versteht sich, aber es waren auch etliche Leihgaben ausländischer Museen und privater Sammlungen dabei, von denen viele nie zuvor in unserem Land gezeigt worden sind.«

Flavia gab sich nicht so viel Mühe wie Sabauda, ihre Ungeduld zu kaschieren. »Das ist mir doch alles längst bekannt, Dottore. Wir arbeiten bei den Vorbereitungen seit Jahren mit Ihnen zusammen. Sie erinnern sich vielleicht, dass einige meiner Leute letzte Woche den Transport der ersten Leihgaben vom Flughaften zum Museum eskortiert haben.«

»Oh ja. Und um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Ihre Leute haben das ausgezeichnet gemacht. Ganz ausgezeichnet. Nur, unglücklicherweise ...«

»Das Bild, das Ihnen gestohlen wurde – war das eine der Leihgaben?«

Macchioli nickte.

»Wann?«

»Gestern. In der Mittagszeit.«

»In der Mittagszeit? Und wieso erfahre ich erst jetzt etwas davon?«

»Nun, Sie werden verstehen ... Es war eine sehr unangenehme Situation, ich wusste anfangs nicht recht, wie ich mich in so einem Fall verhalten soll.«

»Vielleicht sollte ich die Signora kurz ins Bild setzen«, griff der Ministerpräsident ein, nachdem ihm bei einem raschen Blick auf seine Uhr klar geworden war, dass die Unterredung womöglich den ganzen Tag dauern würde, wenn Macchioli bei seinen Erläuterungen in diesem Schneckentempo fortfuhr. »Bitte korrigieren Sie mich, falls ich Details falsch wiedergebe. Meines Wissens wurde das Bild gestern um halb zwei Uhr mittags gestohlen. Ein maskierter Mann setzte mit einem Kleintransporter rückwärts in die Lagerhalle, bedrohte die dort anwesenden Arbeiter mit der Waffe, zwang sie, das Bild samt Rahmen in seinen Wagen zu laden, und fuhr weg. Ist das so richtig?«

Macchioli nickte.

Flavia rutschte unruhig auf ihrem Sessel hin und her, den Mund bereits halb offen, um die fälligen Anmerkungen über unwiederbringlich verlorene Zeit, kalt gewordene Spuren und Ähnliches loszuwerden.

»Ihre Abteilung, Signora, wurde nicht verständigt, weil der Täter eine Nachricht hinterlassen und ausdrücklich verlangt hatte, die Polizei nicht einzuschalten.«

»Das Ganze läuft also auf den Versuch einer räuberischen Erpressung hinaus?«

Macchioli zuckte die Achseln. »Nicht unbedingt. In der Nachricht hieß es lediglich, dass wir zu gegebener Zeit Näheres hören werden. Womit vermutlich die Höhe des Lösegeldes gemeint ist.«

»Wahrscheinlich. Um was für ein Gemälde handelt es sich eigentlich?«

Macchioli zögerte, dann sagte er zerknirscht: »Um einen Claude Lorrain. Landschaft mit Kephalos und Prokris.« Flavia stutzte. »Doch hoffentlich nicht der Lorrain? Das Bild, bei dessen Ausleihe unsere Regierung mit einer offiziellen Sicherheitsgarantie interveniert hat?

Macchioli nickte beklommen.

Nun verstand Flavia, warum er so aufgeregt war. Es ging zwar nicht um ein singuläres Meisterwerk – einen Raphael oder dergleichen –, aber ihr persönlich hatten Lorrains Bilder immer gut gefallen. Und in diesem speziellen Fall handelte es sich um ein Gemälde mit so bewegter Vergangenheit, dass angesichts seiner Reputation als eines der meistgestohlenen Bilder die Frage nach der Qualität zweitrangig war.

Sie rekapitulierte im Geiste die Stationen, soweit sie ihr aus Jonathans privater Kurzvorlesung in Erinnerung geblieben waren. Gemalt um 1630 für einen italienischen Kardinal. Vom Herzog von Modena vereinnahmt, als er es nach einer Schlacht im Wagenpark der geschlagenen gegnerischen Armee entdeckte. Einige Jahre danach von einem französischen General geklaut. Während der Französischen Revolution geraubt und nach Holland verkauft. Dort von Napoleon entdeckt und abermals geklaut. In den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts von professionellen Dieben gestohlen, in den Vierzigern von den Deutschen und in den Fünfzigern und den Sechzigern wieder von gewöhnlichen Gaunern. Woraufhin der entnervte Eigentümer es an den Louvre verkaufte, in der Hoffnung, dass es dort gelingen werde, es besser zu bewachen. Und diese Hoffnung war tatsächlich nicht enttäuscht worden, allerdings allem Anschein nach nur, bis das Bild in Italien eingetroffen war.

»Oh mein Gott«, murmelte sie.

Offenbar das Stichwort, auf das der Ministerpräsident gewartet hatte. »Nun werden Sie verstehen, in welcher misslichen Lage wir uns befinden. Insbesondere ich, da ich mich persönlich für die Sicherheit des Bildes verbürgt habe. Aber davon ganz abgesehen, soll die Ausstellung in der Nationalgalerie einer der kulturellen Höhepunkte unserer Präsidentschaft sein. Es wäre wirklich sehr schlimm, wenn da etwas schief ginge. Und wenn die Sache bekannt wird, ist alles schief gegangen. Es könnte sogar sein, dass andere ihre Leihgaben zurückziehen. Und selbst wenn es nicht so weit kommt, unser Ruf wäre auf jeden Fall ernsthaft beschädigt. Stellen Sie sich vor, was es da für ein Gerede gäbe! Wir wären vor aller Welt blamiert.«

Flavia nickte. »Also bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als zu zahlen, sobald der Erpresser Ihnen seine Lösegeldforderung präsentiert.«

»Der einzige Haken ist, dass das illegal wäre. Wenn wir Leute dafür einsperren, dass sie Lösegeld für die Freilassung ihrer Frauen und Kinder zahlen, können wir kaum ein Auge zudrücken, wenn's um ein Gemälde geht.«

Schweigen lastete über dem Zimmer. Flavia hatte das dunkle Gefühl, dass Sabauda und Macchioli von ihr einen realistischeren Vorschlag erwarteten.

»Darf ich das so verstehen, dass ich versuchen soll, das Bild irgendwie aufzuspüren?«

»Normalerweise wäre ich Ihnen für dieses Anerbieten sehr dankbar, aber in diesem Fall nicht. Wie viele Leute würden Sie für eine solche Aktion benötigen?«

Sie dachte einen Moment nach. »Wenn Sie einen schnellen Erfolg wünschen: alle, die wir haben. Was nicht bedeutet, dass ich den Erfolg garantieren kann.«

»Könnten Sie wenigstens garantieren, dass die Presse keinen Wind davon bekommt?«

»Ja, für etwa sechs Stunden.«

»Sehen Sie. Aber in solchen Fällen ist absolute Diskretion das A und O. Selbst wenn Sie Erfolg hätten und das Bild in kurzer Zeit wieder beschaffen könnten – am angerichteten Schaden würde das nichts ändern.«

»Dann muss ich gestehen, dass ich mit meinem Latein am Ende bin. Sie wollen kein Lösegeld zahlen, und ich soll nicht nach dem Bild suchen. Was soll ich dann eigentlich für Sie tun?«

»Wir können kein Lösegeld zahlen. So etwas darf auf keinen Fall mit dem Segen der Regierung geschehen. Wenn Geld fließt, darf es nicht das Geld des Steuerzahlers sein. Und es darf kein Regierungsbeamter in den Geldtransfer verwickelt sein. Habe ich mich hinlänglich klar ausgedrückt?«

Oh ja. Schließlich hatte Flavia nicht umsonst jahrelang verfolgt, wie Bottando seine so genannten Aktionen am Rande der Legalität abwickelte.

Aber sie hielt es für besser, sich begriffsstutzig zu stellen. »Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht ganz folgen.«

»Sie werden alle personellen und materiellen Ressourcen nützen, um das Bild aufzuspüren und wieder zu beschaffen. Aber das wird ohne jedes öffentliche Aufsehen geschehen. Und eines möchte ich unmissverständlich klar machen: Ich kann und werde Lösegeldzahlungen nicht billigen. Jedenfalls nicht aus öffentlichen Mitteln.«

»Aha.«

»Sollten diese Kriminellen aber von anderer Seite bezahlt werden – sagen wir, von jemandem, der in der irrigen Annahme, es zum Wohle der Allgemeinheit zu tun, sogar bereit wäre, eine Gesetzwidrigkeit zu begehen ... nun, das könnte ich dann zu meinem größten Bedauern nicht verhindern.«

»Ich verstehe.«

»Sie halten mich über den Fortgang Ihrer Ermittlungen auf dem Laufenden und erhalten, sobald sich Fortschritte abzeichnen, weitere Instruktionen. Abschließend möchte ich nicht versäumen, noch einmal die unabdingbare Notwendigkeit absoluter Diskretion zu betonen.«

»Das bedeutet, dass ich meiner Arbeit quasi mit gebundenen Händen nachgehen soll.«

»Ich bin sicher, Sie werden das schaffen.«

»Und falls ich zufällig eine andere Möglichkeit entdecke, das Bild wieder zu beschaffen?«

»Dann schließen Sie rasch die Augen. Ich möchte nicht das Risiko eingehen, dass irgendetwas über diese Sache an die Öffentlichkeit dringt.« Er stand auf. »Ich denke, das wäre fürs Erste alles. Wie gesagt: Unterrichten Sie mich über alle Fortschritte! Täglich, wenn ich bitten darf.«

Zwei Minuten später standen Flavia und Macchioli im Vorraum des Vorzimmers zum Büro des Ministerpräsidenten – sie noch ein wenig irritiert, der Museumsdirektor in verzagtes, düsteres Grübeln versunken.

»Also gut«, sagte sie nach einer Weile, »ich glaube, Sie sollten mir jetzt etwas genauer schildern, was sich gestern eigentlich abgespielt hat.«

Macchioli zuckte zusammen. »Wie meinen?«

»Dieser Überfall. Der bewaffnete, maskierte Mann. Erinnern Sie sich?«

»Oh – ja. Was möchten Sie wissen?«

»Wie ich mit diesen Leuten Kontakt aufnehmen kann. Wenn ich ihnen Geld aushändigen soll, muss ich wissen, wie ich an sie rankomme.«

Macchioli starrte sie verständnislos an. »Geld aushändigen? Was meinen Sie damit? Ich dachte, Sie wären gerade angewiesen worden, dergleichen nicht zu tun?«

Flavia seufzte. Das Problem mit Macchioli war, dass er keine Ader für die Spielarten der Unaufrichtigkeit hatte. Er glaubte allen Ernstes, sie hätten die ganze Zeit in Sabaudas Büro gesessen, um sich am Schluss anzuhören, dass kein Geld gezahlt würde. Was natürlich alles noch komplizierter machte.

»Vergessen Sie's, war nicht wichtig«, sagte sie. »Diese Nachricht, von der Sie sprachen ... war darin nichts über die Möglichkeiten einer Kontaktnahme erwähnt?«

»Nein.«

»Dürfte ich das Schreiben mal sehen?«

»Es liegt in meinem Büro.«

Sie kam sich vor, als redete sie mit einem bockigen Kind. »Warum fahren wir dann nicht einfach hin?«

»Hier ist es«, sagte Macchioli, der während der ganzen Fahrt stumm wie ein Fisch neben ihr gesessen hatte. »Nicht gerade sehr informativ.«

Flavia nahm das Blatt Papier. Auf Fingerabdrücke oder andere verräterische Spuren brauchte sie jetzt nicht mehr zu achten. Im Übrigen hatte Macchioli Recht: Eine Analyse erübrigte sich. Nach dem ersten Blick zu urteilen, ein Computerausdruck. Das Einzige, was Eindruck auf sie machte, war der karge Umgang mit Worten. Gerade mal fünf waren es.

Sie lehnte sich zurück und dachte nach. Sagte ihr der Text irgendetwas? »Sie werden von mir hören.« Nun, einen Computer hatte heute fast jeder. Standarddruckerpapier, wie es Tag für Tag millionenfach verbraucht wurde. Nein, der Wisch verriet ihr nichts. Jedenfalls nichts, was der Verfasser sie nicht wissen lassen wollte.

»Was können Sie mir über die näheren Umstände des Überfalls erzählen?«, fragte sie Macchioli.

Der schüttelte betrübt den Kopf. »Da bleibt wenig zu sagen, was ich Ihnen nicht bereits erzählt habe. Ein kleiner Transporter, wie ihn Gemüse- und Obsthändler gewöhnlich benutzen. Ein Mann, der sich als Leonardo da Vinci verkleidet hatte ...«

»Was?«, fiel sie ihm verblüfft ins Wort. Der Mann tat ja gerade so, als wimmele es in seinem Museum tagtäglich von Besuchern in der Maske von Renaissancemalern oder Barockpäpsten.

»Sie wissen schon, so ein Kostüm, wie man es in Partyläden kaufen kann. Mit der passenden Kopfbedeckung dazu. Und natürlich die Pistole. Wollen Sie die sehen?« Flavia verzog keine Miene. Es wäre ihr irgendwie unschicklich vorgekommen, schon wieder verblüfft auszusehen. »Reden Sie von der Pistole?«

»Er hat sie beim Wegfahren fallen lassen. Das heißt, genau genommen hat er sie als Wurfgeschoss benutzt. Er wollte sie dem Arbeiter, der ihm heim Verladen geholfen hat, an den Kopf werfen. Das war, nachdem er die Pralinen verteilt hatte.«

»Pralinen?«, fragte sie mit halb erstickter Stimme.

»Ja. In kleinen Schachteln. Belgische, glaube ich. Sie wissen schon, wie man sie in Delikatessläden kaufen kann. Mit einer Schleife auf dem Deckel.«

»Natürlich. Und wo sind die?«

»Wer?«

»Die Pralinen.«

»Die haben die beiden Lagerarbeiter gegessen.«

»Ich verstehe. Vermutlich war ihr Blutzuckerspiegel durch den Schock dramatisch abgesunken. Und sonst gab es keine Gewalttätigkeiten?«

»Nein.«

»Also gut. Dann möchte ich jetzt mit den zwei Lagerarbeitern sprechen.«

»Ja, das sollten Sie unbedingt tun.«

»Wie meinen Sie das?«

»Nun, schließlich muss ihnen jemand einschärfen, dass sie über den Vorfall Stillschweigen bewahren sollen.«

»Haben Sie das noch nicht getan?«

»Doch. Aber auf mich hört ja keiner.«

Flavia seufzte. »Also schön, holen Sie sie her! Danach können Sie mir die Waffe zeigen.«

Sie entschied sich für die harte Tour. Nicht nur, weil der Tag von Anfang an verkorkst und sie nicht in der Stimmung für Samthandschuhe war, sondern auch, weil sie wusste, dass manche Männer dazu neigen, Frauen nicht ganz ernst zu nehmen, insbesondere dann, wenn es junge Frauen sind. Eine innere Ahnung sagte ihr, dass Museumspacker wahrscheinlich zu dieser Kategorie Männer gehören.

»So«, begann sie, als die beiden hereingekommen waren und Platz genommen hatten, »was ich euch jetzt sage, werde ich nur einmal sagen. Ich leite das Dezernat für Kunstkriminalität und untersuche den Raub dieses Gemäldes. Ihr beide seid die Hauptverdächtigen – habt ihr das kapiert?«

Sie antworteten nicht, aber nach den schlagartig blass werdenden Gesichtern zu schließen, hatten sie's kapiert. »Ich lege Wert darauf, das Bild schnell zurückzuhaben. Und gewisse Leute, die mehr zu sagen haben als ich, legen noch mehr Wert darauf, dass das ohne großes Aufsehen geschieht. Sollte es doch welches geben – mit anderen Worten: Erfährt jemand, was sich gestern hier abgespielt hat, und finde ich heraus, dass ihr beide die undichte Stelle wart, werde ich persönlich dafür sorgen, dass ihr a) wegen Beihilfe zu einem Verbrechen in den Knast wandert, b) wegen Verschleierung und Behinderung der polizeilichen Ermittlungen dort bleibt, c) euren Job im Museum verliert und d) nirgendwo einen neuen findet. Ist das klar?«

Die Männer wurden noch eine Spur blasser.

»Um diesem beklagenswerten Schicksal zu entgehen, müsst ihr lediglich euern Mund halten. Es gab keinen Bilderraub, ihr wisst von nichts, gestern ist hier nichts Ungewöhnliches vorgefallen. Das mag euch schwer fallen, aber ihr werdet sehen, dass sich nichts so sehr lohnt wie eisernes Schweigen. Habe ich mich klar und verständlich ausgedrückt?«

Sie war nicht gerade stolz auf die Nummer als kalt berechnender Staatsbüttel, die sie gerade abgezogen hatte. Normalerweise hielt sie nichts davon, Unschuldige mit leeren Drohungen einzuschüchtern, zumal jeder, der seine fünf Sinne beisammen hatte, ihr Gerede schnell als Unsinn entlarven und merken konnte, dass sie ihnen in Wirklichkeit gar nichts anzuhaben vermochte. Aber dazu reichte der Grips der beiden anscheinend nicht. Sie konnte nur hoffen, dass sie wenigstens verstanden hatten, was sie von ihnen wollte, und sich daran hielten.

Nun, das würden die nächsten Tage zeigen. Was sich dagegen bereits jetzt abzeichnete war, dass die beiden, Gott sei's geklagt, weil sie nun mal keine Geistesheroen waren, sicher keine brauchbaren Zeugen abgaben. Sie konnte ihnen kaum Informationen entlocken, die über das hinausgingen, was sie bereits aus Macchiolis spärlicher Schilderung wusste. Das Einzige, was sie zusätzlich beisteuerten, war der Hinweis, dass der Transporter weiß, kein Fiat und groß genug gewesen sei, um einen Lorrain darin zu verstauen. Der Mann, um den es ging, sollte angeblich mittelgroß gewesen sein und – in dem Punkt waren sie allerdings nicht ganz sicher – einen möglicherweise römischen Akzent gehabt haben.

Flavia brach die Anhörung nach zwanzig Minuten ab und entließ die beiden Lagerarbeiter, nicht ohne sie noch einmal eindringlich zu strengster Verschwiegenheit zu ermahnen.

Dann führte Macchioli sie zu dem Safe, in dem er die Pistole aufbewahrte – in einem Plastikbeutel, eine Idee, auf die er augenscheinlich besonders stolz war.

»Das ist sie«, sagte er und legte sie vorsichtig auf seinem Schreibtisch ab. »Wir können von Glück sagen, dass sie beim Aufprall auf dem Boden nicht losgegangen ist.«

Flavia war zum Heulen zumute. Manche Tage sind so scheußlich, dass man nicht weiß, wie man sie durchstehen soll. Sie zückte ihr Taschentuch, hob die Pistole damit hoch, betrachtete sie eine Weile und setzte sie sich dann an die Schläfe.

»Vorsichtig, Signora!«, rief Macchioli erschrocken

Sie bedachte ihn mit einem leidenden Blick, schloss die Augen und krümmte zum namenlosen Entsetzen des Museumsdirektors den Zeigefinger um den Abzug.

Wie eine spätere Analyse ergab (das heißt, eigentlich war eine opernbegeisterte Büroangestellte ihrer Abteilung dahinter gekommen), ertönte statt des Abschussknalls dank einer im Griffstück verborgenen Vorrichtung eine flotte Version von Verdis »Teco io sto, Gran Dio« aus dem zweiten Akt von Ein Maskenball.

Flavia öffnete die Augen, zuckte die Achseln und warf die Pistole auf den Schreibtisch.

»Sollte es uns gelingen, den Laden ausfindig zu machen, der vor kurzem ein Leonardo-da-Vinci-Kostüm und eine Plastikpistole mit Geräuscheffekt an einen Mann verkauft hat, der mit zwei Schachteln Pralinen in den Laden spaziert ist, könnte das möglicherweise eine erste Spur sein«, sagte sie, schob die Pistole wieder in den Plastikbeutel und stand auf. »Ich lasse Sie's gegebenenfalls wissen.«

Fünf Minuten später saß sie im Fond ihres Dienstwagens, murmelte düster vor sich hin und traf schließlich eine Entscheidung. Anderen mit strengen Worten auf die Seele zu binden, dass sie ja den Mund halten sollten, war eine Sache. Sie aber musste jetzt irgendwo Luft ablassen. Und so wies sie ihren Fahrer an, sie zum Büro der Europäischen Union zu bringen.

Kapitel 2

Obwohl es das zentrale Thema des Morgens gewesen war, kreisten Flavias Gedanken während der Fahrt nicht um den zur unpassendsten Zeit verschwundenen Lorrain, sondern um ihren alten Chef, General Taddeo Bottando, den armen Tropf, der sein Dasein nun in diesem tristen Außenbezirk fristete: ein gut dotiertes Exil inmitten von Bürohochhäusern, Architektur der dreißiger Jahre und Ödland, in dem die Zeit stillzustehen schien. Seit einem Jahr residierte er schon hier, versetzt zu irgendeiner europäischen Behörde mit pompösem Namen und damit so weit weg vom lebendigen Pulsschlag der Polizeiarbeit, wie es eben in einem so gottverlassenen Winkel zu erwarten war. Einen solchen Arbeitsplatz sollte man nur Bankern zumuten, dachte sie. Nicht mal ein gepflegtes Restaurant gab es, in das man zur Lunchzeit flüchten konnte. Dabei war Bottando ein Mann, dem ein guter Lunch über alles ging.

Während das Dezernat für Kunstkriminalität in einem zwar heruntergekommenen, aber schönen alten Gebäude untergebracht war, unter ständiger Budgetenge litt und dennoch von quirliger Aktivität erfüllt war, saß Bottando in einem protzigen, nach Geldverschwendung riechenden und dabei potthässlichen, seelenlosen Bürokratenbunker. Allein um diesen betreten zu dürfen, musste man sich Sicherheitsprozeduren unterziehen, wie sie sonst nur hei Regierungsstellen üblich waren, deren Arbeit etwas mit Staatsgeheimnissen zu tun hatte. Alle liefen schrecklich korrekt gekleidet herum, die Teppichböden waren daumendick, die elektrisch gesteuerten Türen glitten lautlos auf und zu, überall summten Computer. Ein Paradies, von dem Polizisten nur träumen konnten. Die technischen Ressourcen hätten glatt ausgereicht, um es mit der ganzen Welt aufzunehmen. Armer, armer Mann, dachte Flavia.

Aber Bottando machte wie immer, wenn sie sich trafen, tapfer gute Miene zum bösen Spiel, und auch Flavias aufmunterndes Lächeln gehörte zu dem Ritual, mit dem sie sich gegenseitig vorgaukelten, alles sei in bester Ordnung. Er erzählte von überaus wichtigen Aufgaben seiner Behörde, die kurz vor dem erfolgreichen Abschluss stünden, und sie machte scherzhafte Bemerkungen über das viele Geld, das der europäische Integrationsprozess verschlang. Was sie nie ansprachen war, dass er von Mal zu Mal älter aussah und seine Konversation eine Spur teilnahmsloser, seine Scherze müder und seine aufgesetzt gute Laune ein bisschen gezwungener wirkten.

Er war nicht mehr mit dem Herzen dabei, hielt sich häufiger auswärts als hinter seinem Schreibtisch auf und nahm, wie es schien, immer öfter Urlaub. Offensichtlich schraubte er das Tempo herab und bereitete sich auf den Abgang vor. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis Urlaub für ihn zum Dauerzustand wurde. In ein paar Jahren war er reif für den Ruhestand – ein Gedanke, den er auf seinem alten Posten weit von sich gewiesen hätte. Nur, hier gab es nichts, wovon er sich zur Ruhe setzen konnte. Und er gehörte nun mal zu den Leuten, für die Beruf und Ansehen das Lebenselixier sind.

Mit seiner Versetzung hierher hatte er beides verloren. Und das war wohl die Absicht gewesen, die dahinter steckte: ihn in den Ruhestand zu treiben, indem man ihm zu einem Leben in ruhigeren Bahnen verhalf. Offenbar war er mittlerweile dazu bereit, zumindest halbwegs, sonst hätte er mehr gekämpft. Schließlich war er gewöhnt, größere Schlachten gegen hartnäckigeren Widerstand zu schlagen. Vielleicht hatte er schlichtweg genug. Flavia kam neuerdings ziemlich oft hierher, nicht weil sie Bottandos Rat suchte, sondern wegen des Gefühls, er könne ihren brauchen. Was sie anging, so leitete sie die Abteilung seit einem Jahr und kam ohne Bottando über die Runden. Und nicht nur das, sie fand sogar, dass sie ihre Sache gut mache und keiner stützenden, schützenden Hand mehr bedürfe. Anfangs hatte sie sich eng bei Bottando angelehnt, aber das musste sie nun nicht mehr. Sie war sicher, dass ihm das längst klar war und er sich darüber freute. Vor ein paar Monaten, bei seinem letzten Besuch in der Abteilung, hatte er zwar in alten Akten und Ordnern mit Hintergrundmaterial geblättert, aber natürlich nur, um die Bestätigung dafür zu finden, dass alles gut lief – davon war sie überzeugt. Und sie hatte auch sofort gewusst, dass es für sein Auftauchen keinen konkreten Anlass gab. Wenn Bottando beinahe den ganzen Nachmittag blieb, ab und zu eine Seite las, herumtrödelte, auf dem Flur ein Schwätzchen hielt und sich danach Zeit für einen Drink nahm, dann gab es nur einen Grund dafür: Er war in seinem eigenen Büro nicht ausgelastet. Hoffentlich beschlich ihn nicht hin und wieder der Verdacht, dass sie insgeheim Mitleid mit ihm hatte.

Nun, diesmal brauchte sie keinen besonderen Vorwand für ihren Besuch. Das Schiff, das sie steuern musste, trieb auf stürmische See und tückische Untiefen zu, da konnte man schon ein wenig Navigationshilfe brauchen. Sie wusste zwar im Voraus, was er ihr raten würde, aber das genügte ihr nicht, sie musste es aus seinem Mund hören.

Bottando kam ihr bis auf den Flur entgegen, um sie mit liebevollen Küsschen links und Küsschen rechts zu begrüßen, und war sichtlich um eine angenehme Atmosphäre bemüht. »Meine liebe Flavia – welch eine Freude, Sie hier zu sehen! Es kommt leider viel zu selten vor, dass Sie sich zu uns in die Provinz verirren. Was kann ich für Sie tun? Denn ich nehme doch an, dass Sie nicht nur gekommen sind, um sich am Anblick einer ordentlich geführten Behörde zu erfreuen?«

Sie lächelte. »Ich sehe natürlich immer gern, wie man's richtig macht. Aber dieses Mal bin ich tatsächlich gekommen, um Ihren reichen Erfahrungsschatz anzuzapfen. Schenken Sie mir davon ein – premier cru, wenn ich bitten darf.«

Bottando brummte geschmeichelt. »Stets zu Diensten, wenn es gilt, dem jugendlichen Enthusiasmus ein Goldkorn Altersweisheit beizusteuern. Ich hoffe nur, dass es diesmal um ein echtes Problem geht und nicht nur um eines, das Sie zurechtgebastelt haben, damit ich mir nicht so überflüssig vorkomme.«

Verdammt, er hatte es gemerkt. Flavia litt augenblicklich unter einem schlechten Gewissen.

»Sie haben mal zu mir gesagt, Ministerpräsidenten könnten einem das ganze Leben vergällen.«

»Das können sie wahrhaftig. Insbesondere, wenn man ihnen in die Quere kommt. Aber was haben Sie denn mit Ministerpräsidenten zu schaffen?«

Nach einer kurzen Vorbemerkung über die Verpflichtung zur Verschwiegenheit, die ihr auferlegt worden war, erzählte sie ihm alles.

Bottando hörte aufmerksam zu, kratzte sich das Kinn, starrte zur Decke hoch und ließ, je weiter sie in ihrem Bericht kam, um so öfter sein typisches Brummen einfließen – ganz wie in alten Zeiten, wenn sie irgendwelche Probleme erörtert hatten. Und ihr fiel auch auf, dass allmählich, wenn auch ganz verstohlen, der funkelnde Glanz von einst in seine Augen zurückkehrte – ähnlich wie bei einer verbeulten alten Taschenlampe, der man eine neue Batterie eingesetzt hat.

»Aaah«, machte er genüsslich, als sie fertig war, lehnte sich zurück und ließ sich ihre Geschichte auf der Zunge zergehen. »Tja, da versteht sich's, dass Sie eine zweite Meinung hören wollen. Eine höchst verzwickte Konstellation.«

»Eben. Die erste Frage, die mich quält, ist natürlich, warum das ganz oben so viel Interesse findet. Ich meine, eine über Nacht anberaumte Besprechung mit dem Ministerpräsidenten, nur wegen eines Gemäldes?«

»Ich vermute, es geht ihm darum, beim EU-Präsidium keinen schlechten Eindruck zu machen«, sagte Bottando nachdenklich. »Ich erinnere mich, dass dem Thema Verbrechensbekämpfung hohe Priorität eingeräumt werden soll. Und da tut sich der gute Sabauda natürlich schwer, über Sicherheit zu predigen, wenn alle anderen die ganze Zeit über verstohlen grinsen. Kein Politiker macht sich gern zum Trottel. In dem Punkt sind sie alle sehr empfindlich. Darum verwechseln sie ihr Ego so oft mit dem nationalen Interesse.«

»Mag sein. Aber mich wurmt, dass ich, falls irgendetwas schief läuft, und das könnte unter den gegebenen Umständen leicht der Fall sein, plötzlich allein im Regen stehe.«

»Woraus ich schließe, dass es keine schriftliche Marschorder gibt?«

Flavia schüttelte den Kopf und las aus Bottandos selbstgefälligem Nicken ein stummes Hab-ich's-doch-geahnt. Eine kleine Denkpause, dann erging er sich in hypothetischen Überlegungen. »Mal angenommen, es geht etwas schief. Die Sache kommt in die Presse, es gibt einen Riesenskandal. Dann behauptet ein höchst ungehaltener Ministerpräsident, er habe Sie persönlich angewiesen, alles andere hintan zu stellen und sich auf die Wiederbeschaffung des Gemäldes zu konzentrieren. Ist das Ihre heimliche Sorge?«

Sie nickte.

»Oder noch schlimmer: Die Wahrheit kommt scheibchenweise ans Licht. Ein aufgebrachter Ministerpräsident gibt seiner Empörung darüber Ausdruck, dass eine hochrangige Mitarbeiterin der Polizei herumläuft und anonyme Spenden für die Lösegeldzahlung einsammelt.« Flavia nickte abermals. »Wofür ich ins Gefängnis wandern könnte.«

»Das kann passieren, meine Liebe. Zwei Jahre. Nicht mitgerechnet die Zeit, die man Ihnen eventuell wegen Korruption und konspirativer Machenschaften aufbrummt.«

»Und wenn alles gut endet?«

»Wenn alles gut geht und Sie das Bild wiederbeschaffen, haben Sie lediglich getan, wofür Sie bezahlt werden, und niemand verliert auch nur ein Wort darüber. Aber Sie wüssten, dass der Ministerpräsident – ein Mann, der viele Feinde hat und dessen unter Beweis gestellte politische Zählebigkeit nicht unterschätzt werden sollte – bei einem gesetzwidrigen Vorgehen beide Augen zugedrückt hat, und zwar lediglich im Interesse seines internationalen Ansehens. Und solches Wissen kann mitunter gefährlich sein. Er wird sich sagen, dass Sie mit der nötigen Skrupellosigkeit möglicherweise irgendwann Druck auf ihn ausüben könnten. Also wird er eine latente Gefahr in Ihnen sehen und entsprechende Gegenmaßnahmen vorbereiten. Und wenn Sie dann eines Tages den Mund aufmachen, kann er sich nach dem bewährten Strickmuster von der armen verwirrten Frau, die Skandalgeschichten erfindet, weil sie wegen Inkompetenz entlassen wurde, zur Wehr setzen. Oder er hängt Ihnen Korruption an – oder grob ungebührliches Verhalten oder irgendwas in der Art. Was dazu führt, dass Sie niemand mehr ernst nimmt. Wie ich gesagt habe: Ministerpräsidenten können einem das ganze Leben vergällen.«

Flavia spürte, wie ihr Herz bei Bottandos Worten einen Rutsch nach unten machte. Natürlich war ihr alles, was er sagte, selber klar gewesen, aber dass er ihr die nackte Wahrheit so unverblümt ins Gesicht sagte, trug nicht gerade zu ihrer moralischen Stärkung bei.

»Und was empfehlen Sie mir?«

Bottando brummte. »Da wird's noch schwieriger. Welche Optionen bleiben Ihnen denn? Eine nicht zurückzuverfolgende, gezielte Indiskretion gegenüber der Presse, gefolgt von dem öffentlichen Versprechen, nicht zu ruhen und zu rasten, bis die ungeschminkte Wahrheit ans Licht gekommen ist – und so weiter? Damit hätten Sie zwar die Gefahr gebannt, belangt zu werden und im Gefängnis zu landen, sich aber mit absoluter Sicherheit die volle Wucht des Sabaudaschen Zorns und das Ende einer hoffnungsvollen Karriere eingehandelt. Sollten Sie also lieber tun, was Ihnen aufgetragen wurde? Eine aus vielerlei Gründen untaugliche Idee, besonders weil zu erwarten ist, dass Macchioli unter Eid aussagen würde, Ihnen sei ausdrücklich aufgetragen worden, keinen Cent zu zahlen.«

»Da bleibt nicht mehr viel, oder?«

»Nein, im Moment nicht. Übrigens – dieses Geld, mit dem das Gemälde zurückgekauft werden soll, woher soll das kommen?«

»Keine Ahnung. Vielleicht spaziert eines Tages ein stinkreicher Patriot mit dem Scheckheft in mein Büro.«

»Nun, es hat schon größere Überraschungen gegeben. Nehmen wir an, das Geld gelangt irgendwann auf wundersame Weise in Ihre Hände. Was dann?«

»Dann kaufe ich das Bild zurück. Und knöpfe mir anschließend die Verantwortlichen vor. Denn die könnten schließlich so etwas wieder tun.«

Bottando schüttelte den Kopf. »Keine gute Idee. Sie müssen vor allem immer schön in der Deckung bleiben. Tun Sie, was Ihnen aufgetragen wurde, nichts anderes.«

»Das Problem liegt leider darin, dass ich nicht genau weiß, was mir aufgetragen wurde.«

»Ich versuche, Ihnen lediglich nahe zu legen, dass Sie, wenn jemand ein falsches Spiel mit Ihnen treibt, ebenfalls mit gezinkten Karten spielen sollen. Ein kluger Schachzug könnte es zum Beispiel sein, ihr Verständnis von der Anweisung des Ministerpräsidenten in Gegenwart eines Anwalts schriftlich niederzulegen, sodass Sie nötigenfalls nachweisen können, von welcher Auftragslage Sie ausgegangen sind.«

Flavia verschanzte sich hinter einem Brummen – ganz ähnlich dem, das Bottando früher ausgestoßen hatte, wenn sie ihm einen abwegigen Vorschlag unterbreitet und er sich bemüßigt gesehen hatte, den aus Erfahrung bedachtsamen Vorgesetzten herauszukehren. Der General erkannte den Brummlaut wieder und signalisierte durch ein Lächeln, dass er sich ertappt fühlte.

Auf einmal hatte er seinerseits Mitleid mit Flavia. Beruflicher Aufstieg und die damit verbundene Verantwortung haben eben auch ihre Schattenseiten. Und am schattigsten ist es dort, wo man vorsichtig sein muss und sich nicht aus der Verantwortung stehlen kann.